Thursday, December 04, 2025

Informationsfreiheit: erste Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zum IFG

Mit dem Recht auf Zugang zu Informationen beschäftige ich mich seit langem - in diesem Blog (zB hier, hier oder hier), bei diversen anderen Gelegenheiten (zB Vorträgen vor der Vereinigung der Verwaltungsrichter:innen oder oder am Rundfunkforum 2022), und nicht zuletzt auch in meinem Brotberuf (siehe zB VwGH 29. 5. 2018, Ra 2017/03/0083 oder VwGH 26. 3. 2021, Ra 2019/03/0128).

Daher lag es nahe, mich auch an einem Kommentar zum neuen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu beteiligen. Franz Koppensteiner (BKA Verfassungsdienst), Florian Lehne (Universität der Bundeswehr München) und ich haben unseren Kurzkommentar zum IFG (und zu Art. 22a B-VG) im September bei Manz herausgebracht, und weil ich bislang in meinem Blog noch gar nicht darauf hingewiesen habe, hole ich das hiermit nach, mit Link zum Manz-Webshop: Koppensteiner/Lehne/Lehofer, Informationsfreiheitsgesetz (IFG)

Der Kommentar konnte sich natürlich noch nicht auf Rechtsprechung zum IFG stützen, da das Gesetz - zusammen mit der verfassungsgesetzlichen Verankerung des Rechts auf Informationszugang in Art. 22a BVG - erst am 1. September 2025 in Kraft getreten ist. Mittlerweile sind gut drei Monate vergangen, und es gibt sogar schon die ersten Entscheidungen von Verwaltungsgerichten zum IFG. 

Zeit also für ein erstes Update zur Informationsfreiheit, das sich mit den bisher veröffentlichten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zum IFG befasst.

Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte

Die übersehene Übergangsfrist
Das allererste veröffentlichte Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts, das sich ausdrücklich auf das IFG stützt, tut dies zu unrecht: in diesem Erkenntnis (LVwG NÖ 24.9.2025, LVwG-AV-1085/001-2025) wird nämlich über eine Säumnisbeschwerde zu einem bereits im Jahr 2023 gestellten Auskunftsbegehren abgesprochen, wobei das LVwG erkennbar davon ausgeht, dass das IFG - weil im Entscheidungszeitpunkt schon in Kraft - anzuwenden sei. Ganz deutlich wird das aus der Begründung zwar nicht, aber das IFG wird - anders als das eigentlich noch anzuwendende Auskunftspflichtgesetz - ausführlich zitiert, obwohl andererseits wiederum durchgehend von der "Auskunft" - und nicht vom Zugang zur Information die Rede ist. Das IFG ist aber aufgrund einer etwas versteckten Übergangsbestimmung in Art. 151 Abs. 68 letzter Satz B-VG auf die am 1. September 2025 anhängigen Verfahren gemäß den Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und der Länder noch gar nicht anzuwenden; diese Verfahren sind nach der alten Rechtslage zur Auskunftspflicht zu Ende zu führen.

Information erteilt - Verfahren gegenstandslos
Mit Beschluss vom 10. November 2025 (W176 2322793-1/7E) hat das Bundesverwaltungsgericht eine (nach § 14 Abs. 2 IFG anhängig gemachte) Streitigkeit zwischen einem privaten Informationspflichtigen und einem Journalisten eingestellt, nachdem die Information - allerdings erst nach  Anhängigmachung der Streitigkeit beim Verwaltungsgericht - erteilt worden war (dass in so einem Fall einzustellen ist, habe ich auch in meinem aktuellen Beitrag in der ÖJZ 2025, 914 [919, FN 39] vertreten). 

