Saturday, September 29, 2007

"Achtung, Analog!" und mehr von der FCC

Analoges Fernsehen geht seinem Ende zu: in Österreich wird die Umstellung mit Ende Oktober im Wesentlichen erreicht sein. In den USA ist der "Analog Switch Off" für den 17. Februar 2009 vorgesehen (hier ist der sekundengenaue Countdown der FCC zu erreichen). Die FCC geht die Sache dabei gründlich an: schon jetzt müssen alle Fernsehgeräte, die nur über einen analogen Tuner verfügen, einen Warnaufkleber ("Consumer Alert!") tragen. Damit soll darauf hingewiesen werden, dass das terrestrische Empfang mit diesem Gerät ab Februar 2009 nur mehr mit einer set top-box möglich ist (siehe die Anordnung der FCC und die dazu ergangene Händler-Information).

Dass die FCC ihren Kreuzzug gegen "obscenity, indecency and profanity" im Fernsehen weiter fortführt, war zu erwarten. Nachdem der 2nd District Court of Appeals in der Sache Fox v FCC (siehe dazu die vorangegangenen Posts hier, hier und hier) der FCC dabei eine ziemlich klare Niederlage bereitet hat, versucht man es nun beim Supreme Court (Näheres dazu hier auf http://www.contentandcarrier.eu/). Ob der den Fall allerdings annimmt, ist noch offen.

Immerhin hat die FCC aber nun auch erkannt, dass die Bekämpfung einzelner fleeting expletives ein wenig außer Verhältnis zur bisherigen Untätigkeit gegenüber Gewaltdarstellungen zu sein scheint. Dies soll sich nun insofern ändern, als auch Gewalt im Fernsehen näher untersucht wird. Siehe dazu den (schon aus April 2007 stammenden) Bericht über "Violent Television Programming And Its Impact On Children" (dazu auch news release, Statement von FCC-Chef Martin und Statements der Commissioners Copps, Adelstein, Tate und McDowell).

Der ORF hat übrigens seine Haltung zu Gewalt und Obszönität in Radio und Fernsehen (1993) und Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen (1999) festgelegt. Im Kern sind diese Regeln auch in die Programmrichtlinien 2006 eingegangen.

Und noch ein Hinweis auf Aktivitäten der FCC: vor wenigen Tagen hat die FCC ihr "Reference Book of Rates, Price Indices, and Household Expenditures for Telephone Service" vorgesetellt (Presseaussendung). Wer wissen möchte, wie viel und wie teuer in den USA telefoniert wird, findet darin einiges an Information. Zum Vergleich mit heimischen Werten bietet sich der Kommunikationsbericht bzw der Telekom-Monitor der RTR (zuletzt Nr. 3/2007) an.

Wednesday, September 26, 2007

Redings Kabinettschef: Wieviele TV-Programme brauchen Hartz IV-Bezieher?

Die von der Europäischen Kommission mit Nachdruck verfolgte Neuordnung der Frequenzpolitik (siehe dazu in diesem Blog zB schon hier, hier und hier) war auch Thema des 8. Salzburger Telekom-Forums am 24. und 25. September 2007. Während rund um den Dom der Ruperti-Kirtag für Aufregung sorgte, war hinter den dicken Mauern der Max-Gandolph-Bibliothek der Universität Salzburg die Lautstärke zwar etwas gedämpfter, aufregende Diskussionen aber gab es allemal. Rudolf Strohmeier, Kabinettschef von Kommissarin Reding, präsentierte die Kommissionspläne für eine Reform der Frequenzordnung, die eine drastische Einschränkung nationaler Spielräume in der Frequenzverwaltung mit sich bringen würden.

Insbesondere mit der Verpflichtung zu weitestgehender Technologie- und Diensteneutralität und mit der Einschränkung der Zulässigkeit individueller Frequenzzuteilung würde die Reform auch einschneidende Veränderungen für Rundfunkveranstalter bringen. Strohmeier macht kein Hehl daraus, dass das auch gewollt ist: er sieht die Freigabe der Nutzung der "digitalen Dividende" - also vor allem jenes an sich für Rundfunkdienste gewidmeten Spektrums, das nach vollständiger Digitalisierung der terrestrischen Fernsehübertragung frei werden könnte - als wesentlichen Beitrag zur Förderung des Wirtschaftswachstums.

