Thursday, August 30, 2007

Rundfunkfinanzierung: gebührendes Entgelt?

Empfangsbereit? Dann sind Gebühren fällig. Wer eine "Rundfunkempfangseinrichtung" betreibt oder betriebsbereit hält, der muss - nach den näheren Bestimmungen des Rundfunkgebührengesetzes (RGG) - Gebühren bezahlen.

Rundfunkempfangseinrichtungen sind nach § 1 RGG "technische Geräte, die Darbietungen im Sinne des Artikels I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396/1974, unmittelbar optisch und/oder akustisch wahrnehmbar machen."

Für die Gebührenpflicht ist es egal, ob der Empfang über Kabel, Satellit oder terrestrische Antenne erfolgt, und genauso unerheblich ist es, welche Programme empfangen werden können.
Aber die eigentlichen Rundfunkgebühren sind nur ein (verhältnismäßig geringer) Teil dessen, was sogar von der die Gebühren einhebenden Stelle in der Regel als "Rundfunkgebühren" bezeichnet wird. Der größere Teil ist nämlich keine Gebühr, sondern Entgelt: das Programmentgelt nach § 31 ORF-Gesetz. Dieses vom ORF selbst festgelegte Entgelt ist zwar "unabhängig von der Häufigkeit und Güte der Sendungen oder ihres Empfanges" zu zahlen, und es wird auch zusammen mit den eigentlichen Rundfunkgebühren eingehoben, aber es setzt nicht nur voraus, dass es ein empfangsbereites Rundfunkgerät gibt, sondern auch, dass damit der Empfang von ORF-Sendungen möglich ist (vgl Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2001, G 66/00).

Kein möglicher ORF-Empfang - kein Programmentgelt, so die einfache Formel. Dies muss auch gelten, wenn zwar der ORF-Empfang nicht möglich ist, andere (zB einstrahlende ausländische) Programme aber empfangen werden können - in diesem Fall wären dann zwar die Rundfunkgebühren (und die daran geknüpften Kunstförderungs- und Landesabgaben, siehe Details hier) zu entrichten, nicht aber das Programmentgelt.

Ob die Zahlung des Programmentgelts zu einem quasi-vertraglichen Privatrechtsverhältnis zwischen ORF und Rundfunkteilnehmer führt, aus dem auch "vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten" mit den entsprechenden Haftungsfolgen resultieren, hat der Oberste Gerichtshof noch nicht beantwortet: in der Entscheidung vom 6.10.2005, 6 Ob 69/04x, brauchte er auf diese - vom OLG Wien als Berufungsgericht bejahte - Frage nicht einzugehen. Auf ein privatrechtliches Verständnis der Programmentgelte deutet auch die vom OGH in einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung getroffene Entscheidung (8.4.1997, 4 Ob 56/97g), wonach der in "einer Werbeaussage enthaltene Tatsachenkern, daß nämlich der Kläger [ORF] Programmentgelte kassiert, die Beklagte jedoch kein Entgelt von ihren Hörern bezieht," richtig ist.

Zu Fragen der Rundfunkfinanzierung - nicht nur der öffentlich-rechtlichen Veranstalter - findet übrigens, wie schon angekündigt, am 13. und 14. September 2007 das 3. Österreichsiche Rundfunkforum in Wien statt (das endgültige Programm ist nun online). Auch die "Gebührenfinanzierung" ist natürlich Thema dieses Symposions, sowohl aus gemeinschaftsrechtlicher als auch aus österreichischer Sicht.

PS: In Deutschland hat die Gebühreneinzugszentrale (das deutsche Gegenstück zur GIS) zuletzt durch eine eher skurrile Abmahnung für Aufregung gesorgt: ein Online-Dienst sollte damit unter anderem verpflichtet werden, anstelle des Begriffs "Gebührenjäger" folgenden richtigen Ausdruck zu verwenden: "Beauftragtendienst der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten". Ob sich aber Amtsdeutsch wirklich per Abmahnung durchsetzen lässt?

Tuesday, August 28, 2007

Stirb langsam, Abonnent!

