Das ist der zweite Teil eines längeren Textes, den ich anlässlich des Ministerratsbeschlusses vom 13. Mai 2025 geschrieben habe, mit dem die Bundesregierung über die von ihr zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates und des Publikumsrates des ORF entschieden hat. Im ersten Teil habe ich mich mit dem Stiftungsrat befasst, in diesem zweiten Teil geht es um die Auswahl der Publikumsratsmitglieder und einige Schlussfolgerungen daraus.
Publikumsrat
Die von der Bundesregierung bestellten 14
Publikumsratsmitglieder (auch hier gibt es eine strikte Gleichverteilung
zwischen Männern und Frauen, § 30f ORF-Gesetz ist also erfüllt) sind:
- Mag.a
Dr.in Beatrix KARL für den Bereich Hochschulen,
- Dr.
John EVERS für den Bereich Bildung,
- Mag.
Paul POET für den Bereich Kunst und Kultur,
- Mag.a
Michaela HUBER für den Bereich Sport,
- Matthias
HAUER für den Bereich Jugend,
- Mira
LANGHAMMER für den Bereich Schülerinnen und Schüler,
- Mag.a
Gertrude AUBAUER für den Bereich ältere Menschen,
- Martin
LADSTÄTTER, M.A. für den Bereich Menschen mit Behinderungen,
- Dr.
Helmut SAX für den Bereich Eltern bzw. Familien,
- Mag.
Josef BURANITS, LL.M. für den Bereich Volksgruppen,
- MMag.a
Dr.in Petra STOLBA für den Bereich Touristik,
- MMag.
Bernhard WIESINGER, MBA, MPA für den Bereich Kraftfahrerinnen und
Kraftfahrer,
- Mag.a
Andrea SCHELLNER für den Bereich Konsumentinnen und Konsumenten und
- Mag.a
Birgit MAIR-MARKART für den Bereich Umweltschutz
Aufteilungsschlüssel?
Für die Auswahl der von der Bundesregierung zu bestellenden Mitglieder des
Publikumsrates wurde im Regierungsprogramm kein (ausdrücklicher) Schlüssel für
die Verteilung zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS vereinbart, denn eigentlich geht es
hier um die Vertretung der nicht zwingend parteipolitisch zuzuordnenden
Zivilgesellschaft. In der Praxis schaut das freilich gelegentlich anders aus:
auch die Organisationen der Zivilgesellschaft oder die sie vertretenden
Personen sind häufig politisch punziert (nicht nur in Österreich, siehe im Blog
zB hier).
Begründungspflicht
Beim letzten Bestellungsvorgang hat die damals zuständige Medienministerin
die Auswahl in evident gesetzwidriger Weise vorgenommen (siehe dazu im
Blog hier;
dieses Vorgehen war wohl mit auch ein Auslöser für die Anfechtung der
einschlägigen Bestimmungen durch die burgenländische Landesregierung). Solcher
Willkür sollte durch die nun erfolgte Neuregelung ein Riegel vorgeschoben
werden. Es wurde dabei zwar keine Rechtskontrolle über die korrekte Auswahl
geschaffen, allerdings zumindest eine Begründungspflicht eingeführt, die eine
gewisse Nachvollziehbarkeit der getroffenen Auswahl ermöglichen sollte.
Kriterien für die Auswahl
Die Auswahlkriterien nach § 28 Abs. 8 ORF-Gesetz sehen vor, dass bei
mehreren Vorschlägen zunächst jene in die engere Auswahl zu nehmen sind, "die
von Einrichtungen bzw. Organisationen stammen, die aufgrund ihres
Wirkungsbereichs von zumindest überregionaler Bedeutung sind und jedenfalls
einen bedeutenden Teil an Personen des betreffenden, in Abs. 4 genannten
Bereichs bzw. der betreffenden Gruppe repräsentieren", dann ist dem
Vorschlag jener jener Einrichtung bzw. Organisation der Vorzug zu geben, "die
umfangreichere und vielfältigere Aktivitäten im Interesse des repräsentierten
Bereichs bzw. der repräsentierten Gruppe aufweist" und wenn sich
unter Anwendung dieser Kriterien weiterhin keine eindeutige Präferenz begründen
lässt, ist jenem Dreiervorschlag der Vorrang einzuräumen, "von dem
auf Grund von Ausbildung, Erfahrung und Berufstätigkeit der zur Bestellung
vorgeschlagenen Personen und deren Engagement im von der Einrichtung bzw.
Organisation repräsentierten Bereich insgesamt eine bessere Gewähr für eine den
Aufgaben des Publikumsrates entsprechende Qualifikation geboten wird."