Eine Reservierung dieser Bänder für Rundfunk wäre im Wesentlichen nur mehr zur Sicherstellung der Erfüllung eines Gemeinwohlinteresses oder zur Förderung kultureller oder sprachlicher Vielfalt und des Medienpluralismus möglich. Dass man dazu das gesamte bisher den Rundfunkdiensten zugewiesene Spektrum brauchen würde, sieht Strohmeier nicht - er meint vielmehr, dass sich die Mitgliedstaaten eben entscheiden müssten, ob sie lieber mehr Wirtschaftswachstum hätten (das sich bei freier Verfügbarkeit der digitalen Dividende einstellen würde), oder ob sie so wie bisher in den Rundfunkbändern nur Rundfunkdienste haben wollten. Unter Bezugnahme auf Bert Brecht ("Erst kommt das Fressen, dann die Moral") spitzte er das darauf zu, die Mitgliedstaaten müssten sich entscheiden, "wieviel Fressen (sprich: Wirtschaftswachstum) ihnen die Moral (die "Grundversorgung" mit terrestrischem TV) wert" sei. Seine Präferenz (bzw jene der Kommission) machte er mit einem Hinweis klar: man müsse schon auch bedenken, wer sich denn die ganzen Programme vor allem am Vormittag und Nachmittag ansehe, das seien doch (in Deutschland) zu einem großen Teil Hartz IV-Empfänger.

Die Frage, wieviel Spektrum für Rundfunkdienste in Zukunft zur Verfügung stehen soll, wird tatsächlich noch gründlich zu überlegen sein, wobei zwischen den Mitgliedstaaten wohl wesentliche Unterschiede je nach topografischer Situation und nach der jeweiligen nationalen Medienpolitik bestehen werden. Österreich hat zwar ein schwieriges Gelände für die terrestrische Rundfunkversorgung, andererseits ist die Anzahl verfügbarer Programme, die für eine terrestrische Verbreitung in Betracht kommen, doch nicht allzu groß. Eine gewisse digitale Dividende, die nach der vollständigen Digitalisierung (auch in den Nachbarstaaten) auch für Nicht-Rundfunkdienste genützt werden könnte, ist da schon vorstellbar.

Die für bestehende (und auch für potenzielle neu einsteigende) Rundfunkveranstalter unmittelbar spannendere Frage ist aber wohl, ob die derzeit in Österreich bestehende Gebührenfreiheit der Frequenznutzung für Rundfunkdienste aufrecht erhalten werden kann. In Erwägungsgrund 29 zur Änderung der Rahmenrichtlinie heißt es im aktuell zirkulierenden Entwurf:

"In order to ensure non-discrimination, no spectrum users should be exempted from the obligation to pay the normal fees or charges set for the use of the spectrum, except if duly justified by general interest objectives."

Die Frage, ob eine Gebührenfreiheit der Frequenznutzung allgemein für Rundfunkdienste (oder allenfalls nur für öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter) nach diesem Entwurf noch möglich wäre, beantwortete Strohmeier auch auf nochmaliges Nachfragen nicht.

(Weitere Postings zum Telekom-Forum werden in den nächsten Tagen folgen - update 1.10.: hier; zu den aktuellen Vorschlägen für die Reform des Rechtsrahmens siehe auch die Postings auf http://www.contentandcarrier.eu/, zB hier und hier)

Thursday, September 20, 2007

8. Salzburger Telekom-Forum: Reform 2007 und Rückblick auf die Rechtsprechung

Das kann interessant werden: die Vorschläge der Europäischen Kommission für die "Reform 2007" des europäischen Telekommunikationsrechts sollen - so teilt das jedenfalls die Pressestelle der DG INFO mit - am 13. November 2007 vorgestellt werden (und werden dann auf dieser Seite zu finden sein). Schon kommende Woche aber wird beim 8. Salzburger Telekom-Forum auch über diesen Rechtsrahmen der Zukunft gesprochen, unter anderem von Thomas Eilmansberger (Sonderberater der Kommission) und Rudolf Strohmeier (Kabinettschef von Kommissarin Reding). Nicht nur diese Referenten kennen natürlich die Textvorschläge, die derzeit in der "Interservice"-Konsultation der Kommission sind und auch längst in der Branche verbreitet wurden. Es wird also die bemerkenswerte Situation eintreten, dass die Referenten offiziell kein Wort zu den angeblich noch vertraulichen Enwürfen sagen können, während ein guter Teil des Publikums diese längst im Detail kennt. Eine klassische "elephant in the room"-Situation also: jeder kennt das, worum es wirklich geht, und niemand spricht es offen an - man kann gespannt sein.