"Exklusiv für Abonnenten: Stirb langsam 4.0" - Die Werbung der Wiener Zeitung geht (wie ihr Inhalt) manchmal eigenartige Wege. So ist es auch wenig verwunderlich, wenn sogar der Eigentümer von der "offensichtlich geringen Attraktivität der Wiener Zeitung, die deutlich aus der Zahl der verkauften Exemplare abzulesen ist," spricht (Bundeskanzler Dr. Gusenbauer in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage).
Wie hoch die Zahl der verkauften Exemplare ist, sagt der Bundeskanzler leider nicht; die Wiener Zeitung selbst bewirbt eine Druckauflage von 22.000 Dienstag bis Freitag und 55.000 am Samstag (mit dem Beisatz "ÖAK geprüft", wovon allerdings weder die ÖAK noch der eigene Medienkolumnist etwas wissen dürfte; die ÖAK führt nur das Supplement Wiener Journal, siehe dazu noch unten, mit einer Druckauflage von zuletzt 20.946 Stück).

Zuletzt war die Wiener Zeitung Thema einer ganzen Reihe parlamentarischer Anfragen:
Viel Überraschendes enthalten die Antworten nicht: dass der Bundeskanzler für die Pressefreiheit ist und aus voller Überzeugung zum Verbotsgesetz steht, hätte man sich wohl auch so denken können.
Bisher nicht offengelegt waren allerdings die Zahlen zum Wiener Journal: diese Zeitschrift mit zum Übernahmezeitpunkt 4000 Abonennten (darunter - immerhin! - 1000 zahlenden) und 500 im Einzelverschleiß verkauften Heften wurde im Jahr 2002 um 1,6 Mio Euro übernommen; dafür erlöst dieses nunmehr wöchentlich als Beilage zur Wiener Zeitung vertriebene Journal jährlich rund 150.000 € an Inserateneinnahmen (was nach dem aktuellen Inseratentarif rund drei halben Anzeigenseiten entsprechen würde); was die Herstellung kostet, wurde leider nicht gefragt, aber als neues Profitcenter wird man es wohl eher nicht bezeichnen können.

PS: Zur Wiener Zeitung habe ich schon vor einiger Zeit auch in einem Kommentar der anderen im Standard Stellung genommen.

Rund 90 Mio Euro, das sind 107,5 Mio Euro (laut Telekom Austria)

Kurz vor Weihnachten letzten Jahres wurde der Deal verkündet: Telekom Austria erwirbt "100% des Grundkapitals der operativen Gesellschaften der eTel um einen Kaufpreis von rund 90 Mio. EUR" (so stand es zB in der APA-OTS-Aussendung der Telekom Austria vom 20.12.2006). Ein paar Monate später sind - laut Zwischenbericht der Telekom Austria Group, Ergebnis für das erste Halbjahr 2007 (siehe Seite 24) - immerhin 107, 5 Mio. Euro daraus geworden, also fast 20 % mehr.
Aber das ist immer noch billig im Vergleich zu den xDSL-Angeboten der Telekom Austria. Denn nach dem Zwischenbericht ist der durchschnittliche monatliche Umsatz pro Kunde zwar etwas zurückgegangen, aber mit einem Betrag von 26,5 Mio. Euro bräuchte es eigentlich kaum mehr als vier Monate, bis ein einziger durchschnittlicher xDSL-Kunde den gesamten eTel-Kaufpreis wieder hereinbringt (siehe Bild oben, aus dem Zwischenbericht; dieselbe Zahl findet sich genauso unkorrigiert auch in der OTS-Aussendung zum Zwischenbericht).

Nun, wie Shakespeare sagen würde, "this may be some error, but no madness" (Twelfth Night, Act IV, Scene 3). Doch "midsummer madness" (Shakespeare, ebendort) ist dennoch zu vermelden: Generaldirektor Nemsic sieht nämlich den Wahnsinn in der Regulierung (siehe zB hier). Emotionale Ausbrüche von TA-Vorständen, knapp vor wichtigen Regulierungsentscheidungen (oder auch vor Regulierungspersonalentscheidungen) sind freilich nichts wirklich Ungewöhnliches (siehe nur als Beispiel etwa hier), aber vielleicht sollte man auch im Hinblick auf die Regulierung weniger (nach Hamlet) Wahnsinn mit Methode unterstellen als vielmehr (nach Twelfth Night) "may be some error, but no madness."

PS: Wer mehr Zitate von Shakespeare im Zusammenhang mit Kommunikationsrecht lesen möchte, dem darf ich meine Serie auf content and carrier empfehlen (hier, hier, hier, hier und hier).

