Monday, June 30, 2008

No more angels? Teil 2: Telemedial verliert vor dem BKS

Am 5. Juni 2008 stellte die KommAustria das Erlöschen der Privat-TV-Zulassung der Kanal Telemedial Privatrundfunk GmbH (Telemedial) fest (siehe dazu schon hier). Nur 22 Tage später hat der Bundeskommunikationssenat nun die Berufung der Telemedial gegen diesen Bescheid abgewiesen.
Unter anderem "angesichts eines offenbar laufend zwischen Deutschland und Thailand pendelnden und nur tageweise in Österreich anwesenden Geschäftsführers" (und mangels jeglicher angestellter Mitarbeiter der Telemedial in Österreich) teilt der BKS die Auffassung der KommAustria, dass Telemedial "nach keinem gemeinschaftsrechtlichen und auch keinem nationalen Kriterium in Österrreich niedergelassen" sei.
Der Bescheid ist auf der Website des BKS verfügbar (download).

Angesichts des etwas eigenwilligen Programms von Telemedial (Stichwort: Engelenergien) könnte man sich fragen, ob diesem Rundfunkveranstalter ein irdischer Regulator ( in der Sprache des Telemedial-Geschäftsführers, laut Standard: "ein strotzdummer Apparat") überhaupt gerecht werden kann ...

In eigener Sache: some rights reserved

Ein wenig überrascht war ich schon, als ich heute den Standard aufschlug und einen Blogbeitrag von mir unter der Rubrik "Kommentar der anderen" wiederfand. Wer ein Blog schreibt, selbst ein Nischenblog wie dieses, darf natürlich kein Problem damit haben, auch von Zeitungen zitiert zu werden, und das ist ja gelegentlich mit diesem Blog schon geschehen. Aber vor der Übernahme eines (fast) kompletten Beitrags, redigiert lediglich um ein paar Worte (und wer Juristen kennt: manchmal kommt es auf ein paar Worte an), da möchte man (oder konkret: ich) schon gefragt werden.

Denn Blogbeiträge stehen in einem gewissen Kontext, der bei der Übernahme in eine Tageszeitung verlorengeht (auch die Verlinkung fällt ja weg, sogar in der Online-Ausgabe). Einen "Kommentar zum EU-strategischen Sinneswandel der SPÖ", wie die subline im Standard lautet, wollte ich im Blog nämlich nicht abgeben, sondern bloß aus diesem Anlass auf eine alte "Medienfreiheits-Initiative" des aktuellen Bundeskanzlers hinweisen, die auch Fragen der Medienvielfalt berührt, die wiederum gelegentlich Thema dieses Blogs sind. Also kein großes politisches Statement, sondern eine kleine Notiz im blogspezifischen Themenfeld.

Aber sei's drum, zum Inhalt stehe ich natürlich, und ich habe ja auch schon einmal einen wirklichen "Kommentar der anderen" im Standard geschrieben, damals im Zusammenhang mit einer Zeitung, deren Preis der Bundeskanzler festlegt. Nun war es eben etwas zu einer Zeitung, die eher umgekehrt den Preis des Bundeskanzlers festlegt.

Aus diesem aktuellen Anlass habe ich mich aber endlich einmal dazu aufgerafft, die Urheberrechtsfrage zu diesem Blog klarzustellen - mit einer Creative Commons Lizenz. Dieses Blog steht nun unter einer "Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Österreich Lizenz" (für die CC-Profis leichter lesbar ist wahrscheinlich "Attribution-Noncommerical-Share Alike")
Creative Commons License
Was das genau heißt, findet sich unter dem angegebenen Link, im Wesentlichen sind Vervielfältigen, Verbreiten und öffentlich Zugänglichmachen erlaubt, wenn dies unter Namensnennung und nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgt und im Fall von Bearbeitungen die gleichen Lizenzbedingungen verwendet werden. Wer mehr will, soll eben vorher nachfragen.

Und weil ich die Medienvielfalt schon erwähnt habe: dass die Kronenzeitung gegen die EU kampagnisiert, weil sie vor schärferen Medienvielfaltsregeln Angst hätte, ist nicht anzunehmen. Nach einem sehr zaghaften Arbeitsdokument der Kommission bereitet nun das Europaparlament Berichte dazu vor, über die am 22. September 2008 abgestimmt werden soll. Der Berichtsentwurf von Marianne Mikko hat schon für ein wenig Aufregung gesorgt, weil Blogger eine Einschränkung bestehender Freiheiten befürchteten (der Entwurf "suggests clarifying the status, legal or otherwise, of weblogs and encourages their voluntary labelling according to the professional and financial responsibilities and interests of their authors and publishers;"). Nach einer ersten Presseaussendung vom 3. Juni 2008 wurde dann vom Parlament noch eine Klarstellung in einer Presseaussendung vom 11. Juni 2008 veranlasst - aber allzu große Bedeutung sollte man dem wohl nicht beimessen. Der zweite Berichtsentwurf kommt von der österreichischen liberalen Abgeordneten Karin Resetarits und befasst sich mit der Unterstützung alternativer Medien (community media).

Die Kommission hat inzwischen eine Studie vergeben, die bis zum Sommer nächsten Jahres Indikatoren zur Medienvielfalt erarbeiten soll - und irgendwann später dann könnte man diese Indikatoren vielleicht auch einmal anwenden und noch eine Studie machen: "The opportunity to implement these indicators could be envisaged at the appropriate point in the monitoring process, for example through a further study.” Vor diesem Hintergrund müsste sich nicht einmal die Krone vor "Brüssel" fürchten.

PS (update): Inzwischen hat sich aufgeklärt, wie es zu der Übernahme meines Blog-Beitrags in den Print-Standard ohne Rückfrage gekommen ist - der zuständige Redakteur hatte den Hinweis auf mein Blog von einem anderen Redakteur bekommen und irrtümlich angenommen, dass das schon mit mir abgeklärt sei. Kann passieren.

Sunday, June 29, 2008

Terminierung in festen und mobilen Netzen: Empfehlungsentwurf der Kommission

Eine Konsultation steht kurz vor dem Ende (bis 2. Juli kann man der Kommission noch die Meinung zur Roaming Verordnung und ihrer möglichen Erweiterung auf SMS- und Daten-Roaming sagen), eine neue Konsultation hat gerade begonnen: die Europäische Kommission will eine Empfehlung über die regulatorische Behandlung der Terminierung ("Anrufzustellung") in festen und mobilen Netzen erlassen, da die nationalen Regulierungsbehörden diesbezüglich zwar zu ähnlichen Einschätzungen, aber letztlich - wenn man sich die konkreten Terminierungsentgelte anschaut - doch zu recht unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind (jedenfalls im Mobilbereich, siehe auch den Gemeinsamen Standunkt der ERG zur Symmetrie von festen und mobilen Terminierungsentgelten).

Der Empfehlungsentwurf (mit einer explanatoray note) steht nun bis zum 3. September 2008 in Konsultation (siehe auch die Presseaussendung der Kommission dazu). Ganz knapp zum Inhalt:
  • Falls eine Regulierungsbehörde spezifische Verpflichtungen zur Entgeltkontrolle und Kostenrechnung in einem Mobil- oder Festnetzterminierungsmarkt auferlegt, sollten "symmetrische" Terminierungsentgelte festgelegt werden, auf der Basis langfristiger inkrementeller Kosten (LRIC), aufbauend auf den effizienten Technologien, die (vorausschauend!) im Zeitrahmen des Kostenmodells verfügbar sind. Daher sollte für das Kernnetzwerk ein Next-Generation-Network vorausgesetzt werden.
  • Spannend ist die Frage der "effizienten Größe" der Betreiber: hier wird für den Mobilfunk ausdrücklich ein "1/n-Modell" vorgeschlagen. Mit anderen Worten: wenn in einem Mitgliedstaat fünf Mobilfunkunternehmen tätig sind, dann wäre die effiziente Größe bei einem Marktanteil von 20% erreicht (auf welchen Markt dabei abgestellt wird, ist nicht ganz klar, gemeint dürfte wohl der geamte Mobil-Endkundenmarkt sein; der 1/n-Zugang ist ja in Österreich übrigens nicht ganz unbekannt).
  • Unterschiede zwischen den Betreibern soll es nach dem Empfehlungsentwurf nur mehr geben, wenn das durch Umstände gerechtfertigt ist, die vom Betreiber nicht beeinflusst werden können. Das könnte bei ungleichen Frequenzausstattungen der Betreiber der Fall sein (beim Netzausbau können sich zB für Betreiber, die nur Frequenzem im 1800 MHz-Band haben, vor allem in ländlichen Gegenden Kostennachteile gegenüber Unternehmen ergeben, die Frequenzen aus dem 900 MHz-Band nützen können). Auch dabei ist aber vorausschauend zu berücksichtigen, ob zukünftig Spektrum verfügbar sein könnte [ob 0,8 MHz da schon ausreichend wären?].
Wird die Empfehlung (mit welchem Inhalt auch immer) tatsächlich - im Komitologieverfahren nach Art 22 Abs 2 der RahmenRL - erlassen, dann müssen die Regulierungsbehörden ihr "bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weitestgehend Rechnung tragen" (Art 19 der RahmenRL). Hält sich eine Regulierungsbehörde nicht daran, muss sie das der Kommission unter Angabe der Gründe mitteilen. Ein Veto der Kommission dagegen gibt es (noch) nicht.

