- 15. Umsetzungsbericht: neben dem eigentlichen "Bericht über den Stand des europäischen Binnenmarkts der elektronischen Kommunikation 2009 (15. Bericht)", KOM(2010)253 endgültig, hat die Kommission wie üblich auch die etwas aussagekräftigeren Staff Working Documents dazu veröffentlicht: Part 1 enthält die allgemeinen Ausführungen und die Länderberichte, Part 2 die Marktdaten, die überwiegend von den nationalen Regulierungsbehörden stammen und deren Qualität daher auch eher uneinheitlich ist. Der Unsinn mit den Rundfunkdaten aus den beiden vorangegangenen Berichten (siehe dazu hier) geht zwar weiter, wurde aber etwas entschärft, sodass nun die "number of TV connections as % of households" zwar immer noch wenig aussagt, aber immerhin nicht mehr so haarsträubend daneben liegt wie letztes Jahr (dass sich etwa die Anzahl der Fernsehhaushalte in Deutschland innerhalb eines Jahres von bloß etwas über vierzig Prozent im Jahr 2008 auf über 90 Prozent im Jahr 2009 mehr als verdoppelt hat, wie die Daten zeigen, dürfte ja doch eher unrealistisch sein).
Aus dem Länderbericht für Österreich ist nicht allzu viel hervorzuheben: kritisch sieht die Kommission nach wie vor die verfahrensmäßige Trennung von Marktdefinition und Marktanalyse, und wie schon im vergangenen Jahr betont die Kommission, dass sie die Neuorganisation der Regulierungsbehörde - insbesondere die erwartete Eirnichtung einer unabhängigen Rundfunkregulierungsbehörde - "verfolgt" ("The Commission services will follow this matter").
Überraschend kritisch - aber das ist wohl auch eine Nachwirkung der Regulierungsferien-Diskussion - wird die Kommission im deutschen Länderbericht, in dessen Einleitung sie schon anmerkt, dass die Bundesnetzagentur im Hinblick auf Next Generation Access sehr zurückhaltend scheint ("The BNetzA appears to be very reluctant to intervene in the evolving NGA market").
Alle Länderberichte und auch die Pressemitteilung der Kommission findet man hier. - Band 2/2010 der RTR-Schriftenreihe bringt die TV-Programmanalyse - Fernsehvollprogramme in Österreich 2009 (pdf, Anhang B [längerfristige Programmentwicklungen], Anhang E [Codebuch])
- Band 3/2010 der RTR-Schriftenreihe befasst sich mit TV-Marken in Österreich - Eine Erhebung des ökonomischen und psychologischen Markenwertes
Saturday, May 29, 2010
Vermischte Lesehinweise (12): 15. Umsetzungsbericht, RTR-Schriftenreihe
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Thursday, May 27, 2010
Guat is gangen, nix is gscheh'n? Zum einjährigen "Bestehen" des sogenannten Medienrats
Vor einem Jahr fand die "Start-Pressekonferenz" des "Österreichischen Medienrats" statt, der sich laut erster Presseaussendung als "unabhängiges Organ der nichtstaatlichen, freiwilligen Selbstkontrolle des österreichischen Journalismus" verstehen wollte. "Eine Homepage www.medienrat.at ist im Aufbau", hieß es damals (Presseaussendung vom 27.05.2009). Der Medienrat wollte "behauptete oder vermutete Missstände im Bereich journalistischer Tätigkeit" untersuchen und sollte von jedermann angerufen werden können; "Kontrahenten im jeweiligen Streitfall" würden, so hieß es, zu einer Verhandlung geladen und im Anschluss werde "eine Meinung zum jeweiligen Fall publiziert" (siehe dazu auch die bisherigen Beiträge dazu in diesem Blog).
Ein Jahr danach ist die Website wohl immer noch im Aufbau, wenngleich Veränderungen bisher nicht zu bemerken waren (noch immer gibt es dort bloß ein Bild der Mitglieder mit deren Namen und der Adresse des Rats sowie das Video der Start-Pressekonferenz). Publizierte "Meinungen" gibt es noch immer nicht. Offenbar hat sich einfach niemand mit einem ernsthaften Anliegen an den Medienrat gewandt: in einem Interview von Anfang März dieses Jahres sagte der Vorsitzende des Österreichischen Journalisten-Clubs (ÖJC), bei dem der Medienrat angesiedelt ist, dass es "sieben Anfragen an den Medienrat" gegeben habe, "von denen allerdings keine zur Verhandlung gebracht" worden sei. Verständlich, wenn alle Anfragen von ähnlicher Qualität waren wie jener Fall, den der ÖJC selbst in einer Presseaussendung öffentlich bekannt gemacht hat: dass nämlich eine verkehrspolizeiliche Strafverfügung (!) Gegenstand der journalistischen Selbstkontrolle sein könnte, muss auch erst einmal jemand einfallen (ebenso wie übrigens die in der selben Presseaussendung vom ÖJC angekündigte Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen eben dieser Strafverfügung - bevor also überhaupt das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde). Informationen über den Inhalt der weiteren "Anfragen" wurden bisher nicht veröffentlicht.
Ebenfalls in einem Interview Anfang März 2010 sagte das Medienrats-Mitglied Albert Malli, dass sich der Medienrat "gerade erst gegründet" habe, und dass er sich "natürlich nicht" wünsche, "dass der Medienrat 2010 öfter in Erscheinung tritt. Das hieße nämlich, ich wünschte mir heftige Verstöße in den Medien und die wünsche ich mir keinesfalls. Somit könnte man auch sagen, es ist gut, wenn er nicht zusammentreten muss." Wie der gelernte Österreicher sagt: "guat is gangen, nix is g'schehn".
Damit aber wenigstens irgendetwas geschieht, gibt es eine Podiumsdiskussion, zu der der ÖJC für 7. Juni 2010 einlädt: "Ein Jahr Medienrat - Pressefreiheit braucht keine Fesseln" lautet der Titel. Es geht dabei nicht um die vom Medienrat angekündigte journalistische Selbstkontrolle, sondern um "eine große Gefahr für die Pressefreiheit" (gemeint ist natürlich nicht eine allfällige Tätigkeit des Medienrats, sondern eine etwas kryptisch umschriebene "derzeitige Entwicklung"; unter anderem werden die "Herausgabe von Recherchematerial" und die "Beschlagnahmung von Druckwerken" angesprochen, also wohl die Fälle "Schauplatz" und "News/Hypo Alpe-Adria").
Ein Jahr danach ist die Website wohl immer noch im Aufbau, wenngleich Veränderungen bisher nicht zu bemerken waren (noch immer gibt es dort bloß ein Bild der Mitglieder mit deren Namen und der Adresse des Rats sowie das Video der Start-Pressekonferenz). Publizierte "Meinungen" gibt es noch immer nicht. Offenbar hat sich einfach niemand mit einem ernsthaften Anliegen an den Medienrat gewandt: in einem Interview von Anfang März dieses Jahres sagte der Vorsitzende des Österreichischen Journalisten-Clubs (ÖJC), bei dem der Medienrat angesiedelt ist, dass es "sieben Anfragen an den Medienrat" gegeben habe, "von denen allerdings keine zur Verhandlung gebracht" worden sei. Verständlich, wenn alle Anfragen von ähnlicher Qualität waren wie jener Fall, den der ÖJC selbst in einer Presseaussendung öffentlich bekannt gemacht hat: dass nämlich eine verkehrspolizeiliche Strafverfügung (!) Gegenstand der journalistischen Selbstkontrolle sein könnte, muss auch erst einmal jemand einfallen (ebenso wie übrigens die in der selben Presseaussendung vom ÖJC angekündigte Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen eben dieser Strafverfügung - bevor also überhaupt das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde). Informationen über den Inhalt der weiteren "Anfragen" wurden bisher nicht veröffentlicht.
Ebenfalls in einem Interview Anfang März 2010 sagte das Medienrats-Mitglied Albert Malli, dass sich der Medienrat "gerade erst gegründet" habe, und dass er sich "natürlich nicht" wünsche, "dass der Medienrat 2010 öfter in Erscheinung tritt. Das hieße nämlich, ich wünschte mir heftige Verstöße in den Medien und die wünsche ich mir keinesfalls. Somit könnte man auch sagen, es ist gut, wenn er nicht zusammentreten muss." Wie der gelernte Österreicher sagt: "guat is gangen, nix is g'schehn".
Damit aber wenigstens irgendetwas geschieht, gibt es eine Podiumsdiskussion, zu der der ÖJC für 7. Juni 2010 einlädt: "Ein Jahr Medienrat - Pressefreiheit braucht keine Fesseln" lautet der Titel. Es geht dabei nicht um die vom Medienrat angekündigte journalistische Selbstkontrolle, sondern um "eine große Gefahr für die Pressefreiheit" (gemeint ist natürlich nicht eine allfällige Tätigkeit des Medienrats, sondern eine etwas kryptisch umschriebene "derzeitige Entwicklung"; unter anderem werden die "Herausgabe von Recherchematerial" und die "Beschlagnahmung von Druckwerken" angesprochen, also wohl die Fälle "Schauplatz" und "News/Hypo Alpe-Adria").
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Tuesday, May 25, 2010
"Stereotyp begründete Entscheidungen" als Verletzung des Art 10 EMRK - Update zur EGMR-Rechtsprechung
"Stereotyp begründete" Entscheidungen zur Beschlagnahme einer Tageszeitung, 30 Tage hindurch in täglichen Beschlüssen wiederholt, ohne auf Vorbringen des betroffenen Zeitungsherausgebers einzugehen: das stellt selbst dann eine Verletzung des Art 10 EMRK dar, wenn diese Beschlüsse einer nationalen gerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten haben (und schon etwa drei Monate nach ihrer Erlassung aufgehoben wurden). Das ist das Ergebnis des EGMR-Urteils vom 20. Mai 2010 im Fall Saygili und Bilgic gegen Türkei (Application no. 33667/05).
