Wednesday, December 23, 2009

Gegen Jahresende: Zeit zur europäischen Ermunterung

Abschalten war letztes Jahr, heuer ist die Zeit der Ermunterung gekommen. Wenn man über die Jahre hinweg die Amtsblätter der EU verfolgt, dann erfährt man so manche Ermunterung ("Die Kommission ermuntert", "Der Rat ermuntert", etc.), zum Beispiel dazu
  • bewährte Praktiken zu ermitteln und auszutauschen
  • Partnerschaften zu schließen und Dialograhmen zu entwickeln
  • Arbeit als Möglichkeit anzusehen, das Leben nach eigenen Wünschen zu gestalten
  • gemeinsam einen realistischen Zeitplan festzulegen
  • nach Wegen für Effizienzsteigerungen zu suchen
  • sich am Konsultationsprozess zu beteiligen
  • sich in Gruppen zusammenzuschließen
  • nach neuen, besseren Lösungen zu suchen
  • neue Wege der Zusammenarbeit zu gehen
  • die Ko-Modalität und fortgeschrittene Technologien zu nutzen
  • den Austausch bester Praktiken weiter zu verstärken
  • Empfehlungen unverzüglich umzusetzen
  • sich in Informationskampagnen zu engagieren
... und zu vielem mehr (einige Beispiele mit Verlinkung zu den Quellen habe ich hier zusammengefasst)

Der Jahreswechsel ist eine gute Zeit, diese Ermunterungen aufzunehmen und weiterzugeben - was mit diesem Dokument geschehen soll.

Tuesday, December 22, 2009

Noch mehr zu lesen: positiver Public Value Test für "Canvas"

Der Amsterdam-Test - egal in welcher regionalen Ausprägung, ob "Public Value Test" (UK), "Drei Stufen-Test" (D) oder "Auftragsvorprüfung" (so wohl demnächst in Österreich, siehe §§ 6 bis 6b ORF-G in der Entwurfsfassung) - ist mit ziemlich hohem bürokratischen Aufwand verbunden und sorgt immer für genügend Nachschub an Lesestoff. 

Anschaulich zeigt sich das aktuell wieder am Projekt "Canvas", einem Joint Venture von BBC, ITV, BT, Five, Channel 4 und TalkTalk zur Entwicklung eines Standards für einen auf dem Internetprotokoll basierenden TV-Standard (so wird das in den Medien beschrieben; die offizielle Umschreibung im Glossar zum Market Impact Assessment lautet: "A joint venture intended to develop and promote a standards-based open environment for internet-connected digital television devices").

Heute hat der BBC Trust den Public Value Test für dieses Angebot (vorläufig) positiv abgeschlossen, und wenn man das nachvollziehen will, gibt es im Wesentlichen folgende Dokuemten zum Lesen: das Market Impact Assessment (171 Seiten), das Public Value Assessment (164 Seiten) und die eigentliche Entscheidung, die vorläufigen Schlussfolgerungen (33 Seiten); ergänzend kommen dazu noch fünf Studien bzw Erhebungen: Opinion Leader Umfrage (55 Seiten), Omnibus Umfrage (5 Seiten), TV Model Report (70 Seiten), VOD Report (21 Seiten) und ISP report (71 Seiten).

Monday, December 21, 2009

Vermischte Lesehinweise (3)

  • Wer schon immer wissen wollte, welche Aufgaben der Unternehmenssprecher des ORF hat, kann diese in einem nunmehr veröffentlichten Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 7.12.2009 nachlesen. Nachlesen ist auch ein gutes Stichwort, denn zu den Aufgaben von "P.S." (so die "Anonymisierung" im Bescheid) zählt auch die Herausgabe der "Nachlese" und in diesem Bereich etwa die Cover-Abnahme und die Kontaktaufnahme und Kontaktpflege zu Interviewpartnern, Redaktionen und Sponsoren. Anlass der Auseinandersetzung vor dem Bundeskommunikationssenat war die Aufnahme von P.S. in die Liste der für die Redakteurssprecherwahlen wahlberechtigten journalistischen Mitarbeiter im Sinne des § 32 Abs 3 ORF-Gesetz. Der BKS konnte "keine Anhaltspunkte erkennen, dass P.S. Tätigkeiten in nicht nur unbedeutenden Ausmaß ausüben würde, die ... den durch das ORF-G verwirklichten besonderen Schutz der Freiheit der Berufausübung notwendig machen oder konkret journalistische Tätigkeiten im Sinne der gesetzlichen Regelungen darstellen würden." (siehe zum BKS-Bescheid auch den Bericht in der Presse).
  • Keine Woche vergeht, ohne dass die britische Regulierungsbehörde eine Konsultation startet; aktuell interessant finde ich die Konsultation zum Handling von Kundenbeschwerden: A Review of Consumer Complaints Procedures, die auch mit interessanten empirischen Daten aufweisen kann (zB den erhobenen "levels of stress" oder "levels of worry" für Kunden, die eine Beschwerde vorbringen). Marktanreize für besseres Kundenservice sind offenbar gering: "The evidence suggests that providers’ incentives to compete on the basis of customer service are not proving sufficient to ensure that individuals will receive satisfactory treatment from their provider when they try to pursue a complaint."
  • Ebenfalls von Ofcom: die neuen Verhaltensregeln ("standards in programmes, sponsorship, fairness and privacy") für Rundfunkveranstalter: der Revised Ofcom Broadcasting Code, in Kraft seit 16.12.2009 dient teilweise auch der Umsetzung der RL über Audiovisuelle Mediendienste. Viele lesenswerte Regeln, mir gefällt zB die Regel 2.8.: "Demonstrations of exorcism, the occult, the paranormal, divination, or practices related to any of these ... must not contain life-changing advice directed at individuals. (Religious programmes are exempt from this rule ...)."
  • Nochmals ein Beispiel dafür, dass die britische Rundfunkaufsicht durchaus ins Detail geht: 38 Seiten über die Beschwerde eines Hundezüchterverbandes, der sich in einer BBC-Sendung unfair behandelt fühlt, im Ofcom Broadcast Bulletin, Issue 148 (ab Seite 20).
  • Am 8.12.2009 starb Ed Baker, "a leading scholar in the fields of constitutional law, communications law and free speech", wie es im Nachruf seiner Universität heißt (weitere Beiträge dazu zB von Jack Balkin, Marvin Ammori und Michael Dorf). Auch in Europa bekannt wurde Baker vor allem durch seine Bücher Human Liberty and Freedom of Speech (1989) und Media, Markets, and Democracy (2001). Lesenswert sind insbesondere auch seine online verfügbaren Arbeiten zur Medienkonzentration: Media Structure, Ownership Policy, and the First Amendment, Media Concentration: Giving Up on Democracy und Viewpoint Diversity and Media Ownership; wer einen schnellen Einblick in das Denken von Ed Baker bekommen will, dem sei "Three Cheers for Red Lion" empfohlen (ein kurzer Vortrag, für dessen Verständnis man das Red Lion-Urteil des US Supreme Court zur sogenannten Fairness-Doktrin nicht unbedingt gelesen haben muss)
  • In einem gewissen Zusammenhang mit den Arbeiten Ed Bakers kann man die Statements von Marvin Ammori Net Neutrality and the 21st Century First Amendment  und Jack Balkin (Remarks at FCC Workshop on Speech, Democratic Engagement, and the Open Internet) sehen.
  • Die ERG hat einen Bericht zur technischen Replizierbarkeit bei Bündelangeboten veröffentlicht.
  • Die RTR hat Informationen zur Programmanalyse 2009 der österreichischen Fernsehvollprogramme bereitgestellt.
  • Breitband-Statistiken der OECD-Mitgliedstaaten findet man im OECD Broadband Portal.
  • Das Institut für Journalismus und Medienmanagement der FH Wien hat eine Website mit Informationen zum Public Value-Forschungsprojekt eingerichtet: www.public-value.at.