Saturday, June 28, 2008

Parlamentarische Enquete "Medienrecht und Opferschutz"

Medienrecht ist in diesem Blog ja eher nur ein "Nebenschauplatz", aber bevor es wieder zurück zum harten Kern des Telekom- und Rundfunkrechts geht, noch eine einschlägige Ankündigung:
am kommenden Donnerstag, 3. Juli 2008, findet im Nationalrats-Sitzungssaal des Parlaments eine ganztägige parlamentarische Enquete zum Thema "Medienrecht und Opferschutz" statt.

Zu Wort kommen die vier einschlägig zuständigen Bundesministerinnen (da am Dienstag schon die neuen Ministerinnen an Stelle von BM Platter und BM Bures angelobt werden sollen, werden wohl neben Justizministerin Berger und Gesundheits-, Familien- und Jugendministerin Kdolsky auch die neue Innenministerin Fekter und die neue Medienministerin Silhavy Statements abgeben) und eine Reihe geladener VertreterInnen aus Gerichtsbarkeit, Wissenschaft, Anwaltschaft, Medien und Opferschutzeinrichtungen. Impulsreferate halten Walter Berka, Professor in Salzburg und Doyen des österreichischen Medienrechts, und Holger Eich vom Kinderschutzzentrum Wien. Die Enquete ist für Medienvertreter/innen und die Öffentlichkeit zugänglich.

PS/disclosure: ich werde auch dabei sein, am Panel zum Themenblock "Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz".

Friday, June 27, 2008

Kanzlerpost und Medienvielfalt

Der gesamte Postverkehr eines Ministers solle für jedermann zugänglich sein, forderte Alfred Gusenbauer vor sieben Jahren im Rahmen einer "Verfassungsinitiative zu Medien- und Informationsfreiheit". Ich weiß nicht, wie er es derzeit mit dieser Forderung hält, aber zumindest ein Brief, den er gemeinsam mit einem weiteren Regierungsmitglied verfasst hat, ist nun praktisch für jedermann zugänglich: der Brief an Krone-Herausgeber Hans Dichand. Auch Online - gleich im Umfeld von lügenden Stars, einer alten Bauernregel und Justin Timberlake mit Zwangsstörung - kann man auf krone.at vom "SPÖ-Sinneswandel" erfahren (siehe oben; Brief-Wortlaut hier).

Was aber wird der Krone-Herausgeber wohl dazu sagen, wenn er vom Anliegen des aktuellen Bundeskanzlers erfährt, eine "Staatszielbestimmung zur Erhaltung der Medienvielfalt" zu schaffen? Oder von den Forderungen Gusenbauers nach "aktiven Maßnahmen" zur Erhaltung der Medienvielfalt? Nun, auch diese Forderungen stammen aus der selben "Verfassungsinitiative" von vor sieben Jahren. Und es hat ja auch niemand etwas von Förderung, Stärkung oder Ausbau der Medienvielfalt gesagt, sondern bloß von ihrer "Erhaltung", was auch heißen kann: es soll so bleiben wie es ist. Das wiederum könnte man vielleicht bei Gelegenheit dem Herausgeber der Krone schreiben.

PS (update 28.6.): Zur Beruhigung muss man noch eines festhalten - es war weder ein wichtiges noch ein verbindliches Schreiben, das von Gusenbauer und Faymann für die SPÖ an den Herausgeber der Krone geschrieben wurde, denn sonst hätte es ja vom Vorsitzenden (= Gusenbauer, derzeit noch) und "dem/der zuständigen BundesgeschäftsführerIn" (wer immer das heute sein mag, jedenfalls nicht Faymann) unterzeichnet werden müssen (so steht es jedenfalls in § 49 Abs 1 des Organisationsstatuts der SPÖ).

Thursday, June 26, 2008

Bildschirme schwarz? Nicht mit der Telekom, angeblich

"eine Verkettung unglücklicher und außergewöhnlicher Umstände" ist meistens schuld, wenn etwas schief geht - so auch beim Bildausfall während des Fußmallmatches zwischen Deutschland und der Türkei. Das Spiel war gestern, am 25.6 - und im Horizont-Magazin mit Datum 27.6. (tatsächlich erschienen aber auch schon am 25.6) erklärt uns nun der Telekom-Austria Technologiechef, dass so etwas eigentlich gar nicht passieren könne (siehe Faksimile links bzw hier).
Der Ordnung halber ist festzuhalten, dass der Ausfall - nach den Angaben der UEFA - nicht an den Glasfaserleitungen der Telekom lag und dass DI Leopold nicht "ausgeschlossen", sondern nur "kaum" gesagt hat. Dennoch: am "Tag danach" sind wieder einmal alle klüger. Oder wie lautet eine Grundregel der "weakest link theory": "In a highly interdependent system, even one flaw is enough".

EuG: erstes Urteil zu Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Mit dem heutigen Urteil des Gerichts erster Instanz der europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache T-442/03, SIC/Kommission, gibt es erstmals Rechtsprechung zu zentralen Fragen des gemeinschaftlichen Beihilfenrechts im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wesentlich ist:
  • der öffentlich-rechtliche Auftrag muss nicht ausgeschrieben werden
  • eine weite Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags ist zulässig
  • kommerzielle Tätigkeiten, insbesondere der "Verkauf von Werbeblöcken", sind ebenfalls zulässig
  • die Beurteilung, ob der öffentlich-rechtliche Auftrag in qualitativer Hinsicht erfüllt wird, ist Sache des Mitgliedstaates, nicht der Kommission
  • die dafür aufgewendeten Kosten sind aber von der Kommission zu prüfen, die sich dabei nicht auf ein unzureichendes nationales Kontrollsystem verlassen darf
Es ist eine lange Geschichte, und sie ist auch mit dem heutigen Urteil wohl noch lange nicht zu Ende: vor 15 Jahren reichte eine private portugiesische Fernsehgesellschaft (SIC) bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde über staatliche Maßnahmen und Ausgleichszahlungen an die öffentlich-rechtliche portugiesische Rundfunkanstalt (RTP) ein. Die Kommission untersuchte die Angelegenheit, erhielt weitere zwei Beschwerden der SIC, und erließ dann ohne Einleitung der Vorprüfungsphase eine Entscheidung, die im Wesentlichen zum Ergebnis kam, dass die staatlichen Maßnahmen keine unzulässige Beihilfe darstellen würden. Die SIC erhob Klage vor dem EuG, und mit dem ersten Urteil des EuG in dieser Sache (10.5.2000, T-46/97) wurde die Kommissionsentscheidung für nichtig erklärt.

In der folgenden Entscheidung der Kommission vom 15.10.2003 (pdf), die schon wegen der Ausführungen zu Fragen der Kostenrechnung bei der Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen lesenswert ist, kam die Kommission zum Ergebnis, dass

1. eine staatliche Beihilfe in Höhe von insgesamt 68006 Mio. PTE, die Portugal RTP gewährt hat (das betraf Kapitalzufuhren in den Jahren von 1994 bis 1997, ein im Jahr 1998 vergebenes Darlehen und eine Vereinbarung mit der Sozialversicherung), gemäß Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, da sie zu keiner Überkompensierung der Nettokosten für die RTP übertragenen gemeinwirtschaftlichen Aufgaben geführt habe (Art 1).

2., die Befreiung von Notar- und Eintragungsgebühren und -abgaben, die Zahlung der Übernahme des Netzes für die Ausstrahlung von Fernsehsignalen, die Erleichterungen bei der Zahlung der Netzgebühren, das Protokoll über die Filmförderung, die Begebung von Obligationenanleihen und der Umstrukturierungsplan 1996-2000 keine staatlichen Beihilfen darstellten (Art 2).