Ein anderes Beispiel für gravierende Mängel in einem nationalen medienrechtlichen Verfahren ist der Fall Myrskyy gegen Ukraine (Application no. 7877/03) - hier hat sich das nationale Gericht bei der Beurteilung der Äußerung eines Wissenschaftlers über eine politische Partei allein auf Parteiprogramm und -statut gestützt, ohne die vom Beklagten vorgebrachten Beweismittel für die tatsächliche Tätigkeit der Partei zu würdigen.Unter anderem deshalb stellte der EGMR in seinem Urteil vom 20.05.2010 eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
Und schließlich kam es zur Feststellung einer Verletzung des Art 10 EMRK im Fall Cox gegen Türkei (Application no. 2933/03): über eine US-Staatsbürgerin, die in den 1980er Jahren als Lektorin an türkischen Universitäten gearbeitet hatte, wurde - nach mehrfacher Ausweisung - ein Wiedereinreiseverbot in die Türkei verhängt. Der EGMR kam in seinem Urteil vom 20.05.2010 zum Ergebnis, dass das Einreiseverbot wegen kontroversieller Äußerungen verhängt worden war, sodass darin eine Verletzung des Art 10 EMRK liegt. Alle drei Urteile ergingen einstimmig (zur Übersicht über die Art 10 EMRK-Fälle siehe hier)
Noch kein Urteil gibt es im Fall Bronner Online AG gegen Österreich (Application no. 22820/06), allerdings wurde dieser Fall nun der österreichischen Regierung kommuniziert, wodurch klar ist, dass der EGMR in die Sache einsteigt. Inhaltlich geht es um einen Artikel vom 15.09.2004 im Online-Standard zum "Krone-Konflikt" zwischen WAZ und der Familie Dichand. Hans Dichand und seine beiden Söhne klagten den in diesem Artikel zitierten Friedrich "Bibi" Dragon, die Bronner Online AG ist durch die solidarische Haftung für die über Friedrich Dragon verhängte Geldstrafe betroffen und wandte sich an den EGMR. Man kann gespannt sein, ob das Verfahren vor dem EGMR oder der "Krone-Konflikt" früher zu Ende sein wird. Auch für das Verfahren vor dem EGMR gilt, was Christian Konrad dem Standard jüngst zum möglichen Ausstieg der WAZ-Gruppe aus "Kurier" und "Krone" mitgeteilt hat: "In dieser Causa ist Gelassenheit nie schlecht gewesen."
Ein anderes Beispiel für gravierende Mängel in einem nationalen medienrechtlichen Verfahren ist der Fall Myrskyy gegen Ukraine (Application no. 7877/03) - hier hat sich das nationale Gericht bei der Beurteilung der Äußerung eines Wissenschaftlers über eine politische Partei allein auf Parteiprogramm und -statut gestützt, ohne die vom Beklagten vorgebrachten Beweismittel für die tatsächliche Tätigkeit der Partei zu würdigen.Unter anderem deshalb stellte der EGMR in seinem Urteil vom 20.05.2010 eine Verletzung des Art 10 EMRK fest.
Und schließlich kam es zur Feststellung einer Verletzung des Art 10 EMRK im Fall Cox gegen Türkei (Application no. 2933/03): über eine US-Staatsbürgerin, die in den 1980er Jahren als Lektorin an türkischen Universitäten gearbeitet hatte, wurde - nach mehrfacher Ausweisung - ein Wiedereinreiseverbot in die Türkei verhängt. Der EGMR kam in seinem Urteil vom 20.05.2010 zum Ergebnis, dass das Einreiseverbot wegen kontroversieller Äußerungen verhängt worden war, sodass darin eine Verletzung des Art 10 EMRK liegt. Alle drei Urteile ergingen einstimmig (zur Übersicht über die Art 10 EMRK-Fälle siehe hier)
Noch kein Urteil gibt es im Fall Bronner Online AG gegen Österreich (Application no. 22820/06), allerdings wurde dieser Fall nun der österreichischen Regierung kommuniziert, wodurch klar ist, dass der EGMR in die Sache einsteigt. Inhaltlich geht es um einen Artikel vom 15.09.2004 im Online-Standard zum "Krone-Konflikt" zwischen WAZ und der Familie Dichand. Hans Dichand und seine beiden Söhne klagten den in diesem Artikel zitierten Friedrich "Bibi" Dragon, die Bronner Online AG ist durch die solidarische Haftung für die über Friedrich Dragon verhängte Geldstrafe betroffen und wandte sich an den EGMR. Man kann gespannt sein, ob das Verfahren vor dem EGMR oder der "Krone-Konflikt" früher zu Ende sein wird. Auch für das Verfahren vor dem EGMR gilt, was Christian Konrad dem Standard jüngst zum möglichen Ausstieg der WAZ-Gruppe aus "Kurier" und "Krone" mitgeteilt hat: "In dieser Causa ist Gelassenheit nie schlecht gewesen."
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Monday, May 24, 2010
Neue Transparenz und alte Geheimnisse? Eine Anmerkung zum 2. Public Value Bericht des ORF
Vor knapp zweieinhalb Jahren gab es den ersten Public Value-Bericht des ORF unter dem Titel "Wert über Gebühr". Ich habe das damals hier im Blog erwähnt und auch angemerkt, dass es diesen Bericht - für den ORF gar nicht selbstverständlich - auch online gab (wenngleich erkennbar als eine Art "Abfallprodukt" der opulenten Printfassung in einem mehr als 12 MB großen pdf-file).
Nun gibt es wieder einen "Wert über Gebühr"-Bericht, wieder als aufwändige Printversion (laut Standard in einer Auflage von zweitausend Stück), und wieder - immerhin! - auch online abrufbar (diesmal hat das pdf gleich 15 MB). Angekündigt ist diesmal auch eine Website, auf der - der Kernkompetenz des ORF entsprechend, die ja weniger im Printbereich liegt - entsprechende Audio- und Videobeispiele den Bericht ergänzen sollen. Diese Website soll ab Juni online sein (betreut von the lounge).
Beim Durchscrollen des "Wert über Gebühr"-Berichts bin ich beim Kapitel "Transparenz" hängen geblieben - Transparenz soll nach diesem Bericht nämlich einen zentralen Unternehmenswert des ORF darstellen. Ich bin mir nun nicht sicher, ob es höhere Ironie, Chuzpe, oder einfach Provokation ist, dass das Kapitel "Transparenz" mit einem Zitat des § 8 Abs 1 ORF-Gesetz beginnt - den Bestimmungen über den ORF-Jahresbericht. Wer dieses Blog hier einige Zeit verfolgt hat, wird vielleicht wissen, dass der ORF seinen Bericht, in dem er die Erfüllung seiner Aufträge belegen soll und den er dem Nationalrat und dem Bundesrat vorlegen muss, hartnäckig weder online noch offline frei zugänglich macht (siehe dazu zB hier). Im neuen Public Value-Bericht steht dafür gleich neben dem Zitat des § 8 Abs 1 ORF-G folgender Satz: "Der ORF garantiert größtmögliche Transparenz bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe".
Gleich danach - ebenfalls im Kapitel Transparenz! - berichtet die Leiterin der ORF-Medienforschung über Publikumsgespräche als "weitere Maßnahme" der Qualitätssicherung. Wie genau die sonstigen Maßnahmen der Qualitätssicherung ausschauen, erfährt man leider nicht. Auf eine Anfrage zu Methodik und Ergebnissen der Qualitätssicherung bzw des Qualitätsmonitorings habe ich [allerdings schon im Jahr 2006] von der nin den Wert "Transparenz" hochhaltenden ORF-Medienforschung die Antwort bekommen, dass dazu nichts veröffentlicht wird, "weil es sich um wettbewerbsrelevante Angaben handelt."
Soviel vorerst zur Transparenz als Unternehmenswert. Sollte der aktuelle Entwurf zur Änderung unter anderem des ORF-Gesetzes beschlossen werden, wird dem ORF immerhin aufgetragen, den Jahresbericht (und den Konzernabschluss) online für mindestens ein Jahr zugänglich zu machen (§ 7 Abs 2 ORF-G in der Entwurfsfassung).
Vielleicht noch ein kleiner Vorschlag, wie der ORF im Bereich Qualitätssicherung tatsächlich Willen zur Transparenz dokumentieren könnte - beispielsweise durch:
PPS: Die Chronik auf der Website der SRG reicht bis 2009. Und der Gechäftsbericht der SRG ist nun (für das Jahr 2009) "erstmals in einer elektronischen Version in Bild und Ton erschienen".
Nun gibt es wieder einen "Wert über Gebühr"-Bericht, wieder als aufwändige Printversion (laut Standard in einer Auflage von zweitausend Stück), und wieder - immerhin! - auch online abrufbar (diesmal hat das pdf gleich 15 MB). Angekündigt ist diesmal auch eine Website, auf der - der Kernkompetenz des ORF entsprechend, die ja weniger im Printbereich liegt - entsprechende Audio- und Videobeispiele den Bericht ergänzen sollen. Diese Website soll ab Juni online sein (betreut von the lounge).
Beim Durchscrollen des "Wert über Gebühr"-Berichts bin ich beim Kapitel "Transparenz" hängen geblieben - Transparenz soll nach diesem Bericht nämlich einen zentralen Unternehmenswert des ORF darstellen. Ich bin mir nun nicht sicher, ob es höhere Ironie, Chuzpe, oder einfach Provokation ist, dass das Kapitel "Transparenz" mit einem Zitat des § 8 Abs 1 ORF-Gesetz beginnt - den Bestimmungen über den ORF-Jahresbericht. Wer dieses Blog hier einige Zeit verfolgt hat, wird vielleicht wissen, dass der ORF seinen Bericht, in dem er die Erfüllung seiner Aufträge belegen soll und den er dem Nationalrat und dem Bundesrat vorlegen muss, hartnäckig weder online noch offline frei zugänglich macht (siehe dazu zB hier). Im neuen Public Value-Bericht steht dafür gleich neben dem Zitat des § 8 Abs 1 ORF-G folgender Satz: "Der ORF garantiert größtmögliche Transparenz bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe".