Zusammengefasst sind also die - nacheinander abzuarbeitenden
- Kriterien:
- überregionale
Bedeutung
- Repräsentation
eines bedeutenden Teils der Personen
- umfangreichere
und vielfältigere Aktivitäten
- die
vorgeschlagenen Personen bieten bessere Gewähr für die den Aufgaben des
Publikumsrates entsprechende Qualifikation
Wie diese gesetzlich vorgesehenen Auswahlkriterien
gehandhabt wurden, sollte in der veröffentlichten Begründung der
Auswahlentscheidung dargelegt werden. Ich habe mir das für die jeweiligen
Vertretungsbereiche näher angeschaut:
1. Hochschulen
Für diesen Bereich wurden zwei Vorschläge erstattet, einmal
von der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko), und einmal
von der Rektorinnen- und Rektorenkonferenz der österreichischen
Pädagogischen Hochschulen (RÖPH). Die in der uniko zusammengefassten
Universitäten sind (laut eigenen Angaben) in Summe Arbeitgeberinnen von rund
66.000 Personen (wissenschaftlich/künstlerisch/allgemein) und haben in Summe
rund 265.000 Studierende. Die RÖPH repräsentiert die 14 pädagogischen Hochschulen,
Zahlen zu den Studierenden sind in der veröffentlichten Bewerbung nicht
genannt, laut
Statistik Austria hatten sie im Wintersemester 2023/2024 nicht einmal
ein Zehntel der Studierenden der Unis, nämlich nur 21.580 Studierende, dazu
kommt eine in der Größenordnung mit den Unis vergleichbare Zahl von
Lehrgang-Studierenden (ca. 18.000).
Die Bundesregierung hat sich für den Vorschlag der RÖPH
entschieden und begründet das damit, dass der Organisation der Vorzug gegeben
worden sei, "die mit ihren Aktivitäten die weitreichenderen und
nachhaltigeren Auswirkungen im Bereich Hochschulen zeitigt. So setzt die
betreffende Organisation nicht nur unmittelbare akademische Akzente durch die
Ausbildung von jährlich zigtausenden Studierenden; sie bildet auch
kontinuierlich tausende Lehrerinnen und Lehrer weiter. Dieses Ausbildungssystem
hat letztlich erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Bildungsweg von
hunderttausenden Schülerinnen und Schülern in Österreich bis hin zur möglichen
Hochschulreife."
Der Begründungswert dieser Ausführungen ist null. Weshalb
die Aktivitäten der PHs weitreichendere und nachhaltigere Auswirkungen im
Bereich Hochschulen "zeitigen" sollen als jene der Unis mit mehr als
zehnmal so vielen Studierenden, das ist ohne weitere Erklärung nicht
nachvollziehbar: welche Aktivitäten sind denn da gemeint, welche Auswirkungen,
und wer hat die wie bewertet? Auch die Unis bilden weiter (auch Lehrende an
Schulen, btw), auch das hat Auswirkungen auf den Bildungsweg von Schülerinnen
und Schülern (um die es hier im Bereich der Hochschulen aber gar nicht
geht).
Die Auswahl erfolgte hier also angeblich gestützt auf das
Kriterium 3 (umfangreichere Aktivitäten). Einen Beleg dafür bleibt die
Begründung schuldig, und nach allem was man vom außen beurteilen kann, dürfte
ein solcher Beleg auch nicht erbracht werden können: Dass die 14 pädagogischen
Hochschulen mit zusammen knapp 22.000 Studierenden (oder 40.000 Studierenden,
wenn man die Lehrgänge hinzurechnet), im Hochschulbereich umfangreichere
Aktivitäten entfalten als die Universitäten mit zusammen gut 260.000 Studierenden,
glaubt wahrscheinlich nicht einmal die RÖPH selbst, sondern nur die
Bundesregierung, die das zur Begründung ihrer Auswahlentscheidung gemacht hat.
Der Zufall will es, dass die von der RÖPH vorgeschlagene und
von der Bundesregierung bestellte Vertreterin (Beatrix
Karl) eine ehemalige ÖVP-Abgeordnete und Bundesministerin ist, während der
von der uniko Erstvorgeschlagene Oliver Vitouch als SPÖ-nah gilt.
2. Bildung
Für diesen Bereich wurden vier Dreiervorschläge eingebracht,
vom Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV), dem Verband der
wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs (VWGÖ), dem Verein arbeit plus -
Soziale Unternehmen Österreich und vom Österreichischen Roten Kreuz.
Nach der veröffentlichten Begründung erfolgte die Auswahl
nach den Kriterien 1 (überregionale Bedeutung und 2 ("bedeutender Teil der
Personen repräsentiert"); dies impliziert, dass diese Kriterien (die nur
dafür heranzuziehen sind, welche Vorschläge in die engere Auswahl gezogen
werden) für die anderen vorschlagenden Organisationen nicht gegeben seien (was
meines Erachtens nicht eindeutig ist). Die Auswahl nach dem Kriterium 3
(umfangreichere Aktivitäten) würde aber wohl ebenso zu diesem Vorschlag führen.