Die SIC erhob dagegen Klage vor dem EuG, das mit dem heutigem Urteil in der Rechtssache T-442/03, SIC/Kommission, Artikel 1 der Entscheidung zur Gänze, und Artikel 2, soweit er sich auf die Befreiung von Notar- und Eintragungsgebühren bezog, für nichtig erklärte.

Die Befreiung von Notar- und Eintragungsgebühren (für die Umwandlung der Rechtsform in eine Aktiengesellschaft) stellt nach Ansicht des Gerichts eine staatliche Beihilfe dar, jedenfalls aber war die Behauptung der Kommission, dass die Umwandlung für die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich gewesen wäre, auf keinerlei Beweis gestützt. "Es ist daher nicht auszuschließen, dass die portugiesische Regierung die RTP aus anderen Gründen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hat als aus Gründen der ordnungsgemäßen Durchführung des öffentlich-rechtlichen Auftrags." (Wie war das eigentlich mit der Umwandlung des ORF in eine Stiftung? Die Gebührenbefreiung dazu steht in § 44 Abs 4 ORF-G).

Zu den von der Portugal Telecom der RTP gewährten Zahlungserleichterungen schloss sich das EuG der Kommission an: dass die Portugal Telecom staatlich kontrolliert war, reicht - ohne Feststellung, dass der Staat auch tatsächlich Einfluss auf die Entscheidung genommen hat - nicht aus, die gewährten Zahlungserleichterungen als staatliche Beihilfe zu qualifizieren.

SIC hatte auch geltend gemacht, dass Portugal verpflichtet gewesen wäre, die Erbringung des öffentlich-rechtlichen Auftrags auszuschreiben und nicht einfach die RTP damit hätte beauftragen dürfen. Diesem Argument schließt sich das EuG ausdrücklich nicht an: "weder aus dem Wortlaut von Art. 86 Abs. 2 EG noch aus der Rechtsprechung hierzu ergibt [sich], dass eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einem Wirtschaftsteilnehmer nur nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens übertragen werden kann." (Rz 145)
Wieweit die bei Fehlen einer Ausschreibung nach der Altmark-Rechtsprechung notwendige Überprüfung der Höhe der Ausgleichszahlung "nach dem Kriterium eines durchschnittlichen, gut geführten und angemessen ausgestatteten Unternehmens" gehen würde, konnte das Gericht unbeantwortet lassen, da die disbezügliche Rechtsrüge zu spät erhoben wurde und daher unzulässig war.

Das EuG konzediert den Mitgliedstaaten, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Amsterdamer Protokoll und die Entschließung des Rates und der Mitgliedstaaten vom 15.1.1999, ein weites Ermessen bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der auch durch Werbung finanziert werden kann (vgl insb Rz 195-204):
"Nach alledem ist unbestreitbar, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich des Rundfunks so zu definieren, dass diese ein breit gefächertes Programmangebot umfassen, wobei dem Erbringer der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse die Ausübung kommerzieller Tätigkeiten wie der Verkauf von Werbeblöcken gestattet ist."
Die "mit subjektiven Elementen behaftete Beurteilung des qualitativen Niveaus des öffentlich-rechtlichen Fernsehens" (!) ist eine nationale Angelegenheit; aber:
"...es gibt daher keinen Grund dafür, dass eine weit definierte Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich des Rundfunks, für die von der Einhaltung dieser qualitativen Anforderungen abgesehen wird zugunsten eines Verhaltens eines kommerziellen Betreibers, das in einer speziell darauf ausgerichteten Programmgestaltung besteht, ein aus der Sicht der Werbeträger optimales Publikum zu gewinnen, vom Staat weiterhin zu denselben Bedingungen finanziert wird, wie wenn die qualitativen Voraussetzungen eingehalten würden."
Eine andere Frage ist allerdings die "administrative und buchhalterische Ehrlichkeit" bei den Kosten, die für die gemeinwirtschaftliche Leistung aufgewendet werden. Hier hätte die Kommisison genauer nachprüfen müssen und sich nicht auf einen nicht extern geprüften Bericht über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen verlassen dürfen - dies führte zur Aufhebung des Art 1 der Kommissionsentscheidung.

PS: Aus aktuellem Anlass für Österreich vielleicht interessant: ein Rechnungshofbericht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter ist für die Beihilfenprüfung der Kommission (nur dann) relevant, wenn die Kommission davon Kenntnis hat (vgl die Rz 170-172 und 185-193).

PPS: Der Vollständigkeit halber: es gab in der Sache SIC/Kommission noch drei weitere Klagen wegen Untätigkeit der Kommission; eine wurde nach Erlassung der ersten Kommissionsentscheidung zurückgezogen, zwei wurden durch Urteil vom 19.2.2004, T-297/01 und T-298/01, für in der Hauptsache erledigt erklärt]

Update 16.07.2012: als Folge dieses Urteils hat die Kommission am 20.12.2011 eine neue Entscheidung erlassen, die am 13.07.2012 im Amtsblatt veröffentlicht wurde (case details).

Wednesday, June 25, 2008

Market Impact Assessment - Beispiel BBC

ORF-Generaldirektor Wrabetz hat vor einiger Zeit angekündigt, auch in Österreich neue Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einem Public Value Test nach dem Vorbild der BBC zu unterziehen. Auch wenn das versprochene Implementierungsdatum (Jänner 2008) mittlerweile vorbei ist, lohnt sich doch ein gelegentlicher Blick ins Vereinigte Königreich, um einen Eindruck zu gewinnen, wie dort solche Tests tatsächlich durchgeführt werden. Schließlich sollte man es zumindest nicht von vornherein ausschließen, dass ein derartiger Test auch in Österreich relevant werden könnte - nicht zuletzt, weil GD Wrabetz vor kurzem (in einem Interview mit der Presse) auch angemerkt hat, er wäre schon zufrieden, wenn der ORF inhaltlich so viel machen dürfe wie die BBC.

Im UK hat also dieser Tage das Public Value Assessment für ein Projekt der BBC beginnen, in dem lokale Videos online bereitgestellt werden sollen. Schon wenn man nur kurz in die Dokumente hineinschaut, erkennt man den hohen Aufwand, der bei der Beurteilung getrieben wird. Hier nur einmal Hinweise auf die wichtigsten Dokumente dazu:
Frühestens im November 2008 dürfte das Verfahren zum Market Impact Assessment abgeschlossen werden.

Auch in Frankreich tut sich etwas: die Kommission Copé (siehe dazu schon hier) hat ihren Endbericht an Präsident Sarkozy übergeben. Sarkozy hat dabei in einer Rede nochmals dargelegt, was seine Pläne mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind: keine Werbung, wohl aber Sponsoring ("parrainage"), und zwar schon ab 1. Jänner 2009 (vorerst werbefrei zwischen 20 und 6 Uhr); Copé hatte erst September 2009 als Beginn vorgeschlagen. Der Einnahmenausfall soll mit 80 Mio Euro von privaten Veranstaltern ersetzt werden und zum größeren Teil (450 Mio bis 650 Mio Euro) durch eine zusätzliche Steuer (ca. 0,9%) auf den Umsatz von Telefonieanbietern (fest und mobil) sowie Internet Access Providern aufgebracht werden.

Und zu Deutschland der Vollständigkeit halber hier auch ein Link auf den "Arbeitsentwurf zur Umsetzung der Zusagen gegenüber der EU-Kommission im Rahmen des EU-Beihilfeverfahrens ARD/ZDF", auf den sich die deutschen Ministerpräsidenten am 12. Juni 2008 verständigt haben.

Telefonzellen, Bob Dylan und der U.S. Supreme Court

Der österreichische Oberste Gerichtshof hat Bob Dylan schon in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 (4 Ob 173/00w) namentlich genannt - allerdings nur, weil er in einer Urheberrechtssache als Privatankläger aufgetreten ist (das Trauma von Great White Wonder wirkt offenbar nach). Im U.S. Supreme Court ist Bob Dylan nun - nach einer ersten Erwähnung im Jahr 2003 in einer Fußnote (Seite 17, ebenfalls in der Rolle als Kämpfer für ein strenges Urheberrecht) - endlich auf der Ebene der zitierten Autoritäten angelangt.