Friday, December 18, 2009

Das Telekompaket im Amtsblatt

Heute treffen sich unter schwedischer Ratspräsidentschaft die für Telekommunikation zuständigen Minister, um über die Post-i2010-Strategie zu diskutieren, höchst allgemeine Schlussfolgerungen zur Mitteilung über die Digitale Dividende zu ziehen und eine Entschließung über ein kooperatives europäisches Vorgehen im Bereich der Netz- und Informationssicherheit (NIS) anzunehmen. Wahrscheinlich wird auf ihren Tischen dann auch ein Exemplar des heutigen Amtsblattes liegen, in dem der Abschluss des größten Legislativprojekts der letzten Jahre im Telekom-Paket dokumentiert ist. Hier die Links zur amtlichen Veröffentlichung:

Ebenfalls heute im Amtsblatt ist der Beschluss 2009/978/EU der Kommission vom 16. Dezember 2009 zur Änderung des Beschlusses 2002/622/EG zur Einrichtung einer Gruppe für Frequenzpolitik sowie (im ABl C) die Erklärung der Kommission zur Netzneutralität (die auch als Anhang zur RL 2009/140/EG abgedruckt ist).

Das Übersichtsdokument über die wichtigsten Rechtsgrundlagen des Telekomrechts habe ich aktualisiert.

Thursday, December 17, 2009

Qualitätsnormen für Stiftungsratsmitglieder? Vielleicht keine so schlechte Idee

Es ist schon einige Zeit her, da glaubte Klaus Pekarek, Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates, noch daran, dass ein Corporate Governance-Kodex des ORF "Qualitätsnormen für Stiftungsratsmitglieder" (sic!) bringen könnte (dazu hier). Aber dieser Kodex, an dem eine Stiftungsrats-Arbeitsgruppe angeblich von 2006 bis 2008 gearbeitet hat, ist heute noch immer nicht beschlossen.

Und so kann es weiter sein, dass es es nach Auffassung (auch) von Stiftungsratsmitgliedern "in den Aufsichtsgremien an fachlicher Kompetenz" fehlt, dass zumindest eines dieser Stiftungsratsmitglieder Maßnahmen zugestimmt hat, die nach eigener Auffassung "dem ORF untragbare finanzielle Lasten gebracht" haben (dazu hier), und dass dasselbe Stiftungsratsmitglied im Hinblick auf die ORF-Tochtergesellschaften eingestehen kann, von nichts zu wissen (dazu hier). Ausgerechnet dieses Stiftungsratsmitglied will sich nach Pressemeldungen jetzt "anschauen, wie er [der heute überraschend bestellte neue Kaufmännische Direktor des ORF, für dessen Bestellung sie selbst gestimmt hat] der Aufgabe gewachsen ist" (hätte sie Zweifel gehabt, ob der neue Kaufmännische Direktor der Aufgabe gewachsen ist, hätte sie seiner Bestellung natürlich nicht zustimmen dürfen).

Und wiederum dasselbe Stiftungsratsmitglied sieht im Begutachtungsentwurf für eine ORF-Gesetznovelle ein "Giftpaket im Sinne eines freien Rundfunks" (sprachlich ist eigentlich nicht ganz klar, ob sie den "freien Rundfunk" als Gift sieht, oder ob sie eher meint, dass der Gesetzesentwurf Gift für den freien Rundfunk sei). Zitat aus Horizont:
"Sie kritisierte vor allem, dass der Stiftungsrat künftig Kompetenzen an die Medienbehörde abtreten müsse, die noch dazu ausschließlich mit Juristen beschickt sein soll. 'Ich glaube, dass der ORF mit so einem Staatsjuristenfunk einen enormen Nachteil hat', so Rabl-Stadler. Die VP-nahe Stiftungsrätin befürchtet, dass der ORF künftig 'noch schwerfälliger' wird, wenn wichtige Beschlüsse künftig die Zustimmung von Juristen brauchen."
Nun könnte man einwenden, dass es viel schwerfälliger als im Stiftungsrat (der es zum Beispiel in über drei Jahren nicht schafft, einen einfachen Corporate Governance-Kodex fertig zu bringen) wohl kaum mehr gehen könnte. Aber im Ernst: so sehr man über die konkrete Ausgestaltung der Behörde und die Anforderungen an ihre MitarbeiterInnen diskutieren kann ("agency design" ist ohnehin eines meiner Lieblingsthemen), so schwer ist es zu verstehen, wenn ein Mitglied des Stiftungsrats, das die rechtlichen Rahmenbedingungen der Tätigkeit des ORF kennen sollte, offenbar der Auffassung ist, die Stiftungsratskompetenzen könnten ohne Verstärkung der behördlichen Aufsicht so bleiben wie bisher. Diese Lektüre könnte helfen (aber vielleicht verstehen das auch nur Staatsjuristenfunker).

PS: die schöne Wortschöpfung "Staatsjuristenfunk" (jedenfalls bei Google bis zur heutigen Wortmeldung dieses Stiftungsratsmitglieds unbekannt) dürfte eine Zusammenführung der Worte Juristenrundfunk und Staatsrundfunk sein, die beide von Wolfgang Langenbucher in einem vor kurzem flächendeckend (Presse, Falter [nicht online], Standard) verbreiteten Kommentar verwendet wurden. Langenbucher, Sprecher der selbsternannten ORF-Retter, denen auch dieses Stiftungsratsmitglied angehört, sieht im "neuen Bundesgesetz", das bei ihm 150 Seiten hat (er meint den Entwurf und zählt offenbar die Erläuterungen dazu) eine "kommunikationspolitische Katastrophe", die seiner Ansicht nach irgendwie damit zusammenzuhängen scheint, dass sich der Bundeskanzler - den verfassungsmäßigen Vorgaben entsprechend - über die Tätigkeit der Regulierungsbehörde unterrichten kann (für den Bundeskommunikationssenat wurde dieses Informationsrecht übrigens schon im Nationalrat beschlossen; morgen wird der Bundesrat beschließen, keinen Einspruch zu erheben).

EGMR zum Schutz journalistischer Quellen

Kann einem Medienunternehmen aufgetragen werden, ihm zugespielte vertrauliche Informationen herauszugeben, damit das vom Vertrauensbruch betroffene Unternehmen den Verräter ausforschen kann? Mit dieser Frage hatte sich der EGMR in seinem Urteil vom 15. Dezember 2009, Financial Times and others v. United Kingdom (Application no. 821/03) zu befassen.

Hintergrund der Entscheidung war, dass im Jahr 2001 in England der Financial Times und anderen Zeitungen ein vertrauliches (und teilweise unrichtiges) Dokument über ein geplantes Übernahmeangebot von Interbrew (nunmehr Anheuser-Busch InBev) gegenüber South African Breweries zugespielt wurde. Interbrew klagte - nach einem vergeblichen Versuch, mit Unterstützung durch ein Sicherheitsunternehmen die Quelle des Leaks zu finden - die Zeitungen auf Herausgabe der zugespielten Unterlagen und gewann vor den britischen Gerichten. Der EGMR sah darin eine Verletzung des Art 10 EMRK. Dass der Informant allenfalls schlechtgläubig war oder in Schädigungsabsicht handelte, wäre nach Ansicht des EGMR allein nicht ausreichend, um ihm den Schutz der Anonymität zu versagen:
"While it may be true that the public perception of the principle of non-disclosure of sources would suffer no real damage where it was overridden in circumstances where a source was clearly acting in bad faith with a harmful purpose and disclosed intentionally falsified information, courts should be slow to assume, in the absence of compelling evidence, that these factors are present in any particular case. In any event, given the multiple interests in play, the Court emphasises that the conduct of the source can never be decisive in determining whether a disclosure order ought to be made but will merely operate as one, albeit important, factor to be taken into consideration in carrying out the balancing exercise required under Article 10 § 2."
Und der chilling effect darf natürlich auch nicht vergessen werden: "the Court emphasises that a chilling effect will arise wherever journalists are seen to assist in the identification of anonymous sources."
(Siehe zum Schutz der journalistischen Quellen auch das Urteil vom 27. November 2007, Tillack gegen Belgien, Appl. No. 20477/05, und das Urteil vom 22. November 2007, Voskuil gegen Niederlande Appl. No. 64752/01; dazu im Blog hier).

In Österreich sieht das Mediengesetz in § 31 ("Schutz des Redaktionsgeheimnisses") vor, dass Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes das Recht haben, "in einem Strafverfahren oder sonst in einem Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde als Zeugen die Beantwortung von Fragen zu verweigern, die die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen oder die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen betreffen." Ausdrücklich geregelt ist auch, dass dieses Recht nicht umgangen werden darf, "insbesondere dadurch, dass dem Berechtigten die Herausgabe von Schriftstücken, Druckwerken, Bild- oder Tonträgern oder Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen mit solchem Inhalt aufgetragen wird oder diese beschlagnahmt werden."

