Derzeit wird in Österreich wieder einmal heftig über die Werbetätigkeit von Regierungsmitgliedern (auf Bundes- und Landesebene) und öffentlichen Unternehmen diskutiert. Schon vor gut einem halben Jahr gab es erste Entwürfe, um diesbezüglich zumindest etwas Transparenz zu schaffen (der im März zur Begutachtung ausgeschickte Ministerialentwurf wurde von mir allerdings als potemkinsches Recht bezeichnet). Seit Anfang Juli liegt nun eine Regierungsvorlage für ein "Medientransparenzpaket"* im Nationalrat, die gegenüber dem Begutachtungsentwurf ein paar anerkennenswerte Verbesserungen enthält; dennoch erwarte ich nicht wirklich, dass es noch vor der nächsten Nationalratswahl aussagekräftige Zahlen über die Werbeausgaben aller der Rechnungshofkontrolle unterliegenden Stellen geben könnte. Aber ich will hier nicht die Regierungsvorlage analysieren, zumal angesichts der aktuellen Diskussion wohl noch Änderungen zu erwarten sind. Ich nutze vielmehr die Gelegenheit für eine Anmerkung zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse an Medien und zur Medienkonzentration.
Denn im Zuge der Diskussion ist auch der Vorschlag gekommen, dass Medien ihre Eigentümer offenlegen sollen (zu einer interessanten Entscheidung des Schweizer Presserats in diesem Zusammenhang siehe hier). Laut Standard-Bericht sei die vom Mediensprecher der ÖVP geforderte Offenlegungspflicht vom Bundeskanzler als "gut und sinnvoll" bezeichnet worden, "wenn man sie auch einigermaßen sinnvoll handhaben kann". Als erster Schritt, so hieß es später, sei eine Webseite der RTR geplant, auf der die Eigentumsverhältnisse dargestellt werden sollen, allerdings nur mit Daten aus dem Firmenbuch. Dass die - ohnehin öffentlich, wenngleich nur entgeltlich, zugänglichen - Firmenbuchdaten keine wirkliche Transparenz schaffen können, braucht man wohl nicht ausdrücklich anzumerken, schon eine einfache Stiftungs- und/oder Treuhandkonstruktion verhindert recht zuverlässig, dass die wirtschaftlichen Letzteigentümer oder (im Stiftungsfall) Begünstigten bekannt werden, und da muss die Stiftung noch nicht einmal in Liechtenstein, Zypern oder Panama domiziliert sein.
Aber wenn man schon einerseits die Inseratenvergabe durch öffentliche Stellen meldepflichtig macht, und andererseits eine Datenbank mit den Eigentumsverhältnissen erstellen will, warum sollte man dann nicht beides verknüpfen? "Einigermaßen sinnvoll handhaben" könnte man wohl auch ein System, in dem öffentliche Stellen (die ihre Inserate einer Meldestelle bekannt geben müssen) nur in Medien inserieren dürfen, die ihre Eigentumsverhältnisse - bis zum wirtschaftlichen Letzteigentümer bzw Begünstigten - gegenüber derselben "Meldestelle" offen gelegt und einer Veröffentlichung dieser Informationen zugestimmt haben.
Natürlich kann man auch auf diese Weise die einzelnen Aktionäre einer Publikums-AG nicht aufspüren, aber alle Personen mit maßgebendem Einfluss oder besonderem Interesse am wirtschaftlichen Erfolg eines Mediums - Aktionäre mit Sperrminoritäten oder Mehrheiten (auch vermittelt über Syndikatsverträge), Treugeber, Stiftungsbegünstigte usw - könnte man vielleicht doch herausfinden, zumindest wenn für den Fall einer objektiv unzutreffenden Angabe gegenüber der Meldestelle eine unbedingte Rückzahlungspflicht für die erhaltenen Zahlungen vereinbart (und der - diesbezüglich natürlich zur Verschwiegenheit verpflichteten - Meldestelle ein Recht auf Einsicht in die relevanten Vertragswerke eingeräumt) würde.
So wären (nur) Medien, die "Regierungsinserate" und/oder Förderungen wollen, durch die abzuschließenden Werbe- bzw Förderungsverträge rechtlich verpflichtet, ihre Eigentumsverhältnisse vollständig offenzulegen. Andere Medien, die auf solche Inserate und Förderungen verzichten, könnten sich weiterhin auf die firmenbuch- bzw kapitalmarktrechtliche "Mindesttransparenz" beschränken. Und die öffentliche Hand könnte damit sicherstellen, nur in Medien zu inserieren bzw nur Medien zu fördern, deren Eigentumsverhältnisse transparent sind - eine Transparenz, die schon wegen der Rolle der Medien als "public watchdog" im öffentlichen Interesse liegt. Außerdem könnte die Veröffentlichung der Eigentumsverhältnisse, wenn auch nur der mit Inseraten bedachten bzw geförderten Medien, nützlich sein, um bessere Informationen zur Medienkonzentration in Österreich zu erhalten.
Dass der - derzeit viel beschworene - Mut (bei der Politik wie bei den Medien) für eine derartige Transparenz ausreichen würde, halte ich zwar für sehr unwahrscheinlich, aber man soll nicht sagen können, niemand hätte auf die naheliegende Möglichkeit einer Verknüpfung der Inseratenvergabe/Förderung einserseits mit der Offenlegung der Eigentumsverhältnisse andererseits hingewiesen.
PS: Bei der Media-Planung für "Regierungsinserate" sollte natürlich ein "Höchstmaß an Objektivität, Marktkonformität und Transparenz" sichergestellt sein, wie die IAA-Österreich durchaus zutreffend in einer vom ORF(!) versandten Pressemitteilung angemerkt hat. Die IAA leitet daraus ab, dass Agenturen beschäftigt werden müssten. Man könnte freilich auch daran denken, den Media-Einkauf - wie andere Beschaffungsvorgänge öffentlicher Stellen - zB über die Bundesbeschaffung GmbH zu organisieren.
*) die eigentlichen Gesetzestitel sind recht sperrig: "Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums (BVG Medienkooperation und Medienförderung – BVG MedKF-T)" und "Bundesgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums (Medienkooperations- und -förderungs-Transparenzgesetz, MedKF-TG").
Tuesday, September 27, 2011
Transparenz von Medieneigentümern und Presserat - ein Schweizer Beispiel
Mitarbeiter/innen einer Zeitung und die Öffentlichkeit müssen sich ein genaues Bild darüber machen können, wer an einer Zeitung wesentlich beteiligt ist - das entschied der Schweizer Presserat am 13. Juli 2011 zur Basler Zeitung:
Grundlage dieser Entscheidung des Schweizer Presserates war eine Bestimmung in der "Erklärung der Pflichte und Rechte der Journalistinnen und Journalisten", wonach Journalistinnen und Journalisten "Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers" haben. Der "Ehrenkodex für dei österreichische Presse", der vom österreichischen Presserat angewendet wird, enthält keine vergleichbare Bestimmung - aber dieser Kodex soll ja in absehbarer Zeit überarbeitet werden.
(Mehr zur Transparenz von Medieneigentümern im nächsten Post)
"Für den Presserat deutet die anhaltende öffentliche Diskussion über das Thema darauf hin, dass wesentliche Zweifel daran bestehen, ob die formal-rechtliche Eigentümerstellung von Moritz Suter auch den tatsächlichen, wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht.Der Schweizer Presserat sieht eine der wichtigsten Aufgaben der Medien darin, Transparenz über gesellschaftliche Akteure und wichtige gesellschaftliche Vorgänge herzustellen: "Aufgrund ihrer grossen Bedeutung für eine pluralistische, demokratische Gesellschaft sind die Medien und deren Besitzer selber wichtige gesellschaftliche Akteure. Es erscheint deshalb widersprüchlich, wenn die Forderung nach Transparenz, welche die Medien gegenüber Behörden und Gesellschaft stellen, bei Printmedien nur in eingeschränktem Massstab gelten sollte."
Zwar genügen in der Regel Angaben über die Beteiligungsstruktur, um abschätzen zu können, wer eine Aktiengesellschaft beherrscht. Der Presserat hat aber bereits in der Stellungnahme 26/2003 darauf hingewiesen dass - beispielsweise bei Stimmrechtsaktien oder Aktionärsbindungsverträgen - die blosse Angabe der Zusammensetzung des Aktionariats und der Umfang der grösseren Beteiligungen nicht genügend Transparenz gewährleistet. Dies gilt aber auch dann, wenn deutliche Indizien darauf hinweisen, dass das rechtliche Eigentum nicht mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Besitzverhältnissen übereinstimmt."
Grundlage dieser Entscheidung des Schweizer Presserates war eine Bestimmung in der "Erklärung der Pflichte und Rechte der Journalistinnen und Journalisten", wonach Journalistinnen und Journalisten "Anspruch auf Transparenz über die Besitzverhältnisse ihres Arbeitgebers" haben. Der "Ehrenkodex für dei österreichische Presse", der vom österreichischen Presserat angewendet wird, enthält keine vergleichbare Bestimmung - aber dieser Kodex soll ja in absehbarer Zeit überarbeitet werden.
(Mehr zur Transparenz von Medieneigentümern im nächsten Post)
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Sunday, September 25, 2011
Vermischte Lesehinweise (34), ua. zur Korruption in der Telekommunikation
Ewan Sutherland, Bribery and Corruption in Telecommunications - prosecutions under the Foreign Corrupt Practices Act: Auf der diesjährigen TPRC (Research Conference on Communication, Information and Internet Policy) wurde dieses Papier zwar in der Session "ICT in Developing Countries" präsentiert, aber man kann es auch in Österreich dieser Tage durchaus mit Gewinn lesen. Das amerikanische Gesetz gegen korrupte Praktiken im Ausland (FCPA) ist nämlich, wie Sutherland schreibt, "explicitly extraterritorial in scope and expansive in its application, including any transaction that involves a US citizen, any company registered in or trading on a stock exchange in the USA or where funds pass through a bank or agent in the USA". Die OECD hat als Wirtschaftssektoren, in denen es eine hohe Anfälligkeit für Korruption bei öffentlichen Aufträgen gibt, Rüstung, Bergbau und Telekommunikation identifiziert. Sutherland beschreibt einige Fälle, in denen es in den USA zur Verfolgung wegen korrupter Praktiken im Ausland gekommen ist.
Ein anderes interessantes Papier von der diesjährigen TPRC ist von Eli Noam, International Media Concentration; ein noch sehr vorläufiger draft; das endgültige paper sollte Daten von 35 Staaten vergleichen. Vorläufige Schlussfolgerungen: "Media concentration is associated with poor government, less democracy and freedom, more corruption, less effective regulation, lower R&D, lower economic growth, lower digital access." Ich würde mich jetzt fast nicht trauen, auf die hohe Medienkonzentration in Österreich hinzuweisen, gäbe es da nicht noch eine interessante Schlussfolgerung: "But, also, the preliminary findings indicate that media concentration is associated with greater happiness in a country. We really need to figure that one out."
Eine kleine Auswahl weiterer interessanter Dokumente von der TPRC:
Wettbewerbsrecht: Die OECD veröffentlichte ein Policy Roundtable-Dokument zum "Regulated Conduct Defence" im Wettbewerbsrecht. Wenn ein unternehmerisches Verhalten durch Gesetz oder behördliche Anordnung vorgeschrieben ist, sollte es natürlich nicht zugleich ein nach dem Wettbewerbsrecht verbotenes Verhalten sein; gerade im Telekombereich wurde von Unternehmen aber häufig auch versucht, sich unter Hinweis auf regulierungsbehördliche Genehmigung oder Duldung gegen kartellrechtliche Vorwürfe zu verteidigen; auf europäischer Ebene am deutlichsten dokumentiert wohl im EuGH-Verfahren C-280/08 P Deutsche Telekom AG (siehe im Blog zuletzt hier). Der "Länderbericht" der EU im OECD-Dokument beschreibt das gleich einleitend so: "The regulated conduct defence has been brought forward and assessed in many EU competition law cases. In all cases regulation, be it by a law or an administrative decision, did not impose a specific market behaviour. Undertakings had thus leeway as regards their behaviour on the market and to avoid an abuse or not engage in a horizontal agreement with its competitors." (Den Hinweis auf dieses Dokument verdanke ich dem Kartellblog; ebenso den Hinweis auf Petra Pohlmann, Verfahrensrecht für ein ökonomisiertes Kartellrecht: Der Beurteilungsspielraum der Kommission)
Ein anderes interessantes Papier von der diesjährigen TPRC ist von Eli Noam, International Media Concentration; ein noch sehr vorläufiger draft; das endgültige paper sollte Daten von 35 Staaten vergleichen. Vorläufige Schlussfolgerungen: "Media concentration is associated with poor government, less democracy and freedom, more corruption, less effective regulation, lower R&D, lower economic growth, lower digital access." Ich würde mich jetzt fast nicht trauen, auf die hohe Medienkonzentration in Österreich hinzuweisen, gäbe es da nicht noch eine interessante Schlussfolgerung: "But, also, the preliminary findings indicate that media concentration is associated with greater happiness in a country. We really need to figure that one out."