Während der Montagnachmittag also der Zukunft gewidmet ist, erfolgt am Dienstagvormittag eine Art Rückblick auf die Rechtsprechung - sowohl des EuGH (durch Wolf-Dietrich Grussmann von der Europäischen Kommission), als auch des OGH (durch Dr. Elfriede Solé, die nicht nur Hofrätin des Obersten Gerichtshofes ist, sondern auch der Telekom-Control-Kommission angehört) und schließlich des Verwaltungsgerichtshofes (das ist meine Aufgabe).

Vielleicht kann man das schon als eine Art Vorgriff auf die im Entwurf für die Änderung der Rahmenrichtlinie vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten sehen, in Zukunft Informationen über die Entscheidungen der Gerichte im Fall von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde zu sammeln und der Kommission sowie der "Superagency" (European Electronic Communications Market Authority) zu übermitteln.

In Artikel 4 der Rahmenrichtlinie soll nach dem derzeitigen Textstand nämlich folgender Absatz ergänzt werden:

"Member States shall collect information on the subject of appeals, the number of requests for appeal, the duration of the appeal proceedings, the number of suspension decisions taken in accordance with paragraph 1 and the reasons for such decisions. Member States shall make available such information to the Commission and the Authority on an annual basis."

Liest man diese geplante Bestimmung aber näher, so fällt auf, dass zwar Gegenstand, Zahl und Dauer der Rechtsmittelverfahren zu erheben ist, ebenso die Gründe für die Zuerkennung aufschiebender Wirkung, dass aber das Ergebnis der "Appeals" die Kommission offenbar gar nicht interessiert.

Monday, September 17, 2007

Es muss nicht immer Strassburg sein ...

Dass (auch durchschnittliche) profil-Leser Spaß verstehen, musste noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Republik Österreich, die sich für ein Urteil des OLG Wien in einer Medienrechtssache zu verantworten hatte, ausrichten (Fall Nikowitz, Appl. no. 5266/03, siehe dazu mein früheres Post).

Dass (auch durchschnittliche) profil-Leser nicht jede Schlagzeile oder Bildunterschrift als eine vom Gesamttext losgelöst zu beurteilende, vollständige Tatsachenbehauptung ansehen, konnte nun - auf Grund einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen eine Entscheidung (wieder) des OLG Wien - innerstaatlich geklärt werden: der OGH hat mit Urteil vom 23. August 2007, 12 Os 36/07x, ein Urteil des OLG Wien aufgehoben.

Das OLG Wien hatte, über Antrag des Mitglieds des Bundesrates "Siegfried K****", der Medieninhaberin des profil eine Gegendarstellung aufgetragen, weil profil ein Foto des Bundesrats mit dem Begleittext "Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" veröffentlicht hatte, während Siegfried K. doch "lediglich" gesagt habe, "dass Deserteure zum Teil Kameradenmörder waren" (was er überdies an einem Beispiel erläutert habe). Diese enge Sicht des OLG Wien wurde vom OGH (wie im übrigen schon vom LG für Strafsachen Wien als Erstgericht) nicht geteilt. Wörtlich heißt es im Urteil des OGH:

Wer sich im politischen Diskurs an die Öffentlichkeit wendet, muss damit rechnen, dass diese Aussagen journalistisch vor allem in Form von Hervorhebungen und Überschriften gekürzt und in plakativer Weise aufbereitet werden. Es ist ein Faktum der heutigen Lebensrealität, dass Medien sich vielfach knapper, zugespitzter Zusammenfassungen bedienen, um das Publikum in Zeiten der Informationsüberfrachtung leichter zu erreichen. ...
Würde man [...] die Auffassung vertreten, dass Überschriften in allen Fällen isoliert zu beurteilen seien, wäre es den Medien de facto verwehrt, plakative Titel zu einem Bericht oder Bilduntertitelungen innerhalb eines Artikels zu verwenden, wenn damit der vom Mediuminhalt Betroffene kritisch
angegriffen würde. Es liegt auf der Hand, dass mit Gegendarstellungen zu besonders pointierten Überschriften, losgelöst vom übrigen Text, ein unverhältnismäßiger, auch durch die verfassungsgesetzlichen Gesetzesvorbehalte nicht mehr gedeckter Eingriff in die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK und Art 13 StGG vorgenommen würde. [...]
Zur verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK und Art 13 StGG gehört es auch, wirksame Überschriften, Schlagzeilen, Artikelankündigungen oder eben Bilduntertitelungen zu bilden, die orientieren und das Interesse am Lesen wecken sollen [...]