Der konkrete Fall ist insofern interessant, als er einen Journalisten betrifft, der auf diese Rolle schon in seinem Informationsbegehren hingewiesen und ausdrücklich verlangt hatte, dass nach § 10 Abs. 2 IFG eine Anhörung der Betroffenen unterbleiben solle. Dennoch hat die informationspflichtige Einrichtung  die betroffenen Personen verständigt und im Hinblick darauf auch die Frist für die Beantwortung der Anfrage nach § 8 Abs. 2 IFG verlängert. Noch bevor die so verlängerte Frist abgelaufen war, stellte der Journalist dann den Antrag auf Entscheidung der Streitigkeit an das Bundesverwaltungsgericht. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass die Fristverlängerung rechtswidrig gewesen sei (weil die Anhörung  der Betroffenen nicht hätte erfolgen dürfen). Das Verwaltungsgericht musste auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Fristverlängerung und der Anhörung nicht mehr eingehen, weil die informationspflichtige Einrichtung noch während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht die Informationen dann tatsächlich zugänglich gemacht hat. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des in der Vergangenheit liegenden Verhaltens der informationspflichtigen Einrichtung kam damit nicht mehr in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, der antragstellende Journalist (er ist in der Entscheidung natürlich anonymisiert, hat aber auf BlueSky zu erkennen gegeben, dass es um seine Anfrage ging) hat aber erklärt, dass die Höchstgerichte in dieser Sache nicht angerufen werden. 

Fristbeginn für den Antrag auf Streitentscheidung
Wird ein Informationsbegehren von privaten Informationspflichtigen nicht erfüllt, so kann ein Antrag auf Streitentscheidung an das Verwaltungsgericht gestellt werden - binnen vier Wochen nach Ablauf der Frist zur Informationserteilung. In dem einem Beschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 11. November 2025 (W274 2323801-1/2E) zugrundeliegenden Fall hatte der private Informationspflichtige die Ablehnung der Informationserteilung bereits vor dem Ende der vierwöchigen Frist mitgeteilt, der Antrag auf Streitentscheidung wurde beim Verwaltungsgericht dann mehr als vier Wochen nach Erhalt dieser Mitteilung gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht wies den Antrag als verspätet zurück: der Erhalt einer Mitteilung des Informationspflichtigen über die Nichterteilung der Information löst - neben dem Fristablauf gemäß § 8 Abs. 1 IFG - die Antragsfrist gemäß § 14 Abs. 2 aus. 

Begründung für Fristverlängerung?
Auch das Verwaltungsgericht Wien hat einen Antrag auf Streitentscheidung aus Fristgründen zurückgewiesen (VwG Wien 16.10.2025, VGW-113/027/15142/2025-4). Der private Informationspflichtige hatte der Antragstellerin rechtzeitig mitgeteilt, dass die Frist verlängert werde, weil die Gewährung des Informationszugangs in Rechte Dritter eingreife, und die Betroffenen daher angehört werden müssten. Die Antragstellerin war nicht gewillt, länger zu warten und stellte noch vor Ablauf der verlängerten Frist einen Antrag auf Streitentscheidung. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag zurück, weil die (wirksam verlängerte) Frist noch nicht abgelaufen war: entgegen der Ansicht der Antragstellerin müssten für die Fristverlängerung - zusätzlich zum Hinweis auf das Anhörungsrecht gemäß § 10 IFG - keine weiteren besonderen Gründe angeführt werden.

VwG Wien nicht für den ORF zuständig
Mit Beschluss vom 4. November 2025 (VGW-113/032/16206/2025-4) wies das Verwaltungsgericht Wien einen Antrag auf Entscheidung einer Streitigkeit mit dem ORF (es ging um Protokolle des Stiftungsrates und diesem vorgelegte Dokumente) wegen Unzuständigkeit zurück. Es geht dabei um die heikle Frage, ob der ORF - eine Stiftung öffentlichen Rechts sui generis - von Organen des Bundes verwaltet wird (was der VfGH im Hinblick auf die frühere Konstruktion als Anstalt öffentlichen Rechts in VfSlg 7593/1975 verneint hat) oder von hiezu von Organen des Bundes bestellten Personen verwaltet wird - auch daran kann man Zweifel haben, weil die Bestellung der Stiftungsorgane auf verschiedene Stellen verteilt ist. Das VwG Wien kommt aber jedenfalls zum Ergebnis, dass eine "organisatorisch zum Bund gehörende Stiftung" auch dann vorliegt, wenn sie von Personen verwaltet wird, die auch - aber nicht mehrheitlich - vom Bund bestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht wird wohl demnächst über dieselbe Frage zu entscheiden haben. 