Eine kleine Auswahl weiterer interessanter Dokumente von der TPRC:
- Jorge Infante/Ivan Vallejo, Regulation of international roaming in the European Union – lessons learned
- Nico van Eijk and others, Duties of care on the Internet
- Robert Matheson/Adele C. Morris, The Technical Basis for Spectrum Rights: Policies to Enhance Market Efficiency
- Michael A. Calabrese, Use it or Share it: Unlocking the Vast Wasteland of Fallow Spectrum
- Martin Cave/Howard Williams, Google and European Competition Law
- David Clark/William Lehr/Steven Bauer, Interconnection in the Internet: the policy challenge
- Johannes M. Bauer/Taejin Koh, Reconciling Economic and Political Goals in the Internet Ecosystem
- Milton L. Mueller/Hadi Asghari, Deep Packet Inspection and Bandwidth Management: Battles over BitTorrent in Canada and the United States
- Jasper P. Sluijs, From Competition to Freedom of Expression: Introducing Art. 10 ECHR in the European Network Neutrality Debate (auch auf SSRN)
Wettbewerbsrecht: Die OECD veröffentlichte ein Policy Roundtable-Dokument zum "Regulated Conduct Defence" im Wettbewerbsrecht. Wenn ein unternehmerisches Verhalten durch Gesetz oder behördliche Anordnung vorgeschrieben ist, sollte es natürlich nicht zugleich ein nach dem Wettbewerbsrecht verbotenes Verhalten sein; gerade im Telekombereich wurde von Unternehmen aber häufig auch versucht, sich unter Hinweis auf regulierungsbehördliche Genehmigung oder Duldung gegen kartellrechtliche Vorwürfe zu verteidigen; auf europäischer Ebene am deutlichsten dokumentiert wohl im EuGH-Verfahren C-280/08 P Deutsche Telekom AG (siehe im Blog zuletzt hier). Der "Länderbericht" der EU im OECD-Dokument beschreibt das gleich einleitend so: "The regulated conduct defence has been brought forward and assessed in many EU competition law cases. In all cases regulation, be it by a law or an administrative decision, did not impose a specific market behaviour. Undertakings had thus leeway as regards their behaviour on the market and to avoid an abuse or not engage in a horizontal agreement with its competitors." (Den Hinweis auf dieses Dokument verdanke ich dem Kartellblog; ebenso den Hinweis auf Petra Pohlmann, Verfahrensrecht für ein ökonomisiertes Kartellrecht: Der Beurteilungsspielraum der Kommission)
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Lesehinweise
Thursday, September 22, 2011
EuGH zu Roj TV: Verstoß gegen Völkerverständigungsgrundsatz rechtfertigt keine Behinderung des Empfangs; Verbot sonstiger Betätigung zulässig
Der EuGH ist in seinem heutigen Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-244/10 Mesopotamia Broadcast und C-245/10 Roj TV den Schlussanträgen von Generalanwalt Bot (siehe im Blog dazu hier; zur Vorlagefrage schon hier) zwar im Kern gefolgt, hat allerdings darüber hinausgehend weitere Hinweise gegeben, "um das vorlegende Gericht in die Lage zu versetzen, die bei ihm
anhängigen Rechtsstreitigkeiten im Licht der [..] Auslegung von Art. 22a der Richtlinie zu entscheiden" [RNr 47f]. Mit diesen zusätzlichen Hinweisen hat der EuGH der Entscheidung auch einiges an Schärfe genommen.
Strittig war, vereinfacht gesagt, die Reichweite des Grundsatzes der Sendestaatskontrolle nach der RL "Fernsehen ohne Grenzen" (nun: RL über audiovisuelle Mediendienste [AVMD-RL]), wonach die Mitgliedstaaten den freien Empfang von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch die RL koordiniert sind, nicht behindern dürfen. Das deutsche Innenministerium hatte Verbotsverfügungen gegen die in Dänemark ansässige Rundfunkveranstalterin Mesopotamia Broadcast A/S METV und den von ihr betriebenen Fernsehsender Roj TV A/S gerichtet und diesen auf der Grundlage des deutschen Vereinsgesetzes - wegen Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung - die Betätigung in Deutschland untersagt. Fraglich war nun, ob damit nicht in den Grundsatz der Sendestaatskontrolle eingegriffen wurde, da die FernsehRL die Mitgliedstaaten ja dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Sendungen der ihrer Kontrolle unterliegenden Anbieter "nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln."
Zu klären war daher zunächst, ob ein Eingriff in die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen wegen eines Verstoßes gegen den "Gedanken der Völkerverständigung" in den koordinierten Bereich fällt, was der EuGH, wie schon der Generalanwalt, eindeutig bejaht. Die RL definiert den Begriff "Aufstachelung zu Hass" nicht, die Auslegung hat daher nach dem gewöhnlichen sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs sowie der Ziele der Regelung auszulegen. Wörtlich heißt es in den RNr 41-44 des Urteils:
Der EuGH bezieht sich nun aber in den folgenden Hinweisen für das vorlegende Gericht ausdrücklich auf das Urteil Agostini und TV-Shop (C-34/95 bis C-36/95), nach denen es die RL einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, gemäß einer allgemeinen Regelung (dort:) "zum Schutz der Verbraucher gegen irreführende Werbung Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen, sofern diese Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus diesem anderen Mitgliedstaat im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats verhindern."
Das deutsche Vereinsgesetz zielt nun nicht speziell auf Fernsehveranstalter ab, sondern betrifft allgemein die Tätigkeit von Vereinen. Die deutsche Regierung hatte vorgebracht, Deutschland sei gar nicht in der Lage, etwaige Auswirkungen im Ausland produzierter Fernsehsendungen in Deutschland zu verhindern, der Empfang und die private Nutzung des Programms von Roj TV sei nicht verboten und in der Praxis tatsächlich weiterhin möglich. Allerdings sei jegliche von Roj TV ausgehende oder zu ihren Gunsten erfolgende Betätigung im deutschen Hoheitsgebiet aufgrund des Betätigungsverbots rechtswidrig. "In Deutschland seien folglich die Produktion von Sendungen und die Organisation von Veranstaltungen, bei denen Sendungen von Roj TV in einem öffentlichen Rahmen, insbesondere in einem Stadion, gezeigt würden, ebenso wie im deutschen Hoheitsgebiet stattfindende Unterstützungsaktivitäten verboten."
Solche Maßnahmen, so der EuGH, "stellen grundsätzlich kein Hindernis für die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne dar; gleichwohl ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die konkreten Wirkungen zu bestimmen, die sich aus der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbotsverfügung für die von den Klägerinnen der Ausgangsverfahren von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehsendungen ergeben, wobei es zu prüfen hat, ob diese Verfügung nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats der Sendungen verhindert." Ergebnis:
Update 20.02.2012: mittlerweile wurden Roj TV und Mesopotamia Broadcast von einem Gericht in Kopenhagen wegen Förderung des Terrorismus am 10.01.2012 zu Geldstrafen verurteilt (Bericht DR, CPH Post, das Urteil ist offenbar nicht rechtskräftig, die dänische Sendelizenz wurde auch noch nicht entzogen, aber Eutelsat hat die Satellitenausstrahlung ausgesetzt).
Update 18.04.2012: siehe nun auch den Bericht in iris
Update 21.09.2012: siehe den in dieser Sache nach dem EuGH-Urteil ergangenen Gerichtsbescheid des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Juli 2012, 6 A 4.11.
Update 08.06.2014: von Wikileaks veröffentlichte Dokumente (hier und hier) verweisen auf einen Zusammenhang der dänischen Anstrengungen gegen Roj TV mit der türkischen Zustimmung zur Bestellung des Dänen Anders Fogh Rasmussen zum NATO-Generalsekretär.
Strittig war, vereinfacht gesagt, die Reichweite des Grundsatzes der Sendestaatskontrolle nach der RL "Fernsehen ohne Grenzen" (nun: RL über audiovisuelle Mediendienste [AVMD-RL]), wonach die Mitgliedstaaten den freien Empfang von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch die RL koordiniert sind, nicht behindern dürfen. Das deutsche Innenministerium hatte Verbotsverfügungen gegen die in Dänemark ansässige Rundfunkveranstalterin Mesopotamia Broadcast A/S METV und den von ihr betriebenen Fernsehsender Roj TV A/S gerichtet und diesen auf der Grundlage des deutschen Vereinsgesetzes - wegen Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung - die Betätigung in Deutschland untersagt. Fraglich war nun, ob damit nicht in den Grundsatz der Sendestaatskontrolle eingegriffen wurde, da die FernsehRL die Mitgliedstaaten ja dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Sendungen der ihrer Kontrolle unterliegenden Anbieter "nicht zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufstacheln."
Zu klären war daher zunächst, ob ein Eingriff in die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen wegen eines Verstoßes gegen den "Gedanken der Völkerverständigung" in den koordinierten Bereich fällt, was der EuGH, wie schon der Generalanwalt, eindeutig bejaht. Die RL definiert den Begriff "Aufstachelung zu Hass" nicht, die Auslegung hat daher nach dem gewöhnlichen sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs sowie der Ziele der Regelung auszulegen. Wörtlich heißt es in den RNr 41-44 des Urteils:
"41 Zu den Wörtern 'aufstacheln' und 'Hass' ist festzustellen, dass sie zum einen eine Handlung bezeichnen, die dazu dient, ein bestimmtes Verhalten zu steuern, und zum anderen ein feindliches oder ablehnendes Gefühl gegenüber einer Gesamtheit von Personen.Damit ist klar, dass Deutschland den Empfang und die Weiterverbreitung von Sendungen eines Rundfunkveranstalters, der der Sendestaatskontrolle eines anderen Mitgliedstaates unterliegt, nicht wegen eines Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung unterbinden kann (bzw nur nach Durchalufen des eher mühsamen Prozesses nach [nunmehr] Art 3 AVMD-RL).
42 Somit verfolgt die Richtlinie mit der Verwendung des Begriffs der Aufstachelung zu Hass den Zweck, jegliche menschenverachtende Ideologie, insbesondere Bestrebungen, Gewalt durch Terroranschläge gegen eine bestimmte Personengruppe zu verherrlichen, zu verhindern.
43 Was den Begriff der Völkerverständigung betrifft, tragen Mesopotamia Broadcast und Roj TV, wie in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nach Ansicht des vorlegenden Gerichts dazu bei, die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Volkszugehörigen in der Türkei anzuheizen und die Spannungen zwischen den in Deutschland lebenden Türken und Kurden zu erhöhen, und verstoßen somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
44 Folglich ist festzustellen, dass ein solches Verhalten unter den Begriff der Aufstachelung zu Hass fällt."
Der EuGH bezieht sich nun aber in den folgenden Hinweisen für das vorlegende Gericht ausdrücklich auf das Urteil Agostini und TV-Shop (C-34/95 bis C-36/95), nach denen es die RL einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, gemäß einer allgemeinen Regelung (dort:) "zum Schutz der Verbraucher gegen irreführende Werbung Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehwerbung zu treffen, sofern diese Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus diesem anderen Mitgliedstaat im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats verhindern."
Das deutsche Vereinsgesetz zielt nun nicht speziell auf Fernsehveranstalter ab, sondern betrifft allgemein die Tätigkeit von Vereinen. Die deutsche Regierung hatte vorgebracht, Deutschland sei gar nicht in der Lage, etwaige Auswirkungen im Ausland produzierter Fernsehsendungen in Deutschland zu verhindern, der Empfang und die private Nutzung des Programms von Roj TV sei nicht verboten und in der Praxis tatsächlich weiterhin möglich. Allerdings sei jegliche von Roj TV ausgehende oder zu ihren Gunsten erfolgende Betätigung im deutschen Hoheitsgebiet aufgrund des Betätigungsverbots rechtswidrig. "In Deutschland seien folglich die Produktion von Sendungen und die Organisation von Veranstaltungen, bei denen Sendungen von Roj TV in einem öffentlichen Rahmen, insbesondere in einem Stadion, gezeigt würden, ebenso wie im deutschen Hoheitsgebiet stattfindende Unterstützungsaktivitäten verboten."
Solche Maßnahmen, so der EuGH, "stellen grundsätzlich kein Hindernis für die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne dar; gleichwohl ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die konkreten Wirkungen zu bestimmen, die sich aus der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbotsverfügung für die von den Klägerinnen der Ausgangsverfahren von einem anderen Mitgliedstaat aus ausgestrahlten Fernsehsendungen ergeben, wobei es zu prüfen hat, ob diese Verfügung nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats der Sendungen verhindert." Ergebnis:
"[Art 22a der FernsehRL] verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, in Anwendung allgemeiner Rechtsvorschriften wie dem Vereinsgesetz Maßnahmen gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehveranstalter mit der Begründung zu treffen, dass die Tätigkeiten und die Ziele dieses Veranstalters dem Verbot des Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung zuwiderlaufen, sofern die genannten Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen, die dieser Veranstalter von dem anderen Mitgliedstaat aus ausstrahlt, im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats verhindern; dies hat das nationale Gericht zu prüfen."Mit anderen Worten: zwar darf die Weiterverbreitung von Sendungen nicht verhindert werden, aber jegliche sonstige Aktivität - zB Spendensammeln oder public viewing - könnte weiterhin mit Verbotsverfügung untersagt werden. (Die hier noch angewendeten Bestimmungen der FernsehRL wurden übrigens im Wesentlichen auch in die AVMD-RL übernommen, die Entscheidung ist daher auch die Auslegung der aktuellen Rechtslage relevant.)