Gleich danach - ebenfalls im Kapitel Transparenz! - berichtet die Leiterin der ORF-Medienforschung über Publikumsgespräche als "weitere Maßnahme" der Qualitätssicherung. Wie genau die sonstigen Maßnahmen der Qualitätssicherung ausschauen, erfährt man leider nicht. Auf eine Anfrage zu Methodik und Ergebnissen der Qualitätssicherung bzw des Qualitätsmonitorings habe ich [allerdings schon im Jahr 2006] von der nin den Wert "Transparenz" hochhaltenden ORF-Medienforschung die Antwort bekommen, dass dazu nichts veröffentlicht wird, "weil es sich um wettbewerbsrelevante Angaben handelt."
Soviel vorerst zur Transparenz als Unternehmenswert. Sollte der aktuelle Entwurf zur Änderung unter anderem des ORF-Gesetzes beschlossen werden, wird dem ORF immerhin aufgetragen, den Jahresbericht (und den Konzernabschluss) online für mindestens ein Jahr zugänglich zu machen (§ 7 Abs 2 ORF-G in der Entwurfsfassung).
Vielleicht noch ein kleiner Vorschlag, wie der ORF im Bereich Qualitätssicherung tatsächlich Willen zur Transparenz dokumentieren könnte - beispielsweise durch:
- Veröffentlichung der gesammelten Werke Günter Struves im Rahmen seines Auftrags als Sachverständiger für das Qualitätssicherungssystem des ORF (dazu im Blog hier, hier, hier und hier)
- Veröffentlichung der legendären drei Seiten, auf denen die frühere Generaldirektorin das Qualitätssicherungssystem des ORF skizziert hat (dazu hier).
PPS: Die Chronik auf der Website der SRG reicht bis 2009. Und der Gechäftsbericht der SRG ist nun (für das Jahr 2009) "erstmals in einer elektronischen Version in Bild und Ton erschienen".
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Friday, May 21, 2010
EuG: vage und unpräzise Minister-Ankündigungen zur möglichen Unterstützung von France Télécom keine Beihilfe
Das Gericht der Europäischen Union hat heute in seinem Urteil in den verbundenen Rechtssachen T-425/04 Frankreich / Kommission, T-444/04 France Télécom / Kommission, T-450/04 Bouygues/Kommission, T-456/04 AFORS Télécom / Kommission die Beihilfenentscheidung der Kommission C(2004)3060 für nichtig erklärt.
In der Sache ging es im Wesentlichen um Äußerungen des französischen Wirtschaftsministers im Jahr 2002, in denen dieser in einer für France Télécom wirtschaftlich schwierigen Zeit ankündigte, der französische Staat als Aktionär werde sich wie ein besonnener Kapitalgeber verhalten und geeignete Maßnahmen treffen, wenn France Télécom Schwierigkeiten haben sollte:
Das EuG bestätigte zwar, dass die staatlichen Erklärungen der französischen Behörden France Télécom einen wirtschaftlichen Vorteil - aufgrund der positiven Reaktion der Ratingagenturen - verschafft hatten. Für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ist aber nicht nur ein finanzieller Vorteil für das Unternehmen erforderlich, sondern auch eine Übertraung öffentlicher Mittel. Eine derartige Übertragung sei aber im konkreten Fall nicht erfolgt. Die vagen und unpräzisen Äußerungen könnten nämlich nicht mit einer staatlichen Garantie gleichgesetzt werden und enthielten auch keine unvwiderrufliche Verpflichtung, France Télécom eine bestimmte Finanzhilfe zu gewähren (siehe insbesondere RNr 272 -274 des Urteils; derzeit nur in französischer Sprache).
Update 19.03.2013: Der EuGH hat das Urteil des EuG mit seinem Urteil vom 19.03.2013, C‑399/10 P und C‑401/10 P, Bouygues, aufgehoben - siehe dazu hier.
In der Sache ging es im Wesentlichen um Äußerungen des französischen Wirtschaftsministers im Jahr 2002, in denen dieser in einer für France Télécom wirtschaftlich schwierigen Zeit ankündigte, der französische Staat als Aktionär werde sich wie ein besonnener Kapitalgeber verhalten und geeignete Maßnahmen treffen, wenn France Télécom Schwierigkeiten haben sollte:
"Nous sommes l’actionnaire majoritaire, avec 55 % du capital […] L’État actionnaire se comportera en investisseur avisé et si [FT] devait avoir des difficultés, nous prendrions les dispositions adéquates […] Je répète que si [FT] avait des problèmes de financement, ce qui n’est pas le cas aujourd’hui, l’État prendrait les décisions nécessaires pour qu’ils soient surmontés. Vous relancez la rumeur d’une augmentation de capital… Non, certainement pas ! J’affirme simplement que nous prendrons, en temps utile, les mesures adéquates. Si c’est nécessaire […]"In der Folge wurde France Télécom ein Aktionärsvorschuss mit einer Kreditlinie von 9 Mrd Euro gewährt. Die Kommission beurteilte diesen Vorschuss in Verbindung mit den Äußerungen des Ministers als staatliche Beihilfe, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sei.
Das EuG bestätigte zwar, dass die staatlichen Erklärungen der französischen Behörden France Télécom einen wirtschaftlichen Vorteil - aufgrund der positiven Reaktion der Ratingagenturen - verschafft hatten. Für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ist aber nicht nur ein finanzieller Vorteil für das Unternehmen erforderlich, sondern auch eine Übertraung öffentlicher Mittel. Eine derartige Übertragung sei aber im konkreten Fall nicht erfolgt. Die vagen und unpräzisen Äußerungen könnten nämlich nicht mit einer staatlichen Garantie gleichgesetzt werden und enthielten auch keine unvwiderrufliche Verpflichtung, France Télécom eine bestimmte Finanzhilfe zu gewähren (siehe insbesondere RNr 272 -274 des Urteils; derzeit nur in französischer Sprache).
Update 19.03.2013: Der EuGH hat das Urteil des EuG mit seinem Urteil vom 19.03.2013, C‑399/10 P und C‑401/10 P, Bouygues, aufgehoben - siehe dazu hier.
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Thursday, May 20, 2010
Vermischte Lesehinweise (11): Vertical Separation, Margin Squeeze, Digitale Agenda, ...
- Die gestern präsentierte Mitteilung der Kommission "Eine Digitale Agenda für Europa" enthält auf den ersten Blick keine wirklich überraschenden Neuigkeiten, sondern stellt im Wesentlichen eine Zusammenfassung schon bisher bekannter Vorschläge und Überlegungen dar, vielleicht mit einem etwas klareren Zeitplan und immerhin dem Eingeständnis, dass das größere Problem nicht die Findung von Ideen ist, sondern der teilweise mühsame Prozess der Beschlussfassung für die notwendigen Maßnahmen: "Die größte Herausforderung besteht darin, diese für die Erreichung der Ziele
notwendigen Maßnahmen rasch zu beschließen und umzusetzen." Ob da die etwas skurril bezeichnete Idee einer "Digitalen Versammlung" wirklich weiterhilft?
Und weil das in Brüssel in solchen Fällen immer passiert, muss natürlich auch für die Digitale Agenda eine "Hochrangige Gruppe" eingesetzt werden (ich finde ja die Betonung der Hochrangigkeit immer ein wenig peinlich: denn wenn so eine Gruppe eingesetzt wird, heißt das, dass die Sache nicht so wichtig ist, als dass sich ihrer Kommissionsmitglieder bzw Minister tatsächlich selbst annehmen würden, und wenn es eine Gruppe notwendig hat, dass sie als "High Level" bezeichnet wird, dann deutet das auch daraufhin, dass man es ihr die eigene Hochrangigkeit ohne eine solche ausdrückliche Bezeichnung einfach nicht ansehen würde).Update: die eigene "digitale Agenda"-Website ist hier. - Die strukturelle (vertikale) Trennung von BT und OpenReach war in Europa ein viel beachtetes Beispiel, das auch in der Diskussion zur Reform des europäischen Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze eine Rolle spielte - auch wenn schließlich in Art 13a der ZugangsRL nicht die strukturelle, sondern nur die funktionelle Trennung als neues "remedy" aufgenommen wurde. Ein Beispiel für eine solche funktionelle vertikale Trennung bietet die Situation in Neuseeland, die in einem aktuellen Papier von Reto Bleisch / J. Scott Marcus, International Experience with Vertical Separation in Telecommunications – The Case of New Zealand beschrieben und mit der britischen Situation verglichen wird.
- Eine mögliche Gefahr, die von vertikal integrierten marktmächtigen Unternehmen ausgehen kann, ist natürlich Margin Squeeze. Gestern gab es dazu eine Veranstaltung der RTR, ein Diskussionspapier der Regulierungsbehörde ist nun online, ebenso Folien der Vorträge. Zum Margin Squeeze bei Bündelprodukten gibt es übrigens auch einen Bericht der ERG und "Hinweise" der Bundesnetzagentur (dort heißt das natürlich deutsch-korrekt: Preis-Kosten-Schere). Auch in einem aktuellen Bericht des International Competition Network zum Überthema "Refusal To Deal" wird dem Margin Squeeze ein eigener Abschnitt gewidmet.
- Zur Netzneutralität wird derzeit mehr geschrieben, als man auch an langen Wochenenden lesen kann. Das meiste davon stammt von Ökonomen, wie etwa jüngst die Kollektivstellungnahme einschlägiger Wissenschafter wie Martin Cave uva zu den Vorschlägen der FCC, die zusammengefasst zum Ergebnis kommt, dass die FCC besser nichts tun solle: "There is no economic evidence, even in the abstract, of generalized market power or systematic market failure in the markets at issue. There is no economic basis for believing the practices at issue are reducing economic efficiency or consumer welfare. There is no empirical evidence whatsoever that consumers have been harmed in the past."