Saturday, September 15, 2007

3. Österreichisches Rundfunkforum - Roundup

Auch am zweiten Tag des 3. Österreichischen Rundfunkforums, veranstaltet vom REM (Forschungsinstitut für das Recht der elektronischen Massenmedien), kam die Diskussion nicht am deutschen Rundfunkgebührenurteil vorbei (siehe zum Vortag hier und hier).

Zu Beginn ging es aber um die Förderung privater Rundfunkveranstalter: Prof. Rolf H. Weber, Ordinarius für Privat-Wirtschafts- und Europarecht sowie Leiter des Zentrums für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich, bot in seinem Referat eine sehr differenzierte Sicht auf die den verschiedenen Förderungsmöglichkeiten, wie sie insbesondere im schweizer RTVG vorgesehen sind. Von besonderem Interesse für das Publikum war das Thema "Gebührensplitting" (siehe Artikel 38 f f RTVG), das auch in Österreich in letzter Zeit häufiger diskutiert wurde (siehe zB diesen Bericht der Presse).

Prof. Christoph Degenhart befasst sich mit den - aus seiner Sicht engen - Grenzen kommerzieller Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter, was in der Diskussion natürlich auch auf Kritik stieß - etwa vom Chef der ORF-Administration Dr. Wolfgang Buchner und vom früheren kaufmännischen Direktor des ORF, Dr. Peter Radel. Degenhart warf dem deutschen Bundesverfassungsgericht eine "idealisierend rückwärtsgewandte Sicht" vor und verwies darauf, dass das BVerfG die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks früher mit der Frequenzknappheit (und damit einem Mangel an zugänglichen Informationen) begründet hatte, während es nunmehr die Funktion der öffentlich-rechtlichen Veranstalter als "Insel der Glaubwürdigkeit" gerade angesichts des Informationsüberflusses betone.

Zum Abschluss der Veranstaltung legte Prof. Eveline Artmann die spezifisch österreichische Rechtslage zu Werbung und Product Placement im Fernsehen dar.

Alle Referate des Rundfunkforums werden wieder in der Schriftenreihe des REM im Manz-Verlag erscheinen (zu den bereits erschienen Bänden siehe hier).

Der nächste Termin des Rundfunkforums steht auch schon fest: 18. und 19. September 2008 (gleich vormerken!).

Public Value Test für ORF-Angebote?

Dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Pflichtbeiträge der Empfänger als Beihilfe im Sinne des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist, war bei der Fachdiskussion anlässlich des 3. Österreichischen Rundfunkforums am 13. und 14. September 2007 (siehe dazu auch hier und hier) nicht wirklich strittig.
Patrick Segalla vom Bundeskanzleramt (und Chairman der Group of Specialists on Public Service Media in the Information Society des Europarates) verwies in seinem Referat zwar auch darauf, dass die Gemeinschaftsgerichte bisher dazu keine Entscheidung getroffen haben (was sich bald ändern könnte), aber die Entscheidungspraxis der Kommission ist eindeutig. Schon mit Hinblick auf ein mögliches Verfahren gegen Österreich (eine Beschwerde ist anhängig, die Kommission hat aber noch kein förmliches Verfahren eröffnet) ging Segalla auf die wesentlichen Kriterien ein, die für die Kommission relevant sind, natürlich vor allem im Lichte der Entscheidung der Kommission vom 24. April 2007, E 3/2005, zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland.

Klar ist, dass zum einen irgendeine Form der externen Kontrolle der Festsetzung der Programmentgelte gefunden werden sollte, und dass zum anderen auch bei der Kontrolle des Mitteleinsatzes Adaptierungen erforderlich werden dürften. Darüber hinaus wird die Kommission - zumindest für neue Angebote - wohl auch einen "Public Value Test" verlangen.