Wednesday, December 16, 2009

Micky Maus-Geschichte: Ein Copyright-Experte für den ORF-Stiftungsrat?

Gestern - gleich nachdem Mitglieder der Kärntner Landesregierung auch sonst "staatspolitische Verantwortung übernommen, Verhandlungsgeschick bewiesen und somit die H. [ein hier anonymisiertes, systemrelevantes Unternehmen] gerettet" haben - befasste sich die Kärntner Landesregierung mit weiteren wichtigen und dringenden Staatsgeschäften: der Bestellung eines Mitglieds des ORF-Stiftungsrats (jedes Bundesland darf ein Mitglied bestellen, die Funktionsperiode des derzeitigen Stiftungsrats endet im kommenden Februar). Der bisherige Kärntner Vertreter und zugleich Vorsitzender des Stiftungsrats, Klaus Pekarek, wurde - darauf legt er wert - "nicht abgesetzt", sondern stand einfach nicht mehr zur Verfügung. Statt ihm wurde der Hotelier Siggi Neuschitzer bestellt, der laut Presseaussendung der Landesregierung "umfassendes Wissen über die nationale und internationale Medienlandschaft sowie PR Know-how" mitbringt. [Update 31.01.2011: mehr als ein Jahr hat es gedauert, bis dieses Wissen und Know-how endlich an die Öffentlichkeit gekommen ist - hier]

Auf dem Foto links (das Foto stammt nicht von mir, sondern vom Kärntner Landespressedienst/Mandl) ist Siggi Neuschitzer schon mit einem ORF-Mikrofon in der Hand zu sehen, bei der Verleihung des "Ehrenrings der Stadt Gmünd" an ORF- Landesdirektor Haslitzer am 1.10.2009. Und weil die Verwendung des Fotos "nur im Zusammenhang mit der gegenständlichen Presseaussendung gestattet" ist, weise ich natürlich gerne auf diese Presseaussendung hin ("LH Dörfler bei 'Österreichbild'-Vorpräsentation und Ehrenringverleihung an Willy Haslitzer").

Siggi Neuschitzer ist in der internationalen Presse bisher vor allem mit einem wirklichen Micky Maus-Thema aufgefallen: nachdem in der Kirche in der Gemeinde Malta ein Fresko freigelegt wurde, auf dem unter anderem "ein Geschöpf mit großen runden Ohren und einer Spitznase" zu sehen ist, verkündete er laut Zeitungsbericht:
"This fresco proves that Mickey Mouse is a true Austrian and was not born in Hollywood ... The similarity to Mickey Mouse is so astounding that Disney could lose its world-wide copyright."
Der Londoner Anwalt Matthew Dick sah die Aussichten dafür freilich nicht günstig:
"It is unlikely, however, that Herr Neuschitzer's arguments that Disney could lose its world-wide copyright in the character will be met with much academic regard."
Da hat er sicher recht, aber die Geschichte mit dem Copyright war wohl nicht ernst gemeint - und für den Tourismus wird die kurze internationale Aufmerksamkeit nicht schlecht gewesen sein.

PS: in den Kommentaren zum orf.at-Bericht über die Bestellung des neuen Stiftungsratsmitglieds kommt auch das Wort "Versorgungsposten" vor; die Mitgliedschaft im Stiftungsrat ist aber ein Ehrenamt, zur Versorgung also vollkommen ungeeignet!

Monday, December 14, 2009

Ein Schwein braten, um das Haus niederzubrennen: "FCC Scholar in Residence" zur Rundfunkregulierung

Stuart Minor Benjamin, Professor an der Duke Law School, wurde letzte Woche zum ersten "Distinguished Scholar in Residence" in der FCC ernannt. Er wird dort, so die FCC-Aussendung, "on spectrum reform, First Amendment issues, and long-term strategy" arbeiten. Terrestrische Fernsehveranstalter werden damit wenig Freude haben: Benjamin spricht sich nämlich dafür aus, die terrestrische Verbreitung von Fernsehprogrammen überhaupt einzustellen. Dazu hat er schon 2004 einen längeren Aufsatz geschrieben, mit dem Titel: "Evaluating the FCC's National Television Ownership Cap: What's Bad for Broadcasting is Good for the Country". Jüngst hat er mit einer kurzen Polemik noch einmal nachgelegt. In "Roasting the Pig to Burn Down the House: A Modest Proposal" spricht er sich für eine Regulierung aus, die den terrestrischen Rundfunkveranstaltern solche Lasten auferlegt, dass sie den Sendebetrieb einstellen. Aus dem Abstract:
"This essay addresses the question whether one should support regulatory proposals that one believes are, standing alone, bad public policy in the hope that they will do such harm that they will ultimately produce (likely unintended) good results. For instance, one may regard a set of proposed regulations as foolish and likely to hobble the industry regulated, but perhaps desirable if one believes that we would be better off without that industry. I argue that television broadcasting is such an industry, and thus that we should support new regulations that will make broadcasting unprofitable, to hasten its demise. ...Ideal regulations for this purpose are probably those that are pure deadweight loss - regulations that cost broadcasters significant amounts of money but have no impact on their behavior."
Benjamin prägte den Begriff der "desirably inefficient regulation", und er bringt auch Beispiele dafür, wie zB besondere Aufzeichnungspflichten, Berichtspflichten oder Vorschriften zum Kinderprogramm. Derzeit schreibt die FCC nur 3 Stunden Kinderprogamm pro Woche vor, schreibt Benjamin:
"Why not increase that to 15 or 25 hours per week? There will be tons more programming aimed at educating children, and it will reduce the viewership of broadcasting and thus hasten the demise of broadcasting – what I would regard as a win-win."
Ob er das alles wirklich ernst meint?
"Not entirely, but mostly. I do think that society would benefit if the wireless frequencies currently devoted to broadcast could be used for other services, and the first-best ways of achieving that goal may not be realistic. I am proposing a second-best - a fairly cynical second-best, but a second-best all the same. I would prefer not to go down this path, but if that is the only way to hasten the shriveling of television broadcasting's spectrum usage, then it is probably a path worth taking."
Wie schon zu seinem längeren Beitrag aus 2004 kann man auch zu dieser Polemik durchaus substantielle Einwände vorbringen, aber es ist jedenfalls ein erfrischend direkter Zugang, der das angestrebte Ziel klar auf den Punkt bringt. Bei der Lektüre muss man freilich auch berücksichtigen, dass sich die US-amerikanische Situation von der europäischen - und speziell auch der österreichischen - Situation in vieler Hinsicht deutlich unterscheidet (Stichworte zB: Bedeutung politischer Werbung, öffentlich-rechtliche Programme, verschiedene Regulierungstiefe bei terrestrischen und Kabel/Sat-Programmen, geographische Lage, Frequenzkoordinationsfragen, etc.).

Hinweisen möchte ich noch auf einen weiteren, schon etwas älteren Artikel von Benjamin ("The Logic of Scarcity: Idle Spectrum as a First Amendment Violation"), in dem er die Auffassung vertritt, dass es eine Verletzung des "First Amendment" (Redefreiheit) darstellt, wenn die Regierung den Zugang zu nicht genutzten Frequenzen nicht öffnet.

PS: wer morgen, 15.12.2009, um 19 Uhr MEZ, Zeit hat, kann sich auf www.openinternet.gov den Workshop "Speech, Democratic Engagement, and the Open Internet" der FCC anschauen, mit Stuart M. Benjamin als Moderator und unter anderem Jack Balkin von Balkinization unter den Teilnehmern.

PPS: Das mit dem Braten des Schweins ist ein merkwürdiges Bild; Stuart Benjamin verweist darauf, dass der Supreme Court öfter festgestellt hat, "that some regulations, particularly in the speech context, may have such far-reaching negative consequences that they amount to burning the house to roast the pig." Wenn ich Benjamin richtig verstehe, vergleicht er dann offenbar die Rundfunkregulierung mit dem Braten des Schweins, das zum (aus seiner Sicht erwünschten) Niederbrennen des gesamten terrestrischen Fernsehens führt.