PPS (sozusagen als Nachtrag zum vorigen Posting betreffend den ORF): natürlich wurden auch unter der Telekom Austria IP-Range Änderugen in der Wikipedia vorgenommen (allein das ständige Richtigstellen, ob das jetzt Wireline oder Festnetz heißt, siehe zB hier, wäre ja für ganz Außenstehende ziemlich mühsam); wen die Gesamtliste interessiert, hier bitte: Edit-Liste der Telekom Austria IP-Range

Sunday, August 26, 2007

Harald Luiki und Harpo Marx: Wikipedia-Edits von der ORF IP-Range


Was verbindet den ORF-Journalisten Harald Luiki mit Harpo Marx? Die Zahl 194.232.66.25. Unter dieser IP-Adresse - Teil der IP-Range des ORF - wurden nämlich in der (deutschsprachigen) Wikipedia Änderungen an den Einträgen zu beiden Personen vorgenommen. Doch während im Eintrag von Harpo Marx nur ein Rechtschreibfehler korrigiert wurde (siehe hier), gibt es zu Harald Luiki unter dieser IP-Adresse gleich mehr als 20 Änderungen. Irgendein Nutzer, der unter der IP-Range des ORF Wikipedia-Änderungen vornimmt, dürfte also ein ziemliches Interesse an der Wikipedia-Präsenz dieses ORF-Journalisten haben.

Die Suche mit dem WikiScanner nach Wikipedia-Edits, die unter der IP-Range des ORF vorgenommen wurden, ergibt knapp 1000 (genau: 986) Einträge (Gesamtliste hier - dass bei einer Änderung eine ORF IP-Adresse aufscheint, heißt allerdings nicht zwingend, dass sie auch von einer dem ORF zurechenbaren Person vorgenommen wurde - beachte dazu die WikiScanner-FAQs auf der deutschsprachigen Wikipedia-Site!).

Insgesamt aber ergibt sich ein bemerkenswert unspektakuläres Bild: unter der ORF IP-Range wurden viele sachliche Richtigstellungen und Ergänzungen vorgenommen, und man findet nur ganz wenige Schönfärbungen, wie sie Stefan Niggemeier beim Spiegel Online gezeigt hat. Apropos Spiegel Online: zum Thema Falschfahrer war es jemandem aus dem ORF ein Anliegen, dass nicht Spiegel Online, sondern der ORF als Quelle für eine Meldung genannt wird (siehe hier und hier).

Update 24.1.1008: Am Tag nach der Veröffentlichung dieses Postings kam es zu einer interessanten Löschdiskussion zum Beitrag "Harald Luiki" - siehe im Detail hier: Jemand, dem eine ORF-IP zugeordnet war, schrieb: "Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes erbitte ich die Löschung des meine Person betreffenden Eintrags in wikipedia". Ein Diskussionsbeitrag dazu lautete: "in der Artikelhistory ist der ORF (mit gleicher IP wie der Antragssteller) stark bei der Erstellung und dem Aufbau des Artikels vertreten. Hmmm ,Angst vor WikiScanner?" - Ergebnis der Löschdiskussion: "Relevant genug als Person der Zeitgeschichte, bleibt." Bemerkenswert ist übrigens, dass nach dem Ergebnis einer Wikiscanner-Abfrage seit August 2007 keine Edits mehr unter der ORF-IP-Range vorgenommen wurden.

Zurück im Netz

Nach einem Urlaub, in dem ich mich aus den elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten weitgehend ausgeklinkt habe (siehe oben), bin ich nun wieder eingetaucht in die Netze der Stadt (siehe unten) - und habe natürlich auch gleich einmal das aktuelle Spielzeug der Blogosphäre ausprobiert: den WikiScanner. Im nächsten Post: von Fischstäbchen und Fernsehen, und von der neuen fröhlichen Art der Interviews - Wikipedia-Edits von der ORF IP-Range.

Saturday, August 04, 2007

Agenda Setting für September: Linz / Wien / Salzburg

In Linz beginnt's in diesem September - wie schon angekündigt findet das Symposion Goodbye Privacy - Grundrechte in der digitalen Welt der Fachgruppe Grundrechte der Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter in Verbindung mit dem Ars Electronica Festival am 5. und 6. September 2007 in Linz statt. Anmeldung ist noch möglich - Näheres siehe hier. Ich freue mich auf eine spannende Veranstaltung - mit ReferentInnen von Joi Ito bis Maria Berger!

Nur eine Woche später findet am 12. und 13. September 2007 das 3. Rundfunkforum in Wien statt, veranstaltet vom Forschungsinstitut für das Recht der elektronischen Massenmedien (REM). Höchst aktuelles Generalthema dieses Jahr ist das Recht der Rundfunkfinanzierung - mit ReferentInnen aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Österreich, unter anderem Univ. Prof. Dr. Rolf H. Weber (Universität Zürich), Univ. Prof. Dr. Christoph Degenhart (Leipzig), Generalsekretärin Dr. Verena Wiedemann (ARD Berlin) und Univ. Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink (Universität Salzburg).