In der deutschen Beihilfen-Entscheidung kommt zwar der Begriff Public Value Test nicht vor, in Randnummer 328 wird aber der Inhalt des Tests skizziert:
"Die öffentlichen Rundfunkanstalten werden dazu verpflichtet, für alle neuen und veränderten digitalen Angebote einen dreistufigen Test durchzuführen. Die drei Stufen werden gesetzlich festgelegt und erfordern eine Prüfung durch die Rundfunkanstalten für jedes Angebot, dass es (1) zum öffentlichen Auftrag gehört und damit die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen einer Gesellschaft entspricht, dass es (2) in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt und dass (3) der Aufwand für die Erbringung des Angebotes vorgesehen ist. Der Begriff des publizistischen Wettbewerbs wird in der Gesetzesbegründung weiter konkretisiert, wobei folgende Punkte einzubeziehen sind: Umfang und Qualität der vorhandenen, frei zugänglichen Angebote sowie marktrelevante Auswirkungen des geplanten Angebots sowie die meinungsbildende Funktion des vorgesehenen Angebots (die unterhaltende Elemente einschließen kann) angesichts bereits vorhandener Angebote."
ARD-Generalsekretärin Wiedemann legte daher in der Diskussion auch großen Wert darauf, nur vom "Drei Stufen Test" zu sprechen, da mit "Public Value Test" meist jener der BBC assoziiert wird, der über die Anforderungen der Kommission insoweit hinausgeht, als auch ein "market impact assessment" verlangt wird. Der ORF dürfte davon ausgehen, dass er am Public Value Test in irgendeiner Form nicht vorbeikommen wird; Klaus Unterberger, Public Value-Beauftragter des ORF (siehe auch hier und hier) war jedenfalls unter den interessierten Zuhörern.

Auch die innerstaatlichen Regeln betreffend die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks standen beim Rundfunkforum zur Diskussion: Univ.Prof. Dr. Barbara Leitl von der Universität Linz nahm dabei vor allem die GIS unter die Lupe (siehe dazu auch einen Bericht im Standard).

Thursday, September 13, 2007

Glänzender Pyrrhussieg? Das deutsche Rundfunkgebühren-Urteil in der juristischen Diskussion

ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann hatte Grund zur Freude: Das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu den Rundfunkgebühren (siehe dazu schon hier) "ist weit über unsere Erwartungen hinausgegangen", bekannte sie bei ihrem Vortrag heute nachmittag in Wien. Wiedemann - die Frau, die in Europa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigt (wie sie in einem Bericht aus ihrer Brüsseler Zeit bezeichnet wurde) - analysierte anlässlich des 3. Österreichischen Rundfunkforums das BVerfG-Urteil, in dem sie auch in kleinsten Formulierungsdetails Spielräume für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter erkannte: schon dass das BVerfG einmal den Begriff "duale Ordnung" verwendet (in Abatz 120), statt wie bisher immer von dualer Rundfunkordnung zu sprechen, belegt aus ihrer Sicht, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter nicht mehr nur auf Rundfunk im klassischen Sinne beschränkt sein sollen. Wiedemann sieht durch das BVerfG-Urteil auch den Rundfunkbegriff erweitert, so etwa wenn in Absatz 116 neuartige programmbezogene Dienstleistungen direkt angesprochen werden, und insbesondere wenn (wiederum) betont wird, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand beschränkt werden dürfe.

Die Ausführungen Wiedemanns blieben nicht ohne Widerspruch. Professor Christoph Degenhart, Direktor des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität Leipzig, meinte in der Diskussion, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwar zweifellos einen glänzenden Sieg errungen hätten, dass dieser sich aber vielleicht auch als Phyrrussieg erweisen könnte. Vor allem könnte seiner Ansicht nach "die verfassungsrechtliche Euphorie schon bald einem europarechtlichen Kater weichen", da das Urteil nur schwer mit der Kommissionsentscheidung im Beihilfenverfahren zu vereinen sein wird.

Mehr zum Rundfunkforum - das am Freitag 14.9. noch fortgesetzt wird - voraussichtlich in den nächsten Tagen hier in diesem Blog (update 15.9.2007: die weiteren Posts hier und hier).