- Die Folien zur Konferenz "The Future of the Broadcasting Licence Fee in Times of Media Convergence" sind hier verfügbar.
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Wednesday, May 19, 2010
Das ist der Deal: Rechtsmittelverzicht, dafür stellt Bundeswettbewerbsbehörde gesetzmäßiges Handeln in Aussicht
"Die Bundeswettbewerbsbehörde informiert auf ihrer Website über die Entscheidungen, die das Kartellgericht und das Kartellobergericht erlassen haben." So steht es seit 1.1.2006 in § 10b Abs 3 Wettbewerbsgesetz. Ein klarer Auftrag, würde man meinen. Wie so eine Information aussehen kann, ist zB in einem Kartellfall hier und hier nachzulesen, mit Angaben über Art und Umfang der verpönten Handlungen, bis hin etwa zu dem Detail, dass die Kartellanten in einer Zusammenkunft in einem Kaffeehaus in Wilhelmsburg eine Preiserhöhung beschlossen haben. Die Information kann aber auch, in einem Missbrauchsfall, so ausschauen:
Antwort der Bundeswettbewerbsbehörde vom 7.1.2010: "Die hier betroffene Bekanntmachungspflicht § 10b/3 WettbG wurde durch die Veröffentlichung http://www.bwb.gv.at/BWB/Aktuell/missbrauch_tata_2009_03_19.htm [Anm: der Link stimmte schon damals nicht, die gemeinte Veröffentlichung ist nun hier zu finden] erfüllt. Eine darüber hinausgehende Information Dritter ist nicht vorgesehen."
Das schien mir doch ein bisschen wenig, also mailte ich zurück, begründete mein Auskunftsersuchen, verwies auf die inkonsistene Informationspolitik - und wartete einmal gute acht Wochen. Nach einer Urganz und einem Zwischenspiel, in dem die BWB für die Beantwortung meines Auskunftsersuchens zunächst Auskunft von mir wollte (ob und wo ich einen bestimmten Anschluss habe), stellte ich dann noch folgende Frage:
PS: Das Foto oben (public domain, aus Wikimedia Commons) zeigt ein - fast - zufällig gewähltes Dorf in Tirol, das zumindest in einem Entwurf einer Vollziehungshandlung der Telekom-Control-Kommission erwähnt wird.
Update 16.2.2012: aufgrund aktueller Entwicklungen im Untersuchungsausschuss des Nationalrates zur Aufklärung von Korruptionsvorwürfen wurde ich aufgrund dort vorgezeigter Mails (1 und 2; Fotos von Martin Thür, ATV; die Mails wurden von NRAbg. Pilz präsentiert, ihre Echtheit kann ich nicht beurteilen) an diesen älteren Beitrag erinnert und habe erst mal wieder die Links aktualisiert (die Bundeswettbewerbsbehörde hat leider die Angewohnheit, ständig die URLs zu ändern). Ein Update unter Berücksichtigung der Mails habe ich hier geschrieben.
"Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Telekom Austria TA AGInformationen über Art des Missbrauchs, betroffenen Markt, betroffene Kunden/Konkurrenten, Zeitraum, Umfang etc.? Fehlanzeige. Also habe ich - Ende Dezember letzten Jahres - einmal nachgefragt und um Informationen ersucht "über den Inhalt des Antrags der BWB bzw über den konkreten Marktmachtmissbrauch, der Gegenstand der Entscheidung des Kartellgerichts war."
Aufgrund eines entsprechenden Antrags der BWB verhängte das KG am 19.3.2009 über Telekom Austria TA AG wegen des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eine Geldbuße von € 1.500.000,--. Die Telekom Austria TA AG, der Bundeskartellanwalt und die BWB verzichteten auf Rechtsmittel, die Entscheidung ist daher rechtskräftig." [die neue Rechtschreibung ist bei der BWB noch nicht angekommen; update: 16.02.2012: mittlerweile hat die BWB die Rechtschreibung aktualisiert!]
Antwort der Bundeswettbewerbsbehörde vom 7.1.2010: "Die hier betroffene Bekanntmachungspflicht § 10b/3 WettbG wurde durch die Veröffentlichung http://www.bwb.gv.at/BWB/Aktuell/missbrauch_tata_2009_03_19.htm [Anm: der Link stimmte schon damals nicht, die gemeinte Veröffentlichung ist nun hier zu finden] erfüllt. Eine darüber hinausgehende Information Dritter ist nicht vorgesehen."
Das schien mir doch ein bisschen wenig, also mailte ich zurück, begründete mein Auskunftsersuchen, verwies auf die inkonsistene Informationspolitik - und wartete einmal gute acht Wochen. Nach einer Urganz und einem Zwischenspiel, in dem die BWB für die Beantwortung meines Auskunftsersuchens zunächst Auskunft von mir wollte (ob und wo ich einen bestimmten Anschluss habe), stellte ich dann noch folgende Frage:
"Wurden im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverzicht durch die BWB Vereinbarungen zwischen der Telekom Austria AG und der BWB im Hinblick auf Art und Umfang der Veröffentlichung getroffen oder gab es diesbezügliche einseitige Zusagen?"Und dann, viereinhalb Monate nach meiner ursprünglichen Anfrage, erhielt ich tatsächlich eine Art inhaltliche Antwort:
"Im dem Antrag der BWB (§§ 29/1a iVm 5/1 KartG) zugrundeliegenden Verfahren wurde auf Anregung der TCK untersucht, ob best von TATA [Telekom Austria TA AG] im Rahmen des Ausbaus ihres Telekommunikationsnetzes gesetzte Maßnahmen die von Entbündelungspartnern erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen beeinträchtigen konnten und ggf der Tatbestand § 5 KartG (Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) erfüllt wurde. Auskunft über Verfahren und Entscheidung des KG können beim KG selbst nach den in diesem Zusammenhang anwendbaren Bestimmungen erlangt werden."Nun ist nach § 10b Abs 3 WettbG die BWB, nicht das Kartellgericht, zur Information über Entscheidungen des Kartellgerichts verpflichtet, sodass die Verweisung auf das Kartellgericht doch, vorsichtig formuliert, überrascht. Auch sonst werde ich aus der Auskunft nicht wirklich schlau: "best[immte] von TATA gesetzte Maßnahmen" erklärt ja nicht gerade präzise, was konkret passiert ist. Und es kann nach der rechtskräftigen Entscheidung des Kartellgerichts auch nicht mehr fraglich sein, "ob" ein Missbrauch vorlag bzw "ggf" der Tatbestand erfüllt wurde - wäre das nicht der Fall gewesen, wäre ja auch keine Geldbuße verhängt worden. Aus der Antwort wird aber deutlich, dass die BWB partout nicht bekanntgeben will, worüber tatsächlich vom Kartellgericht entschieden wurde. Umso interessanter daher die Antwort auf meine Frage nach Vereinbarungen oder Zusagen - sie lautet:
"Die BWB hatte in Aussicht gestellt, im Fall einer stattgebenden Entscheidung des KG [Kartellgerichts] und allseitiger Rechtsmittelverzichte die Information nach § 10b/3 WettbG auf deren gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt zu beschränken."Das war also der Deal: kein Rechtsmittel, dafür bloß Minimalinformation der Öffentlichkeit (und sonst?) - geradezu ein Lehrbuchbeispiel für eine implizite und doch glaubwürdige Drohung (zur Vermeidung von Missverständnissen: es geht hier um "credible threats" im ökonomischen bzw spieltheoretischen Sinne, nicht um eine [gefährliche] Drohung als Rechtsbegriff). Falls ich mich, wie zuletzt in meinem Referat beim Österreichischen Juristentag 2009 (Thesen hier), wieder einmal mit der regulatorischen Drohung - und ihrem freundlichen Zwilling, dem Anreiz - befasse, werde ich dieses Beispiel gerne aufgreifen.
PS: Das Foto oben (public domain, aus Wikimedia Commons) zeigt ein - fast - zufällig gewähltes Dorf in Tirol, das zumindest in einem Entwurf einer Vollziehungshandlung der Telekom-Control-Kommission erwähnt wird.
Update 16.2.2012: aufgrund aktueller Entwicklungen im Untersuchungsausschuss des Nationalrates zur Aufklärung von Korruptionsvorwürfen wurde ich aufgrund dort vorgezeigter Mails (1 und 2; Fotos von Martin Thür, ATV; die Mails wurden von NRAbg. Pilz präsentiert, ihre Echtheit kann ich nicht beurteilen) an diesen älteren Beitrag erinnert und habe erst mal wieder die Links aktualisiert (die Bundeswettbewerbsbehörde hat leider die Angewohnheit, ständig die URLs zu ändern). Ein Update unter Berücksichtigung der Mails habe ich hier geschrieben.
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Thursday, May 13, 2010
Le Pen scheitert vor dem EGMR: Verurteilung wegen Aufstachelung zu Hass keine Verletzung des Art 10 EMRK
Aufstachelung zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt gegen eine ethnisch oder religiös bestimmte Gruppe ist nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK geschützt. Dies hat der Europäische Gerichtshof vor kurzem in seiner Entscheidung vom 20. April 2010 im Fall Le Pen gegen Frankreich (Appl. no. 18788/09) neuerlich klargestellt. Jean-Marie Le Pen war aufgrund einer Aussage in einem Interveiw mit Le Monde (wegen "provocation à la discrimination, à la haine, à la violence envers un groupe de personnes à raison de leur origine ou de leur appartenance ou de leur non appartenance à une ethnie, une nation, une race ou une religion déterminée") zu einer Strafe von 10.000 Euro verurteilt worden. Die Aussagen in ihrer Gesamtheit hatten, so die französichen Gerichte, ein negatives bzw sogar beunruhgendes Bild der muslimischen Gemeinschaft gezeichnet. Le Pen habe das französische Volk ("gens") einer wachsenden muslimischen Gemeinde, die eine Bedrohung darstelle, gegenübergestellt, was Feindseligkeit gegenüber dieser Gruppe schüren konnte.