Der am 23. Juni 2008 entschiedenen Sache Sprint v. APCC liegt wieder einmal eine Streitigkeit zwischen Long Distance Carrier und Payphone Service Providers zugrunde (SCOTUS Blog spricht von der "curious industry of payphones"). Das grundsätzliche Verhältnis sollte seit der Sache Global Crossing (Entscheidung vom 17. April 2007) geklärt sein, die nun entschiedene Sache betraf keine telekomrechtliche Fragestellung, sondern die Zulässigkeit der Prozessführung durch ein Unternehmen, dem die einzelnen Payphone-Betreiber ihre jeweiligen Forderungen gegen Sprint zur Einziehung abgetreten hatten (assignments for purposes of collection). Im common law offenbar eine schwierige Frage, die in der Mehrheitsmeinung historisch aufgearbeitet wird ("As the 17th century began ..."). Die dissenting opinion, von Justice Roberts verfasst, legt schon einleitend Grundlegendes dar: "There is a legal difference between something and nothing." - woraus schließlich auch zwanglos ein Dylan Zitat folgt:

"The payphone operators assigned their claims to respondents 'for purposes of collection,' ... respondents never had any share in the amount collected. The absence of any right to the substantive recovery means that respondents cannot benefit from the judgment they seek and thus lack Article III standing. 'When you got nothing, you got nothing to lose.' Bob Dylan, Like A Rolling Stone, on Highway 61 Revisited (Columbia Records 1965)."
Ob Justice Roberts auch an andere Dylan-Zitate gedacht hat? Vielleicht: "A pay phone was ringing / It just about blew my mind" (Bob Dylan's 115th Dream), oder - noch einschlägiger - aus Long-Distance Operator:

"Long-distance operator,
Place this call, it's not for fun. ...
There are thousands in the phone booth,
Thousands at the gate.
Ev'rybody wants to make a long-distance call
But you know they're just gonna have to wait."

Und wenn dann Fälle zur Telefonüberwachung (warrantless wiretapping) zu entscheiden sind, könnte sich ein Zitat aus Subterranean Homesick Blues anbieten: "The phone's tapped anyway"

Tuesday, June 24, 2008

Erste Zahlen zu Auskunftsverlangen nach § 53 Abs 3a und 3b SPG

Mit einer am 1. Jänner 2008 in Kraft getretenen Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) wurden die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskünfte zu verlangen - je nach Interpretation - deutlich ausgeweitet oder bloß konkretisiert. Wie auch immer: der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage kann man erste Zahlen entnehmen, wie oft die Befugnisse nach § 53 Abs 3a und 3b SPG in den ersten vier Monaten dieses Jahres genutzt wurden. Demnach wurden
3.863 Auskunftsverlangen gemäß § 53 Abs 3a SPG durchgeführt (im Schnitt also etwas mehr als 32 pro Tag), und in 258 Fällen (im Schnitt 2,15 pro Tag) wurde von der Möglichkeit nach § 53 Abs 3b SPG Gebrauch gemacht, Auskunft über die Standortdaten und IMSI-Kennung zu verlangen. Die Betroffenen werden davon nicht informiert (rechtliche Grundlage dafür ist § 24 Abs 3 Z 1 DSG), der Rechtsschutzbeauftragte erfährt von den Abfragen nach spätestens vier Wochen - ob der Rechtsschutzbeauftragte vollinhaltlich prüft, ob Rechte der Betroffenen verletzt wurden, wollte der Innenminister aber den anfragenden Abgeordneten nicht sagen. Zusätzliches Personal gab es für den - nebenberuflich tätigen - Rechtsschutzbeauftragten (im Hauptberuf Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde) jedenfalls nicht.

PS: in einer anderen aktuellen Anfragebeantwortung (zu dieser Anfrage) musste Innenminister Platter auch zu eigenartigen Usancen seines Vor-Vorgängers Ernst Strasser im Hinblick auf dessen Notebooks/Laptops Stellung nehmen. Entgegen den Aussagen Strassers - falls man einem in der Zeitung Österreich erschienenen Interview mit ihm trauen soll (also wohl eher nicht) - hat Strasser demnach keine Ministeriums-Laptops benutzt, sondern ausschließlich "von ihm selbst beigebrachte". Das Ministerium ist diesbezüglich ahnungslos: "woher diese stammten, kann nicht angegeben werden", heißt es in der Anfrage. Besonders hübsch finde ich den Satz: "Ob Herr BM a.D. Dr. Strasser Kontakte zu Firmen unterhielt ist nicht bekannt."

Einiges an Aufregung über die bekannt gewordenen "rot-weiß-roten" E-Mails hätte BM a.D. Strasser vermeiden können, hätte er das vom Innenministerium herausgegebene Magazin "Öffentliche Sicherheit" aufmerksam gelesen. In der Ausgabe 11-12/2003 heißt es: "Schwachstellen bei den Sicherheitskonzepten gebe es nach Aussagen des Düsseldorfer Unternehmensberaters Ralf Sürtenich vielfach bei Notebooks" - und ein paar Absätze weiter heißt es: "'Viele Unternehmen, vor allem kleinere und mittlere, vernachlässigen leider die Sicherheit in der Informationstechnik', erläutert Innenminister Dr. Ernst Strasser. 'Wir wollen hier das Bewusstsein noch mehr schärfen, um Schäden zu vermeiden.'"

Thursday, June 19, 2008

EuGH: Benennung des Universaldienstverpflichteten nicht nur auf nationaler Ebene

Mit seinem heutigen Urteil in der Rs C-220/07 Kommission/Frankreich hat der EuGH der Klage der Kommission gegen Frankreich wegen fehlerhafter Umsetzung der Universaldienstrichtlinie 2002/22/EG stattgegeben (das Urteil ist derzeit nur in französischer Sprache verfügbar).

Frankreich hat in seinem Gesetz über Post und elektronische Kommunikation nämlich vorgesehen, dass als Universaldienstverpflichteter nur ein Unternehmen benannt werden könne, das zustimmt, den Universaldienst im gesamten Staatsgebiet zu erbringen und auch in der Lage ist, dies sicherzustellen. Nach Art 8 Abs 2 der UniversaldienstRL sind die Mitgliedstaaten aber verpflichtet, wenn sie eines oder mehrere Unternehmen zu Universaldiensten "im gesamten Hoheitsgebiet oder einem Teil davon" verpflichten, dies "unter Anwendung eines effizienten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Benennungsverfahrens" zu tun. Dabei darf kein Unternehmen von vornherein von der Benennung ausgeschlosen werden. Schließlich muss gewährleistet sein, dass der Universaldienst auf kostengünstige Weise erbracht wird - und dazu (nur) die Nettokosten nach Art 12 der UniversaldienstRL ersetzt werden (deren Berechnung im Anhang IV näher dargelegt wird).

Der EuGH folgt der Kommission zur Gänze. Der gesetzliche Ausschluss aller Unternehmen, die nicht bereit oder in der Lage sind, den Universaldienst auf dem gesamten Staatsgebiet zu erbringen, aus dem Verfahren zur Benennung des (der) Universaldienstverpflichteten verstößt gegen Ar 8 Abs 2 UniversaldienstRL und insbesondere gegen das Prinzip der Nichtdiskriminierung (Rz 32 des Urteils).

Das EuGH-Urteil betont auch neuerlich (vgl zuletzt im Zusammenhang mit der Kostenrechnung in der Rs C-55/06) die Rolle der nationalen Regulierungsbehörden: die gesetzliche Vorgabe, dass nur nationale Betreiber benannt werden können, engt demnach in unzulässiger Weise die Möglichkeit der Regulierungsbehörden ein, entsprechend den Vorgaben der Richtlinie die Wirtschaftlichkeit der Universaldiensterbringung zu berücksichtigen (Rz 33). Die französische Richtlinienumsetzung widerspricht auch den Artikeln 12 und 13 sowie dem Anhang IV zur UniversladienstRL, da die nationalen Regulierungsbehörden dadurch auch behindert werden, die tatsächliche Wettbewerbssituation zur berpücksichtigten und wirtschaftlichere Alternativen auf Teilen des Staatsgebietes auszuwählen. Dadurch ist auch nicht gewährleistet, dass nur die Nettokosten einer effizienten Erbringung des Universaldienstes ersetzt werden, was sich natürlich auch die Finanzierung des Universaldienstes auswirkt.

PS: zu den anhängigen Verfahren in Telekom- und Rundfunksachen vor dem EuGH und EuG siehe diese Übersicht - außer den Schlussanträgen in einer Angelegenheit, die mit einer alten Rundfunk-Beihilfe zusammenhängt (Rs C-333/07, am 26.6.2008) ist vor der Sommerpause nichts Weltbewegendes mehr vom EuGH zu erwarten.