Wednesday, September 12, 2007

Lentia in Luxemburg

Die heute veröffentlichten Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro in der Rechtssache C-380/05, Centro Europa 7 (siehe dazu näher mein Post auf "content and carrier"), bringen gewissermaßen Linz (Lentia) von Strassburg nach Luxemburg: der Generalanwalt bezieht sich in RNr 39 (bzw. Fußnote 38) seiner Schlussanträge ausdrücklich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. November 1993, Informationsverein Lentia, um die wesentliche Rolle der Medien für die Förderung und den Schutz einer offenen und allumfassenden Gesellschaft hervorzuheben und auf die Bedeutung des Grundsatzes des Pluralismus hinzuweisen, für den - in den Worten des EGMR im Fall Lentia - "der Staat der oberste Garant ist." Generalanwalt Poiares Maduro schließt daran folgenden Satz:
"Für die Anwendung von Gemeinschaftsrecht im Bereich nationaler Rundfunkdienste ist daher der Grundsatz der Pluralität maßgebend, und ihr kommt zudem dort besondere Bedeutung zu, wo sie den Schutz dieses Grundsatzes verstärkt."

Tuesday, September 11, 2007

Plus ça change: deutsches BVerfG zu Rundfunkgebühren

Das heute verkündete Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (Volltext/ Pressemitteilung) ist angesichts der völlig anderen Rechtslage zur Rundfunkfinanzierung für Österreich in rechtlicher Sicht nicht von unmittelbarer Bedeutung.

Aber wenn das BVerfG nach längerem wieder einmal - in einem Senat, dem mit Professor Hoffmann-Riem auch eine Leitfigur des deutschen Rundfunkrechts angehört - zu rundfunkrechtlichen Grundsatzfragen Stellung nimmt, dann ist das medienpolitisch durchaus auch aus österreichischer Sicht interessant. Was bei einer ersten Lektüre der Entscheidung - abseits der spezifisch bundesdeutschen Fragestellungen - auffällt, ist das demonstrative Festhalten an den altbewährten Leitsätzen zur dualen Rundfunkordnung, zur Rundfunkfreiheit und zur Breitenwirkung des Fernsehens - Themen, die eine gewisse Konvergenz mit der Publikationsliste von Prof. Hoffmann-Riem aufweisen, und zu deren rechtswissenschaftlicher Aufarbeitung er maßgebend beigetragen hat.

Die diesbezügliche Entscheidungsbegründung zusammengefasst: gesetzliche Regelungen zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung sind notwendig, egal was technisch in den letzten Jahren geschehen sein mag; mehr noch: die technischen Entwicklungen erhöhen das Angebot an Verbreitungswegen, sodass alle schon bisher bestehenden Regelungen angesichts der technischen Entwicklungen nun umso mehr gerechtfertigt sind. Im Originalwortlaut liest sich das in den Absätzen 115 und 116 des Urteils so:

"Dass gesetzliche Regelungen zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung nicht durch den Wegfall der durch die Knappheit von Sendefrequenzen bedingten Sondersituation entbehrlich geworden sind, hat das Bundesverfassungsgericht schon früher betont (vgl. etwa BVerfGE 57, 295 <322>). Dies hat sich im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert.

Anlass der gesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung ist die herausgehobene Bedeutung, die dem Rundfunk unter den Medien wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukommt [...] Die Aktualität des Hör- und Fernsehfunks folgt daraus, dass Inhalte schnell, sogar zeitgleich, an die Rezipienten übertragen werden können. Die besondere Suggestivkraft des Mediums ergibt sich insbesondere aus der Möglichkeit, die Kommunikationsformen Text und Ton sowie beim Fernsehfunk zusätzlich bewegte Bilder miteinander zu kombinieren und der programmlichen Information dadurch insbesondere den Anschein hoher Authentizität zu verleihen (vgl. dazu BVerfGE 97, 228 <256>). Diese Wirkungsmöglichkeiten gewinnen zusätzliches Gewicht dadurch, dass die neuen Technologien eine Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots und der Verbreitungsformen und -wege gebracht sowie neuartige programmbezogene Dienstleistungen ermöglicht haben."

Oder, wie man in Frankreich sagt:

plus ça change, plus c'est la même chose.