Der EGMR hat die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde Le Pens gegen seine Verurteilung einstimmig als offensichtlich unbegründet und damit unzulässig beurteilt. Im ECHR-Blog weist Dirk Voorhoof auf einen interessanten Boomerang-Effekt hin: der EGMR hatte nämlich schon in den Fällen Lindon, Otchakovsky-Laurens und July gegen Frankreich (Appl. nos. 21279/02 und 36448/02) zum Ausdruck gebracht, dass "Hate Speech" auch in der politischen Debatte nicht toleriert werden muss - damals ging es um einen Roman, in dem Le Pen als "Kopf einer Killerbande" dargestellt wurde (mehr dazu bei contentandcarrier).
Einen weiteren französischen Fall zu Art 10 EMRK hat der EGMR mit Urteil vom 11. Mai 2010, Fleury gegen Frankreich (Appl no. 29784/06), entschieden. Auch dabei wurde keine Verletzung des Art. 10 festgestellt, denn der Vorwurf eines Oppositionspolitikers an einen Bürgermeister, er und sein Team würden manipulieren und "ein wenig zu tief hineingreifen" ("crochent un peu trop dedans") hatte keinerlei Basis im Tatsächlichen.
Der EGMR hat die auf Art 10 EMRK gestützte Beschwerde Le Pens gegen seine Verurteilung einstimmig als offensichtlich unbegründet und damit unzulässig beurteilt. Im ECHR-Blog weist Dirk Voorhoof auf einen interessanten Boomerang-Effekt hin: der EGMR hatte nämlich schon in den Fällen Lindon, Otchakovsky-Laurens und July gegen Frankreich (Appl. nos. 21279/02 und 36448/02) zum Ausdruck gebracht, dass "Hate Speech" auch in der politischen Debatte nicht toleriert werden muss - damals ging es um einen Roman, in dem Le Pen als "Kopf einer Killerbande" dargestellt wurde (mehr dazu bei contentandcarrier).
Einen weiteren französischen Fall zu Art 10 EMRK hat der EGMR mit Urteil vom 11. Mai 2010, Fleury gegen Frankreich (Appl no. 29784/06), entschieden. Auch dabei wurde keine Verletzung des Art. 10 festgestellt, denn der Vorwurf eines Oppositionspolitikers an einen Bürgermeister, er und sein Team würden manipulieren und "ein wenig zu tief hineingreifen" ("crochent un peu trop dedans") hatte keinerlei Basis im Tatsächlichen.
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Tuesday, May 11, 2010
"Bill Shock": FCC auf den Spuren der Roaming-Verordnung?
Dass eine US-amerikanische Behörde eine europäische Regelung zum Vorbild nimmt, ist durchaus ungewöhnlich - aber es kommt vor: Die FCC startete heute eine öffentliche Konsultation über Maßnahmen zur Unterstützung von Mobilfunkkunden in den USA zur Vermeidung von "bill shock" (also überraschend hohen Mobilfunkrechnungen; der Begriff ist lautmalerisch dem aus dem ersten Weltkrieg stamemnden Begriff "shell shock" nachempfunden). Nach einer Darstellung der Grundzüge der Regelungen in der EU nach Art 6 und 6a der Roaming-Verordnung fragt die FCC in ihrer "Public Notice" (siehe dazu auch die Presseaussendung) ausdrücklich, ob in den USA ähnliche Warnmeldungen und Betragslimits eingeführt werden sollten:
"In this public notice we seek to gather information on the feasibility of instituting usage alerts andcut-off mechanisms similar to those required under the EU regulations that would provide wireless voice, text, and data consumers in the United States a way to monitor, on a real-time basis, their usage of a wireless communications service, as well as the various charges they may incur in connection with such usage (e.g., roaming services, voice service “minute plans,” text message plans). Specifically, we seek comment on whether technological or other differences exist that would prevent wireless providers in this country from employing similar usage controls as those now required by the EU."Und während man in den USA über die Roaming-Verordnung als Vorbild nachdenkt, ist in Europa die Frage der Gültigkeit einer Kernbestimmung dieser Verordnung noch nicht endgültig geklärt: Ob nämlich die Preisregulierung für Endkundentarife, wie sie in Art 4 der Roaming-Verordnung vorgesehen ist, gültig ist, wird der EuGH am 8. Juni 2010 mit seinem Urteil in der Rs C-58/08 Vodafone ua entscheiden (zu den Schlussanträgen hier),
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Schutz journalistischer Quellen
Der Schutz journalistischer Quellen ist nicht nur in Österreich (oder: "Österreich") ein aktuelles Thema. Vor wenigen Tagen, am 7. Mai 2010, erging auch ein Urteil des Supreme Court of Canada (SCC): R. v. National Post, 2010 SCC 16. Das Urteil ist freilich nicht im Sinne der Medien ausgefallen, die sich als "Media Coalition" auch am Verfahren als Intervenienten beteiligt hatten. Der SCC erkennt kein allgemeines "Journalisten-Privileg" an, sondern verlangt eine fallbezogene Prüfung, die in dem konkret dem Gerichtshof vorgelegenen Fall zu Lasten der Journalisten bzw ihrer Zeitung ausfiel. In der Sache ging es, grob vereinfacht, um Dokumente, die einem Journalisten von einer vertraulichen Quelle zugespielt worden waren. Diese Dokumente sollten finanzielle Interessenskollisionen eines ehemaligen Premierministers dokumentieren, waren aber nach Ansicht der Polizei gefälscht. Der Zugriff der Polizei auf diese Unterlagen sollte der Aufklärung der Urkundenfälschung dienen.
Das Urteil ist auch für Nicht-Kanadier lesenswert, weil es eine kompakte Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Schutzes journalistischer Quellen enthält, in die auch die Rechtsprechung des EGMR (und des US Supreme Court) einbezogen wird (sogar Österreich wird übrigens erwähnt, als eines jener Länder, in denen es eine einschlägige gesetzliche Regelung gibt). Die Kläger (die betroffenen Journalisten und die National Post) verwiesen natürlich auf das Financial Times-Urteil des EGMR, konnten damit aber Richter Binnie, der die Mehrheitsmeinung verfasste, nicht überzeugen. Binnie verwies, gewissermaßen im Gegenzug zum Financial Times-Urteil, auf das Sanoma Uitgevers-Urteil des EGMR, und schloss daraus. "in my view, the Strasbourg jurisprudence is not of much assistance to the appellants."
Womit er - im Lichte von Sanoma Uitgevers - wohl nicht so unrecht hat. In diesem Urteil hat der EGMR - mit knapper Mehrheit von 4 zu 3 Stimmen - keine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt. Zitat aus diesem Urteil (Abs. 57):
Mehr zum Kammer-Urteil Sanoma Uitgevers hier im ECHR-Blog; dort auch mehr zum Financial Times-Urteil (beide Beiträge von Dirk Voorhoof).Weitere einschlägig interessante EGMR-Fälle sind Nordisk Film und Tillack, Aus der deutschen Rechtsprechung ist das Cicero-Urteil des Bundesverfassngsgerichts hervorzuheben.
Und was ist nun die "bottom line" aus all diesen Urteilen? Dazu nochmals Richter Binnie vom Supreme Court of Canada (Abs. 69 des Urteils): "The bottom line is that no journalist can give a source a total assurance of confidentiality."
Das Urteil ist auch für Nicht-Kanadier lesenswert, weil es eine kompakte Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Schutzes journalistischer Quellen enthält, in die auch die Rechtsprechung des EGMR (und des US Supreme Court) einbezogen wird (sogar Österreich wird übrigens erwähnt, als eines jener Länder, in denen es eine einschlägige gesetzliche Regelung gibt). Die Kläger (die betroffenen Journalisten und die National Post) verwiesen natürlich auf das Financial Times-Urteil des EGMR, konnten damit aber Richter Binnie, der die Mehrheitsmeinung verfasste, nicht überzeugen. Binnie verwies, gewissermaßen im Gegenzug zum Financial Times-Urteil, auf das Sanoma Uitgevers-Urteil des EGMR, und schloss daraus. "in my view, the Strasbourg jurisprudence is not of much assistance to the appellants."
Womit er - im Lichte von Sanoma Uitgevers - wohl nicht so unrecht hat. In diesem Urteil hat der EGMR - mit knapper Mehrheit von 4 zu 3 Stimmen - keine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt. Zitat aus diesem Urteil (Abs. 57):
"The Court does not dispute that a compulsory handover of journalistic material may have a chilling effect on the exercise of journalistic freedom of expression. However, it does not follow per se that the authorities are in all such cases prevented from demanding such handover; whether this is so will depend on the facts of the case."Im konkreten Fall ging es um Fotos, die Journalisten anlässlich eines illegalen Straßenrennens gemacht hatten; um die Möglichkeit zu diesen Aufnahmen zu bekommen, hatten die Journalisten Vertraulichkeit zusichern müssen. In der Folge verlangte die Polizei die Herausgabe der Fotos, da sie zur Identifizierung einer Bande dienen konnten, die es unter Gewaltanwendung und mit Schaufelladern auf das Knacken von Bankomaten abgesehen hatte; die Polizei hatte die Herausgabe der Fotos erst verlangt, als es bei einem solchen Bankomatenraub zur Anwendung einer Schusswaffe kam. Damit, so die Auffassung des EGMR, unterschied sich der Fall auch in wesentlichen Punkten von den Fällen Ernst and Others, Roemen and Schmit und Voskuil. Allerdings ist Sanoma Uitgevers noch nicht endgültig, sondern noch bei der großen Kammer anhängig. Im Jänner fand bereits ein Hearing statt - und Medienrechtler warten nun gespannt auf das Urteil der Großen Kammer.