Wednesday, June 18, 2008

EGMR zur Rundfunk-Lizenzvergabe

Die Zeit der "Radio Eriwan"-Witze ist lange vorbei - und es ist auch gar nicht lustig, was einem Rundfunkveranstalter im armenischen Eriwan in den vergangen Jahren widerfahren ist und was nun zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geführt hat.

Der Fall Meltex Ltd v. Armenien, Appl. no. 32283/04, knapp zusammengefasst: im Jahr 1991 beginnt die (nunmehrige) Meltex Ltd in Armenien mit Fernsehprogrammen in Armenien. Sie ist offenbar erfolgreich, jedenfalls so erfolgreich, dass sie informiert wird, dass die Rundfunkfrequenzen vom Staat zur Verteidigung und Förderung staatlicher Interessen vergeben werden und nicht, um staatliche Behörden zu kritisieren.

Bei der Verlängerung der Lizenz spießt es sich dann, und die Meltex Ltd bewirbt sich schließlich in mehreren Vergabeverfahren um Frequenzen, geht aber immer leer aus. Formal ist es eine Ausschreibung, die Rundfunkregulierungsbehörde bewertet auf der Grundlage von vier Kriterien: eigenproduziertes Programm, in Armenien produziertes Programm, technische und finanzielle Möglichkeiten, Professionalität der Mitarbeiter. Die Beurteilung erfolgt durch die neun bzw. acht Behördenmitglieder nach Punkten, die Bewerber erfahren nur die Gesamtpunktezahl. Gründe werden nicht angegeben, auch nicht im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung. Die armenischen Gerichte halten fest, dass es ausreichend sei, wenn man als Antragsteller erfahre, dass man nicht gewonnen habe.

Dem EGMR genügt das nicht: wie schon im Fall Glas Nadezhda EOOD und Elenkov v. Bulgarien, Appl. no. 14134/02, stellt er klar, dass eine Verletzung des Art 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorliegt, wenn eine Zulassungsbehörde keine Begründung für ihre Entscheidung abgibt, da dadurch kein adäquater Schutz gegen willkürliche Eingriffe von Behörden in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gewährleistet werde. Bemerkenswert ist, dass der EGMR dabei auch ausdrücklich auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats über die Unabhängigkeit der Rundfunkregulierungsbehörden (und die darauf aufbauende jüngste Erklärung des Ministerkomitees vom März dieses Jahres, siehe dazu schon hier) Bezug nimmt.

Update 26.07.2013: Die Meltex Ltd. beantragte nach dem EGMR-Urteil die Wiederaufnahme des nationalen Verfahrens, was aber vom Kassationsgerichtshof abgelehnt wurde. Das Ministerkomitee des Europarates, das die Umsetzung der EGMR-Urteile prüft, hat den Fall nach Überprüfung geschlossen und wies darauf hin, dass die Meltex Ltd. die zugesprochene Entschädigung erhalten hat und sich auch an einer Ausschreibung im Jahr 2010 beteiligen konnte, wobei sie eine zwar abweisende, aber diesmal begründete Entscheidung erhielt.
Die Meltex Ltd. wandte sich neuerlich an den EGMR und machte geltend, dass die armenische Regierung das EGMR-Urteil nicht umgesetzt hatte, sodass neuerlich eine Verletzung des Art 10 EMRK vorliege. Der EGMR ließ diese Beschwerde mit Entscheidung vom 21.05.2013, Meltex Ltd. gegen Armenien (Appl. no. /09) nicht zu, da anders als im Fall VgT Nr. 2 (im Blog dazu hier) keine "neue Angelegenheit" ("new issue") vorlag.

Tuesday, June 17, 2008

Keine Zensur - bloß "Fußball an erster Stelle"

"Aus Art 10 EMRK folgt aber, dass es allein dem Fernsehveranstalter obliegt auszuwählen, welche Szenen er für interessant genug erachtet, um sie seinem Publikum zu präsentieren." So begründete der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkentnnis vom 1.12.2006, B 551/06ua, aufgrund einer Beschwerde des ORF, dass beim Kurzberichterstattungsrecht nach § 5 FERG keine inhaltlichen Vorgaben durch den Bundeskommunikationssenat erfolgen dürfen.

Wem obliegt es beim aktuellen Fußballturnier, die gesendeten Bilder auszuwählen? In den letzten Tagen ist vor allem in der Schweiz Kritik an der UEFA aufgekommen, die über eine Tochtergesellschaft selbst die Bilder produziert, die von den Rundfunkveranstaltern, die Rechte erworben haben, dann gesendet werden. Und offenbar will die UEFA keine Bilder verbreiten, die sich auf die gute Stimmung abträglich auswirken könnten. "Zensur", sagte dazu laut Tagesanzeiger etwa Armin Walpen, Generaldirektor der SRG, und kritisch äußerte sich auch ORF-Sportchef Hans Huber. Die UEFA bestreitet jede Zensur, bestätigt aber, dass es Richtlinien für die Fernsehregie gibt, wonach der "Fußball an erster Stelle" stehen solle, was natürlich das Ausblenden von Krawallszenen erklären kann.

Ins Rollen gebracht hat die Angelegenheit wohl Regula Bähler, Mitglied der UBI, der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen in der Schweiz, die im medienheft einen lesenswerten Beitrag über König Fußball unter UEFA-Herrschaft geschrieben hat. Der ORF, der 22 Millionen Euro für die EM aufwendet und sich auch freut, als einziger öffentlich-rechtlicher TV-Sender Europas "alle 31 Spiele der EURO 08 live, in HD-Qualität, für Handy-TV und als Stream im Internet" zu zeigen, ist eigentlich recht spät darauf aufmerksam geworden, dass er der UEFA vielleicht etwas auf die Finger schauen könnte, wie es jetzt heißt.

Dass aus Fußballstadien nicht immer alles berichtet wird, was vielleicht für die Fans interessant wäre, müsste der ORF freilich selbst am besten wissen - zu erinnern wäre zB an das Spiel Admira-Rapid im März 2004, bei dem sich Hans Huber (ja, das ist derjenige, der sich nun über die Zensur der UEFA beschwert) bei den Zusehern für "die beschränkte Übertragung" entschuldigte. Beschränkt war die Übertragung, weil die ORF-Regie praktisch nur eine Spielhälfte zeigte, um nicht ein Transparent mit Kritik am ORF ins Bild zu bringen (siehe dazu zB hier und die Reaktion des ORF hier).

Sunday, June 15, 2008

Europäische Mobilfunk-Verkehrsdaten für die Forschung der US-Navy

Die Daten von Mobilfunkbetreibern sind nicht nur für Sicherheitsbehörden interessant, sondern natürlich auch für die Wissenschaft - zum Beispiel für Physiker wie Albert- László Barabási, die sich mit Gesetzmäßigkeiten sozialer Netzwerke beschäftigen. Bewegungsdaten (Verkehrsdaten bzw Standortdaten iSd § 92 Abs 3 Z 6 und 9 TKG 2003) von 6 Millionen Mobilfunkkunden über sechs Monate hindurch hat Barabási mit seinen Mitarbeitern ausgewertet. Ergebnis: es gibt eine signifikante Wahrscheinlichkeit, dass Menschen immer wieder zu einigen wenigen hochfrequentierten Orten zurückkehren (die New York Times fasst das so zusammen: "News flash: we’re boring.", [via Datenschutz-Blog]). Ergebnisse der Studie finden sich in der Zeitschrift nature (ergänzende Informationen dazu), aber auch im Journal of Physics (Warnung: nur für Freunde der Mathematik und Physik). Für das Projekt wurde auch eine Website eingerichtet. Finanziert wurde die Forschungsarbeit vom U.S. Office of Naval Research ("the science and technology provider for the Department of the Navy, advancing the operational concepts and visions for the Navy and Marine Corps of the future"). Die Daten stammen aus Europa:
"This dataset was collected by a European mobile phone carrier for billing and operational purposes. It contains the date, time and coordinates of the phone tower routing the communication for each phone call and text message sent or received by 6 million costumers. ... We used two data sets to explore the mobility pattern of individuals. The first (D1) consisted of the mobility patterns recorded over a six-month period for 100,000 individuals selected randomly from a sample of more than 6 million anonymized mobile phone users. Each time a user initiated or received a call or a text message, the location of the tower routeing the communication was recorded, allowing us to reconstruct the user’s time-resolved trajectory ... we also studied a data set (D2) that captured the location of 206 mobile phone users, recorded every two hours for an entire week."
Die Studie ist wegen der Datenverwendung nicht ganz unumstritten. Die Forscher betonen die Anonymisierung ("To guarantee anonymity, each user is identified with a security key [hash code]."), kamen aber unter Kritik, weil es keine angeblich keine ethics review gab (siehe die Diskussion bei nature). Das Gegenargument der Universität: es ging nicht um Menschen:
"The study relied on a sample from anonymized, aggregate billing data from cell-phone users in an unidentified European country. The Institutional Review Board at the U.S. Office of Naval Research, which funded this study as part of a larger pool of research into human mobility patterns, reviewed the proposal in June 2007 and determined that it did not involve human subjects."
Sind also Handy-Nutzer keine Menschen? Das war wohl doch nicht gemeint. Was aber das unidentifizierte Land betrifft, so dürfte es mit der Anonymisierung nicht allzu weit her sein. Das virtuelle Datenschutzbüro tippt auf Irland oder Italien, die die Vorratsdatenspeicherung schon länger durchführen. Im Hinblick darauf, dass es um einen Betreiber mit mindestens 6 Millionen Kunden geht und (nach den zusätzlichen Informationen) das Land eine Ausdehnung von zumindest 1000 km haben dürfte, kommt Irland aber nicht in Frage. [Über die Verwendung von Verkehrsdaten in Italien hat übrigens Erich Möchel schon einmal abenteuerliche Dinge berichtet (siehe auch hier, Folien 6 bis 8).]