Saturday, December 05, 2009

Nicht einmal ein Rückzugsgefecht: das stille Ende der "Internetoffensive"

Sie könnte einem fast leid tun: die "Internetoffensive Österreich", jener "Schulterschluss aller Stakeholder der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) aus Unternehmen, Interessensvertretungen, wissenschaftlichen Einrichtungen und Organisationen", der Vorschläge für eine landesweite IKT-Strategie erarbeiten wollte, "um Österreich langfristig unter den führenden IKT-Nationen zu positionieren."

Alle Stakeholder haben sich da also zusammengetan, und das bislang einzige sichtbare Ergbnis - neben drei Presseaussendungen - ist eine seit genau einem Jahr nicht mehr aktualisierte Website (letzte "News": 5.12.2008, letzter angekündigter Termin: 25.11.2008). Die angeblich seit mehr als einem Jahr fertige sogenannte "ÖSTERREICHISCHE INTERNETDEKLARATION" (im Original nicht nur in Großbuchstaben, sondern auch in fetter Schrift - es fehlen bloß noch ein paar Rufzeichen und ein Hintergrund in Leuchtfarbe) ist nach wie vor bestens gehütetes Geheimnis, auch wenn im Kommunikationsbericht 2008 der RTR-GmbH davon die Rede war, dass das "Redaktionsteam der RTR-GmbH ... als sichtbares [!] Ergebnis dieser Offensive eine Internetdeklaration verfasst" habe.

Nun kann man natürlich von einer Internetoffensive, die mit der Übergabe eines USB-Sticks begonnen hat, nicht unbedingt erwarten, dass das Web erste Priorität hat, aber wenn ein Schulterschluss aller Stakeholder der IKT in Österreich nicht mehr zustandebringt als eine (durchaus professionell gemachte, aber ziemlich statische) Seite, die seit einem Jahr nicht mehr gewartet wird, laut statbrain gerade einmal auf geschätzte 137 visits pro Tag kommt und für die Google 6 Links ausweist (davon drei von mir), dann spricht das nicht für eine ernsthafte Offensive, nicht einmal für eine Defensive, sondern - im militärischen Jargon bleibend - eher für eine bedingungslose Kapitulation.

Bisher zur Internetoffensive in diesem Blog: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7

Friday, December 04, 2009

Habemus Charta? Wenn Journalisten die Kommission "einschalten"

Es ist faszinierend: 48 Journalisten schreiben zehn "Grundsätze für die Freiheit der Medien gegenüber staatlichen Eingriffen" zusammen, nennen das Ergebnis "Europäische Charta für Pressefreiheit", teilen es der Europäischen Kommission (und dem Europarat) mit, machen einen Fototermin mit der Ex-Journalistin und Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, Viviane Reding, diese veröffentlicht eine ihrer üblichen Pressemitteilungen ("Diese Charta ist also ein wichtiger Schritt ...") - und schon nehmen die Unterzeichner der "Charta" an, "dass die EU-Kommission diese Charta selbst respektieren und aktiv dazu beitragen wird, ihr in ganz Europa Geltung zu verschaffen."

Das war im Mai bzw. Juni dieses Jahres und war aus meiner Sicht nicht weiter bemerkenswert - bis ich nach der Nichtverlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Brender (mehr dazu bei Telemedicus) nun die Schlagzeile las: "Journalisten schalten EU-Kommission ein" (Pressemitteilung bei Gruner+Jahr). Tatsächlich: "17 deutsche Erstunterzeichner" der Charta sind offenbar ernsthaft der Ansicht, sie könnten wegen eines behaupteten "flagranten Verstoßes" gegen die selbstgestrickte Charta nun die Kommission "einschalten", weil sie ihr die Charta "offiziell notifiziert" (!) haben.

Die Vorgangsweise bei der Nichtweiterbestellung des ZDF-Chefredakteurs kann man wahrscheinlich - ich will mir diesbezüglich keine Beurteilung anmaßen - politisch und auch rechtlich mit guten Gründen kritisieren. Aber ist die "Einschaltung" der EU-Kommission - die evident keinerlei Zuständigkeit im Zusammenhang mit Personalbesetzungen bei einer deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt hat - unter Berufung auf ein vages selbstverfasstes Dokument nicht geradezu ein dramatisches Signal der Hilf- und Ahnungslosigkeit dieser Chefredakteure und "leitenden Journalisten"? Oder geht es bloß darum, den Anschein großer Dramatik ("Brüssel! Kommission!") zu erwecken, anstelle der Angelegenheit ernsthaft und nachhaltig mit den den Unterzeichnern offen stehenden publizistischen Mitteln auf den Grund zu gehen oder gegebenfalls auch rechtlich zielführendere Aktionen zu überlegen?

Die "Europäische Charta für Pressefreiheit" kann man als journalistische Deklaration ansehen, in der in freier Assoziation verschiedene dem Grunde nach wünschenswerte Ansätze zum Ausdruck gebracht werden. Als rechtsförmiger Text, aus dem sinnvoll Ansprüche abgeleitet werden könnten, eignet sie sich aber nicht (selbst wenn man annehmen wollte, dass ihr grundsätzlich Rechtswirkung zukommen könnte):
Wer zB - mit Artikel 3 der "Charta" - meint, das Recht von Journalisten und Medien zum Sammeln und Verbreiten von Informationen und Meinungen dürfe nicht eingeschränkt werden, dürfte verdrängt haben, dass es auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der vom "Sammeln und Verbreiten" von Informationen Betroffenen gibt (zB das Privatleben, die Ehre, der gute Ruf; vgl. etwa hier zum EGMR-Urteil im Fall Pfeifer). Dass die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht auf Schutz der Ehre bzw. des Privatlebens nicht immer leicht fällt und die Urteile des EGMR nicht immer ganz konsistent erscheinen mögen, heißt noch lange nicht, dass man auf jede Abwägung verzichten könnte, wie dies aber die absolute Formulierung der "Charta" vorsieht.

Thursday, December 03, 2009

EuGH beendet deutsche Regulierungsferien

Wahrscheinlich haben nicht einmal die üblichen einschlägigen Gutachter wirklich daran geglaubt, dass der EuGH der "eines Winkeladvokaten würdigen" (so Kommissarin Reding) deutschen Argumentation im Streit um die "Regulierungsferien" (§ 9a deutsches TKG) folgen würde. Tatsächlich ist es schwer erklärbar, wie  eine "grundsätzliche" Freistellung neuer Märkte von der Regulierung (von der die Regulierungsbehörde nur unter engen gesetzlichen Vorgaben abweichen dürfte) mit den Vorgaben der RahmenRL vereinbar sein könnte, nach denen es allein der nationalen Regulierungsbehörde obliegt, die der Regulierung unterliegenden Märkte abzugrenzen, zu analysieren und das von den Regulierungszielen geleitete Ermessen bei der Auferlegung spezifischer Verpflichtungen auszuüben.

In seinem heute verkündeten Urteil in der Rechtssache C-424/07 Kommission / Deutschland hat der EuGH demnach erwartungsgemäß auch festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch den Erlass von § 9a des deutschen TKG gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 4 der ZugangsRL, aus den Art. 6 bis 8 Abs. 1 und 2, Art. 15 Abs. 3 und Art. 16 der RahmenRL sowie aus Art. 17 Abs. 2 der UniversaldienstRL verstoßen hat (bisherige Posts in dieser Sache hier, hier, hier und hier)

Das Urteil des EuGH ist knapp, klar und so eindeutig, dass man dazu kaum etwas anmerken kann. Und auch wenn ich schon vorher der Auffassung war, dass die Sache für Deutschland nicht zu gewinnen ist, überrascht es fast ein wenig, dass aus dem Urteil nicht der kleinste Schimmer einer Chance für auch nur eines der deutschen Argumente hervorleuchtet: Die Kommission ist mit sämtlichen Rügen glatt durchgedrungen, nicht eine einzige deutsche Verteidigungslinie hat gehalten.

Freilich: der Zweck des § 9a (deutsches) TKG war wohl nicht, eine mit dem EU-Rechtsrahmen vereinbare Rechtsvorschrift zu schaffen, sondern eher, ein freundliches Signal für ein Unternehmen zu setzen, das dem deutschen Gesetzgeber eben besonders am Herzen liegen dürfte. Und diesen Zweck hat die Bestimmung auch - trotz beschleunigten Vorgehens der Kommission - seit immerhin mehr als zweieinhalb Jahren erfüllt.