Wo keine Information ist, kann kein Zugang gewährt werden.
In Kärnten wurde von einer Bürgermeisterin die "digitale Übermittlung aller Rechtsauskünfte, Rechtsgutachten o.Ä." im Zusammenhang mit Zweitwohnsitzen begehrt. Die Bürgermeisterin verweigerte den begehrten Informationszugang mit dem schlichten Hinweis, die Information könne nicht erteilt werden, weil sie nicht in schriftlicher Form vorliege. Gegen den Bescheid der Bürgermeisterin erhob der Informationswerber Beschwerde, die vom Landesverwaltungsgericht Kärnten mit Erkenntnis vom 13. November 2025 (KLVwG-1828/5/2025). 

Juristisch ist an diesem Fall zunächst vor allem interessant, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerde inhaltlich geprüft und nicht zurückgewiesen hat. In der Fachliteratur wird nämlich überwiegend (so auch in unserem IFG-Kommentar) die Auffassung vertreten, dass durch das IFG der innergemeindliche Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde (der hier betroffen ist) nicht ausgeschlossen wird, dass also gegen einen Bescheid der Bürgermeisterin zunächst eine Berufung (in Kärnten an den Gemeindevorstand) hätte erhoben werden müssen. Das Verwaltungsgericht setzt sich mit dieser Frage eingehend auseinander und kommt zum Ergebnis, dass Art. 22a Abs. 4 Z 1 B-VG auch lex specialis zu Art. 118 Abs. 4 Satz 2 B-VG ist der innergemeindliche Instanzenzug bezüglich des Zugangs zu Informationen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde auch ohne ausdrückliche Anordnung im IFG ausgeschlossen ist, weil sich dieser Ausschluss "zumindest implizit aus dem IFG ergibt". 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht ein Beweisverfahren abgeführt, mit Einvernahme der Bürgermeisterin in der mündlichen Verhandlung, und im Wesentlichen - mit ausführlicher Beweiswürdigung - festgestellt, dass Rechtsauskünfte nur mündlich eingeholt und darüber keine Aktenvermerke erstellt wurden; auch habe nicht festgestellt werden können, dass Rechtsgutachten eingeholt worden wären oder andere von außerhalb der Gemeinde stammende Rechtsauskünfte zum Thema Zweitwohnsitze in irgendeiner Form in der Gemeinde existieren würden. Rechtlich folgte daraus, dass mangels Aufzeichnungen keine Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG vorgelegen seien, sodass die Nichtgewährung des Informationszugangs zu Recht erfolgt sei. 

Das Verwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, vor allem im Hinblick auf die Frage des innergemeindlichen Instanzenzugs. Der Informationswerber (laut Medienberichten ein Gemeinderatsmitglied in Pörtschach) ließ noch offen, ob er "in diesem Verfahren weitere Schritte einleiten" werde. Ich würde das eher nicht erwarten, denn die interessante Rechtsfrage zum innergemeindlichen Instanzenzug wurde ja zu seinen Gunsten beantwortet, während sich das für ihn letztlich negative Ergebnis aus den - nur sehr schwer bekämpfbaren - Feststellungen ergibt, dass keine Informationen vorgefunden wurden. Vielleicht - so würde ich seine Äußerungen gegenüber den Medien verstehen - fokussiert er sich in seiner politischen Arbeit eher auf die im Verfahren offenkundig gewordenen Mängel in der Verfahrensführung innerhalb der Gemeinde; das Verwaltungsgericht sah sich immerhin veranlasst anzumerken, "dass das generelle Nichtanfertigen von Aktenvermerken über zu  konkreten (Verwaltungs-)Verfahren mündlich erteilten Rechtsrat [...] im Allgemeinen eine rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensführung innerhalb der Gemeinde xxx indiziert."