Mehr zum Kammer-Urteil Sanoma Uitgevers hier im ECHR-Blog; dort auch mehr zum Financial Times-Urteil (beide Beiträge von Dirk Voorhoof).Weitere einschlägig interessante EGMR-Fälle sind Nordisk Film und Tillack, Aus der deutschen Rechtsprechung ist das Cicero-Urteil des Bundesverfassngsgerichts hervorzuheben.
Und was ist nun die "bottom line" aus all diesen Urteilen? Dazu nochmals Richter Binnie vom Supreme Court of Canada (Abs. 69 des Urteils): "The bottom line is that no journalist can give a source a total assurance of confidentiality."
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Sunday, May 09, 2010
VorratsdatenRL wieder auf dem Weg zum EuGH
Die RL über die Vorratsspeicherung von Daten wird den EuGH nun in einem (weiteren) Vorabentscheidungsverfahren beschäftigen: zwar liegt die Frage der Gültigkeit der RL dem EuGH schon vor, allerdings eher inzident in zwei Verfahren, die vorrangig die Veröffentlichung von Agrarsubventionen betreffen (C-92/09 Volker und Markus Schecke GbR / Land Hessen und C-93/09 Hartmut Eifert / Land Hessen; update 13.05.2010: die Schlussanträge sind für 17.06.2010 angekündigt). Nun aber hat der irische High Court in einem die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung in Irland betreffenden Verfahren (angestrengt von Digital Rights Ireland) die Anregung der Kläger aufgegriffen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten (siehe dazu hier bei DRI, und hier die Entscheidung des High Court; die hier relevanten Fragen sind ab Seite 50 abgehandelt). Die konkrete Fragestellung steht noch nicht fest, sie wurde einer weiteren Entscheidung vorbehalten.
Und während dieses Vorabentscheidungsersuchen daher noch etwas Zeit brauchen wird, um an den Gerichtshof zu gelangen, steht eine Entscheidung des EuGH zur Gültigkeit eines anderen Sekundärrechtsakts aus dem Bereich der Telekommunikation bald bevor: das Urteil in der Rechtssache C-58/08 Vodafone ua betreffend die Gültigkeit von Art 4 der Roaming-Verordnung soll am 8. Juni 2010 verkündet werden.
Und während dieses Vorabentscheidungsersuchen daher noch etwas Zeit brauchen wird, um an den Gerichtshof zu gelangen, steht eine Entscheidung des EuGH zur Gültigkeit eines anderen Sekundärrechtsakts aus dem Bereich der Telekommunikation bald bevor: das Urteil in der Rechtssache C-58/08 Vodafone ua betreffend die Gültigkeit von Art 4 der Roaming-Verordnung soll am 8. Juni 2010 verkündet werden.
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Thursday, May 06, 2010
Kirchhof-Gutachten: Das Erlebnis der Illegalität und das Dunkel des tatbestandlich Bedeutungslosen
Gutachten deutscher Staatsrechtler muss man einfach mögen - das gilt auch für das von Paul Kirchhof im Auftrag von ARD, ZDF und D Radio erstellte Gutachten Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das heute vorgelegt wurde.
Wo sonst würde etwa "das Rechtsunerhebliche ... im Dunkel des tatbestandlich Bedeutungslosen" (S. 53*) belassen oder ernstlich von einem "Bewohner einer in einem Funkloch gelegenen Almhütte" erwartet, er werde "unter Hinweis auf das Erfordernis der Realitätsnähe des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes einwenden, dass die gesetzliche Typisierung [seinen] Sachverhalt nicht träfe" (S. 61)? Wer sonst könnte von einem Privathaushalt als "eine[r] Gemeinschaft unterschiedlichen, sich in der Verschiedenheit der Empfangsgewohnheiten ausgleichenden Empfangs" (S. 10) schreiben oder davon, dass der freiheitliche Sozialstaat "außerdem nahelegt, dass das Rundfunkangebot von der Haushaltsgemeinschaft gemeinsam zur Lebensgestaltung auch der Kranken, der Altersgebrechlichen, der Arbeitslosen oder der sonst besonders schutzbedürftigen Haushaltsmitglieder genutzt wird" (S. 11)? Wer könnte Sätze schreiben wie:
PS: falls es jemanden interessiert, was Kirchhof inhaltlich sagt, knapp zusammengefasst: weg mit der gerätebezogenen Abgabe, her mit einer Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (was verfassungsrechtlich nicht nur erlaubt, sondern offenbar geradezu zwingend geboten sei); und irgendwie wär's auch netter, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausschließlich gebührenfinanziert wäre, denn dann könnte man ihn wegen der fehlenden Werbeunterbrechung besser vom privaten Rundfunk unterscheiden (in den Worten des Meisters: "Würde der Gesetzgeber sich entscheiden, den öffentlichrechtlichen Rundfunk gänzlich [...] ohne Werbung und Sponsoring zu finanzieren, wäre die Identität der Rundfunkanstalten und des Rundfunkprogramms – ein Programmablauf ohne jegliche Werbeunterbrechung – in eindrucksvoller Weise hervorgehoben." S. 52).
*) Die Seitenangaben beziehen sich auf die auch hier verfügbare Studie; die Hervorhebungen stammen von mir, in den Zitaten vorkommende Fußnoten habe ich ausgelassen. Siehe zum Gutachten auch den Beitrag auf Telemedicus [update 11.5.2010: mittlerweile ergänzt durch eine sehr übersichtliche Detaildarstellung und eine Zusammenstellung der Reaktionen auf das Gutachten].
Wo sonst würde etwa "das Rechtsunerhebliche ... im Dunkel des tatbestandlich Bedeutungslosen" (S. 53*) belassen oder ernstlich von einem "Bewohner einer in einem Funkloch gelegenen Almhütte" erwartet, er werde "unter Hinweis auf das Erfordernis der Realitätsnähe des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes einwenden, dass die gesetzliche Typisierung [seinen] Sachverhalt nicht träfe" (S. 61)? Wer sonst könnte von einem Privathaushalt als "eine[r] Gemeinschaft unterschiedlichen, sich in der Verschiedenheit der Empfangsgewohnheiten ausgleichenden Empfangs" (S. 10) schreiben oder davon, dass der freiheitliche Sozialstaat "außerdem nahelegt, dass das Rundfunkangebot von der Haushaltsgemeinschaft gemeinsam zur Lebensgestaltung auch der Kranken, der Altersgebrechlichen, der Arbeitslosen oder der sonst besonders schutzbedürftigen Haushaltsmitglieder genutzt wird" (S. 11)? Wer könnte Sätze schreiben wie:
- "Die typisierende Vermutung der Empfangsfähigkeit verfehlt zunehmend die Rechtswirklichkeit" (S. 8)
- "In diesem Abgabenschuldverhältnis begegnen sich der anstaltsbezogene Bedarfstatbestand und der nutzungsbezogene Vorteilstatbestand." (S. 60)
- "Dieser normative Ausgangsbefund, das Rundfunkangebot wende sich an den Menschen, muss deshalb grundsätzlich auch im Menschen und nicht in den Empfangsgeräten tatbestandlich erfasst werden." (S. 9)
- "Hier trägt das Gerät allenfalls schwach eine Nutzungsvermutung" (S. 7)
- "Jenseits dieses Haushaltskerns der 'bürgerlichen Kleinfamilie' als 'familiales Grundmuster' bietet der Privathaushalt in der Vielfalt moderner Lebensformen stets Gemeinschaften, die auf ein Zusammenleben – auch in allen Formen des Rundfunkempfangs – angelegt sind." (S. 64)
"Das bedeutet, dass auch eine große Zahl junger Menschen, die bei der Rundfunkabgabe erstmals zum Schuldner eines Dauerabgabenrechtsverhältnisses werden, dieses mit dem Erlebnis der Illegalität beginnen." (S 12)Und wer "Dauerabgabenrechtsverhältnis" fehlerfrei schreiben kann, der findet wohl auch, dass es im Englischen viel zu wenige zusammengesetzte Wörter gibt: konsequenterweise schreibt Kirchhof daher auch "Personaldigitalassistants" zusammen (S. 7), so als wäre es ein von einem deutschen Staatsrechtler erfundener Begriff (aber in dieser Form ist er es wohl auch).
PS: falls es jemanden interessiert, was Kirchhof inhaltlich sagt, knapp zusammengefasst: weg mit der gerätebezogenen Abgabe, her mit einer Haushalts- und Betriebsstättenabgabe (was verfassungsrechtlich nicht nur erlaubt, sondern offenbar geradezu zwingend geboten sei); und irgendwie wär's auch netter, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausschließlich gebührenfinanziert wäre, denn dann könnte man ihn wegen der fehlenden Werbeunterbrechung besser vom privaten Rundfunk unterscheiden (in den Worten des Meisters: "Würde der Gesetzgeber sich entscheiden, den öffentlichrechtlichen Rundfunk gänzlich [...] ohne Werbung und Sponsoring zu finanzieren, wäre die Identität der Rundfunkanstalten und des Rundfunkprogramms – ein Programmablauf ohne jegliche Werbeunterbrechung – in eindrucksvoller Weise hervorgehoben." S. 52).
*) Die Seitenangaben beziehen sich auf die auch hier verfügbare Studie; die Hervorhebungen stammen von mir, in den Zitaten vorkommende Fußnoten habe ich ausgelassen. Siehe zum Gutachten auch den Beitrag auf Telemedicus [update 11.5.2010: mittlerweile ergänzt durch eine sehr übersichtliche Detaildarstellung und eine Zusammenstellung der Reaktionen auf das Gutachten].