Tuesday, December 01, 2009

Fußnoten zu Vorratsdaten: Begutachtungsentwurf zur TKG-Novelle und Vertragsverletzungsverfahren

Frage: Was kommt heraus, wenn Wissenschafter an der Gestaltung eines Gesetzesentwurfs mitwirken?
Antwort: Erläuterungen mit Fußnoten (und Anmerkungen zur Grammatik).

Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie hat das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) mit der Erstellung eines Entwurfs zur Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten (RL 2006/24) beauftragt; Abgabetermin war der 11.9.(!) 2009. Nicht einmal zwei Wochen später hat das BMVIT den - überarbeiteten - Entwurf in Begutachtung geschickt (Übersichtsseite, Gesetzestext, Vorblatt, Erläuterungen); die Begutachtungsfrist läuft bis 15.1.2010. Da der Entwurf offensichtlich nicht mit dem Koalitionspartner akkordiert war (Innenministerin und Justizministerin sollen sich nach Medienberichten "äußerst irritiert" gezeigt haben) und außerdem Verfassungsbestimmungen enthält, dürfte eine Gesetzwerdung ohne substanielle Änderungen auszuschließen sein.

Eckpunkte des Entwurfs sind eine Speicherdauer von sechs Monate und eine Übermittlung der Daten "ausschließlich aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung und nur nach Maßgabe ausdrücklicher Gesetzesbestimmungen ... zum Zweck der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten an die nach der StPO zuständigen Behörden". Die "Vorratsdaten" sind von den (früher zu löschenden) betriebsnotwendigen Daten getrennt zu speichern und unterliegen besonderen Sicherheitsanforderungen. Die Umsetzung soll in Form einer Novelle zum Telekommunikationsgesetz 2003 erfolgen. Das BIM stellt auf seiner Website auch den von ihm ausgearbeiteten Entwurf, eine Übersicht über die Grundzüge des Entwurfs und eine Textgegenüberstellung zur Verfügung.

Ich hatte noch nicht die Zeit, die Entwürfe des BIM und des BMVIT zu vergleichen - auffällig ist aber jedenfalls, dass das BMVIT die vollkommen untypische Form von Fußnoten in Gesetzesmaterialien übernommen hat. Sogar die im BIM-Entwurf vorgeschlagene Korrektur eines Grammatikfehlers in § 107 des geltenden TKG (ohne jeglichen Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung) wird im BMVIT-Entwurf übernommen, mit den vom BIM vorgeschlagenen Erläuterungen: "Die Ersetzung von 'das Senden' durch 'des Sendens' erfolgt ohne Sinnänderung der Bestimmung ausschließlich aus grammatikalischen Gründen, da das Wort 'einschließlich' die Verwendung des Genetivs verlangt." (Das stimmt zwar nicht in allen Fällen, hier kann man es aber wohl gelten lassen; im Sinne der Gleichbehandlung sollte man dann aber wohl auch § 69 TKG 2003 nicht unverbessert lassen).

Inzwischen hat sich auch in Österreich ein Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gebildet, der "Keine Vorratsdatenspeicherung für Österreich" (und auch Europa) fordert und meint, Österreich solle die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht umsetzen sondern bekämpfen. Dass die letzte Forderung nicht gerade aussichtsreich ist, zeigt sich an den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes vom 26.11.2009 in den Vertragsverletzungsverfahren C-202/09 Kommission / Irland und  C-211/09 Kommission /Griechenland, in denen diese Mitgliedstaaten wegen der nicht rechtzeitigen Umsetzung der Richtlinie verurteilt wurden. Dass das nationale Gesetzegebungsverfahren aus welchen Gründen auch immer nicht mehr rechtzeitig abgeschlossen werden konnte, hilft da gar nichts: ("Il découle par ailleurs d’une jurisprudence constante qu’un État membre ne saurait exciper de dispositions, pratiques ou situations de son ordre juridique interne pour justifier l’inobservation des obligations et délais prescrits par une directive"). Das Vertragsverletzungsverfahren auch gegen Österreich ist anhängig.

Ein letztes Urteil erster Instanz: EuG bestätigt Beihilfenentscheidung zum Steuerverzicht bei France Télécom

Das "Gericht erster Instanz" der Europäischen Gemeinschaften ist seit heute Geschichte. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurden auch die Bestimmungen über den Gerichtshof geändert, nunmehr heißt es in Artikel 19 EUV: "Der Gerichtshof der Europäischen Union umfasst den Gerichtshof, das Gericht und Fachgerichte." Die wichtigsten Änderungen für die Gerichtsaufgaben und -zuständigkeiten hat der Gerichtshof hier zusammengefasst; in den für dieses Blog interessantesten Bereichen ändert sich nichts wirklich Wesentliches. Und auch wenn nun statt des "Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften" das "Gericht der Europäischen Union" entscheiden wird, so bleibt es in Beihilfenstreitigkeiten doch das erstinstanzliche Gericht.

Am letzten Tag des Gerichts erster Instanz wurde die Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen T-427/04 Frankreich / Kommission und T-17/05 France Télécom / Kommission verkündet. Bekämpft war die Entscheidung der Kommission vom 2. August 2004, C(2004) 3061, betreffend eine Beihilfe zu Gunsten von France Télécom (FT). Die Beihilfe geht zurück auf die Zeit der Ausgliederung von FT aus der unmittelbaren staatlichen Verwaltung (vergleichbar der österreichischen Situation war die Tätigkeit der nunmehrigen FT zuvor von einer Abteilung des Post- und Telekommunikationsministeriums ausgeführt worden). Nach der Umwandlung in eine eigenständige juristische Person hätte die FT seit 1.1.1991 normal besteuert werden müssten, aber die Republik Frankreich sah zunächst eine Übergangsregelung bis 1.1.1994 vor und auch danach wurde die "Gewerbesteuer" (taxe professionelle) bis einschließlich 2002 nur unter "besonderen Bedingungen hinsichtlich des Steuersatzes, der Berechnungsgrundlage und der Besteuerungsmodalitäten" erhoben. Die Europäische Kommission stellte daher in der angefochtenen Entscheidung fest, "dass FT eine staatliche Beihilfe erhalten hat, deren vorläufiger Betrag zwischen 798 Mio. EUR und 1 140 Mio. EUR an Kapital liegt". Frankreich verweigerte die Rückforderung der Beihilfe, worauf die Kommission eine Vertragsverletzungsklage wegen Nichtdurchführung der Entscheidung erhob. Mit Urteil vom 18.10.2007, C-441/06 Kommission / Frankreich, stellte der Gerichtshof fest, dass Frankreich seinen Verpflichtungen nicht entsprochen hat.

Inzwischen war das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung noch immer vor dem Gericht erster Instanz anhängig. Mit Urteil vom 30.11.2009, T-427/04 und T-17/05, hat das Gericht nun die Klagen abgewiesen und die Kommissionsentscheidung bestätigt. Die Einwendungen Frankreichs und von FT gegen die unklare Höhe des rückzufordernden (bzw. rückzuzahlenden) Betrags ("zwischen 798 Mio und 1.140 Mio. Euro") konnten das Gericht nicht überzeugen, denn es war der Auffassung, dass der Beihilfebetrag ohne übermäßige Schwierigkeiten hätte berechnet werden können (zu diesem Ergebnis war auch der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren bereits gekommen). Auch dass das Kollegium der Kommission nicht exakt jenen Text beschlossen hatte, der später als Entscheidung der Kommission zugestellt wurde, führte nicht zur Rechtswidrigkeit der Kommissionsentscheidung, da es sich nur um formale Abweichungen handelte, die vom Gericht als durch den Kollegiumsbeschluss gedeckt beurteilt wurden (im Verfahren hat die Kommission eingeräumt, dass die "révision juridico-linguistique" - die Überarbeitung durch die "Sprachjuristen" - irrtümlich von einer anderen Textfassung ausging als jener, die der Kommission tatsächlich vorgelegen war).