Update 20.02.2012: mittlerweile wurden Roj TV und Mesopotamia Broadcast von einem Gericht in Kopenhagen wegen Förderung des Terrorismus am 10.01.2012 zu Geldstrafen verurteilt (Bericht DR, CPH Post, das Urteil ist offenbar nicht rechtskräftig, die dänische Sendelizenz wurde auch noch nicht entzogen, aber Eutelsat hat die Satellitenausstrahlung ausgesetzt).
Update 18.04.2012: siehe nun auch den Bericht in iris
Update 21.09.2012: siehe den in dieser Sache nach dem EuGH-Urteil ergangenen Gerichtsbescheid des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. Juli 2012, 6 A 4.11.
Update 08.06.2014: von Wikileaks veröffentlichte Dokumente (hier und hier) verweisen auf einen Zusammenhang der dänischen Anstrengungen gegen Roj TV mit der türkischen Zustimmung zur Bestellung des Dänen Anders Fogh Rasmussen zum NATO-Generalsekretär.
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Kleine Räte-Rundschau (Publikums-, Stiftungs- und andere Räte)
ORF-Publikumsrat (1): Der EuGH wird sich in der Rechtssache C-162/11, Publikumsrat des Österreichischen Rundfunks gegen Österreichischer Rundfunk, nun leider doch nicht mit der Frage befassen, ob Eigenwerbung als Werbung im Sinne der Fernsehrichtlinie (nun: Audiovisuelle Mediendienste-RL) anzusehen ist (dazu im Blog hier). Denn mit dem erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Beschluss vom 26. Juli 2011 wurde die Streichung dieser Rechtssache aus dem Register des EuGH angeordnet, da der Bundeskommunikationssenat das Vorabentscheidungsersuchen zurückgezogen hat - weil der ursprünglich gegen den ORF beschwerdeführende Publikumsrat des ORF es sich nun doch wieder anders überlegt hat und nicht mehr daran interessiert daran ist, dass eine Verletzung des ORF-Gesetzes wegen der "Einblendung eines nicht zum Film gehörenden Tanzpärchens mit einem Programmhinweis auf 'Dancing Stars' in dem Spielfilm 'Der Teufel trägt Prada' am 1.3.2009 um 20.15 Uhr in ORF 1" festgestellt werde. Was den Publikumsrat - der mit dieser Sache auch schon beim Verfassungsgerichtshof war (Erkenntnis vom 02.03.2010, B 1019/09) und beim Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 23.06.2010, B 2009/03/0137) - zu diesem Rückzieher veranlasst hat, darüber kann man nur Mutmaßungen anstellen, die veröffentlichten Protokolle der Publikumsrats-Sitzungen schweigen dazu. [Dass auf der Website des EuGH übrigens "Publikationsrat" steht - siehe screenshot oben -, weist nicht auf ein neues Gremium des ORF hin, sondern ist schlicht ein Schreibfehler]
ORF-Publikumsrat (2): Aber vielleicht wird es ja auch bald einen neu gestalteten Publikumsrat geben, falls nämlich der Verfassungsgerichtshof die bei ihm letztes Jahr entstandenen "Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 6 bis 10 [ORF-G] ... sowie ob der Gesetzmäßigkeit der "Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrats gemäß § 28 Abs. 6 bis 10 ORF-G [...] für die Funktionsperiode 2010-2013" aufrechterhalten sollte (siehe den Prüfungsbeschluss vom 16.12.2010, B 786/10-9, in der Beschwerdesache des Dr. Gerhard H. [die verlinkte Presseaussendung des Umweltdachverbands ist übrigens unrichtig, weil ein Prüfungsbeschluss natürlich kein Erkenntnis ist, was Gerhard H., Präsident dieses Verbands und studierter Jurist, wohl auch weiß]). Der VfGH wird die Sache in der aktuellen Session des Verfassungsgerichtshofs weiter beraten (und wohl abschließen); ich möchte mich derzeit dazu nicht weiter äußern.
ORF-Stiftungsrat: wie immer ein medienpolitisches Lehrstück waren die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bestellung der ORF-DirektorInnen und LandesdirektorInnen durch den Stiftungsrat (auf Vorschlag des Generaldirektors, nach vorheriger Anhörung des Landes; siehe dazu schon hier). Vorarlbergs Landeshauptmann - der laut dem Vorarlberger Stiftungsratsmitglied (nicht aber nach dem Gesetz) die Entscheidung über den Landesdirektor trifft - hat übrigens ganz richtig und bemerkenswert deutlich mitgeteilt, dass es sich "um eine Unternehmensentscheidung und -verantwortung" handle, worauf er den Generaldirektor auch hingewiesen habe. Ich würde nicht ausschließen, dass der Generaldirektor auf diese Verantwortung bei Gelegenheit noch einmal hingewiesen werden wird.
Aber Verantwortung tragen natürlich auch und gerade die Stiftungsratsmitglieder, die die Bestellungen "einhellig mit sehr großer Mehrheit" (DirektorInnen) bzw. "einhellig mit großer Mehrheit" (LandesdirektorInnen) beschlossen haben. Die Vorsitzende des Stiftungsrates kritisierte in diesem Zusammenhang den Redakteursrat, der sich Kritik an Mitgliedern des Stiftungsrates erlaubt hatte, als "selbstgerecht und selbstherrlich" und bezeichnete die andauernde Kritik als öffentlichen Autoimmunkonflikt - aber nur wenige Tage später schickte sie selbst, vielleicht als paradoxe Intervention gedacht, ein kritisches Mail an die anderen Mitglieder des Stiftungsrates (wie genau es manche von diesen mit ihrer Verschwiegenheitspflicht nehmen, ist bekannt). Wenn man Medienberichten glauben darf, erhebt die Stiftungsratsvorsitzende in diesem Mail schwere Vorwürfe gegenüber dem soeben wieder bestellten burgenländischen Landesdirektor und will damit auch nachträglich(!) erklären, weshalb sie sich bei der DirektorInnenbestellung der Stimme enthalten (nicht: dagegen gestimmt) hat. Was hätte sie eigentlich daran gehindert, ihre KollegInnen im Stiftungsrat vor der Abstimmung über die Bedenken zu informieren? [Andererseits: wer weiß, ob die das überhaupt interessiert hätte - zumindest ein Mitglied des Stiftungsrates befasst sich ja vorrangig mit viel wichtigeren Themen]
Und was tut sich bei sonstigen Räten?
Der PR-Ethik-Rat hat sich in einer Aussendung für volle Transparenz bei Medienkooperationen sowie die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der angeblich vom damaligen Infrastrukturminister beauftragten ÖBB-Inserate ausgesprochen. "Es sei üblich geworden, Meinung auf breiter Basis zu kaufen", meint der PR-Ethik-Rat.
Beim Presserat gibt es entscheidungsmäßig nichts Neues, bislang sind noch immer erst zwei veröffentlichte Entscheidungen ergangen.
Der sogenannte Medienrat wiederum wäre ja grundsätzlich überhaupt nicht erwähnenswert, aber wer würde denn sonst dessen Leistung würdigen, sich auch mehr als zwei Jahre nach seiner großspurig verkündeten Gründung weiterhin mit so viel Erfolg tot zu stellen? (Die Gründungspressekonferenz kann man immer noch auf der Website anschauen, sonst gibt es dort unverändert weiterhin nur dieses .jpg zu sehen.)
Mehr Aktivitäten gibt es beim Werberat, der in den letzten Jahren erkennbar moderner geworden ist und laufend alle Beschwerdefälle und Entscheidungen im Web dokumentiert. Eine Selbstregulierungseinrichtung, die sich auch mit Schleichwerbung befassen soll, bei der aber zugleich Prof. Bankhofer im Entscheidungsgremium sitzt, hat freilich mit einem gravierenden und strukturellen Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Ich bin jedenfalls gespannt, ob wir dem Herrn Professor - der es immerhin geschafft hat, sogar "Bibel TV" eine Beanstandung durch die deutsche Rundfunkaufsicht wegen Schleichwerbung einzubringen - auch im neu bestellten Entscheidungsgremium des Werberates wieder begegnen werden (am 29. September ist Mitgliederversammlung, ich nehme an, dass danach auch das neue Entscheidungsgremium präsentiert wird).
Und zuletzt noch ein Hinweis auf eine Art Geheimrat: der Telekommunikationsbeirat war seit 1997 in jedem Telekommunikationsgesetz vorgesehen (derzeit § 131 TKG 2003), es ist aber noch nie zur tatsächlichen Einrichtung dieses Beratungsgremiums gekommen (wirklich gefehlt hat er wohl noch niemand). Daher war ich auch nicht überrascht, als der Ministerialentwurf für die TKG-Novelle § 131 TKG schlicht entfallen lassen wollte. Die nun im Parlament zu behandelnde Regierungsvorlage ist aber nicht mehr so mutig: die Bestimmung über den Telekommunikationsbeirat soll unverändert bestehen bleiben. Ob dieser Beirat 14 Jahre nach seiner Erfindung vielleicht tatsächlich eingerichtet werden soll?
ORF-Publikumsrat (2): Aber vielleicht wird es ja auch bald einen neu gestalteten Publikumsrat geben, falls nämlich der Verfassungsgerichtshof die bei ihm letztes Jahr entstandenen "Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 6 bis 10 [ORF-G] ... sowie ob der Gesetzmäßigkeit der "Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrats gemäß § 28 Abs. 6 bis 10 ORF-G [...] für die Funktionsperiode 2010-2013" aufrechterhalten sollte (siehe den Prüfungsbeschluss vom 16.12.2010, B 786/10-9, in der Beschwerdesache des Dr. Gerhard H. [die verlinkte Presseaussendung des Umweltdachverbands ist übrigens unrichtig, weil ein Prüfungsbeschluss natürlich kein Erkenntnis ist, was Gerhard H., Präsident dieses Verbands und studierter Jurist, wohl auch weiß]). Der VfGH wird die Sache in der aktuellen Session des Verfassungsgerichtshofs weiter beraten (und wohl abschließen); ich möchte mich derzeit dazu nicht weiter äußern.
ORF-Stiftungsrat: wie immer ein medienpolitisches Lehrstück waren die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bestellung der ORF-DirektorInnen und LandesdirektorInnen durch den Stiftungsrat (auf Vorschlag des Generaldirektors, nach vorheriger Anhörung des Landes; siehe dazu schon hier). Vorarlbergs Landeshauptmann - der laut dem Vorarlberger Stiftungsratsmitglied (nicht aber nach dem Gesetz) die Entscheidung über den Landesdirektor trifft - hat übrigens ganz richtig und bemerkenswert deutlich mitgeteilt, dass es sich "um eine Unternehmensentscheidung und -verantwortung" handle, worauf er den Generaldirektor auch hingewiesen habe. Ich würde nicht ausschließen, dass der Generaldirektor auf diese Verantwortung bei Gelegenheit noch einmal hingewiesen werden wird.
Aber Verantwortung tragen natürlich auch und gerade die Stiftungsratsmitglieder, die die Bestellungen "einhellig mit sehr großer Mehrheit" (DirektorInnen) bzw. "einhellig mit großer Mehrheit" (LandesdirektorInnen) beschlossen haben. Die Vorsitzende des Stiftungsrates kritisierte in diesem Zusammenhang den Redakteursrat, der sich Kritik an Mitgliedern des Stiftungsrates erlaubt hatte, als "selbstgerecht und selbstherrlich" und bezeichnete die andauernde Kritik als öffentlichen Autoimmunkonflikt - aber nur wenige Tage später schickte sie selbst, vielleicht als paradoxe Intervention gedacht, ein kritisches Mail an die anderen Mitglieder des Stiftungsrates (wie genau es manche von diesen mit ihrer Verschwiegenheitspflicht nehmen, ist bekannt). Wenn man Medienberichten glauben darf, erhebt die Stiftungsratsvorsitzende in diesem Mail schwere Vorwürfe gegenüber dem soeben wieder bestellten burgenländischen Landesdirektor und will damit auch nachträglich(!) erklären, weshalb sie sich bei der DirektorInnenbestellung der Stimme enthalten (nicht: dagegen gestimmt) hat. Was hätte sie eigentlich daran gehindert, ihre KollegInnen im Stiftungsrat vor der Abstimmung über die Bedenken zu informieren? [Andererseits: wer weiß, ob die das überhaupt interessiert hätte - zumindest ein Mitglied des Stiftungsrates befasst sich ja vorrangig mit viel wichtigeren Themen]
Und was tut sich bei sonstigen Räten?
