1. Geltendes Recht ist einzuhalten
Dass geltendes Recht einzuhalten ist, auch wenn es gerade im Urheberrecht streckenweise eigentümlich und altmodisch scheint, setze ich als selbstverständlich voraus. Dass ich diese Selbstverständlichkeit ausdrücklich erwähne, hat seinen Grund im Generalverdacht, unter den gelegentlich alle gestellt werden, die sich kritisch mit Grundrechtsfragen der Rechtsdurchsetzung oder der Ausweitung von Schutzrechten befassen.
2. Das geltende Recht ist unübersichtlich und für Laien schwer verständlich
Auch das ist eine - nicht nur für das Urheberrecht geltende - Selbstverständlichkeit. Ich betone das hier, um die vielen Laien, die sich derzeit zum Urheberrecht zu Wort melden, ein wenig in Schutz zu nehmen - sie können nicht alles wissen.*) Nicht nur die verschiedenen internationalen Rechtsschichten sind nicht immer einfach zu durchschauen, auch das nationale Recht hält eine Vielzahl von Ausnahmen und Gegenausnahmen, Einschränkungen und Erweiterungen von Rechten bereit, sodass sich auch Profis mitunter schwer tun, rechtlich haltbare und dennoch gangbare Strategien zum Umgang mit Urheberrechtsfragen zu finden. Im Übrigen stimmt das österreichische Recht gerade nicht in allen Details mit deutschem oder gar britischem Urheberrecht überein, geschweige denn mit dem copyright im US-amerikanischen Sinn.
Dass auch die Verfechter härtester Urheberrechtsdurchsetzung im eigenen Bereich gelegentlich nicht so sorgfältig arbeiten, wie sie dies von anderen einfordern, entschuldigt keine der beiden Seiten, zeigt aber deutlich, dass selbst Verleger manchmal mit dem Urheberrecht überfordert sind (nur ein Tipp für den Vorsitzenden der VÖZ-Arbeitsgruppe Urheberrecht und TT-Geschäftsführer Hermann Petz: "Foto: facebook.com" ist in der Regel keine hinreichende Urheberbezeichnung).
3. Eigentum, auch geistiges Eigentum, ist nicht schrankenlos
Als Jurist habe ich natürlich kein Problem mit dem Begriff "geistiges Eigentum" (das übrigens als solches ausdrücklich in Art 17 Abs 2 der EU-Grundrechtecharta geschützt wird). Die vor allem von NichtjuristInnen geführten terminologischen Debatten in diesem Zusammenhang halte ich für ziemlich entbehrlich. Wichtig ist aber festzuhalten, dass geistiges Eigentum genauso wie Eigentum an materiellen Sachen gewissen Einschränkungen unterliegt: so muss etwa ein Waldeigentümer die Benutzung des Waldes zu Erholungszwecken durch jedermann dulden (§ 33 ForstG), und wer ein Werk der Literatur geschaffen hat, muss in gewissem Rahmen zB die Verwendung in Schulbüchern hinnehmen (§ 45 UrhG). Dass etwas als "geistiges Eigentum" bezeichnet wird, sagt für sich also nichts über die genauen Grenzen der Verfügungsmacht der EigentümerInnen aus.
4. Rechtsdurchsetzung kann an grundrechtliche Schranken stoßen
Ladendiebstahl ist ein rechtswidriger Eingriff ins Eigentum. Dennoch darf der Kaufhausdetektiv einen davonlaufenden Ladendieb nicht einfach erschießen, um die gestohlenen Waren zurückholen zu können. Auch die Verfolgung von Eingriffen in geistiges Eigentum kann an grundrechtliche Schranken stoßen, wie die umstrittene Frage der Verwendung von "Vorratsdaten" zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zeigt. Wo hier die genaue Grenze zu liegen kommt, wird sich wohl erst in einiger Zeit im Wechsel- und Zusammenspiel von Gesetzgeber und Rechtsprechung herausstellen.
5. Technischer und gesellschaftlicher Wandel erfordert rechtliche Anpassungen
Technische und gesellschaftliche Entwicklungen stellen die Rechtsordnung immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Gesetzgebung - egal ob auf nationaler oder europäischer Ebene - muss diesen Entwicklungen Rechnung tragen. Gerade im Urheberrecht gibt es enormen Aufholbedarf, um wieder auf die Höhe der Zeit zu kommen, und langsam dürfte das sogar in Österreich auffallen. Ob und wenn ja wo das geltende Urheberrecht gesellschaftlich wünschenswerten Entwicklungen im Wege steht, wird man sich dabei ebenso fragen müssen wie ob Schutzlücken zu Lasten von UrheberInnen bestehen und wie diese gegebenenfalls zu schließen wären. Auch das Verhältnis von Urheberrecht zu anderen grundrechtlich geschützten Positionen - etwa dem Schutz des Kommunikationsgeheimnisses oder der Meinungsäußerungsfreiheit - wird unter Berücksichtigung des technischen und gesellschaftlichen Wandels neu abzuwägen sein. In welcher Weise die Regeln umgestaltet werden, ist Gegenstand politischer Aushandlungsprozesse mit all den üblichen Begleiterscheinungen wie insbesondere dem soeben gut zu beobachtenden Hochfahren der Lobbying- und PR-Maschinerie. Wie gesagt: zu den politischen Fragen einer Urheberrechtsreform will ich hier nicht weiter Stellung nehmen, wohl aber betonen, dass ich eine Modernisierung für dringend notwendig halte.
6. Die Einführung neuer Schutzrechte beschränkt die Rechte anderer
Wer ein neues Schutzrecht erfindet, schützt nicht geltendes Recht, sondern greift in die Rechte anderer ein. Die Einführung eines verlegerischen Leistungsschutzrechtes, wie es nun auch in Österreich (ausdrücklich "nach deutschem Vorbild"!) von Verlegerseite gefordert wird, würde derzeit bestehende Rechte anderer einschränken (sonst wäre es ja sinnlos). Auch hier will ich die rechtspolitische Frage, ob ein erweitertes "Leistungsschutzrecht" für Verleger geschaffen werden soll, nicht weiter kommentieren, sondern bloß anmerken, dass die Diskussion darüber nicht einseitig zwischen Verlegern und Gesetzgeber zu führen ist, sondern auch die von einer Einschränkung ihrer Rechte betroffenen User einbeziehen muss.
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*) Nur zwei Beispiele von den üblichen journalistischen Großkommentatoren: Armin Thurner bezieht sich in seinem Leitartikel im letzten Falter ausdrücklich auf "die Weiterentwicklung von offenen Entwicklergemeinschaften nach dem klassischen Linux-Muster", die er "nicht durch restriktiv gehandhabte Patentrechte blockiert" wissen will; zugleich aber postuliert er, dass die "Urheberschaft an technischen oder medizinischen Patenten" etwas anderes sei "als Urheberschaft an Texten, Filmen etc."; nach österreichischem Urheberrecht sind aber Computerprogramme tatsächlich "Werke der Literatur" und urheberrechtlich nach §§ 40a bis 40e UrhG geschützt, die Weiterentwicklung von Computerprogrammen ist - hierzulande - also nicht eine Patent-, sondern primär eine Urheberrechtsfrage. Christian Rainer wiederum schreibt im jüngsten profil über Piraten und hält dabei apodiktisch fest, dass (u.a.) journalistische Texte denen gehören, die sie geschrieben haben - ob er die Verträge der journalistischen MitarbeiterInnen des Verlags kennt?