Die Verwendung von Mobilfunk-Verkehrsdaten ist nicht ungewöhnlich. Schon früher haben Mitarbeiter von Barabási auf Verbindungsdaten zurückgegriffen: "Here we use a year’s worth of mobile phone data" schrieben Cesar A. Hidalgo und C. Rodriguez-Sickert in einem Beitrag für Physica über eine frühere Arbeit mit anderen Daten: "The data consist of 7,948,890 voice calls between 1,950,426 users of a service provider holding approximately 25% of an industrialized country’s market." In einer anderen Arbeit von Barabási ua (Zusatzinformationen dazu) heißt es: "A significant portion of a country’s communication network was reconstructed from 18 weeks of all mobile phone call records among 20% of the country’s entire population, 90% of whose inhabitants had a mobile phone subscription"

Saturday, June 14, 2008

"Diskussionsbedarf" bei TW1?

"Da ist schon ein bissl Diskussionsbedarf", wurde Karl Krammer, ORF-Stiftungsrat, von der Presse am 10. Juni 2008 zitiert, und zwar im Hinblick darauf, dass bei TW1, einer ORF-Tochter, "jemand ein Format gestalten darf, der gleichzeitig vor dem Bundeskommunikationssenat gegen den ORF herzieht."

Nun kann man zu den damit angesprochenen Popularbeschwerden (1, 2) stehen wie man will, bemerkenswert finde ich eher, dass ein Diskussionsbedarf zu TW1 offenbar erst auf Grund dieser Beschwerden, die wohl im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit der Moderatorin und Europaabgeordneten stehen, erkannt wird. Ist es sonst egal, ob Sendungen vom Verteidigungsministerium, der Wirtschaftskammer, dem Europaparlament bezahlt werden, ob Sendezeit für Call-in-Formate "verkauft" wird oder welche Nahrungsergänzungsmittel propagiert werden? Wie weit geht die Definition eines "Spezialprogrammes für Reise, Wetter und Freizeit" eigentlich? Wo ordnet man die Bundesheer-Sendungen zu (Reise?), die "Blaulicht"-Sendung über Einsatzkräfte (Freizeit?), Wirtschafts- und Politikdiskussionen (Wetter?) - es gäbe noch ein paar mehr Fragen, die man zu TW1 stellen könnte.

PS: Dem Bundesheer ist die Präsenz im Reise-, Wetter- und Freizeitprogramm weiterhin einiges wert: aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage geht hervor, dass der dafür geleistete Beitrag im Jahr 2007 gegenüber 2006 um etwas mehr als die Inflationsrate angestiegen ist.

Thursday, June 12, 2008

Staatliche Beihilfen und Public Service Broadcasting: Ergebnisse der Konsultation

Vor einiger Zeit habe ich - aus einem damals akutellen Anlass - einen Multiple-Choice-Test für TW1-Geschäftsführer Werner Mück vorgeschlagen. Nun, nachdem die Konsultation der Europäischen Kommission in Sachen Public Service Broadcasting/state aid abgeschlossen ist, gibt es die Auflösung: richtig war b), der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF wird durch Gesetz festgelegt. "In Austria the remit is exhaustively defined in a single federal law", hält auch die Kommission auf Seite 18 ihrer Zusammenfassung der Konsultationsergebnisse fest.

Alle in der Konsultation abgegebenen Stellungnahmen sind auf dieser Website abrufbar, zur Vereinfachung hier die direkten links auf die österreichische Stellungnahme (die wegen des anhängigen Beihilfenverfahrens "eine detaillierte Antwort und dadurch Vorwegnahme
der Verfahrensstellungnahme im Rahmen der Konsultation [als] nicht opportun" ansieht), sowie die etwas ausführlicheren Stellungnahmen von ORF, ATV und VÖZ (die Zusammenfasung der Kommission erwähnt auf Seite 36 auch eine Stellungnahme des VÖP, diese dürfte aber als vertraulich bezeichnet worden sein, da sie auf der Konsultations-Website nicht zu finden ist). Zwei Punkte möchte ich zur besseren Übersicht aus der Zusammenfassung zitieren:

1. Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Auftrags - Unterschied Österreich/Deutschland:

"In Austria, the Bundeskommunikationssenat (BKS) can impose administrative penalties for an infringement of the ORF-Gesetz and therefore also for an infringement of the remit. Its decisions are subject to scrutiny by the Supreme Courts of Austria. Individuals can bring an action to the BKS for an infringement." (S 21)
"In Germany, the fulfilment of the public service remit by the PSB's is subject to several forms of internal and external control. The Länder control the legality of the PSB's actions including the public service remit. Internally, actions of the PSBs are subject to scrutiny by "Aufsichtsgremien", i.e.: supervisory boards. The PSBs are financially controlled by Court of auditors and by the KEF, an independent regulator who calculates the amount of financial compensation needed by the PSBs to provide the public service." (S 20)
"Examples of internal supervisory bodies within PSBs include the Rundfunk- und Verwaltungsräte of ARD and ZDF and ORF's Stiftungsrat in Austria. These internal bodies are partially appointed by political parties, partially by churches, associations, education entities and others. A recurring issue discussed in the replies to question 2.3.4. is whether the control of the remit can be entrusted to the internal bodies of PSBs, alone." (S 22)

2. Ex-ante Prüfung/Public Value Test:
"Austria and the Netherlands doubt whether an ex ante test for new media services should also include an assessment of the potential impact of new services on the market. Austria moreover raises the question whether an ex ante control mechanism is the only adequate means of verifying that new non-linear activities are qualified as public service." (S 14f)
"Of the 17 EU and EFTA Member States who replied to the Commission's consultation, 2 Member States (Denmark, and the UK) assess the public value of a new media service before launching the service on the market. Five others (Germany, Ireland, Belgium - Flemish region, Hungary and Norway) are in the process of implementing such mechanism." (S 12)

Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat in einer Rede auf dem medienforum NRW (siehe dazu auch Gregors Beitrag auf contentandcarrier) anklingen lassen, dass sie nicht nur den public value, sondern auch den market impact beurteilt haben möchte (wie es der britische PVT, angeblich Vorbild für den angeblich kommenden ORF-PVT, vorsieht): "This raises the question whether the entrustment should be preceded by a transparent and open assessment both of the public value of a new audiovisual service, as well as of its market impact."

Update: TK-Rat und TK-Rechtsvorschriften

Wer den Fortgang der Reform des gemeinschaftsrechtlichen Telekom-Rechtsrahmens verfolgen will, der hat anhand der heute vom Telekom-Rat diskutierten "Progress-Reports" die Gelegenheit dazu. Am weitesten fortgeschritten ist die Erörterung der "Citizens' Rights"-Richtlinie, zu der im Fortschrittsbericht schon ein ausformulierter Kompromissvorschlag vorgelegt wurde. Mehr Widerstand der Mitgleidstaaten - insbesondere zur Frequenzpolitik und zum Artikel 7-Verfahren - lässt sich aus dem Fortschrittsbericht zur "Better Regulation"-Richtlinie erkennen, und fast ausschließlich ablehnend ist der Bericht zum Vorschlag für den "Euro-Regulator" EECMA: "almost all Member States were against the creation of EECMA", heißt es in diesem Bericht.