Der PR-Ethik-Rat hat sich in einer Aussendung für volle Transparenz bei Medienkooperationen sowie die lückenlose Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der angeblich vom damaligen Infrastrukturminister beauftragten ÖBB-Inserate ausgesprochen. "Es sei üblich geworden, Meinung auf breiter Basis zu kaufen", meint der PR-Ethik-Rat.
Beim Presserat gibt es entscheidungsmäßig nichts Neues, bislang sind noch immer erst zwei veröffentlichte Entscheidungen ergangen.
Der sogenannte Medienrat wiederum wäre ja grundsätzlich überhaupt nicht erwähnenswert, aber wer würde denn sonst dessen Leistung würdigen, sich auch mehr als zwei Jahre nach seiner großspurig verkündeten Gründung weiterhin mit so viel Erfolg tot zu stellen? (Die Gründungspressekonferenz kann man immer noch auf der Website anschauen, sonst gibt es dort unverändert weiterhin nur dieses .jpg zu sehen.)
Mehr Aktivitäten gibt es beim Werberat, der in den letzten Jahren erkennbar moderner geworden ist und laufend alle Beschwerdefälle und Entscheidungen im Web dokumentiert. Eine Selbstregulierungseinrichtung, die sich auch mit Schleichwerbung befassen soll, bei der aber zugleich Prof. Bankhofer im Entscheidungsgremium sitzt, hat freilich mit einem gravierenden und strukturellen Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Ich bin jedenfalls gespannt, ob wir dem Herrn Professor - der es immerhin geschafft hat, sogar "Bibel TV" eine Beanstandung durch die deutsche Rundfunkaufsicht wegen Schleichwerbung einzubringen - auch im neu bestellten Entscheidungsgremium des Werberates wieder begegnen werden (am 29. September ist Mitgliederversammlung, ich nehme an, dass danach auch das neue Entscheidungsgremium präsentiert wird).
Und zuletzt noch ein Hinweis auf eine Art Geheimrat: der Telekommunikationsbeirat war seit 1997 in jedem Telekommunikationsgesetz vorgesehen (derzeit § 131 TKG 2003), es ist aber noch nie zur tatsächlichen Einrichtung dieses Beratungsgremiums gekommen (wirklich gefehlt hat er wohl noch niemand). Daher war ich auch nicht überrascht, als der Ministerialentwurf für die TKG-Novelle § 131 TKG schlicht entfallen lassen wollte. Die nun im Parlament zu behandelnde Regierungsvorlage ist aber nicht mehr so mutig: die Bestimmung über den Telekommunikationsbeirat soll unverändert bestehen bleiben. Ob dieser Beirat 14 Jahre nach seiner Erfindung vielleicht tatsächlich eingerichtet werden soll?
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Tuesday, September 20, 2011
Priorität A1: Leuchttürme verstecken! Fortschrittsbericht aus dem sogenannten "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft"
Anmerkung vom 06.03.2012: die folgenden Links auf die Website kig.gv.at gehen leider ins Leere, weil die Website überarbeitet wurde; es steht sich aber nicht dafür, dass jetzt händisch nachzubessern, so toll waren die Inhalte auch wieder nicht.
Erinnert sich noch jemand an das sogenannte "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft"? Vor mehr als eineinhalb Jahren wurde seine Einrichtung großartig verkündet, dann war lange Funkstille, ein Jahr nach der Ankündigung gab es einen ersten Ministerratsvortrag mit einem Prioritätenkatalog und schon bald darauf schaffte es die geballte Kompetenz dieser Internetgesellschaft sogar zu einer Art Internetauftritt (der allerdings von der RTR-GmbH betreut werden muss). Ich habe diese Entwicklung ab und zu in einem kleinen sideblog beobachtet - aber das habe ich im Juli eingestellt, weil es schlicht zu langweilig war.
Da dieses "Kompetenzzentrum" halbjährlich dem Ministerrat einen Prioritätenkatalog übergeben wollte und der erste und bisher letzte solche Prioritätenkatalog mittlerweile rund sieben Monate zurückliegt, wollte ich einen Blick auf den neuen Prioritätenkatalog werfen. Wenig überraschend gibt es jedenfalls auf der Website des "Kompetenzzentrums" keinen neuen Prioritätenkatalog, aber dafür habe ich tatsächlich einen "Fortschrittsbericht" gefunden, aus dem ich unbedingt zitieren muss.
Das im Prioritätenkatalog als erstes genannte Projekt (Priorität "A1" [hat nichts mit der A1 Telekom Austria AG zu tun!]) ist - wie sicher allgemein bekannt ;-) - die "Best Practise Plattform: iktprojekte.at", eine "Plattform, die best practise Beispiele aus dem Bereich IKT darstellt. Auf diese Plattform können Unternehmen ihre Leuchtturmprojekte einstellen und diese können von jedem gelesen werden." So ist eben das wundersame Internet: das kann tatsächlich jeder lesen! Und was steht nun zu diesem "A1-Prioritätsprojekt" im Fortschrittsbericht? Zitat:
Und dafür, dass sich hier die Leuchtturmprojekte tummeln sollten, ist das Ganze auch noch ziemlich gut versteckt. Gerade einmal drei Links, die zu dieser Seite führen, weist Alexa aus, einer davon aus diesem Blog (und ja, dieser Beitrag bringt der Site gleich ein Viertel mehr Link-"reputation"); bei aller Unschärfe der Alexa-Daten - aber so gut versteckt habe ich Leuchttürme noch selten gesehen.
Ob Österreich damit wirklich "in die Spitze der IKT-Nationen" positioniert werden kann? Gemessen soll das ja alles am Networked Readiness Index (NRI) werden, wo Österreich 2008 auf Rang 15, 2009 auf Rang 16 und 2010 auf Rang 20 lag und sich mittlerweile so weit in der Spitze positionieren konnte, das es 2011 nun Rang 21 einnimmt.
Und weil man das zwar nicht verschweigen kann, aber ein Erfolgsnachweis vielleicht doch anders ausschauen könnte, gibt es noch die Prioritäten A3 und A12 des "Kompetenzzentrums", mit denen "window-dressing" (so Peter F. Mayr) für den NRI betrieben werden sollen ("A12" heißt auch ganz offiziell: "Indexpflege"). Im Forstschrittsbericht steht zu Priorität A12: "Die RTR führt Gespräch mit dem WKÖ und mit dem Weltwirtschaftsforum über den NRI. Ausserdem werden die Einzelindikatoren dahingehend untersucht, aus welchen Quellen die Zahlen stammen und wie sie definiert sind." Zu Priorität A3 heißt es:
PS: falls jemand fragt - "Das Umsetzen von Projekten ist explizit als ein Nichtziel des KIG genannt." Dieses Nichtziel wurde erreicht, beim weiteren Nichtziel "Redundanz" bin ich mir noch nicht ganz sicher. Aber es wird sicher auch einen Nicht-Ziel-Nicht-Erreichungs-Bericht oder etwas in dieser Art geben.
Erinnert sich noch jemand an das sogenannte "Kompetenzzentrum Internetgesellschaft"? Vor mehr als eineinhalb Jahren wurde seine Einrichtung großartig verkündet, dann war lange Funkstille, ein Jahr nach der Ankündigung gab es einen ersten Ministerratsvortrag mit einem Prioritätenkatalog und schon bald darauf schaffte es die geballte Kompetenz dieser Internetgesellschaft sogar zu einer Art Internetauftritt (der allerdings von der RTR-GmbH betreut werden muss). Ich habe diese Entwicklung ab und zu in einem kleinen sideblog beobachtet - aber das habe ich im Juli eingestellt, weil es schlicht zu langweilig war.
Da dieses "Kompetenzzentrum" halbjährlich dem Ministerrat einen Prioritätenkatalog übergeben wollte und der erste und bisher letzte solche Prioritätenkatalog mittlerweile rund sieben Monate zurückliegt, wollte ich einen Blick auf den neuen Prioritätenkatalog werfen. Wenig überraschend gibt es jedenfalls auf der Website des "Kompetenzzentrums" keinen neuen Prioritätenkatalog, aber dafür habe ich tatsächlich einen "Fortschrittsbericht" gefunden, aus dem ich unbedingt zitieren muss.
Das im Prioritätenkatalog als erstes genannte Projekt (Priorität "A1" [hat nichts mit der A1 Telekom Austria AG zu tun!]) ist - wie sicher allgemein bekannt ;-) - die "Best Practise Plattform: iktprojekte.at", eine "Plattform, die best practise Beispiele aus dem Bereich IKT darstellt. Auf diese Plattform können Unternehmen ihre Leuchtturmprojekte einstellen und diese können von jedem gelesen werden." So ist eben das wundersame Internet: das kann tatsächlich jeder lesen! Und was steht nun zu diesem "A1-Prioritätsprojekt" im Fortschrittsbericht? Zitat:
"Um das Potenzial der österreichischen IKT-Wirtschaft zu steigern sollen attraktive Inhalte und Dienste in einem interoperablen und grenzenlosen Internetumfeld bereitgestellt und bekanntgemacht werden. Dazu wurde iktprojekte.at als Kooperationsprojekt zwischen BKA und BMVIT entwickelt und unter Mitarbeit der RTR eine erste Sammlung von Best Practise Projekten identifiziert sowie eine Website generiert.Ich will das nicht weiter kommentieren, am besten schaut man sich wohl selbst an, wie diese fantastische Web 2.0-Plattform so funktioniert. Derzeit sieht es jedenfalls so aus, als sei der Traffic noch steigerbar (siehe Alexa-screenshot links).
Diese Web 2.0 – Plattform adressiert insbesondere Wirtschaftstreibende, Medienmacher und Politiker/innen und wird derzeit in Abstimmung zwischen den Herausgebern BMVIT und BKA an die Bedürfnisse der Zielgruppen angepasst, aktualisiert und ergänzt und soll im Herbst d.J. medial gelauncht werden.
Im Berichtszeitraum wurden
1. die redaktionelle und technische Verantwortung zwischen BKA | BMVIT und einem IT-Dienstleister neu zugeordnet;
2. Anmutung und Funktionalität der Site überprüft und Schritte zur Verbesserung eingeleitet (bspw. wird der Eintrittsbereich neu gestaltet);
3. Kontakte zu den Multiplikatoren (FFG, netidee.at, etc.) intensiviert und neue Kooperationsmöglichkeiten (APA, AIT, FWF) sondiert.
Derzeit sind mehr als 200 Projekte online, der Löwenanteil aus den Bereichen e-Government (67) und anwendungsorientierte Forschung (45).
Zur Verbesserung der Usability werden z.Z. Beschlagwortung und Hilfe überarbeitet, zur besseren Systematisierung (u.a. zur Auswertung) werden u.a. die dzt. 9 Kategorien neu gebündelt.
Ein weiteres Arbeitspaket umfasst die Akquisition von Netzwerk-Partnern und Verlinkung mit deren Sites, wobei insbesondere auch auf regionale Initiativen eingegangen wird."
Und dafür, dass sich hier die Leuchtturmprojekte tummeln sollten, ist das Ganze auch noch ziemlich gut versteckt. Gerade einmal drei Links, die zu dieser Seite führen, weist Alexa aus, einer davon aus diesem Blog (und ja, dieser Beitrag bringt der Site gleich ein Viertel mehr Link-"reputation"); bei aller Unschärfe der Alexa-Daten - aber so gut versteckt habe ich Leuchttürme noch selten gesehen.
Ob Österreich damit wirklich "in die Spitze der IKT-Nationen" positioniert werden kann? Gemessen soll das ja alles am Networked Readiness Index (NRI) werden, wo Österreich 2008 auf Rang 15, 2009 auf Rang 16 und 2010 auf Rang 20 lag und sich mittlerweile so weit in der Spitze positionieren konnte, das es 2011 nun Rang 21 einnimmt.
Und weil man das zwar nicht verschweigen kann, aber ein Erfolgsnachweis vielleicht doch anders ausschauen könnte, gibt es noch die Prioritäten A3 und A12 des "Kompetenzzentrums", mit denen "window-dressing" (so Peter F. Mayr) für den NRI betrieben werden sollen ("A12" heißt auch ganz offiziell: "Indexpflege"). Im Forstschrittsbericht steht zu Priorität A12: "Die RTR führt Gespräch mit dem WKÖ und mit dem Weltwirtschaftsforum über den NRI. Ausserdem werden die Einzelindikatoren dahingehend untersucht, aus welchen Quellen die Zahlen stammen und wie sie definiert sind." Zu Priorität A3 heißt es:
"Die RTR hat im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse ein Reverse Engineering des NRI durchgeführt. Damit ist es möglich, die Werte von Einzelindikatoren zu verschieben und die Auswirkungen auf den Gesamtindikator festzustellen."Die Abkürzung NRI bedeutet auch hier übrigens nicht "Nonsense-Readiness-Index".
PS: falls jemand fragt - "Das Umsetzen von Projekten ist explizit als ein Nichtziel des KIG genannt." Dieses Nichtziel wurde erreicht, beim weiteren Nichtziel "Redundanz" bin ich mir noch nicht ganz sicher. Aber es wird sicher auch einen Nicht-Ziel-Nicht-Erreichungs-Bericht oder etwas in dieser Art geben.