Monday, September 10, 2007

Rundfunkgebühren als Beihilfe? Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH

Schon wieder zum Thema Rundfunkfinanzierung - diesmal unter der Kategorie "Case-Spotting": Im Amtsblatt vom 8. September 2007 findet sich der Hinweis auf ein am 2. Juli 2007 beim EuGH eingereichtes Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale civile di Genova, in einer Streitigkeit zwischen der RAI und der PTV Programmazioni Televisive SpA ("Primocanale"), einem privaten Lokalsender (der vor allem mit der Berichterstattung zum G8-Gipfel in Genua auch überregional beachtet wurde, siehe zB hier).
Die erste Frage des Gerichts ist einfach und direkt:

"Stellt die Verpflichtung zur Entrichtung von Gebühren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehdienstes, die alle Inhaber von Geräten trifft, die
zum Empfang von Rundfunksignalen geeignet sind, sowohl im nationalen Rahmen als auch im örtlichen Rahmen beurteilt, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG dar?"
Damit kann man also auch diese Rechtssache (C-305/07) auf die Liste der "cases to watch out for" setzen. [Update 10.6.2008: Der EuGH hat mit Beschluss vom 9. April 2008 die Fragen als unzulässig zurückgewiesen.]
In diesem Zusammenhang gleich ein Aviso: am 12. September 2007 wird Generalanwalt Poiares Maduro seine Schlussanträge in der Sache Centro Europa 7 (C-380/05) präsentieren - auch darauf kann man gespannt sein (schon weil der portugiesische Generalanwalt Maduro zwar weniger Literaturzitate als sein spanischer Kollege verwendet, aber doch auch für seine blumige Sprache bekannt ist).

Friday, September 07, 2007

Panem et circenses: Komfort und Fernsehen

Generalanwalt Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer, bekannt für die Literaturzitate in seinen Schlussanträgen (womit nicht Zitate aus der engeren Fachliteratur gemeint sind, sondern von Autoren wie zB Zola, Proust, Cervantes oder auch - unter vielen anderen - Shakespeare), zitiert nun Juvenal - und zwar nicht, was sich vielleicht auch angeboten hätte, "difficile est, satiram non scribere", sondern schlicht "panem et circenses". Seine Schlussanträge in der Rechtssache C-337/06 Bayerischer Rundfunk ua beginnt er folgendermaßen:
"Den Rundfunk als ein Informationsmittel anzusehen hieße, ihn auf seinen charakteristischsten Aspekt zu reduzieren und dabei andere von größerer Tragweite zu übergehen, die sich aus der soziokulturellen Bedeutung ergeben, die er im Lauf seiner Geschichte gewonnen hat. In den westlichen Gesellschaften scheint die Verbindung dieser Kommunikationssysteme mit dem erreichten materiellen Wohlstand die römische Maxime panem et circenses wieder aufleben zu lassen, mit der sich der lateinische Dichter Juvenal über den anpassungsfähigen Müßiggang des römischen Volkes und sein Desinteresse an politischen Angelegenheiten lustig machte. Man könnte diesen Ausspruch auf heute übertragen, indem man das Brot durch Komfort und die römischen Zirkusspiele durch das Fernsehen ersetzt."

In der Sache geht es um die (vergaberechtliche) Frage, ob die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als "öffentliche Auftraggeber" anzusehen sind. Zusammengefasst und vereinfacht lautet die Antwort des Generalanwalts auf diese Frage: ja. Interessant sind die Ausführungen aber nicht nur im Hinblick auf das Vergaberecht, sondern auch zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlechthin, zumal die Rundfunkanstalten auch eine Analogie zum Beihilfenrecht ziehen wollten. Diese Analogie sieht der Generalanwalt jedoch nicht: "öffentlicher Auftraggeber" kann auch sein, wer nicht durch Zahlungen "aus staatlichen Mitteln" finanziert wird (RNr. 36).
Der Generalanwalt rechnet das Rechtsverhältnis zwischen dem Besitzer eines Fernseh- oder Radiogeräts und den Rundfunkanstalten dem öffentlichen Recht zu (RNr. 46), und er sieht auch im mit den Gebührengeldern produzierten Programm keine Gegenleistung für die Zuseher/Zuhörer oder den Staat (RNr. 56-60).

Die Argumentation des Generalanwalts kann nicht ohne Weiteres auf Österreich umgelegt werden, da sich das System der Rundfunkfinanzierung doch in einzelnen Punkten unterscheidet; insbesondere wird die Höhe des Programmentgelts in Österreich nicht von unmittelbar staatlichen Stellen festgelegt (wie dies in Deutschland der Fall ist, vgl RNr. 53 der Schlussanträge), sondern vom ORF selbst, und es spricht doch Einiges dafür, dass das österreichische Programmentgelt (nicht die Rundfunkgebühr) privatrechtlichen Charakter hat (siehe dazu schon hier, insbesondere die dort zitierten Entscheidungen des VfGH und des OGH). Ob das für das Vergaberecht von Bedeutung ist, lasse ich einmal dahinstehen, für das Beihilfenrecht könnte aber die Form der Festlegung des Programmentgelts nicht unproblematisch sein. Zumindest die frühere Generaldirektorin des ORF, Monika Eder-Lindner, hat in ihrer Bewerbung Folgendes geschrieben:

Alexander Wrabetz hingegen will die Festlegung durch den ORF beibehalten, so schrieb er in seiner (erfolgreichen) Bewerbung:

Die aktuellen Entwicklungen machen auch das kommende Woche stattfindende 3. Österreichische Rundfunkforum, das diesmal dem "Recht der Rundfunkfinanzierung" gewidmet wird, besonders spannend. Am 11. September 2007, nur zwei Tage vor Beginn des Rundfunkforums, wird übrigens auch die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts in Sachen "Rundfunkgebührenklage" verkündet werden (siehe dazu die Pressemitteilung des BVerfG).

Goodbye Privacy

Videoüberwachung (das Bild links zeigt ein Überwachungsfahrzeug der Wiener Polizei, im Einsatz beim Papstbesuch heute in Wien) war eines der Themen, die beim Symposium "Goodbye Privacy - Grundrechte in der digitalen Welt" am 5. September 2007 in Linz besprochen wurden. Hier vorerst nur ein paar links zu Berichten über die Veranstaltung - eine nähere Dokumentation mit allen Beiträgen wird in Kürze auch im Linde-Verlag erscheinen.

Tuesday, September 04, 2007

Generische Gesetze und Gleitpfade: mobile Terminierung (revisited)

Die Telekom-Control-Kommission hat heute die Entwürfe für die geplanten Entscheidungen über die Terminierung in Mobilnetzen vorgestellt (siehe hier, bzw direkt zu den Maßnahmenentwürfen betreffend Hutchison 3G, T-Mobile Austria, Mobilkom bzw One).
Die Entwürfe stehen nun bis 28. September 2007 zur Konsultation; nach der Pressemitteilung der Regulierungsbehörde ist die endgültige Entscheidung Mitte Oktober 2007 zu erwarten.

Die Kernelemente der Maßnahmenentwürfe (insbesondere die vorgesehenen Mobile Termination Rates) sind in der Pressemitteilung sowie in einer Präsentation des Geschäftsführers der Geschäftsstelle der Telekom-Control-Kommission zusammengefasst. Demnach sollen ab 1. Juli 2007 die Mobilterminierungsentgelte im Bereich zwischen 5,91 Cent (Mobilkom) und 11,86 Cent (Hutchison 3G) liegen, ab 1.1.2009 ist ein einheitliches Mobilterminierungsentgelt für alle Netze mit 5,72 Cent vorgesehen.

Inhaltlich muss ich mich aus naheliegenden Gründen (da nicht auszuschließen ist, dass die endgültigen Entscheidungen der Regulierungsbehörde mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden könnten) jeglicher Anmerkung zu den Entwürfen enthalten. Dafür kann ich wieder zwei neue Fachbegriffe in mein Vokabular aufnehmen: den "generischen Gleitpfad" (siehe Seite 9 der Präsentation) und die "generischen gesetzlichen Verpflichtungen" (siehe zB Seite 106 des Mobilkom-Entwurfs).

KEM-V: Hotline für vermisste Kinder

Mit der am 30. August 2007 im Bundesgesetzblatt und auf der Website der RTR-GmbH kundgemachten Änderung der Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdiensteverordnung - (KEM-V) hat die österreichische Regulierungsbehörde nun die Vorgaben der - auf fraglicher Rechtsgrundlage getroffenen (siehe dazu hier) - Entscheidung der Europäischen Kommission über die Reservierung der mit „116“ beginnenden nationalen Nummernbereiche für einheitliche Rufnummern für harmonisierte Dienste von sozialem Wert umgesetzt.

Technisch wurde ein neuer Abschnitt der KEM-V mit der Überschrift "Öffentliche Kurzrufnummern für harmonisierte Dienste von sozialem Wert - 116" geschaffen, für Interessenten an der ersten und bislang einzigen in diesem Bereich verfügbaren "Kurzrufnummer" - 116000 ("Hotline für vermisste Kinder") - besteht ab sofort die Möglichkeit, einen Antrag auf Zuteilung zu stellen.