Weitere Informationen zur Ratstagung finden sich in der Presseaussendung und in den Schlussfolgerungen zum i2010-MidTerm-Review und zur Mitteilung der Kommission über die digitale Dividende.

Ohne Zusammenhang mit der Ratstagung, aber als Update zum geltenden Gemeinschaftsrecht: zwei Entscheidungen der Kommission im Bereich der Frequenzharmonisierung, einmal zum 3,5 GHz-Band, und einmal zur Änderung der SRD-Entscheidung, wurden im Amtsblatt veröffentlicht (die Übersicht über die Rechtsgrundlagen habe ich aktualisiert):

Vom Marienhof auf den Küniglberg: Qualitätssicherung durch Günter Struve

Günter Struve, bis Oktober noch ARD-Programmdirektor, war im April letzten Jahres "besonders gespannt auf die neue Vorabend-Daily mit Comedy-Elementen und Wiener Schmäh" (gemeint war "Mitten im Achten", das Zitat stammt aus dem Standard vom 10.4.2007). Nun kann er bald wieder gespannt sein auf den Wiener Schmäh, da er vom ORF zum "Sachverständigen für das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009" bestellt wurde.

Struve - mit seinen 68 Jahren geradezu jugendlich, jedenfalls wenn man ihn zum Beispiel mit Gerd Bacher (82) vergleicht, der die Premiere von Mitten im Achten im übrigen auch interessiert verfolgt hatte - kann sicher einiges an Erfahrung mit Qualitätssicherung mitbringen - etwa an Hand des Beispiels Marienhof. Dort war die arme ARD natürlich Betrogene und nicht Täterin, so Struve, der auch betonte, dass die Redaktion der ARD "ihre Aufgabe verantwortungsbewusst erfüllt" habe. Auch im Umgang mit "schmieriger Schleichwerbung", pardon: PR wie geschmiert, hat Struve Erfahrungen; und damit solche Erfahrungen frisch bleiben, wird - wie Stefan Niggemeier schreibt - derzeit in der ARD ganz aktuell die "Schleichwerbung recycelt".

Die ORF-Aussendung spricht übrigens nur vom Qualitätssicherungssystem, in den Medien wird dies als Public-Value-Test (Wiener Zeitung) bzw. Test des öffentlich-rechtlichen Mehrwerts von ORF-Angeboten (Standard) verstanden. Ganz kann ich derzeit noch nicht nachvollziehen, dass das Qualitätssicherungssystem (vgl dazu zB § 21 Abs 1 Z 12 ORF-G) dasselbe sein soll wie der von Generaldirektor Wrabetz für Jänner (2008) versprochene Public-Value Test nach dem Vorbild der BBC. Der ORF-Meldung ist jedenfalls nicht zu entnehmen, wie das Qualitätssicherungssystem ausschauen wird und was gerade Günter Struve dabei leisten soll.

Nachdem die BBC vor kurzem Sir David Attenborough (82) zu ihrer Verteidigung ins Rennen geschickt hat, hätte ich mir ja vom ORF eigentlich erwartet, dass vielleicht Hugo Portisch (81), Ilse Buck (Alter unbekannt), Helmut Zilk (81), Franz Kreuzer (79) oder ähnliche ORF-Ikonen aufgeboten werden - aber das wird schon noch kommen.

Monday, June 09, 2008

Ein österreichischer Sender in der Wüste

Das ist jetzt eher nur etwas für Insider, die heute bei der Präsentation dieses Buches waren und von denen mir einige auch gesagt haben, dass sie dieses Blog lesen.
Entsprechend dem mir vorgegebenen Referatstitel ("Von der Sendelizenz Podersdorf zum bundesweiten Multiplex") musste ich bei meinem Beitrag zur Veranstaltung natürlich den Sender Podersdorf erwähnen. Und weil an diesem Sender sonst nichts Besonderes ist, habe ich angemerkt, dass es sich dabei um den meines Wissens einzigen Sender Österreichs handelt, der in der Wüste steht. Wüste ist allerdings der Straßen- bzw Flurnamen - es schaut also in Podersdorf natürlich nicht so aus wie auf dem Bild oben, das tatsächlich in der Wüste aufgenommen wurde. Dennoch hat es mir im Anschluss an mein Referat einige Nachfragen eingebracht, sodass ich das hier nocheinmal darlegen wollte - mit der Unterstützung, die zum Beispiel Google Maps bietet: auf der folgenden Karte sehen Sie den Senderstandort, und auch die Wüste ist eingezeichnet. Da ich leider in letzter Zeit nicht in Podersdorf war, habe ich kein eigenes Foto vom Sender, aber auf dem Blog der ORS kann man den Mast sehen.

Größere Kartenansicht
PS: in der anderen österreichischen Wüste steht, wie ich zumindest anhand des Senderkatasters geprüft habe, tatsächlich kein Sender.
PPS: update: hier ist das Manuskript meines Kurzreferats

Wieder einmal: Notruf-Zahlen

Die Anzahl der Notrufe ist ein Mysterium - und zwar nicht nur, wie hier schon geschrieben, auf nationaler Ebene, sondern auch europaweit. Die Europäische Kommission ist nun an die Öffentlichkeit gegangen, um die europäsiche Notrufnummer 112 bekannter zu machen; dazu gibt es auch eine neue Website, auf der Informationen bereitgestellt werden sollen.

Wirft man einen Blick auf die dort angebenen statistischen Daten, die überwiegend aus dem Communications Committee (also: von den Mitgliedstaaten) stammen, kommen aber Zweifel. Österreich hätte demnach rund 65.000 Notrufe zur "112" pro Monat zu verzeichnen (laut Forum Mobilkom wären es übrigens schon mehr als 80.000 Anrufe pro Monat allein aus den Mobilnetzen!) , während zB Estland 150.000 monatliche Anrufe zu 112 ausweist oder Rumänien gar mehr als 3 Millionen. Setzt man das in Relation zur Bevölkerungszahl, gibt das schon recht unterschiedliche Größenordnungen. Glaubte man diese Zahlen, so würde Monat für Monat etwa jeder 127. Österreicher, aber schon jeder siebente Rumäne die 112-Notrufnummer wählen.

Noch skurriler wird es, wenn man auch den Bekanntheitsgrad der 112er-Nummer im jeweiligen Land berücksichtigt. Nimmt man an, dass nur diejenigen die Nummer wählen werden, die sie auch kennen, so käme man zum Beispiel zum Ergebnis, dass jeder Rumäne, der von der Notrufnummer 112 Kenntnis hat, sie gleich drei- bis viermal pro Monat anruft, was natürlich ziemlich unrealistisch ist (die eigene Eurobarometer-Umfrage der Kommission ist zum Ergebnis gekommen, dass insgesamt rund 25% der Bevölkerung in den letzten fünf Jahren einmal eine [irgendeine] Notrufnummer gewählt hat). Eine Konsistenzprüfung der gemeldeten Zahlen hat die Kommission demnach also wohl nicht durchgeführt; vielleicht war es aber einfach auch so wie in diesem Dilbert-Comic.

Saturday, June 07, 2008

Was unterscheidet die Schweiz von Österreich?

Nein, es geht nicht um Fußball - sondern wieder einmal um den Presserat. "Der Presserat lebt, es lebe die Sozialpartnerschaft", so lautet die Subline einer Presseaussendung von impressum, dem größten Berufsverband von Medienschaffenden der Schweiz und Liechtensteins, vom vergangenen Donnerstag. Nach längeren Streitigkeiten wurde im Stiftungsrat des Schweizer Presserats nämlich entschieden, dass auch die Verleger wieder am System des Schweizer Presserats teilnehmen können, ebenso auch die SRG (siehe auch die Presseaussendung des Presserats).

In Österreich gibt es seit 2002 keinen Presserat mehr, aber man verhandelt wieder (und noch). Die Gespräche stehen allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: es geht eher darum, ob die JournalistInnen teilnehmen (bzw deren Gewerkschaft). In einer Diskussion am 27. Mai 2008 wurde ein gewisser Optimismus verbreitet (Meldungen dazu auf der Website der IQ-Journalismus). Konkrete Ergbnisse werden bis Ende des Jahres erwartet, von einer Einbeziehung elektronischer Medien wie in der Schweiz ist offenbar nicht die Rede.