Thursday, September 15, 2011
EuGH zur DVB-T-Beihilfe Berlin-Brandenburg: leise Kritik am EuG, aber dessen Urteil bestätigt
Der EuGH hat heute mit dem Urteil in der Rechtssache C-544/09 P Deutschland / Kommission das Rechtsmittel der Bundesrepublik Deutschland gegen das Urteil des EuG (damals noch "Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften") vom 6.10.2009, T-21/06 Deutschland / Kommission, zurückgewiesen; damit steht - fast zehn Jahre nach dem ersten Beschluss der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, den
Umstieg auf die digitale terrestrische Übertragung (DVB-T) finanziell zu
fördern, nun endgültig fest, dass die von der Bundesrepublik Deutschland den an DVB-T beteiligten privaten
Rundfunkanbietern gewährte staatliche Beihilfe für die Einführung des
digitalen terrestrischen Rundfunks in Berlin-Brandenburg mit dem
Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, wie die Kommission mit ihrer Entscheidung vom 9.11.2005 ausgesprochen hatte (mehr zur Vorgeschichte und zum EuG-Urteil im Blog hier; siehe zum Vergleich zur italienischen Situation - EuGH-Urteil vom 28.7.2011 - auch hier).
Der EuGH musste in dem - ohne Schlussanträge der Generalanwältin im schriftlichen Verfahren erlassenen - Urteil nicht allzu tief in die Sachfragen einsteigen; spannend war wohl nur der erste Rechtsmittelgrund, mit dem Deutschland geltend machte, dass das EuG (wie schon die Kommission zuvor) die Anreizwirkung der Beihilfe fehlerhaft beurteilt habe. Der EuGH folgt der Ansicht Deutschlands nicht, dass die privaten Rundfunkanbieter ohne Beihilfe nicht bereit gewesen wären, die für den Umstieg auf DVB-T notwendigen Investitionen zu tragen, und weist darauf hin, dass die wichtigsten privaten Rundfunkanbieter der Region schon in einer Vereinbarung vom 13. Februar 2002 ihre Bereitschaft bekundet hätten, auf DVB‑T umzusteigen, obwohl es noch keine Entscheidung über die staatliche Finanzierung der Umstellung auf DVB‑T gegeben habe (RNr 44-47). Leichte Kritik klingt in RNr 45 am EuG durch: entgegen der Ansicht Deutschlands sei die Anreizwirkung vom EuG geprüft worden, "mag seine Darstellung der Analyse des Kriteriums der Erforderlichkeit der fraglichen Beihilfe und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in den Randnrn. 63 bis 68 des angefochtenen Urteils auch unübersichtlich sein".
Die weiteren Rechtsmittelgründe wurden entweder im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht (und waren damit unzulässig; dies betrifft den behaupteten Verstoß gegen das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit), richteten sich gegen nichttragende Gründe oder waren sehr einfach abzuhandeln (das betrifft die behauptete fehlerhafte Beurteilung der Technologieneutralität: hier hatte Deutschland das interessante Argument vorgebracht, dass Technologieneutralität zwar für allgemeine Maßnahmen ein geeignetes Kriterium sein möge, aber nicht für eine speziellnicht technologieneutrale nur eine Technologie betreffende Maßnahme, siehe RNr74 des Urteils).
Der EuGH musste in dem - ohne Schlussanträge der Generalanwältin im schriftlichen Verfahren erlassenen - Urteil nicht allzu tief in die Sachfragen einsteigen; spannend war wohl nur der erste Rechtsmittelgrund, mit dem Deutschland geltend machte, dass das EuG (wie schon die Kommission zuvor) die Anreizwirkung der Beihilfe fehlerhaft beurteilt habe. Der EuGH folgt der Ansicht Deutschlands nicht, dass die privaten Rundfunkanbieter ohne Beihilfe nicht bereit gewesen wären, die für den Umstieg auf DVB-T notwendigen Investitionen zu tragen, und weist darauf hin, dass die wichtigsten privaten Rundfunkanbieter der Region schon in einer Vereinbarung vom 13. Februar 2002 ihre Bereitschaft bekundet hätten, auf DVB‑T umzusteigen, obwohl es noch keine Entscheidung über die staatliche Finanzierung der Umstellung auf DVB‑T gegeben habe (RNr 44-47). Leichte Kritik klingt in RNr 45 am EuG durch: entgegen der Ansicht Deutschlands sei die Anreizwirkung vom EuG geprüft worden, "mag seine Darstellung der Analyse des Kriteriums der Erforderlichkeit der fraglichen Beihilfe und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in den Randnrn. 63 bis 68 des angefochtenen Urteils auch unübersichtlich sein".
Die weiteren Rechtsmittelgründe wurden entweder im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht (und waren damit unzulässig; dies betrifft den behaupteten Verstoß gegen das Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit), richteten sich gegen nichttragende Gründe oder waren sehr einfach abzuhandeln (das betrifft die behauptete fehlerhafte Beurteilung der Technologieneutralität: hier hatte Deutschland das interessante Argument vorgebracht, dass Technologieneutralität zwar für allgemeine Maßnahmen ein geeignetes Kriterium sein möge, aber nicht für eine speziell
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Wednesday, September 14, 2011
Entgelte für die Verlängerung von Frequenznutzungsrechten: Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Verfassungsgerichtshofs
Die Frequenzlandschaft im Mobilfunk steht vor der Neuordnung: in Österreich soll nächstes Jahr (zuerst hieß es "Mitte 2012" bzw "Sommer", zuletzt Herbst, ich würde daher den Winter erwarten) die "digitale Dividende" vergeben werden; zugleich stellen sich aber davon nicht wirklich zu trennende Fragen zur Zukunft der bisherigen Nutzungsrechte in den 900 MHz bzw 1800 MHz-Bändern, die derzeit noch an GSM gebunden sind. Einen Überblick über die Thematik findet man in der Konsultation der Regulierungsbehörde, und in der Zusammenfassung der Stellungnahmen mit den geplanten weiteren Schritten*.
Zu den schwierigsten regulatorischen Aufgaben bei der Neuvergabe von Frequenznutzungsrechten ebenso wie beim "Refarming" (siehe dazu im Blog schon hier) zählt die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einerseits und Eingriffen in bestehende Rechte andererseits. Dazu wird in manchen Mitgliedstaaten auch überlegt, die bisherigen Laufzeiten von Frequenznutzungsrechten zunächst einmal anzugleichen und dann ein gemeinsames Vergabeverfahren für die neuen bzw neu gewidmeten Frequenzen durchzuführen. Da man aber ohne Zustimmung der betroffenen Unternehmen die Dauer der schon vergebenen Frequenznutzungsrechte nicht verkürzen kann, bleibt dafür praktisch nur die Verlängerung bestehender Rechte übrig. Und um diese Verlängerung schließlich wieder möglichst wettbewerbsneutral zu halten, muss natürlich auch an den Frequenznutzungsentgelten "gedreht" werden. (Für Österreich hält die Regulierungsbehörde übrigens "eine Verlängerung auf Basis der derzeitigen Rechtslage nicht für möglich."; Seite 12 des Konsultations-Ergebnis-Dokuments).
In Belgien ist der Prozess der Verlängerung einzelner Nutzungsrechte mittlerweile im Gang, und wenig überraschend gibt es Streit über die dafür zu zahlenden Frequenznutzungsentgelte. Der belgische Verfassungsgerichtshof hat nun dem EuGH vier recht kompliziert klingende Fragen zur Auslegung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen (Art 3, 12 und 13 der Genehmigungsrichtlinie 2002/20/EG "in ihrer derzeit geltenden Fassung") zur Vorabentscheidung vorgelegt (C-375/11 Belgacom ua). Im Wesentlichen betreffen die - hier nachzulesenden - Fragen die Zulässigkeit eines einmaligen Frequenznutzungsentgelts für den Verlängerungszeitraum, auf der Basis der früher gezahlten Konzessionsabgabe und unter Berücksichtigung des aktuellen Wertes der Frequenzen ("teilweise aufgewertet", im Englischen deutlicher: "partially reflecting the value of frequencies"). Und auch wenn das konkrete belgische Problem in Österreich in dieser Form wohl nicht auftreten wird, so könnte der EuGH in diesem Verfahren doch einige ganz allgemein interessierenden Antworten zur Zulässigkeit von Frequenznutzungsrechten geben.
*) bedauerlich ist, dass ganz wesentliche Player - insbesondere A1 Telekom Austria, T-Mobile und Orange - zwar Stellung genommen haben, sich aber gegen die Veröffentlichung der Stellungnahmen aussprachen, was von der Regulierungsbehörde auch akzeptiert wurde; von den Mobilfunkanbietern ist daher nur die Stellungnahme der Hutchison 3G Austria GmbH öffentlich zugänglich.
Zu den schwierigsten regulatorischen Aufgaben bei der Neuvergabe von Frequenznutzungsrechten ebenso wie beim "Refarming" (siehe dazu im Blog schon hier) zählt die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einerseits und Eingriffen in bestehende Rechte andererseits. Dazu wird in manchen Mitgliedstaaten auch überlegt, die bisherigen Laufzeiten von Frequenznutzungsrechten zunächst einmal anzugleichen und dann ein gemeinsames Vergabeverfahren für die neuen bzw neu gewidmeten Frequenzen durchzuführen. Da man aber ohne Zustimmung der betroffenen Unternehmen die Dauer der schon vergebenen Frequenznutzungsrechte nicht verkürzen kann, bleibt dafür praktisch nur die Verlängerung bestehender Rechte übrig. Und um diese Verlängerung schließlich wieder möglichst wettbewerbsneutral zu halten, muss natürlich auch an den Frequenznutzungsentgelten "gedreht" werden. (Für Österreich hält die Regulierungsbehörde übrigens "eine Verlängerung auf Basis der derzeitigen Rechtslage nicht für möglich."; Seite 12 des Konsultations-Ergebnis-Dokuments).
In Belgien ist der Prozess der Verlängerung einzelner Nutzungsrechte mittlerweile im Gang, und wenig überraschend gibt es Streit über die dafür zu zahlenden Frequenznutzungsentgelte. Der belgische Verfassungsgerichtshof hat nun dem EuGH vier recht kompliziert klingende Fragen zur Auslegung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen (Art 3, 12 und 13 der Genehmigungsrichtlinie 2002/20/EG "in ihrer derzeit geltenden Fassung") zur Vorabentscheidung vorgelegt (C-375/11 Belgacom ua). Im Wesentlichen betreffen die - hier nachzulesenden - Fragen die Zulässigkeit eines einmaligen Frequenznutzungsentgelts für den Verlängerungszeitraum, auf der Basis der früher gezahlten Konzessionsabgabe und unter Berücksichtigung des aktuellen Wertes der Frequenzen ("teilweise aufgewertet", im Englischen deutlicher: "partially reflecting the value of frequencies"). Und auch wenn das konkrete belgische Problem in Österreich in dieser Form wohl nicht auftreten wird, so könnte der EuGH in diesem Verfahren doch einige ganz allgemein interessierenden Antworten zur Zulässigkeit von Frequenznutzungsrechten geben.
*) bedauerlich ist, dass ganz wesentliche Player - insbesondere A1 Telekom Austria, T-Mobile und Orange - zwar Stellung genommen haben, sich aber gegen die Veröffentlichung der Stellungnahmen aussprachen, was von der Regulierungsbehörde auch akzeptiert wurde; von den Mobilfunkanbietern ist daher nur die Stellungnahme der Hutchison 3G Austria GmbH öffentlich zugänglich.
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Tuesday, September 13, 2011
"Wenn [und wo] die Musi spielt": Wie eine neue ORF-Landesdirektorin nicht bestellt wird
"Wenn die Musi spielt" ist eine "erfolgreiche Eigenproduktion" des ORF Landesstudios Kärnten, so meint jedenfalls Landeshauptmann Dörfler (und warum sollte man ihm diesbezüglich nicht glauben?).
Was die Bestellung von LandesdirektorInnen betrifft, so spielt die Musi aber - anders als es die heutige Presseaussendung der Kärntner Landesregierung nahelegen würde - weniger in Kärnten als vielmehr im ORF-Stiftungsrat in Wien - zumindest wenn es nach dem ORF-Gesetz geht. Und weil es neben dem Kärntner Landeshauptmann auch noch andere Kärntner Politiker gibt, die sich zum Thema äußern, ohne den gesetzlich geregelten Ablauf zu kennen, hier eine kurze rechtliche Klarstellung:
Nach § 23 Abs 2 Z 3 ORF-G obliegt dem Generaldirektor "die Erstattung von Vorschlägen für die Bestellung und Abberufung von Direktoren und Landesdirektoren, bei Letzteren nach Einholung einer Stellungnahme des betreffenden Landes".