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EGMR: Die journalistische Freiheit, ein wenig zu übertreiben (Brunet Lecomte und Lyon Mag gegen Frankreich)
Ist es ehrenrührig, als charismatischer Führer bezeichnet zu werden? Wohl nicht. Aber als charismatischer Führer, der nicht zögert, frustrierte und verwundbare Jugendliche zu rekrutieren, der völlig unkontrollierbare Kleingruppen am Rande offizieller Strukturen organisiert - und der im Zentrum eines islamistischen Netzwerks steht? Das ging den französischen Gerichten doch zu weit. Auf Antrag dieses charismatischen Führers, der keiner sein wollte, verurteilte das Berufungsgericht von Lyon den Journalisten Brunet Lecomte und den Herausgeber des Monatsmagazins Lyon Mag deshalb wegen Beleidigung zu einer Ersatzleistung von 2500 Euro.
Lyon Mag hatte im Oktober 2001 eine Sonderausgabe herausgebracht, auf der fettgedruckt die Frage stand: "Faut-il avoir peur des réseaux islamistes à Lyon ?" ("Muss man vor islamistischen Netzwerken in Lyon Angst haben?"); unter dem Titel "[T.] l'ambigu" ("[T.] der Zweideutige") befasste sich das Magazin ausführlich mit T., dem 1995 die Einreise nach Frankreich verweigert worden sei und der mit seinem Bruder in Genf ein islamistisches Zentrum kontrolliert habe.
Der EGMR hat in seinem Urteil von heute, CASE OF BRUNET LECOMTE AND LYON MAG v. FRANCE (Application No. 17265/05), festgestellt, dass Frankreich durch die Verurteilung von Brunet Lecomte und Lyon Mag Art 10 EMRK verletzt hat. Das Urteil erging mit fünf zu zwei Stimmen gegen die abweichende Meinung des dänischen Kammerpräsidenten Lorenzen und der monegassischen Richterin Berro-Lefèvre.
Der EGMR betont, dass die Artikel im Lyon Mag einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse und unmittelbarer Aktualität leisteten (sie wurden kurz nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001 veröffentlicht) und dass eine ausreichende Faktenbasis gegeben war (bzw. drückt es der Gerichtshof anders aus: die Faktenbasis sei nicht inexistent gewesen: "la Cour considère que la base factuelle sur laquelle reposait lesdits propos n’était pas inexistante").
Der Gerichtshof setzt die inkriminierten Äußerungen in einen größeren Kontext, nämlich einer Serie von Artikeln, die auf einer dreiwöchigen Feldforschung beruhten, und in der verschiedene Positionen zum Ausdruck kamen. Auch betont der Gerichtshof, dass in den Artikeln die Vermischung von Islam und Islamismus vermieden und eine gewisse Vorsicht bei der Wortwahl geübt wurde. Auch wenn T. durch ein Bild auf der Titelseite des Magazins und mit einem nur ihm gewidmeten Artikel im Blattinneren prominent vorkam, stellt der Gerichtshof doch fest, dass keine persönliche Animosität ihm gegenüber zum Ausdruck gekommen ist. Die verwendete Terminologie war nuanciert, und die Kläger haben jene Dosis an Übertreibung oder sogar Provokation, die in Ausübung der journalistischen Freiheit akzeptabel ist, nicht überschritten: "En effet, la Cour ne peut que constater que la terminologie utilisée est nuancée et que les requérants n’ont pas dépassé la dose d’exagération, voire de provocation, acceptable en matière de liberté journalistique" (Rn 45).
Die abweichende Meinung von Lorenzen und Berro-Lefèvre setzt an der ihres Erachtens nicht ausreichend gegebenen Faktenbasis an. Soweit in den Artikeln eingestanden werde, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass T. im Zentrum eines islamistischen Netzwerks stehe, seien dies eher stilistische Formeln ("clauses des style"), die die Andeutung nicht aufwiegen, sondern im Gegenteil verstärken würden (Der Artikel über T. endete mit den Worten: "Difficile d’affirmer sans preuve qu’il soit aujourd’hui au centre d’un réseau islamiste prêt à servir de relais à des actions terroristes. Mais le personnage reste ambigu" - in Österreich hätte man geschrieben: "es gilt die Unschuldsvermutung").
Lyon Mag hatte im Oktober 2001 eine Sonderausgabe herausgebracht, auf der fettgedruckt die Frage stand: "Faut-il avoir peur des réseaux islamistes à Lyon ?" ("Muss man vor islamistischen Netzwerken in Lyon Angst haben?"); unter dem Titel "[T.] l'ambigu" ("[T.] der Zweideutige") befasste sich das Magazin ausführlich mit T., dem 1995 die Einreise nach Frankreich verweigert worden sei und der mit seinem Bruder in Genf ein islamistisches Zentrum kontrolliert habe.
Der EGMR hat in seinem Urteil von heute, CASE OF BRUNET LECOMTE AND LYON MAG v. FRANCE (Application No. 17265/05), festgestellt, dass Frankreich durch die Verurteilung von Brunet Lecomte und Lyon Mag Art 10 EMRK verletzt hat. Das Urteil erging mit fünf zu zwei Stimmen gegen die abweichende Meinung des dänischen Kammerpräsidenten Lorenzen und der monegassischen Richterin Berro-Lefèvre.
Der EGMR betont, dass die Artikel im Lyon Mag einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse und unmittelbarer Aktualität leisteten (sie wurden kurz nach den Terroranschlägen vom 9. September 2001 veröffentlicht) und dass eine ausreichende Faktenbasis gegeben war (bzw. drückt es der Gerichtshof anders aus: die Faktenbasis sei nicht inexistent gewesen: "la Cour considère que la base factuelle sur laquelle reposait lesdits propos n’était pas inexistante").
Der Gerichtshof setzt die inkriminierten Äußerungen in einen größeren Kontext, nämlich einer Serie von Artikeln, die auf einer dreiwöchigen Feldforschung beruhten, und in der verschiedene Positionen zum Ausdruck kamen. Auch betont der Gerichtshof, dass in den Artikeln die Vermischung von Islam und Islamismus vermieden und eine gewisse Vorsicht bei der Wortwahl geübt wurde. Auch wenn T. durch ein Bild auf der Titelseite des Magazins und mit einem nur ihm gewidmeten Artikel im Blattinneren prominent vorkam, stellt der Gerichtshof doch fest, dass keine persönliche Animosität ihm gegenüber zum Ausdruck gekommen ist. Die verwendete Terminologie war nuanciert, und die Kläger haben jene Dosis an Übertreibung oder sogar Provokation, die in Ausübung der journalistischen Freiheit akzeptabel ist, nicht überschritten: "En effet, la Cour ne peut que constater que la terminologie utilisée est nuancée et que les requérants n’ont pas dépassé la dose d’exagération, voire de provocation, acceptable en matière de liberté journalistique" (Rn 45).
Die abweichende Meinung von Lorenzen und Berro-Lefèvre setzt an der ihres Erachtens nicht ausreichend gegebenen Faktenbasis an. Soweit in den Artikeln eingestanden werde, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass T. im Zentrum eines islamistischen Netzwerks stehe, seien dies eher stilistische Formeln ("clauses des style"), die die Andeutung nicht aufwiegen, sondern im Gegenteil verstärken würden (Der Artikel über T. endete mit den Worten: "Difficile d’affirmer sans preuve qu’il soit aujourd’hui au centre d’un réseau islamiste prêt à servir de relais à des actions terroristes. Mais le personnage reste ambigu" - in Österreich hätte man geschrieben: "es gilt die Unschuldsvermutung").
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EuGH C-545/08 Kommission/Polen: Keine neue Regulierung ohne vorherige Marktanalyse
"Vorweg ist festzuhalten, dass nationale Regulierungsbehörden nach Art 16 der RahmenRL (2002/21/EG) und Art 16 und 17 der UniversaldienstRL (2002/22/EG) Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht keine ex-ante Verpflichtungen auferlegen können, ohne vorher eine Analyse dieses Marktes durchgeführt zu haben." So stellt der EuGH gleich zu Beginn seiner rechtlichen Würdigung im heute entschiedenen Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen wegen der Regulierung des Breitband-Endkundemarkts fest (EuGH 6.5.2010, C-545/08 Kommission / Polen; das Zitat ist eine grobe Übersetzung der RNr 47 aus dem Französischen; derzeit liegt nämlich erst die polnische und französische Sprachfassung vor).
Der Präsident der polnischen Regulierungsbehörde hatte im Jahr 2006 die TP (den früheren Monopolisten) zur kostenorientierten Tarifgestaltung für den Endkundenmarkt der Bereitstellung des Breitband-Internetzugangs verpflichtet. Der Entscheidung war keine Marktanalyse nach Art 16 RahmenRL vorangegangen, obwohl der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für Polen mit dem Beitritt zur EU am 1.5.2004 wirksam geworden war.
Im Vertragsverletzungsverfahren ging es nicht um eine fehlerhafte gesetzliche Umsetzung des Rechtsrahmens in Polen, sondern um die nach Ansicht der Kommission fehlerhafte Verwaltungspraxis der Regulierungsbehörde. Die polnische Position war - etwas vereinfacht zusammengefasst - dass die Maßnahme aufgrund der Übergangsregelung des Art 27 RahmenRL zulässig war, da TP vor Inkrafttreten des Rechtsrahmens als marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne der ONP-SprachtelefonieRL 98/10/EG anzusehen war; da der Zugang zum Breitband-Internet auch die selben Leitungen wie die Sprachtelefonie nutze und daher die Unterhaltungs- und Wartungskosten für diese Teilnehmeranschlussleitungen sowohl der Sprachtelefonie als auch dem Breitbandzugang dienten, sei die kostenorientierte Preisregelung auch für den Breitbandzugang als Übergangsmaßnahme nach Art 27 RahmenRL gerechtfertigt.