Zur Nachlese verlinke ich auf ein paar Presseaussendungen rund um die Auflösung des österreichischen Presserats, beginnend mit der Kündigung der Vereinbarung durch den Verband österreichischer Zeitungen, mitgeteilt in einer Aussendung vom 28.12.2001 mit dem Titel "VÖZ für Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle"; die andere Seite (Gewerkschaft) sah am nächsten Tag eine "neue Chance" und zeigte sich "vorsichtig optimistisch"; am 21.1.2002 kündigte der Presserat an, seine Tätigkeit unverändert fortzuführen. Am 24.6.2002 volgt dann eine Aussendung des VÖZ, dass die Kündigung mit 30. Juni 2002 wirksam wird, am 29.6.2002 eine Aussendung des BSA, dass die Fortführung des Presserats begrüßt wird, am 29.10.2002 die Aussendung, dass die Sozialpartner gemeinsam einen neuen Presserat wollen, weil "der Presserat als Institution für beide Seiten unverzichtbar ist".

Was man aus dieser Geschichte wieder einmal lernen kann: wenn jemand die Stärkung einer Einrichtung fordert, ist deren Auflösung nicht weit, und was unverzichtbar ist, geht jahrelang niemandem wirklich ab.

PS: eine Entscheidung des alten Presserats betraf übrigens die Berichterstattung der Kronen Zeitung über eine Entscheidung der KommAustria, die noch von mir getroffen worden war. Der Presserat stellte fest, dass durch den Artikel die Berufspflichten der Presse verletzt wurden, da das wirtschaftliche Interesse der Zeitungsherausgeberin an der Sache (es ging um eine Privatradio-Zulassung) nicht erwähnt wurde. Den Artikel habe ich leider nicht (oder zumindest nicht greifbar), aber auf den Bescheid der KommAustria, um den es ging, kann ich verlinken (siehe dort zB Seite 14, auf der die wirtschaftlichen Interessen vielleicht deutlich werden); in der Sache gab es auch eine bestätigende Berufungsentscheidung des BKS, sowie abweisende Erkenntnisse von VfGH und VwGH.

Andere Gesetze der Alpenrepublik? Deutsche Medien zur "Wetten dass..?"-Entscheidung des BKS

Die "Wetten dass ..?"-Entscheidung des Bundeskommunikationssenates hat nun - eineinhalb Wochen nach der Veröffentlichung - auch die deutschen Medien erreicht (online zB Spiegel, Welt, Netzeitung, DerWesten (WAZ-Portal), Kölnische Rundschau, Frankfurter Rundschau, Sächsische Zeitung). Der Unterschied zwischen Werbung und Schleichwerbung ist dabei gelegentlich verlorengegangen; hinzugekommen ist, dass in der "Alpenrepublik" (gemeint: Österreich) angeblich "andere Gesetze" gelten würden.

Ausgangspunkt der meisten Berichte ist eine Agenturmeldung (im Wortlaut zB hier), an der gar nicht viel falsch ist (ein nicht existentes "Bundeskommunikationsamt" sollte allerdings auch die dpa besser nicht zitieren). Und dann kommen Schlagzeilen-Redakteure, die einmal eine "Strafe für Werbe-Verstoß" (focus) erfinden (das wäre zwar denkbar, war aber nicht der Fall), und ein andermal "unerlaubte Schleichwerbung" (Welt Online) oder einen "Schleichwerbungsvorwurf" (SpiegelOnline) behaupten. Nett ist auch, dass SpiegelOnline von "Schleichwerbung für einen guten Zweck" schreibt, also offensichtlich den Autohersteller Audi für einen guten Zweck hält (was aber in Deutschland vielleicht gar nicht so absurd scheinen mag).

Schleichwerbung hat allerdings der Bundeskommunikationssenat nicht festgestellt, sondern Werbung, die unzulässiger Weise nicht ausreichend von anderen Programmteilen getrennt war. Nun sollte man zwar als Journalist den Unterschied zwischen Schleichwerbung und anderer Werbung kennen; da aber "Wetten dass" bisher eher mit Schleichwerbung in Verbindung gebracht wurde, mag man diesen Fehler vielleicht nachsehen. Schon weniger Verständnis habe ich allerdings für Behauptungen, die weder auf Recherche noch auf eigener Sachkenntnis beruhen.

Wenn Spiegel Online über die Gottschalk'sche Autowerbung schreibt "In Deutschland ist das rechtens, in Österreich nicht", dann ist das natürlich Nonsens. Die Bestimmungen über die Trennung zwischen Werbung und anderen Programmteilen gehen auf die Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen (nun: Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) zurück, in deren Artikel 10 es heißt:

"Fernsehwerbung und Teleshopping müssen als solche klar erkennbar und durch optische und/oder akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein." [Neufassung in der AVMD-RL: "Fernsehwerbung und Teleshopping müssen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein."]

Diese Richtlinienbestimmung wurde praktisch wörtlich sowohl in Deutschland (§ 7 Abs 3 Rundfunkstaatsvertrag) als auch in Österreich (§ 13 Abs 3 ORF-Gesetz) umgesetzt. Die materielle Rechtslage zur Trennung von Werbung und anderem Programm ist daher in Österreich und Deutschland gleich (für Deutschland wäre noch zu beachten, dass Werbung für den ZDF nach 20.00 Uhr überhaupt unzulässig ist). Auch Schleichwerbung ist übrigens in Österreich und Deutschland gleich definiert (§ 14 Abs 2 ORF-G, § 2 Abs 2 Z 6 RfStV) und gleichermaßen unzulässig (§ 14 Abs 2 ORF-G, § 7 Abs 6 RfStV).

Dass in Deutschland daher andere Gesetze gelten würden als in der "Alpenrepublik", wie dies SpiegelOnline behauptet, stimmt daher zwar formal, nicht aber materiell (die Kölnische Rundschau hat ordentlich recherchiert und ist auch zu diesem Ergebnis gekommen).

Wie effektiv die EU-Mitgliedstaaten die Einhaltung der Werbebestimmungen der AVMD-RL sicherstellen, wird übrigens bald im Auftrag der Europäischen Kommission näher evaluiert werden. Bei dem vor kurzem ausgeschriebenen Auftrag (siehe auch hier) für ein entsprechendes compliance monitoring geht es immerhin um ein geschätztes Auftragsvolumen von 2,5 Mio Euro (exkl MwSt).

Friday, June 06, 2008

No more angels? KommAustria stellt Erlöschen der Zulassung von Telemedial fest

Der legendäre Sender "Kanal Telemedial" - das ist der mit der Engelenergie - war seit 2006 mit einer österreichischen Zulassung (Änderung) als Fernsehveranstalter tätig, hatte aber - so der Bescheid der KommAustria vom 5. Juni 2008 (nicht rechtskräftig) - seit mehr als einem Jahr keine Niederlassung in Österreich. Nachdem noch im März dieses Jahres eine Verletzung des Privatfernsehgesetzes festgestellt wurde (rechtskräftig nach Abweisung der Berufung durch den Bundeskommunikationssenat, siehe dazu hier), hat die Regulierungsbehörde nun (nicht rechtskräftig) das Erlöschen der Zulassung festgestellt. Nach dem Bescheid war es offenbar nur eine "licence of convenience", die wesentlichen redaktionellen Entscheidungen wurden demnach in Deutschland getroffen und auch der Hauptteil der Sendungsproduktion erfolgte in Deutschland. Allzu Großes darf man sich da aber nicht vorstellen - Zitat aus dem Bescheid:
"Die Entscheidungen betreffend den Sendebetrieb werden im Wesentlichen durch den Geschäftsführer TXXXXX GXXXXXX HXXXXXXX getroffen. Die Programmentscheidungen erfolgen grundsätzlich in der Art, dass ca. zehn Minuten vor der Sendung Richtlinien für die folgende Sendung, für die Berater sowie für das technische Personal, vorgegeben werden. Diese Richtlinien werden vom Geschäftsführer (mündlich) festgelegt. ... Die Kanal Telemedial Privatrundfunk GmbH verfügt abgesehen vom Geschäftsführer TXXXXX GXXXXXX HXXXXXXX weder in Österreich noch in Deutschland über weitere angestellte Mitarbeiter."
Gegen den Bescheid der KommAustria ist die Berufung an den Bundeskommunikationssenat möglich.