Das Land (Landesregierung, allenfalls ein nach den Regeln der jeweiligen Landesverfassung bestimmtes Mitglied der Landesregierung) ist also lediglich anzuhören (kann sich zu einem Vorschlag des Generaldirektors äußern); selbst wenn die Landesregierung der Auffassung wäre, die vorgeschlagene Person sei ungeeignet oder unerwünscht, könnte der Generaldirektor diese Person dann dem Stiftungsrat präsentieren. Die Entscheidung über die Bestellung der LandesdirektorInnen trifft nach § 21 Abs 1 Z 5 ORF-G in Verbindung mit § 24 Abs 1 ORF-G der Stiftungsrat auf Vorschlag des Generaldirektors. Ist der Stiftungsrat mit einem Vorschlag des Generaldirektors nicht einverstanden, muss er die vorgeschlagene Person nicht bestellen, kann aber auch nicht - ohne neuen Vorschlag - einfach jemand anderen bestellen. Im Gesetz heißt es dazu: "Bestellt der Stiftungsrat innerhalb von sechs Wochen nach Erstattung von Vorschlägen des Generaldirektors keine Direktoren oder Landesdirektoren, so hat der Generaldirektor nach Ablauf dieser Frist dem Stiftungsrat unverzüglich einen neuen Vorschlag vorzulegen."
Zusammenfassend: es braucht also weder, wie der Kärntner Landeshauptmann offenbar meint, eine Einigung zwischen dem Generaldirektor und dem Land, noch steht dem Landeshauptmann - wie dies Landeshauptmann-Stellvertreter Kaiser meint - "lediglich ein Vorschlags- aber kein Ernennungsrecht" zu. Rechtlich im Wesentlichen richtig ist hingegen die Aussendung des BZÖ-Mediensprechers.
Update 14.09.2011: es stimmt auch nicht, dass er Landeshauptmann die vom Generaldirektor vorgeschlagene Person akzeptieren "oder von Wrabetz einen anderen Kandidaten verlangen" kann, wie die VN schreibt.
PS: "Bei der Auswahl von Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle [...] ist in erster Linie die fachliche Eignung zu berücksichtigen." (§ 27 Abs 2 ORF-G)
PPS: Dass es sich übrigens bei der Bestellung der DirektorInnen und LandesdirektorInnen (ebenso wie bei der Bestellung des Generaldirektors) nicht um eine Wahl handelt, habe ich schon öfters angemerkt (hier, hier) - aber wenn auch die ORF-Pressestelle dauernd den Begriff "Wahl" verwendet, wird man wohl auch weiterhin in den Medien von einer "Wahl" lesen.
Update (15.09.2011): ich habe gerade die aktuellen Aussendungen des ORF gelesen und staune: kein Wort mehr von der Wahl, nur von der Bestellung der Landesdirektoren (und Landesdirektorinnen, könnte man ergänzen) mit "großer Mehrheit" und von der Bestellung der "Direktorinnen bzw. Direktoren" (wobei hier das Wort "Direktorinnen" ein wenig übertrieben wirkt, da nur eine Direktorin bestellt wurde), diese sogar mit "sehr großer Mehrheit" (zwischen großer und sehr großer Mehrheit liegen drei Stimmen)
Was die Bestellung von LandesdirektorInnen betrifft, so spielt die Musi aber - anders als es die heutige Presseaussendung der Kärntner Landesregierung nahelegen würde - weniger in Kärnten als vielmehr im ORF-Stiftungsrat in Wien - zumindest wenn es nach dem ORF-Gesetz geht. Und weil es neben dem Kärntner Landeshauptmann auch noch andere Kärntner Politiker gibt, die sich zum Thema äußern, ohne den gesetzlich geregelten Ablauf zu kennen, hier eine kurze rechtliche Klarstellung:
Nach § 23 Abs 2 Z 3 ORF-G obliegt dem Generaldirektor "die Erstattung von Vorschlägen für die Bestellung und Abberufung von Direktoren und Landesdirektoren, bei Letzteren nach Einholung einer Stellungnahme des betreffenden Landes".
Das Land (Landesregierung, allenfalls ein nach den Regeln der jeweiligen Landesverfassung bestimmtes Mitglied der Landesregierung) ist also lediglich anzuhören (kann sich zu einem Vorschlag des Generaldirektors äußern); selbst wenn die Landesregierung der Auffassung wäre, die vorgeschlagene Person sei ungeeignet oder unerwünscht, könnte der Generaldirektor diese Person dann dem Stiftungsrat präsentieren. Die Entscheidung über die Bestellung der LandesdirektorInnen trifft nach § 21 Abs 1 Z 5 ORF-G in Verbindung mit § 24 Abs 1 ORF-G der Stiftungsrat auf Vorschlag des Generaldirektors. Ist der Stiftungsrat mit einem Vorschlag des Generaldirektors nicht einverstanden, muss er die vorgeschlagene Person nicht bestellen, kann aber auch nicht - ohne neuen Vorschlag - einfach jemand anderen bestellen. Im Gesetz heißt es dazu: "Bestellt der Stiftungsrat innerhalb von sechs Wochen nach Erstattung von Vorschlägen des Generaldirektors keine Direktoren oder Landesdirektoren, so hat der Generaldirektor nach Ablauf dieser Frist dem Stiftungsrat unverzüglich einen neuen Vorschlag vorzulegen."
Zusammenfassend: es braucht also weder, wie der Kärntner Landeshauptmann offenbar meint, eine Einigung zwischen dem Generaldirektor und dem Land, noch steht dem Landeshauptmann - wie dies Landeshauptmann-Stellvertreter Kaiser meint - "lediglich ein Vorschlags- aber kein Ernennungsrecht" zu. Rechtlich im Wesentlichen richtig ist hingegen die Aussendung des BZÖ-Mediensprechers.
Update 14.09.2011: es stimmt auch nicht, dass er Landeshauptmann die vom Generaldirektor vorgeschlagene Person akzeptieren "oder von Wrabetz einen anderen Kandidaten verlangen" kann, wie die VN schreibt.
PS: "Bei der Auswahl von Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle [...] ist in erster Linie die fachliche Eignung zu berücksichtigen." (§ 27 Abs 2 ORF-G)
PPS: Dass es sich übrigens bei der Bestellung der DirektorInnen und LandesdirektorInnen (ebenso wie bei der Bestellung des Generaldirektors) nicht um eine Wahl handelt, habe ich schon öfters angemerkt (hier, hier) - aber wenn auch die ORF-Pressestelle dauernd den Begriff "Wahl" verwendet, wird man wohl auch weiterhin in den Medien von einer "Wahl" lesen.
Update (15.09.2011): ich habe gerade die aktuellen Aussendungen des ORF gelesen und staune: kein Wort mehr von der Wahl, nur von der Bestellung der Landesdirektoren (und Landesdirektorinnen, könnte man ergänzen) mit "großer Mehrheit" und von der Bestellung der "Direktorinnen bzw. Direktoren" (wobei hier das Wort "Direktorinnen" ein wenig übertrieben wirkt, da nur eine Direktorin bestellt wurde), diese sogar mit "sehr großer Mehrheit" (zwischen großer und sehr großer Mehrheit liegen drei Stimmen)
Monday, September 12, 2011
Große Kammer des EGMR zur Meinungsäußerungsfreiheit im Arbeitsleben
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befasst sich in seinem heutigen Urteil der Großen Kammer im Fall Palomo Sanchez and others v. Spain (Appl. nos. 28955/06, 28957/06, 28959/06 and 28964/06) mit den Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit im Arbeitsleben, insbesondere in der gewerkschaftlichen Auseinandersetzung.
Im Zuge eines Arbeitskonflikts in Barcelona wurde in einem Gewerkschafts-Newsletter ein Cartoon veröffentlicht, der sich nicht nur gegen die Unternehmensleitung, sondern vor allem auch gegen andere Mitarbeiter richtete, die nach Auffassung der Gewerkschaft ihre Kollegen durch arbeitgeberfreundliche Zeugenaussagen "verraten" hatten.
Auch die Große Kammer kam nun mehrheitlich - gegen die Stimmen der Richter Tulkens (Belgien), Björgvinsson (Island), Jočienė (Litauen), Popović (Serbien), und Vučinić (Montenegro) - zur selben Auffassung wie zuvor die Dritte Kammer.
Der EGMR geht zunächst auf eine Empfehlung und einen Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation und auch auf eine Advisory Opinion des Inter-American Court of Human Rights ein; der darauf folgende kurze rechtsvergleichende Exkurs zur Disziplinargewalt von Arbeitgebern endet mit der wenig überraschenden Betonung einer notwendigen Einzelfallbetrachtung: "Only through a case-by-case approach is it possible to grasp the substance of the jurisprudential solution adopted in each type of situation."
In der rechtlichen Beurteilung betont der EGMR die Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für Gewerkschaften, kommt aber im Rahmen der Abwägung schließlich zum Ergebnis, dass jedenfalls ein schwer beleidigender Angriff auf die Ehre von Mitarbeitern oder Vorgesetzten auch die schwere Sanktion der Entlassung rechtfertigen kann. Besonders deutlich macht der EGMR auch in diesem Urteil wieder (insbesondere in Nr. 74), dass er von den nationalen Gerichten eine nachvollziehbare Abwägung aller betroffenen Grundrechtspositionen und eine Auseinandersetzung mit seiner Rechtsprechung erwartet; dann - und wohl nur dann - ist er bereit, den stets bekundeten "certain margin of appreciation" der Konventionsstaaten auch wirklich zu akzeptieren. Aus dem Urteil:
Update 08.10.2011: der ursprüngliche Cartoon ist hier zu sehen!
Im Zuge eines Arbeitskonflikts in Barcelona wurde in einem Gewerkschafts-Newsletter ein Cartoon veröffentlicht, der sich nicht nur gegen die Unternehmensleitung, sondern vor allem auch gegen andere Mitarbeiter richtete, die nach Auffassung der Gewerkschaft ihre Kollegen durch arbeitgeberfreundliche Zeugenaussagen "verraten" hatten.
"On the cover of the newsletter, a cartoon with speech bubbles* showed a caricature of the human resources manager, G., sitting behind a desk under which a person on all fours could be seen from behind, together with, to one side, A. and B., also employees of the company P. and representatives of a committee of its non-salaried delivery workers, who were watching the scene while waiting to take their turn to satisfy the manager. Inside the newsletter were two articles which vehemently denounced the fact that those two individuals had testified in favour of the company P. in proceedings that the applicants had brought against their employer."
*) "The accompanying speech bubbles were sufficiently explicit." heißt es and anderer Stelle des Urteils (Nr. 67)Auch zwei weitere Artikel zeichneten sich nicht gerade durch subitle Kritik oder dezente Wortwahl aus (mehr kann man im Urteil nachlesen). Aufgrund dieses Newsletters wurden dieBeschwerdeführer wegen groben Fehlverhaltens entlassen und wandten sich - nach für sie erfolglosen innerstaatlichen gerichtlichen Verfahren - an den EGMR. Dieser kam in der Kammerentscheidung vom 8.12.2009, Aguilera Jimenez and others, mit einer (vorsichtigen) Gegenstimme zum Ergebnis, dass keine Verletzung des Art 10 EMRK festzustellen war.
Auch die Große Kammer kam nun mehrheitlich - gegen die Stimmen der Richter Tulkens (Belgien), Björgvinsson (Island), Jočienė (Litauen), Popović (Serbien), und Vučinić (Montenegro) - zur selben Auffassung wie zuvor die Dritte Kammer.
Der EGMR geht zunächst auf eine Empfehlung und einen Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation und auch auf eine Advisory Opinion des Inter-American Court of Human Rights ein; der darauf folgende kurze rechtsvergleichende Exkurs zur Disziplinargewalt von Arbeitgebern endet mit der wenig überraschenden Betonung einer notwendigen Einzelfallbetrachtung: "Only through a case-by-case approach is it possible to grasp the substance of the jurisprudential solution adopted in each type of situation."
In der rechtlichen Beurteilung betont der EGMR die Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für Gewerkschaften, kommt aber im Rahmen der Abwägung schließlich zum Ergebnis, dass jedenfalls ein schwer beleidigender Angriff auf die Ehre von Mitarbeitern oder Vorgesetzten auch die schwere Sanktion der Entlassung rechtfertigen kann. Besonders deutlich macht der EGMR auch in diesem Urteil wieder (insbesondere in Nr. 74), dass er von den nationalen Gerichten eine nachvollziehbare Abwägung aller betroffenen Grundrechtspositionen und eine Auseinandersetzung mit seiner Rechtsprechung erwartet; dann - und wohl nur dann - ist er bereit, den stets bekundeten "certain margin of appreciation" der Konventionsstaaten auch wirklich zu akzeptieren. Aus dem Urteil:
"56. The Court takes the view that the members of a trade union must be able to express to their employer their demands by which they seek to improve the situation of workers in their company. [...] A trade union that does not have the possibility of expressing its ideas freely in this connection would indeed be deprived of an essential means of action. Consequently, for the purpose of guaranteeing the meaningful and effective nature of trade union rights, the national authorities must ensure that disproportionate penalties do not dissuade trade union representatives from seeking to express and defend their members’ interests. [...]Die abweichende Meinung kritisiert vor allem, dass die Mehrheit die gewerkschaftliche Dimension des Falles weitgehend außer Acht lässt. Der Gewerkscahft komme ein ähnliche "watchdog-Funktion" zu wie der Presse oder Umweltschautzorganisationen. Aus der abweichenden Meinung:
60. In the present case, the measure complained of by the applicants, namely their dismissal, was not taken by a State authority but by a private company. Following the publication of the trade-union newsletter of March 2002 and the expressions contained therein, the disciplinary measure of dismissal for serious misconduct was taken against the applicants by their employer [...] and confirmed by the domestic courts. The applicants’ dismissal was not the result of direct intervention by the national authorities. The responsibility of the authorities would nevertheless be engaged if the facts complained of stemmed from a failure on their part to secure to the applicants the enjoyment of the right enshrined in Article 10 of the Convention [...].