Der EuGH konnte sich dieser Position nicht anschließen und setzte sich dazu noch einmal mit der ONP-SprachtelefonieRL 98/10/EG auseinander. Dabei kam er zum Ergebnis, dass der Telefondienst an festen Standorten", wie er in Art 2 Abs 3 der ONP-SprachtelefonRL unter Verweis auf Anhang I der ONP-ZusammenschaltungsRL 97/33/EG, definiert ist, jedenfalls den Breitbandzugang nicht umfasst (kein Wunder, steht in dieser Definition doch "Sprachband-Datenübertragung über Modems mit einer Übertragungsrate von mindestens 2400 Bit/s entsprechend ITU-T-Empfehlungen der V-Serie" [Hervorhebung hinzugefügt]).
Der Präsident der polnischen Regulierungsbehörde hatte im Jahr 2006 die TP (den früheren Monopolisten) zur kostenorientierten Tarifgestaltung für den Endkundenmarkt der Bereitstellung des Breitband-Internetzugangs verpflichtet. Der Entscheidung war keine Marktanalyse nach Art 16 RahmenRL vorangegangen, obwohl der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für Polen mit dem Beitritt zur EU am 1.5.2004 wirksam geworden war.
Im Vertragsverletzungsverfahren ging es nicht um eine fehlerhafte gesetzliche Umsetzung des Rechtsrahmens in Polen, sondern um die nach Ansicht der Kommission fehlerhafte Verwaltungspraxis der Regulierungsbehörde. Die polnische Position war - etwas vereinfacht zusammengefasst - dass die Maßnahme aufgrund der Übergangsregelung des Art 27 RahmenRL zulässig war, da TP vor Inkrafttreten des Rechtsrahmens als marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne der ONP-SprachtelefonieRL 98/10/EG anzusehen war; da der Zugang zum Breitband-Internet auch die selben Leitungen wie die Sprachtelefonie nutze und daher die Unterhaltungs- und Wartungskosten für diese Teilnehmeranschlussleitungen sowohl der Sprachtelefonie als auch dem Breitbandzugang dienten, sei die kostenorientierte Preisregelung auch für den Breitbandzugang als Übergangsmaßnahme nach Art 27 RahmenRL gerechtfertigt.
Der EuGH konnte sich dieser Position nicht anschließen und setzte sich dazu noch einmal mit der ONP-SprachtelefonieRL 98/10/EG auseinander. Dabei kam er zum Ergebnis, dass der Telefondienst an festen Standorten", wie er in Art 2 Abs 3 der ONP-SprachtelefonRL unter Verweis auf Anhang I der ONP-ZusammenschaltungsRL 97/33/EG, definiert ist, jedenfalls den Breitbandzugang nicht umfasst (kein Wunder, steht in dieser Definition doch "Sprachband-Datenübertragung über Modems mit einer Übertragungsrate von mindestens 2400 Bit/s entsprechend ITU-T-Empfehlungen der V-Serie" [Hervorhebung hinzugefügt]).
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Tuesday, May 04, 2010
Vermischte Lesehinweise (10): Digitale Dividende, legal leaks, Abmahnungen
- Die Studie "Die Nutzung der Digitalen Dividende in Österreich", erstellt im Auftrag der RTR von einer Arbeitsgemeinschaft aus Ex-Regulierer Arne Börnsen, Tim Braulke von der Infront Consulting & Management GmbH, Jörn Kruse von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und Michael Latzer vom IPMZ der Universität Zürich, wurde letzte Woche vorgestellt. Größere Überraschungen sind ausgeblieben, die Studie empfiehlt die Vergabe des Frequenzbereichs von 790 bis 862 MHz an den "Breitband-Mobilfunk". Eine Empfehlung, diesen Bereich weiterhin nur (oder gegbenenfalls auch) für terrestrisches Fernsehen zu verwenden, hatte aber wohl niemand ernstlich erwartet. Manche Fragen bleiben noch offen, insbesondere zum konkreten Zeitplan, der nicht zuletzt von der Entwicklung in den (östlichen Nachbarländern) abhängig ist, und zu den Begleitmaßnahmen etwa für Funkmikrofone. Aber die Politik kann sich auf der Basis dieser Studie jedenfalls einmal bewegen (und hat dies auch schon getan oder zumindest angekündigt, es zu tun).
- Die für Informationsgesellschaft zuständigen Minister der EU haben am 19.4.2010 eine Erklärung über die "Europäische Digitale Agenda" beschlossen. Die Erklärung umfasst natürlich eine Reihe von Allerweltszielen bzw. -maßnahmen, aber sie stellt doch auch eine ganz brauchbare Übersicht über den allgemeinen Bezugsrahmen dar, in dem sich die europäische IKT-Politik derzeit bewegt.
- Gewissermaßen noch als Nachtrag zum Welttag der Pressefreiheit. Dunja Mijatovic, neue OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, hat einen "guide for journalists on how to access government information" vorgestellt: den "Legal Leaks Toolkit": "This toolkit is designed for journalists working in any media – newspapers, radio, and television – as well as bloggers and other information professionals who need to get access to information held by public bodies for their stories".
- Zum Abschluss noch eine nachdrückliche Leseempfehlung für Stefan Niggemeiers wohlüberlegte und wichtige Ausführungen zum deutschen Abmahnwahnsinn: "Über Abmahnungen". Auch wenn die deutsche Sach- und Rechtslage anders ist, manche Entwicklungen schwappen gerne auch nach Österreich über. Und deutsche "Abzock-Anwälte" haben es ja immerhin auch geschafft, zum Thema im österreichischen Nationalrat zu werden - und zum Korrespondenzthema zwischen Justizministerinnen: "Wegen der deutschen 'Abzock-Anwälte' habe sie [Bundesmnisterin für Justiz Bandion-Ortner] an ihre deutsche Amtskollegin geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten", heißt es in der Aussendung der Parlamentskorrespondenz zur Sitzung des Konsumentenschutzauschusses vom 15.4.2010.
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Monday, May 03, 2010
Schwarzenegger (!) gegen Gewaltvideospiele: demnächst vor dem US Supreme Court
Arnold Schwarzenegger, dessen Abneigung gegen Gewalt in Filmen wie Conan the Barbarian und The Terminator vielleicht nicht ganz deutlich zum Ausdruck gekommen ist, geht nun - allerdings "in his official capacity as the Governor of the State of California" - umso entschiedener gegen Gewaltvideospiele vor: er zieht vor den US Supreme Court, um das im vergangenen Jahr vom 9th US Circuit Court of Appeals als verfassungswidrig beurteilte Verbot des Verkaufs und der Vermietung von "violent video games" (siehe die Entscheidung hier) an Minderjährige (unter 18 Jahren) doch noch durchzusetzen. Der Supreme Court hat nun Schwarzeneggers petition for certiorari angenommen und wird in der Sache entscheiden (Docket; mehr dazu im
SCOTUS Blog). Die Grundfrage ist, ob das First Amendment einem Bundesstaat verbietet, den Verkauf von Gewaltspielen an Minderjährige einzuschränken.
SCOTUS Blog). Die Grundfrage ist, ob das First Amendment einem Bundesstaat verbietet, den Verkauf von Gewaltspielen an Minderjährige einzuschränken.
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Zum internationalen Tag der Pressefreiheit: aktuelle EGMR-Rechtsprechung
Zum heutigen Welttag der Pressefreiheit wieder einmal ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Artikel 10 EMRK: Der April hat eine ganze Reihe von Art 10-Entscheidungen gebracht, davon allein fünf wegen der Berichterstattung in finnischen Medien zu einem Vorfall vom 4. Dezember 1996. Zitat zum Ausgangssachverhalt aus dem Urteil Flinkkilä ua / Finnland vom 6. April 2010:
"On 4 December 1996 A., the National Conciliator (valtakunnansovittelija, riksförlikningsmannen) at the time, and B., his female friend, entered late at night A.'s home where his wife was present. The situation escalated, the police were called and the incident, which subsequently involved also A.'s grown-up children, led to A.'s arrest. Due to the incident, criminal charges were brought against both A. and B. on 18 December 1996. On 16 January 1997 the Helsinki District Court (käräjäoikeus, tingsrätten) sentenced A. to a four-month conditional prison sentence for resisting arrest and for criminal damage (vahingonteko, skadegörelse), and B. to a fine for assault. On 17 January 1997 the Council of State (valtioneuvosto, statsrådet) dismissed A. from his post as National Conciliator. On 25 June 1998 the Appeal Court (hovioikeus, hovrätten) upheld the judgment with respect to B. As regards A., the case had lapsed as he had died on 14 May 1998. On 15 December 1998 the Supreme Court (korkein oikeus, högsta domstolen) refused B. leave to appeal."Strittig war, ob man über die Freundin des offenbar gar nicht so friedlichen Schlichters identifizierend (also unter Namensnennung) berichten durfte, wie dies in mehreren finnischen Medien erfolgt war. Die finnischen Gerichte waren der Auffassung, dass dies einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre von Frau B. darstellte. Der EGMR folgte dieser Auffassung nicht:
"However, the Court notes that B. was involved in a public disturbance outside the family home of A., a senior public figure who was married and with whom she had developed a relationship. Criminal charges were preferred against both of them. They were later convicted as charged. The Court cannot but note that B., notwithstanding her status as a private person, can reasonably be taken to have entered the public domain. For the Court, the conviction of the applicants was backlit by these considerations and they cannot be discounted when assessing the proportionality of the interference with their Article 10 rights. ...Zu den weiteren Fällen siehe die neue Seite in diesem Blog mit einer Übersicht über die Rechtsprechung des EGMR zum Art 10 EMRK.
Moreover, it is to be noted that the disclosure of B.'s identity in the reporting had a direct bearing on matters of public interest, namely A.'s conduct and his ability to continue in his post as a high-level public servant. As B. had taken an active and willing part in the events of 4 December 1996, leading to A.'s conviction and dismissal, it is difficult to see how her involvement in the events was not a matter of public interest."
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