Und vom 24. bis zum 25. September 2007 schließlich gibt es in Salzburg wieder das schon traditionelle herbstliche Telekomforum, eine Kooperation von Universität Salzburg, Europäischer Kommission und RTR. Eine Vorankündigung dazu findet sich im letzten Newsletter der RTR, das definitive Programm wird wohl in Kürze ebenfalls auf der RTR-Website verfügbar sein. Das Telekomforum steht unter dem Motto „Neue regulatorische Herausforderungen im Bereich der elektronischen Kommunikation“, unter anderem gibt es Beiträge zur Frequenzpolitik (von Redings Kabinettchef Rudolf Strohmeier) und zur strukturellen Trennung (dazu spricht Thomas Eilmansberger, Professor an der Universität Salzburg und Sonderberater der Kommission); die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte wird von Wolf-Dietrich Grussmann analysiert und mir bleibt der Beitrag zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

BGBl II 2007/188: Branchenspezifische Kundenanliegen

Auch das gibt es: Rechtsvorschriften, aus denen man erfahren kann, was "branchenspezifische Kundenanliegen" im Bereich der Telekommunikation sind: die "Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der die Einzelhandels-Ausbildungsordnung zwecks Einrichtung eines Schwerpunkts Uhren- und Juwelenberatung sowie eines Schwerpunkts Telekommunikation geändert wird" wurde am 1. August 2007 mit BGBl II 2007/188 kundgemacht. Sie beschreibt, was Einzelhandels-Lehrlinge mit Schwerpunkt Telekommunikation im Rahmen ihrer Ausbildung so alles zu lernen haben. Ab dem zweiten Lehrjahr zählt dazu auch

"Beratung und Servicierung der branchenüblichen Kundenanliegen (zB SIM-Karten tauschen, Sperren, Reparaturannahmen, Auskunft über Tarife und Einzelgesprächsnachweise, usw.)"


Vielleicht soll man also die Hoffnung, irgendwann einmal vernünftige Auskünfte zu den Tarifen zu bekommen, noch nicht aufgeben: doch bis die ersten Lehrlinge ihre Ausbildung abschließen, wird es noch etwas dauern.

Wednesday, August 01, 2007

Handy-TV / unabhängige Regulierungsbehörden

Heute - am 1. August 2007 - treten die Novellen zum Privatfernsehgesetz und ORF-Gesetz in Kraft, mit denen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für "mobiles terrestrisches Fernsehen" - aka: Handy-TV - geschaffen werden (BGBl I 2007/52, zur Vorgeschichte s auch hier und hier).

Zugleich wurde auch das KommAustria-Gesetz geändert, um dem VfGH-Erkenntnis betreffend die Werbebeobachtung (s dazu hier) Rechnung zu tragen.

Daneben gibt es wieder einmal Missverständliches in der unendlichen Geschichte zur unabhängigen (Rundfunk)Regulierungsbehörde. Ein APA-Interview mit Medienministerin Bures wird in der Wiener Zeitung folgendermaßen paraphrasiert:

"Die Schaffung einer neuen unabhängigen Medienbehörde begründet Bures einzig und allein mit der Einführung von EU-Standards. Damit soll eine EU-Fernseh-Richtlinie umgesetzt werden, nach der die Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit ihrer Regulierungsbehörden zu gewährleisten haben. Bures bestätigte, dass die jetzige Struktur mit dem Bundeskommunikationssenat für den ORF und der KommAustria nicht EU-konform sei."

Mit "EU-Standards" sollen hier offenbar die Standards nach der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates, REC 2000(23), zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden angesprochen werden. Und dass die EU-Fernseh-Richtlinie (gemeint wohl: ihre vorgesehene Änderung) von den Mitgliedstaaten die Gwährleistung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden fordere, ist nicht mehr aktueller Stand. Zwar hatte der Vorschlag der Kommission eine entsprechende Bestimmung (Art 23b) enthalten, in der politischen Einigung über den gemeinsamen Standpunkt vom 24. Mai 2007 wurde gerade diese Bestimmung aber wieder fallen gelassen. Soweit derzeit absehbar, wird es also auch mit der Neufassung der Fernseh-RL keine verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorgabe für die Unabhängigkeit der Rundfunkregulierungsbehörde (im Sinne von Weisungsfreiheit) geben (s dazu auch die Zusammenstellung über gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für Regulierungsbehörden zum Stand von Februar 2007).