Update 08.12.2011: das gegen das hier besprochene Urteil erhobene Rechtsmittel wurde vom EuGH mit Urteil vom 08.12.2011, C-81/10 P France Télécom, zurückgewiesen (siehe dazu hier)

Wednesday, November 25, 2009

Staatsfreiheit des Rundfunks, österreichische Version

Wesentlicher Bestandteil der deutschen rundfunkrechtlichen Folklore ist der Grundsatz der Staatsfreiheit (oder auch Staatsferne). Das mag für einen Außenstehenden oft schwer nachvollziehbar sein, insbesondere wenn man einen Blick auf die Organisationsstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wirft, aber das Bundesverfassungsgericht wird nicht müde, diesen Grundsatz zu betonen (fast möchte man anmerken: wider manche Evidenz), zB im Urteil vom 12. März 2008, 2 BvF 4/03, so:

"Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fordert ... die Staatsfreiheit des Rundfunks. Es ist dem Gesetzgeber daher versagt, Regelungen zu treffen, die zulassen, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar ein Unternehmen beherrscht, das Rundfunksendungen veranstaltet.  ... Die Parteien weisen verglichen mit anderen gesellschaftlichen Kräften eine besondere Staatsnähe auf. Sie sind ihrem Wesen nach auf die Erlangung staatlicher Macht ausgerichtet und üben entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der obersten Staatsämter aus. ... Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ist vom Gesetzgeber daher grundsätzlich auch bei der Beteiligung von politischen Parteien an der Veranstaltung und Überwachung von Rundfunk zu beachten." [Ein Grundsatz also, der grundsätzlich zu beachten ist!]

Wie schon - etwas versteckt - in diesem Blog vermerkt (hier, zweiter Bulletpoint), spitzt sich in Deutschland derzeit der Streit um die Weiterbestellung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zu. Roland Koch, hessischer Ministerpräsident und zugleich stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats, will die Vertragsverlängerung verhindern; dagegen gibt es juristisch wohlbegründete offene Briefe (u.a. hier und hier) und viele weitere Stellungnahmen; herauszuheben ist wieder einmal ein Kommentar von Stefan Niggemeier. Ausgehend von einem Satz im offenen Brief der Staatsrechtler ("Was geschieht, wenn es die Garantie der Staatsfreiheit nicht gibt, wird uns derzeit am Beispiel anderer europäischer Staaten vor Augen geführt.") hier eine juristische Anmerkung zur österreichischen Situation:

Das österreichische Rundfunkrecht kennt die besondere Ausprägung des Grundsatzes der Staatsfreiheit, wie er in Deutschland - zumindest auf dem Papier - zelebriert wird, tatsächlich nicht. Zwar ist die österreichische Verfassungsrechtslage vielleicht noch deutlicher ist als jene in Deutschland, denn immerhin haben wir ein Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, nach dem "die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe" zu gewährleisten ist, während sich die deutschen rundfunkrechtlichen Theoriegebilde aus dem einfachen Satz in Art 5 Grundgesetz ableiten, wonach die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gewährleistet werden. Dennoch hat die "Staatsfreiheit" in Österreich in der Rechtsprechung nicht einmal annähernd ein vergleichbares Gewicht erhalten wie in Deutschland. Der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere auch ausgesprochen, dass Art I Abs 2 BVG-Rundfunk kein spezifisches Grundrecht schafft, sondern nur den Bundesgesetzgeber zur gesetzlichen Sicherstellung der Unabhängigkeit [damals nur:] des ORF verpflichtet (VfSlg 12.344/1990).

Für die Organe des ORF gilt ein "Politikerverbot", das in § 20 Abs 3 ORF-G für den Stiftungsrat, § 28 Abs 2 ORF-G für den Publikumsrat und § 26 Abs 2 ORF-G für den Generaldirektor, die Direktoren und die Landesdirektoren näher ausgeführt wird.

Über die Bestellung von Direktoren entscheidet gemäß § 21 Abs 1 Z 5 ORF-G - auf Vorschlag des Generaldirektors - der Stiftungsrat, dessen Mitglieder dabei (wie bei ihrer gesamten Tätigkeit) "dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft" haben (§ 20 Abs 2 ORF-G; siehe zur dabei geforderten "intelligenzmäßigen Kapazität" schon hier). Die Mitglieder des Stiftungsrates sind dabei an keine Weisungen und Aufträge gebunden (§ 19 Abs 2 ORF-G).

Wie sieht die Unabhängigkeit und Politikferne nun an einem konkreten Beispiel aus?
Nehmen wir an, dass sich - vollkommen überraschend - eine Direktorin des ORF beruflich verändern will und daher ihren Direktoren-Job aufgibt. In diesem Fall muss der Generaldirektor die Funktion mit einer Bewerbungsfrist von vier Wochen ausschreiben (§ 27 Abs 1 ORF-G) und dann dem Stiftungsrat einen Vorschlag für die Besetzung dieser Funktion vorlegen (§ 24 Abs 1 ORF-G). Grundvoraussetzung für die Bestellung zum Direktor ist nach § 26 Abs 1 ORF-G die volle Geschäftsfähigkeit (dh ein Mindestalter von 18 Jahren und kein Sachwalter) und "eine entsprechende Vorbildung oder eine fünfjährige einschlägige oder verwandte Berufserfahrung". Zu beachten ist dabei freilich, dass nach § 27 Abs 2 ORF-G bei der Auswahl von Bewerbern "in erster Linie die fachliche Eignung zu berücksichtigen" ist (dabei hat der Stiftungsrat nach der Rechtsprechung - VwGH 14.1.2009, 2006/04/0201 -  einen "personal- und unternehmenspolitischen Spielraum"). Eine staatliche Einflussnahme bzw. Einflussnahme von Parteien wäre demnach rechtlich nicht möglich.

Glaubt man nun den Zeitungsberichten, hat der ORF-Generaldirektor offenbar am Abend des 16. November 2009, ohne jeglichen Bezug zu der kurz zuvor erzielten politischen Einigung über die sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung", vom überraschenden beruflichen Veränderungswunsch seiner kaufmännischen Direktorin erfahren. Obwohl es schon spät war, schaffte er es großartiger Weise, schon am nächsten Morgen die Ausschreibung dieser so kurzfristig freigewordenen Funktion in der Wiener Zeitung veröffentlichen zu lassen und setzte eine Frist bis 15. Dezember 2009 für die Bewerbung. Nur wenig später wusste ein ORF-Journalist vom Wunsch des Generaldirektors, ihn für diese Funktion vorzuschlagen und kündigte seine Bewerbung an.

Nach der Ausschreibung müssen Bewerber nun ein Exposé der vorgeschlagenen Maßnahmen im Aufgabenbereich der zu besetzenden Funktion erstellen, was - angesichts der Zurückhaltung des ORF, unternehmensrelevante Daten öffentlich zugänglich zu machen - wohl umso leichter möglich sein wird, je mehr man sich schon vor Ende der Bewerbungsfrist mit konkreten Projekten im ausgeschriebenen Aufgabenbereich beschäftigen kann (wie machen das bloß die externen InteressentInnen, die sich bei einer derart offenen Ausschreibung mit vollkommen ungewissem Ausgang sicher zahlreich bewerben werden?).

Der Generaldirektor hat dann am 16. Dezember 2009 Zeit, die eingelangten Bewerbungen und Exposés zu studieren, gründlich zu überlegen und dem am 17. Dezember 2009 tagenden Stiftungsrat einen Vorschlag zu machen. Mit der Sorgfalt ordentlicher Aufsichtsräte werden die unabhängigen Stiftungsräte den Vorschlag prüfen und gegebenenfalls die vorgeschlagene Person bestellen. Angesichts der bekannten Unabhängigkeit und Politikferne aller Beteiligten kann daher derzeit niemand vorhersagen, wer kaufmännische(r) Direktor(in) des ORF werden wird.

So staats- und politikfern wie in Deutschland ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich also allemal.

Warum sich Kommissarin Reding für Netzneutralität ausspricht

Fragen der Netzneutralität könnte man zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit betrachten - aber es geht auch einfacher. Kommissarin Viviane Reding zum Beispiel hat am 9. November 2009 bei einer Rede unter dem Titel "Creating impact for an eUnion 2015" klargemacht, weshalb sie sich für Offenheit und Neutralität des Internet einsetzt:
"we have to remember that a fundamental merit of the Internet is the fact that it allows new providers of online services and goods to enter the market with a very limited amount of resources.
It is for this reason that I am defending the fundamental principles that underlie the Internet architecture, including its openness and neutrality."
Solange also ein "neutrales Internet" auch den einfachen Marktzutritt für Waren- und Dienstleistungsanbieter gewährleistet, braucht man sich um die Neutralität keine Sorgen machen. Wenn es aber nur um die Kommunikationsgrundrechte ginge ... ?