Die Suche nach dem zuständigen Organ
Bei Informationsbegehren an "Gemeinden" stellt sich nicht nur die Frage, ob es einen innergemeindlichen Instanzenzug gibt, sondern auch wer tatsächlich das zuständige Organ für die Informationserteilung ist und wer daher, wenn die Information nicht zugänglich gemacht werden soll, den Verweigerungsbescheid erlassen muss. Das IFG stellt auf die Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände ab, also nicht auf die juristische Person Bund, Land, Gemeinde oder Gemeindeverband. In einem vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entschiedenen Fall (LVwG OÖ 10.11.2025, LVwG-250255/5/SB/GJ) hatte der Beschwerdeführer - er ist Mitglied des Gemeinderates der betroffenen Gemeinde - gestützt auf das IFG um "Übermittlung der Tonaufzeichnungen über die Gemeinderatssitzung vom 05.06.2025 als Audio-file per e-mail" ersucht. Er durfte die Aufzeichnung dann in der Gemeinde zwar anhören, bekam sie aber nicht übermittelt; mittlerweile ist sie auch gelöscht. Das Informationsbegehren wurde schließlich vom Bürgermeister mit Bescheid abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hob diesen Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf: da es um eine Aufzeichnung einer Gemeinderatssitzung ging, waren Informationen betroffen, "die sowohl vom Gemeinderat erstellt wurden als auch dessen Wirkungs- und Geschäftsbereich zuzuordnen sind." Zuständig wäre daher nicht der Bürgermeister, sondern der Gemeinderat gewesen. Zwar besteht nach der Oö. Gemeindeordnung die Möglichkeit, die Zuständigkeit zur Informationszugangsgewährung durch Verordnung auf die Bürgermeisterin bzw. den Bürgermeister zu übertragen, im Zeitpunkt der Bescheiderlassung war aber keine derartige Übertragungsverordnung in Kraft und der Bürgermeister daher nicht zuständig.

Fazit

Wie zu erwarten war, dominieren kurz nach dem Inkrafttreten des IFG formalrechtliche Fragen, insbesondere zu Zuständigkeiten und Fristen. Inhaltlich spannendere Fälle werden noch etwas Zeit brauchen, bis sie bei den Verwaltungsgerichten landen und von diesen entschieden werden. 

Gerade bei den etwas sperrigen - und für Nichtjurist*innen oft schwer nachvollziehbaren - formalen Fragen ist es durchaus sinnvoll, diese möglichst rasch abzuhandeln und damit den Weg zu den Höchstgerichten zu eröffnen, deren Entscheidungen dann Leitlinien für die weitere Verwaltungspraxis und Rechtsprechung schaffen können. 

Was bereits jetzt auffällt ist, dass das IFG auch zu einem Werkzeug politischen Handelns wird - so gehen immerhin zwei der Entscheidungen auf Informationsbegehren von Gemeinderatsmitgliedern zurück. In ähnlicher Weise hat vor kurzem auch eine oppositionelle Landespolitikerin in Niederösterreich mit großer PR-Begleitung einen Antrag auf Streitentscheidung nach einem von einer Landesgesellschaft nicht erfüllten Informationsbegehren eingebracht. Ähnliche Entwicklungen sind auch auf Bundesebene zu erwarten: überall dort, wo parlamentarische Kontrollrechte (nach Ansicht der jeweiligen Opposition) nicht ausreichen (sei es, weil damit ausgegliederte Gesellschaften nicht umfassend erreicht werden, oder sei es, weil die Qualität der Anfragebeantwortungen nicht so ist, wie  es sich Anfragesteller*innen vorstellen), wird natürlich versucht, mit Anfragen nach dem IFG zu den für die politische Tätigkeit relevanten Informationen zu kommen. Das ist legitim und zulässig (siehe schon die VfGH-Entscheidungen zur Auskunftspflicht auch bei Anfragen von Abgeordneten außerhalb des parlamentarischen Interpellationsrechts), und wirft meines Erachtens eher die Frage auf, ob und wie das parlamentarische Interpellationsrecht "nachgeschärft" oder justiziabel gemacht werden könnte. Das IFG kann die parlamentarischen Kontrollrechte zudem nur teilweise, aber nicht vollständig ersetzen, da nach dem IFG nur vorhandene und verfügbare Informationen zugänglich zu machen sind, während parlamentarische Fragerechte "alle Gegenstände der Vollziehung" betreffen und dabei "alle einschlägigen Auskünfte" verlangt werden können (so zB Art. 52 Abs. 1 B-VG und § 90 GOG), was insbesondere auch bedeutet, dass Informationen gegebenenfalls erst für eine Anfragebeantwortung aufbereitet werden müssten.