63. [...] the principal question in the present case is whether the respondent State was required to guarantee respect for the applicants’ freedom of expression by annulling their dismissal. The Court’s task is therefore to determine whether, in the light of the case as a whole, the sanction imposed on the applicants was proportionate to the legitimate aim pursued and whether the reasons given by the national authorities to justify it were “relevant and sufficient” [...]
64. The Court observes that the domestic courts examined whether the fundamental rights relied upon by the applicants had been breached; if there had been a breach, their dismissals would have been declared null and void. [...]
65. Moreover, the domestic courts referred to the exercise of the right to freedom of expression in the context of labour relations and noted that this right was not unlimited; the specific features of labour relations had to be taken into account. [...]
67. [...] The accusations were expressed in vexatious and injurious terms for the persons concerned. The Court reiterates that a clear distinction must be made between criticism and insult and that the latter may, in principle, justify sanctions [...]
71. [...] The cartoon and articles were thus published in the newsletter of the trade-union workplace branch to which the applicants belonged, in the context of a dispute between the applicants and the company P. Nevertheless, they did contain criticism and accusations, not directly against the company but against the two non-salaried deliverymen and the human resources manager. The Court reiterates in this connection that the extent of acceptable criticism is narrower as regards private individuals than as regards politicians or civil servants acting in the exercise of their duties [...]
72. The Court does not share the Government’s view that the content of the impugned articles did not concern any matter of general interest [...]. The debate was therefore not a purely private one; it was at least a matter of general interest for the workers of the company P. [...]
73. That being said, the existence of such a matter cannot justify the use of offensive cartoons or expressions, even in the context of labour relations [...]
74. The domestic courts took all these factors into account in dealing with the action brought by the applicants. They carried out an in-depth examination of the circumstances of the case and a detailed balancing of the competing interests at stake, taking into account the limits of the right to freedom of expression and the reciprocal rights and obligations specific to employment contracts and the professional environment. [...] In the Court’s opinion, the conclusions reached by the domestic courts cannot be regarded as unreasonable. In this connection, it notes that, in addition to being insulting, the cartoon and texts in issue were intended more as an attack on colleagues for testifying before the courts than as a means of promoting trade union action vis-à-vis the employer. [...]
76. The Court observes that, in order to be fruitful, labour relations must be based on mutual trust. As the Employment Tribunal rightly found, even if the requirement to act in good faith in the context of an employment contract does not imply an absolute duty of loyalty towards the employer or a duty of discretion to the point of subjecting the worker to the employer’s interests, certain manifestations of the right to freedom of expression that may be legitimate in other contexts are not legitimate in that of labour relations [...]. Moreover, an attack on the respectability of individuals by using grossly insulting or offensive expressions in the professional environment is, on account of its disruptive effects, a particularly serious form of misconduct capable of justifying severe sanctions.
77. This leads the Court to find that, in the particular circumstances of the present case, the measure of dismissal taken against the applicants was not a manifestly disproportionate or excessive sanction capable of requiring the State to afford redress by annulling it or by replacing it with a more lenient measure."
"Both in assessing the facts and in balancing the interests at stake, the majority give scant consideration to the fact that the applicants were members of a trade union, or that they were expressing professional and employment-related claims. [...]Update 14.09.2011: eine lesenswerte Auseinandersetzung mit dem Urteil findet sich heute auf dem Strasbourg Observers Blog ("a retrograde step in terms of freedom of expression generally"; "... the Court seemed to approve the principle that trade unions cannot engage in offensive and insulting speech, a dangerous proposition which will chill the speech of unions generally.")
Admittedly, there has not yet been any specific Convention case-law associating trade union freedom, in terms of 'a right, in order to protect [its members’] interests, that the trade union should be heard', with freedom of expression. We believe, however, that the case-law applicable to freedom of expression in a media context may be applied, mutatis mutandis and with all the necessary precautions, to cases like the present one. A function similar to the 'watchdog' role of the press is performed by a trade union, which acts on behalf of the company’s workers to protect their occupational and employment-related interests. [...]
As regards the cartoon on the newsletter’s cover, it is a caricature, which, whilst being vulgar and tasteless in nature, should be taken for what it is – a satirical representation. In other cases the Court has recognised the satirical nature of an expression, publication or caricature. In refusing to take that nature into account in the present case, the judgment gives the curious impression of placing trade union freedom of expression at a lower level than that of artistic freedom and of treating it more restrictively.
12. Moreover, as to the content of the impugned texts, which are unquestionably crude and vulgar, it must be assessed in relation to the ongoing industrial dispute in the company. The harsh criticism did not relate to the intimacy of the individuals or to other rights pertaining to their private lives. It was directed exclusively at the role of certain colleagues in the industrial dispute and their professional attitude in the legal debate over the recognition of rights afforded by law to workers. It was in fact mainly for the promotion and protection of those rights that the trade union had been created. [...]
17. The imposition of such a harsh sanction on trade union members, who were acting in their own names but also to defend the interests of other workers, is likely to have, generally speaking, a 'chilling effect' on the conduct of trade unionists and to encroach directly upon the raison d’être of a trade union [...].
18. Lastly, the majority boldly assert that certain manifestations of the right to freedom of expression that may be legitimate in other contexts are not legitimate in that of labour relations. They continue as follows: 'Moreover, an attack on the respectability of individuals by using grossly insulting or offensive expressions in the professional environment is, on account of its disruptive effects, a particularly serious form of misconduct capable of justifying severe sanctions. [...]' (see paragraphs 76 and 77 of the judgment). We are puzzled by such an assertion. Firstly, the argument of possible disruption in the workplace is one that has been traditionally used in order to justify greater protection of freedom of expression and not less protection. [...] Furthermore, the Court once again overlooks the social dimension of the situation in adopting this singular position, which appears to us to be detached from the reality of the case. The applicants’ summary and final dismissal for serious misconduct quite simply deprived them of their livelihood. In terms of proportionality, is it really reasonable today, with the widespread employment crisis affecting numerous countries and in terms of social peace, to compare the potentially disruptive effects of the impugned texts in the workplace with a measure of final dismissal, and thus increased job insecurity for the workers? We do not think so."
Update 08.10.2011: der ursprüngliche Cartoon ist hier zu sehen!
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Thursday, September 08, 2011
EuGH-Generalanwalt zu C-81/10 P France Télécom: Rückforderung von Beihilfe darf Grundrechte nicht beeinträchtigen
In seinen heute veröffentlichten Schlussanträgen in der Rechtssache C-81/10 P France Télécom empfiehlt Generalanwalt Jääskinen, das Rechtsmittel der France Télécom SA gegen das Urteil des EuG vom 30.11.2009, T-427/04 Frankreich / Kommission und T-17/05 France Télécom / Kommission, zurückzuweisen. Die Angelegenheit betrifft Regeln über die steuerliche Behandlung der France Télécom in den Jahren 1994 bis 2002 im Bereich der französichen Gewerbesteuer, die von der Kommission (Entscheidung C(2004) 3061) als Beihilfe beurteilt wurden. Mehr zur Vorgeschichte hier im Blog in meinem Beitrag zum erstinstanzlichen Urteil.
In seinen Schlussanträgen setzt sich der Generalanwalt eingehend mit dem Vorteilsbegriff im Sinne des Beihilfenrechts im konkreten Fall einer steuerrechtlichen Sondervorschrift für ein damals zu mehr als 50% in Staatsbesitz stehendes Unternehmen, sowie mit behaupteten Verfahrensmängeln und Verletzungen allgemeiner Rechtsgrundsätze auseinander - mit dem Ergebnis, dass dem EuG keine Rechtsfehler vorzuwerfen seien und das Rechtsmittel zurückzuweisen sein werde.
Interessant sind die an den Schluss gestellten "ergänzenden Bemerkungen zum Status des Begünstigten im Zusammenhang mit der Rückzahlung rechtswidriger Beihilfen im Unionsrecht". Hier befasst sich der Generalanwalt vor allem mit der Frage, welche Einwendungen ein Unternehmen gegen die Rückforderung einer Beihilfe durch den Mitgliedstaat im nationalen gerichtlichen Verfahren machen kann (Fußnoten weggelassen, Hervorhebung hinzugefügt):
In seinen Schlussanträgen setzt sich der Generalanwalt eingehend mit dem Vorteilsbegriff im Sinne des Beihilfenrechts im konkreten Fall einer steuerrechtlichen Sondervorschrift für ein damals zu mehr als 50% in Staatsbesitz stehendes Unternehmen, sowie mit behaupteten Verfahrensmängeln und Verletzungen allgemeiner Rechtsgrundsätze auseinander - mit dem Ergebnis, dass dem EuG keine Rechtsfehler vorzuwerfen seien und das Rechtsmittel zurückzuweisen sein werde.
Interessant sind die an den Schluss gestellten "ergänzenden Bemerkungen zum Status des Begünstigten im Zusammenhang mit der Rückzahlung rechtswidriger Beihilfen im Unionsrecht". Hier befasst sich der Generalanwalt vor allem mit der Frage, welche Einwendungen ein Unternehmen gegen die Rückforderung einer Beihilfe durch den Mitgliedstaat im nationalen gerichtlichen Verfahren machen kann (Fußnoten weggelassen, Hervorhebung hinzugefügt):
"186. Wenn im vorliegenden Fall die Entscheidung der Kommission, die eine staatliche Beihilfe für rechtswidrig erklärt und ihre Rückforderung anordnet, durch ein Urteil des Gerichtshofs bestätigt wird, ist nach den Rechtsschutzmöglichkeiten zu fragen, die für die eventuell durch die Beihilfe Begünstigten in diesem Stadium eröffnet sein können. [...]
188. Ein Mitgliedstaat, der zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet ist, ist in der Wahl der Mittel, mit denen er dieser Verpflichtung nachkommt, frei, vorausgesetzt, die gewählten Mittel beeinträchtigen nicht die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts.
189. Es ist unstreitig, dass der Begriff des Unionsrechts die Grundrechte umfasst, die Einzelnen durch die Grundrechtecharta verliehen werden. Daraus folgt, dass das Vorliegen einer absoluten Pflicht zur Rückforderung für die Mitgliedstaaten die Grundrechte der Personen, denen die von den nationalen Behörden unter Verstoß gegen den Vertrag gewährten Maßnahmen zugutekommen können, nicht beeinträchtigen darf.
190. Insoweit erfordert die Rückzahlung einer staatlichen Beihilfe, dass der Begünstigte den Vorteil erstattet, den er durch die gewährte Beihilfe erhalten hat. Es handelt sich somit um eine Eigentumsübertragung vom Begünstigten auf den Mitgliedstaat. Eine solche Handlung kann, wenn der Begünstigte sie nicht freiwillig akzeptiert, nur zu einer Anfechtung vor Gericht führen, das nach einem fairen Verfahren gegen den betroffenen Begünstigten entscheidet.
191. Folglich kann, sobald die von der Grundrechtecharta gewährleisteten Rechte, wie der Schutz des Eigentumsrechts, ins Spiel kommen, die für den Mitgliedstaat bestehende unbedingte Pflicht zur Rückforderung nicht automatisch zu einer entsprechenden Rückzahlungsverpflichtung der Einzelnen führen.
192. Im Gegenteil, es ist meines Erachtens nicht zu bestreiten, dass eine Pflicht zur Rückzahlung im Rahmen eines fairen Verfahrens vom Begünstigten anfechtbar sein muss, und es muss ihm möglich sein, in den Genuss aller Verfahrensgarantien und aller materiell-rechtlichen Garantien, die sich aus der Grundrechtecharta und der EMRK ergeben, zu kommen.
193. Zwar ist der Begünstigte nicht mehr berechtigt, das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe oder ihre Rechtswidrigkeit als solche zu bestreiten. Jedoch steht es dem Begünstigten meines Erachtens frei, seine Rückzahlungspflicht sowie den Umfang dieser Verpflichtung anzufechten, selbst wenn die Gültigkeit der streitigen Entscheidung auch durch ein Urteil des Gerichts bestätigt worden ist."
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Wie beeinflusst man die Besetzung des Regulators? "Da sollten Sie Hochegger fragen"
Die Presseaussendung von News über ein Interview mit dem früheren Telekom Austria Vorstand Rudolf Fischer hat mich neugierig gemacht, denn dort stand unter anderem: "Hochegger hatte laut Fischer im Sinne der Telekom die Besetzung von regulatorisch wichtigen Posten ebenso beeinflusst wie die Umsetzung von Telekom-Verordnungen und öffentliche Ausschreibungen."