Tuesday, November 24, 2009

Reding und die Rückkehr der Super-Agency - Telekom-Paket angenommen

Das "Telekom-Paket" der EU ist heute auch im Europäischen Parlament angenommen worden. Nach der Pressemitteilung der Kommission soll morgen die förmliche Unterzeichnung erfolgen und am 18.12.2009 die Veröffentlichung im Amtsblatt. Für die Umsetzung in nationales Recht bleibt 18 Monate Zeit (allerdings steht in der "Bessere Rechtsetzung"-RL "18 Monate nach dem Datum der Annahme dieser Richtlinie", also nicht erst ab Kundmachung im Amtsblatt - demnach wäre das Umsetzungsdatum also Ende Mai, nicht erst Ende Juni 2011. Keine Umsetzung braucht natürlich die Verordnung zur Einrichtung des "GEREK"). Hier wieder einmal die direkten Links zu den Letztfassungen:
Mit dem GEREK ist der Kommissionswunsch nach einer "Europäischen Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation" nur in sehr reduzierter Weise Wirklichkeit geworden. Nach seiner in Art 2 der Verordnung definierten Rolle entwickelt das GEREK bewährte Regulierungspraktiken, unterstützt die nationalen Regulierungsbehörden (nur auf deren Antrag), gibt Stellungnahmen ab, erstellt Berichte, berät die Kommission und unterstützt das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission (ebenfalls nur auf deren Antrag). Entscheidungskompetenzen kommen dem GEREK nicht zu.

Kommisarin Reding spricht dennoch vom "sogenannten" GEREK als neuer Europäischer Telekom-Regulierungsbehörde ("The new European Telecoms Authority, the so-called Body of European Regulators", Rede vom 23.11.2009): "a single, authoritative voice at the heart of the decision making process". Das ist nicht einmal falsch, denn das GEREK mag zwar nah am Entscheidungsprozess sein, getroffen werden die Entscheidungen freilich von der wirklichen Superagency: der Kommission.

PS: Die Presseaussendung besteht aus den üblichen Versatzstücken (zB "mehr Wettbewerb", "größeres Angebot", "besser versorgt", "stärker verankert", etc.), und sie kündigt wieder einmal an, dass ein "echter Binnenmarkt für Europas Telekommunikationsbetreiber und Verbraucher .. jetzt in greifbarer Nähe" sei. Wahrscheinlich hat die Nonsense Presse-Abteilung vergessen, dass sie schon im April 2007 den Fall der letzten Grenze im EU-Binnenmarkt als unmittelbar bevorstehend angekündigt hatte (damals wegen der Roaming-Verordnung).Solange Reding Kommissarin ist, kann man freilich sicher sein, dass die letzten Grenzen im Binnenmarkt wieder und wieder fallen werden.

Vermischte Lesehinweise (2)

1. Rundfunkrechtliches aus Deutschland:
2. Aus dem Ofcom-Broadcasting Bulletin:
  • Wer sich über eine zu detaillierte Rundfunkaufsicht in Österreich aufregt, kennt die britische Situation nicht: in den regelmäßig alle zwei Wochen erscheinenden Broadcast Bulletins werden auf vielen - oft über hundert - Seiten die Verfehlungen der Rundfunkveranstalter (oder Feststellungen, dass keine Verfehlungen vorlagen) ausgeführt. Das kann manchmal amüsant sein, manchmal aber auch recht grundsätzlich. Die jüngste Nummer (146) beschäftigt sich mit der (unzulässigen) werblichen Gestaltung von sponsorship credits. Die diesbezüglichen Regeln sind in Österreich aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sehr ähnlich ("Patronanzsendungen", zB § 17 ORF-Gesetz). 
  • In Nummer 146 des Broadcast Bulletins fndet sich eine interessante Entscheidung zu den Pflichten von Rundfunkveranstaltern, die Minderjährige in ihren Programmen (hier: "Boys and Girls Alone") einsetzen.
3. Von der EU-Kommission:
4. Telekom:
5. Medien:

Monday, November 23, 2009

Postmarkt und Parlament, eine Anmerkung

Das Postmarktgesetz wurde am Mittwoch vergangener Woche - unverändert gegenüber der Regierungsvorlage (zum Entwurf siehe hier) - im Plenum des Nationalrats beschlossen. Am Donnerstag wurde es im Bundesrat dem Verkehrsausschuss zugewiesen und schon heute, am dritten Arbeitstag nach dem Nationalratsbeschluss, kam es zur Beschlussfassung im Ausschuss und gleich darauf im Plenum des Bundesrates (Parlamentskorrespondenz).

Angesichts der Streitigkeiten, die der Regierungsvorlage vorausgegangen waren, ist die rasche und zwischen den Koalitionsparteien letztlich unstrittige Beschlussfassung durchaus bemerkenswert - auch wenn der Infrastruktursprecher der ÖVP offenbar ein spannendes Match mit sich selbst ausgetragen haben dürfte, wie aus seinen Presseaussendungen vom 11.11.2009 und vom 18.11.2009 hervorgeht.

Zunächst stimmte er am 10.11.2009 im Verkehrsausschuss der Regierungsvorlage zu (Ausschussbericht 459 BlgNR 24. GP) - und stellte damit "den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (319 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen."

Am nächsten Tag appellierte er an die Verkehrsministerin, eine Bestimmung  (§ 3 Abs 2 lit b des Entwurfs) "noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend abzuändern." Das ist nicht nur deshalb interessant, weil er auch Mitglied der Geschäftsführung der MEDICUR-Holding ist und damit beruflich in einem gewissen Nahebezug zu einem Unternehmen steht, das von § 3 Abs 2 lit b des Entwurfs durchaus profitieren dürfte, und weil er tags zuvor noch überzeugt war, dass die Regierungsvorlage unverändert angenommen werden sollte, sondern weil die Verkehrsministerin eine Regierungsvorlage, die schon dem Nationalratsplenunm vorliegt, ja schlecht abändern kann.

Aber vielleicht war das auch gar nicht so ernst gemeint, denn im Plenum des Nationalrats hat der zwischendurch offenbar unsicher gewordene Infrastuktursprecher ohnehin wieder der (unveränderten) Regierungsvorlage zugestimmt, um noch am selben Tag in einer Pressaussendung verlauten zu lassen, dass die Entstehungsgeschichte des Postmarktgesetzes "von einer gewissen Orientierungslosigkeit und einem defizitären politischen Management geprägt" gewesen sei (er zielte mit diesem Vorwurf allerdings auf die Verkehrsministerin).

Abgesehen von dieser Anmerkung zum parlamentarischen Prozess noch ein legistisches Detail:
Das Postmarktgesetz wird am 1. Jänner 2011 in Kraft treten (§ 64 Abs 1). Von diesem Grundsatz gibt es ganz wenige Ausnahmen, darunter auch die Bestimmungen des § 59 Abs. 2 bis 5, die schon am Tag nach der Kundmachung in Kraft treten. § 59 Abs 2 und 4 (betrifft Aufgaben der Regulierungsbehörden) treten dann mit Ablauf des 31. Dezember 2010 - also noch vor Inkrafttreten des gesamten Postmarktgesetzes - schon wieder außer Kraft; für eine gewisse Verwirrung dürfte damit gesorgt sein, zumal damit im Jahr 2010 neben dem Postgesetz auch schon (teilweise vorübergehend) einzelne Bestimmungen des Postmarktgesetzes gelten.

Und schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das KommAustria-Gesetz (KOG) mit dem Postmarktgesetz mit Wirksamkeit ab 1.1.2011 geändert wird - schon mit 1.1.2010 soll das KOG durch die letzte Woche dem Parlament zugeleitete Regierungsvorlage 471 BlgNR 24. GP geändert werden (und natürlich auch mit dem derzeit in Begutachtung befindlichen Entwurf zur Änderung vor allem des ORF-Gesetzes).