Also habe ich mir das Print-News gekauft und nachgelesen. Hier drei Zitate, zuerst zur Frage, wie man die Wert der Leistungen Hocheggers definieren könne. Dazu sagt Fischer:
Auf der Agenda des Untersuchungsausschusses müssten sich schon nach diesem Interview daher wohl zumindest auch folgende Themen finden:
**) Interessant finde ich, dass gerade Fischer - wie wir wissen: Techniker - die wirtschaftliche Qualifikation des früheren Chefs der Telekom-Regulierungsbehörde - eines habilitierten Ökonomen - massiv in Zweifel gezogen hat und auch jetzt davon spricht, dass es um "Wirtschaftlichkeiten" gehen solle.
Also habe ich mir das Print-News gekauft und nachgelesen. Hier drei Zitate, zuerst zur Frage, wie man die Wert der Leistungen Hocheggers definieren könne. Dazu sagt Fischer:
Fischer: [...] Als Beispiel: EU-Verordnungen können früher oder später, sehr streng oder sehr großzügig angewendet werden. Für ein Unternehmen wie die Telekom kann so ein Unterschied zig Millionen ausmachen.Zweitens zu den Aufträgen allgemein:
NEWS: Wie schafft man eine freundliche Umsetzung?
Fischer : Das ist Sache des Lobbyisten.
Fischer: ... Es gab drei Aufträge im Zusammenhang mit der Akquisition von eTel, ... Es gab Aufträge bei der Besetzung von Posten, die für die Telekom relevant waren, wobei in zwei Fällen Kandidaten der Telekom nicht zum Zug kamen.Drittens zur Beeinflussung von Vergabeverfahren:
News: Sie haben die Besetzung außerhalb der Telekom beeinflusst? Das wäre ja absurd, wenn die Telekom beispielsweise ihren Mann als Regulator durchsetzt.
Fischer: Nein, einen Mann der Telekom dorthin zu setzen ist illusorisch. Aber aus Sicht der Telekom sollte jemand diese Position innehaben, der die Telekommunikation versteht. Er sollte Entscheidungen aufgrund von Wirtschaftlichkeiten treffen und nicht komplett gegen den Exmonopolisten eingestellt sein.
NEWS: Wie beeinflusst man so eine Besetzung?
Fischer: Da sollten Sie Hochegger fragen.
NEWS: Welche großen Aufträge gab es noch?All das heißt noch nicht, dass - zumindest seitens der Vertreter der Telekom Austria oder ihrer Lobbyisten - irgendetwas Illegales geschehen wäre. Aber für einen allfälligen parlamentarischen Untersuchungsausschuss könnten sich doch einige Fragen stellen, denn immerhin erzählt hier ein früheres Vorstandsmitglied eines börsenotierten Unternehmens, wie - seiner Erinnerung nach - dieses Unternehmen ganz wesentliche Entscheidungen der Politik und Verwaltung beeinflusst hat. Es müsste wohl im Interesse der Politik liegen, hier aufzuklären, wie (unter anderem) die hier angesprochenen Entscheidungen tatsächlich gelaufen sind, welche Erwägungen also zum Beispiel wirklich für die konkrete Ausschreibung der Telefonie des Bundes wesentlich waren (und wie es sein kann, dass ein Unternehmen, das am Vergabeverfahren teilnehmen möchte, die geplanten Ausschreibungsbedingungen kennt - und deren grundlegende Änderung erreichen kann).
Fischer: Einer betraf die Ausschreibung der Telefonie im Bund. Wenn die Ausschreibung so erfolgt wäre wie ursprünglich geplant, hätte die Telekom den Großkunden Bund verloren. Dies, weil die Preise für uns reguliert waren. Jeder alternative Netzbetreiber hätte uns unterbieten können. Im Endeffekt wurden andere Punkte wie die moderne IP-Telefonie und einheitliche Nummern berücksichtigt, und so konnten wir den Bund als Großkunden behalten.
Auf der Agenda des Untersuchungsausschusses müssten sich schon nach diesem Interview daher wohl zumindest auch folgende Themen finden:
- Zur "Anwendung von EU-Verordnungen"*: welche Umsetzungs- oder Anwendungsmaßnahmen hinsichtlich von EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Telekommunikation wurden im Auftrag der Telekom Austria beeinflusst, wer waren die für die Umsetzung/Anwendung verantwortlichen Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung?
- Welche Entscheidungen in Politik und Verwaltung waren im Zusammenhang mit dem Erwerb der eTel (Zusammenschluss) zu treffen und wie wurde allenfalls versucht, diese zu beeinflussen? (wir erinnern uns, dass angeblich der damalige Telekomsprecher der FPÖ für die "Integration der eTel in die Telekom Austria AG" 432.000 € erhalten haben soll, ohne dass jetzt auf den ersten Blick klar wäre, welche Leistungen hier von ihm wirklich erbracht wurden)
- Welche Stellenbesetzungen im öffentlichen Bereich wurden von der Telekom Austria - und in ihrem Auftrag von Hochegger - zu beeinflussen versucht?**
- Welche Ausschreibungen, an denen die Telekom Austria AG teilgenommen hatte oder Teilnahmeinteresse hatte, wurden im Vorfeld allenfalls mit Vertretern/Lobbyisten des Unternehmens erörtert und möglicherweise danach modifiziert?
**) Interessant finde ich, dass gerade Fischer - wie wir wissen: Techniker - die wirtschaftliche Qualifikation des früheren Chefs der Telekom-Regulierungsbehörde - eines habilitierten Ökonomen - massiv in Zweifel gezogen hat und auch jetzt davon spricht, dass es um "Wirtschaftlichkeiten" gehen solle.
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Untersuchungsausschuss
Sunday, September 04, 2011
Wiklileaks-"Enthüllungen": Kroes suchte angeblich Hilfe, Erwin Pröll ist mächtig und Ingrid Thurnher einflussreich, ...
Wirklich dramatische Enthüllungen lassen sich den zuletzt veröffentlichten "cables" nicht entnehmen. Dass etwa EU-Kommissarin Neelie Kroes die Hilfe des amerikanischen Botschafters gesucht habe, steht zwar so in der Überschrift einer Depesche, doch deren Inhalt lässt nicht wirklich einen Hilferuf erkennen, sondern eher ein höfliches Bekunden von Interesse auch an amerikanischen Erfahrungen. Und dass Kroes Zweifel an der Unabhängigkeit mancher Chefs der nationalen Regulierungsbehörden hegt, ist ebensowenig überraschend wie dass sie diesen Regulierungsbehörden - stets höflich formulierend - "varying levels of competence" zubilligt.
Andere "Enthüllungen" sind etwa, dass man in Österreich recht einfach eine Telekom-Lizenz bekommt, und dass die in Niederösterreich 2005 vorgeschlagene "Handymastenabgabe" von der Bundesregierung zwar hätte beeinsprucht werden können, dass damit aber aus politischen Überlegungen nicht zu rechnen war; erklärend fügte die Botschaft hinzu "(Note: The Lower Austrian Governor, Erwin Proell, is a powerful figure in Chancellor Schuessel's People's Party. End Note)".
Aus dem Medienbereich hat mich interessiert, ob es nähere Informationen zu den Vorgängen rund um die Bestellung der OSZE-Beauftragten für die Freiheit der Medien gibt. Dabei stößt man auf die - auch bereits bekannte - Information, dass Russland gegen den Widerstand der anderen OSZE-Staaten bis zuletzt auf seinem Kandidaten Mikhail A. Fedotov bestanden hatte. Nicht bekannt war mir bislang, welche weiteren KandidatInnen es gab und wie der frühere Beauftragte Miklos Harazsti über diese dachte:
Zum Abschluss ein eher skurriles Fundstück mit gewissem Medienbezug: in der von der US Botschaft Wien im Februar 2007 zusammengestellten Liste der einflussreichsten Frauen Österreichs kommt nach Ursula Plassnik, Maria Berger, Eva Glawischnig-Piesczek, Gabriele Burgstaller und Brigitte Ederer, und noch vor Claudia Schmied: "Ingrid Thurnher, Anchorwoman, Austrian Television News". Auf Uschi Fellner hat die Botschaft offenbar vergessen.
PS: aus dem Bereich Datenschutz ist noch das bemerkenswerte Eingeständnis des Botschaftspersonals interessant, nicht genügend über die vorgeschlagenen Abkommen und das anwendbare Recht zu wissen, um auf Kritik antworten zu können (anders als die österreichischen Gesprächspartner, die zumeist detaillierte Kenntnisse über die US/EU-Verhandlungen hätten). Von den handelnden Regierungsmitgliedern wird die (damalige) Innenministerin Fekter als "a law-and-order politician with a tendency to launch not fully vetted initiatives" beschrieben.
Andere "Enthüllungen" sind etwa, dass man in Österreich recht einfach eine Telekom-Lizenz bekommt, und dass die in Niederösterreich 2005 vorgeschlagene "Handymastenabgabe" von der Bundesregierung zwar hätte beeinsprucht werden können, dass damit aber aus politischen Überlegungen nicht zu rechnen war; erklärend fügte die Botschaft hinzu "(Note: The Lower Austrian Governor, Erwin Proell, is a powerful figure in Chancellor Schuessel's People's Party. End Note)".
Aus dem Medienbereich hat mich interessiert, ob es nähere Informationen zu den Vorgängen rund um die Bestellung der OSZE-Beauftragten für die Freiheit der Medien gibt. Dabei stößt man auf die - auch bereits bekannte - Information, dass Russland gegen den Widerstand der anderen OSZE-Staaten bis zuletzt auf seinem Kandidaten Mikhail A. Fedotov bestanden hatte. Nicht bekannt war mir bislang, welche weiteren KandidatInnen es gab und wie der frühere Beauftragte Miklos Harazsti über diese dachte:
"Seven nominations were presented by the October 8 deadline to replace Hungarian Miklos Harazsti for this important and highly visible OSCE position in March 2010: Dr. Mikhail A. Fedotov (Russia - also a candidate in 2004); Ms. Aleksandra Joksimovic (Serbia); Ms. Dunja Mijatovic (BiH); Dr. Rubina Mohring (Austria); Mr. Oleg Panfilov (Georgia); Mr. Ognian Vesselinov Zlatev (Bulgaria); and Mr. Stephen Whittle, OBE (UK). Privately, Harazsti told Charge Fuller that four of the seven have the necessary experience and profile - BiH, Georgia, Bulgaria, and the UK - but that the best candidate in his view is the Bosnian. The Mission has gotten very high recommendations for her from other quarters as well, whereas even the UK ambassador has indicated his government may not push their candidate - former head of the BBC who has questioned whether he would even have to move to Vienna or work full-time - too hard." (Quelle)Dass Stephen Whittle eher an einer Art Nebenjob interessiert war, den er von London aus hätte miterledigen können, war seiner Kandidatur also nicht wirklich zuträglich, auch wenn er beim folgenden Hearing, bei dem nur mehr vier KandidatInnen auf der shortlist standen, nicht schlecht abgeschnitten hat:
"No candidate fell flat in the Q&A sessions, however nothing shook U.S. convictions that the best candidate is Dunja Mijatovic, the ethnic Serb from Bosnia-Herzegovina. Both the UK's Whittle and Russia's Fedotov garnered increased support from strong showings. After twice simply lecturing pS [participating States] on the role of the RFoM [Representative on Freedom of the Media], Austria's Dr. Rubina Mohring's odds seemed to have slipped somewhat from her earlier position." (Quelle)Wie es ausging, ist bekannt; entscheidend war, dass Kasachstan Russland schließlich überzeugen konnte, seinen Kandidaten zurückzuziehen (Quelle). [Disclosure: da ich Dunja Mijatovic 2003 für ihre erste internationale Funktion - stellvertretende Vorsitzende der EPRA (European platform of regulatory authorities) - vorgeschlagen habe, bin ich nicht ganz unbefangen - aber zu den "other quarters", aus denen der US-Diplomat seine weiteren Empfehlungen erhielt, gehöre ich nicht, zumindest nicht wissentlich. Hätte mich aber jemand gefragt, hätte auch ich Dunja empfohlen].
Zum Abschluss ein eher skurriles Fundstück mit gewissem Medienbezug: in der von der US Botschaft Wien im Februar 2007 zusammengestellten Liste der einflussreichsten Frauen Österreichs kommt nach Ursula Plassnik, Maria Berger, Eva Glawischnig-Piesczek, Gabriele Burgstaller und Brigitte Ederer, und noch vor Claudia Schmied: "Ingrid Thurnher, Anchorwoman, Austrian Television News". Auf Uschi Fellner hat die Botschaft offenbar vergessen.
PS: aus dem Bereich Datenschutz ist noch das bemerkenswerte Eingeständnis des Botschaftspersonals interessant, nicht genügend über die vorgeschlagenen Abkommen und das anwendbare Recht zu wissen, um auf Kritik antworten zu können (anders als die österreichischen Gesprächspartner, die zumeist detaillierte Kenntnisse über die US/EU-Verhandlungen hätten). Von den handelnden Regierungsmitgliedern wird die (damalige) Innenministerin Fekter als "a law-and-order politician with a tendency to launch not fully vetted initiatives" beschrieben.
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