PS: Der Ausschussbericht zum Postmarktgesetz (laut Parlamentswebsite, sowohl in der pdf- als auch der html-Version) zählt übrigens die "wesentlichen Punkte des neuen Postmarktgesetzes" so auf :
"-       Definition des Universaldienstes
-       Definition des Universaldienstes
-       Definition des Universaldienstes
-       Definition des Universaldienstes
-       Definition des Universaldienstes"

Friday, November 20, 2009

"thy just and lawful aid"*: Volltext der Beihilfenentscheidung zur ORF-Finanzierung

Die Ende Oktober ergangene Entscheidung der Kommission, das Verfahren betreffend die "Staatliche Beihilfe E 2/2008 (ex CP 163/2004 und CP 227/2005) – Finanzierung des ORF" nach Zusicherungen durch Österreich einzustellen, ist nun auch im Volltext veröffentlicht; als Geschäftsgeheimnisse wurden, soweit ich das gesehen habe, nur die (Schätz-)Werte für das Jahr 2009 unkenntlich gemacht.

Die beabsichtigte sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung" (siehe § 31 Abs 10a bis 10g ORF-G in der Fassung des Begutachtungsentwurfs) wurde von der Kommission in der Entscheidung schon berücksichtigt und - wenn sie nicht mehr als 10% der Einnahmen des ORF aus den Programmentgelten beträgt - als "nicht wesentliche Änderung" der bestehenden Beihilfe beurteilt (Randnummer 242 der Entscheidung).

Bemerkenswert ist aber, dass die Kommission nicht nur für die Zukunft von einem in der Regel fünf Jahre betragenden "Finanzierungszeitraum" (siehe § 31 Abs 2 ORF-G idF des Begutachtungsentwurfs) ausgeht, sondern offenbar auch die bestehende Rechtslage dahin verstanden hat, dass der ORF nach der Programmentgelterhöhung 2008 nun bis 2012 keine Erhöhung mehr vornehmen könnte. In RNr. 255 der Entscheidung heißt es:
"Im vorliegenden Fall wurde der dem ORF für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu zahlende Ausgleich kurz vor Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 bis zum Jahr 2012 festgesetzt, so dass dem allgemeinen Rückgang der Werbeeinnahmen auf dem Rundfunkmarkt nicht Rechnung getragen wurde. Ferner hat sich die Finanz- und Wirtschaftskrise durch die Abwertung der Vermögenswerte des ORF nachteilig auf dessen Bilanz ausgewirkt. Da der ORF trotz des gesunkenen Eigenkapitals bis 2012 das Programmentgelt nicht erhöhen kann, stimmt die Kommission mit Österreich darin überein, dass der ORF die Möglichkeit haben muss, sein Eigenkapital selbst zu erhöhen, wenn er im nächsten Finanzierungszeitraum schwarze Zahlen schreiben sollte." [Hervorhebung hinzugefügt]
Nach der geltenden Rechtslage ist das unrichtig, denn § 31 ORF-G sieht keine Bechränkungen vor, wann oder wie oft der ORF eine Erhöhung Anpassung des Programmentgelts beschließen kann. Rechtlich wäre der ORF daher keineswegs gehindert gewesen, das Programmentgelt nach Eintritt der Krise zu erhöhen (politisch ist die Sache natürlich anders, da ist eine Subvention aus dem Bundesbudget leichter durchsetzbar als eine direkte Erhöhung des Programmentgelts).

*) Shakespeare, King Henry VI, Part iii, Act III, Scene 3

Thursday, November 19, 2009

ORF-G-Novelle: Qualitätssicherung im ORF (und: wo ist Struve?)

Der Entwurf für ein "Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das Telekommunikationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Exklusivrechtegesetz geändert werden" (im Folgenden, der Einfachkeit halber: Entwurf für eine Novelle zum ORF-G) enthält auch detailliertere Regelungen zur Qualitätssicherung. Schon bisher gab es ja - eher indirekt formuliert über die Aufgaben des Stiftungsrates in § 21 ORF-G und des Publikumsrates in § 30 ORF-G - den Auftrag zur Einführung von Qualitätsssicherungssystemen.

Wie der ORF damit umgegangen ist, kann man teilweise dem letzten Rechnungshofbericht entnehmen: demnach war die Erarbeitung eines Qualitätssicherungssystems im Jahr 2002 eine von vier Voraussetzungen für die Auszahlung von Bonifikationen an die Generaldirektorin und die Direktoren. Die Generaldirektorin legte auch tatsächlich "einen drei Seiten umfassenden Vorschlag zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems für Programme vor. Dieser Vorschlag basierte auf einem seit mehreren Jahren im ORF bestehenden Qualitätsmonitoring, das nunmehr auf das gesamte Programmangebot ausgeweitet und um Maßnahmen zum Jugendschutz erweitert wurde. Für diesen Vorschlag wurden der Generaldirektorin und den sechs Direktoren Bonifikationen von insgesamt rd. 63.600 EUR ausgezahlt." (Zitat aus dem Rechnungshofbericht, Hervorhebung hinzugefügt; mehr dazu schon hier).

Diese drei teuren Seiten (auf ein Honorar von € 21.200 pro Seite kommen wohl nicht viele Autoren) werden vom ORF als Geheimnis gehütet, ebenso wie die in der Folge (weiterhin) erstellten Bretschneider-Gutachten, "ob im jeweiligen Geschäftsjahr den Qualitätskriterien im Wesentlichen entsprochen wurde" (Antwort laut Rechnungshof war: ja, "insgesamt in den wesentlichen Belangen"; Preis dafür "jährlich zwischen 225.000 EUR und 279.000 EUR").

Seit Juni 2008 wacht angeblich ex-ARD Programmdirektor Günter Struve, bekannter Mitten im Achten-Fan und Verteidiger des Marienhofs, über das Qualitätssicherungssystem für Programme 2008 und 2009 (ORF-Aussendung); siehe dazu auch schon hier und hier. Was dabei genau herausgekommen ist, kann ich nicht beurteilen, veröffentlicht hat der ORF dazu bislang nichts.

Offenbar waren aber manche nicht so recht zufrieden mit der bisherigen Qualitätssicherung im ORF, denn der  Entwurf für eine Novelle zum ORF-G widment dem Qualitätssicherungssystem nun einen eigenen, ziemlich langen Paragraphen (nachzulesen hier im Entwurf, § 4a ORF-G, ab Seite 17, Erläuterungen dazu ab Seite 102; wenn die Erläuterungen von externen Gutachten schreiben, setzen sie den Begriff "Gutachten" übrigens unter Anführungszeichen). Neu ist insbesondere auch eine Transparenzverpflichtung (§ 4a Abs 7 des Entwurfs):
"Das nach den Grundsätzen dieser Bestimmung eingeführte Qualitätssicherungssystem sowie die dazu erstellten Studien und Teilnehmerbefragungen und die diesbezüglichen Beschlüsse des Stiftungsrates und des Publikumsrates sind auf der Website des ORF leicht, unmittelbar und ständig zugänglich zu machen, soweit dies rechtlich möglich ist und damit nicht berechtigte Unternehmensinteressen des ORF beeinträchtigt werden." 
Bemerkenswert ist ja, dass dem ORF offenbar alle Schritte zu mehr Transparenz gesetzlich abgerungen werden müssen (ich bin auch schon gespannt auf die Stellungnahme des ORF zu den ohnehin nicht radikalen Transparenzverpflichtungen im Gesetzesentwurf). Ich hätte vorerst nur die Anmerkung, dass anstelle der Worte "berechtigte Unternehemnsinteressen des ORF" schlicht die Worte "öffentliche Interessen" gesetzt werden: für den Träger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollte wohl das öffentliche Interesse der Maßstab sein.

Und dann hätte ich noch drei Fragen: Was hat Günter Struve bis jetzt konkret für den ORF gemacht? Was hat das gekostet? Wo kann man das Ergebnis nachlesen?

Bonusfrage: wann werden die drei Seiten veröffentlicht, auf denen die früherer Generaldirektorin das (offenbar derzeit noch aktuelle) Qualitätssicherungssystem des ORF skizziert hat?

PS: Die SRG hat vor kurzem ihr "Qualitätssymposium 2009" abgehalten, Details (mit Videos und  weiteren Dokumenten) dazu hier.