Die ausgewählte Person, den Generalsekretär des VÖV John
Evers, wird man wohl als politischen Ausgleich zur Vertreterin des Bereichs
Hochschulen sehen können, sodass der Hochschul- und Bildungsbereich offenbar
rot/schwarz aufgeteilt wurde.
3. Kunst und Kultur
Für diesen Bereich gab es ebenfalls vier Vorschläge, und
zwar vom Kulturrat Österreich, vom Dachverband der österreichischen
Filmschaffenden, vom Grazer Kunstverein und vom Österreichischen
Blasmusikverband (ÖBV). Ausgewählt wurde der Vorschlag des Dachverbands der
Filmschaffenden, wobei hier nicht der Erstgereihte bestellt wurde, sondern der
Zweitgereihte Paul
Poet.
Die Begründung spricht von mehreren (also wohl drei)
Dreiervorschlägen von Organisationen, die aufgrund ihres Wirkungsbereichs von
überregionaler Bedeutung sind und einen bedeutenden Teil an Personen des
Bereichs Kunst und Kultur betreffen (damit ist wohl der Grazer Kunstverein
ausgeschieden, auf dessen Vorschlag für die jetzt zu Ende gehende
Funktionsperiode Johann
Baumgartner als Mitglied des Publikumsrates bestellt wurde - damals
allerdings nur gegen die Konkurrenz der ebenfalls regional beschränkten
"Alten Schmiede"/Kunstverein Wien).
Von den drei verbleibenden Organisationen wurde der
Dachverband der Filmschaffenden als jener mit den "umfangreicheren und
wirkmächtigeren Aktivitäten" beurteilt - auch hier ist die Begründung
recht pauschal und nicht mit "hard facts" unterlegt (gesetzlich
entscheidend sind die "umfangreicheren" Aktivitäten, was ich nicht
wirklich beurteilen kann; dass die Aktivitäten "wirkmächtiger" sind,
oder dass der Film "wie kaum ein anderes Medium die kulturelle
Wahrnehmung, kollektive Erinnerung und gesellschaftliche Debatte mit immenser
Breitenwirkung, internationaler Reichweite und enormer gesamtwirtschaftlicher
Bedeutung" prägt, ist kein gesetzlich vorgesehenes
Auswahlkriterium).
Interessant ist auch die Begründung, weshalb der
Zweitgereihte bestellt wurde: er sei jene Person aus diesem
Dreiervorschlag, "die die umfangreichsten Branchenkenntnisse und
langjährige Berufserfahrung im Bereich Kunst und Kultur mitbringt." Das
mit der langjährigen Berufserfahrung würde der Erstgereihte wohl
anders sehen, zumal dessen Berufskarriere schon begonnen hatte, als der
Zweitgereihte noch nicht einmal geboren war (der Drittgereihte ist
etwa gleich alt wie der Zweitgereihte); das mit den "umfangreichsten
Branchenkenntnissen" kann ich nicht beurteilen. De facto ist es wohl eine
durchaus nachvollziehbare Entscheidung für eine Person, die - anders als der
1947 geborene Erstgereihte - noch im aktiven Berufsleben steht. Für diese
Auswahl unter den einzelnen Personen, die auf den Dreiervorschlägen genannt
werden, gibt es auch keine gesetzlich vorgegebenen Kriterien, die
Bundesregierung ist hier also in ihrer Entscheidung frei.
Paul Poet hat zu seiner Bestellung auf
LinkedIn öffentlich erklärt, dass seine Bestellung "unterstützt von
den NEOS und SPÖ/Vizekanzler Andi Babler" erfolgt sei - das war also
sicher kein ÖVP-Ticket.
4. Sport
Anders ist es beim Sport, hier gab es Vorschläge von ASKÖ
und Sportunion (als gelernter Österreicher weiß man: ASKÖ = rot, Sportunion
= schwarz), die Bundesregierung entschied sich für den Vorschlag der
Sportunion, begründet einfach damit, dass der Dachverband Sportunion
"quantitativ mehr Vereine unter seinem Dach vereint" (was wohl eine
Annäherung an das Kriterium 3 - "umfangreichere Aktivitäten" - sein
soll). Dieser Punkt geht also an die ÖVP. Bestellt wurde die Sportunion-Vizepräsidentin
(und beruflich ÖBB-Infra-Vorständin) Michaela
Huber.
5. Jugend
Dafür punktet bei der Jugend die andere politische
Seite. Vier Dreiervorschläge wurden eingebracht, und zwar von der
Katholischen Jungschar Österreichs (KJSÖ) mit Katholischer Jugend (KJÖ), der
Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ im ÖGB), der Österreichischen Kinder-
und Jugendvertretung (ÖJV) - Bundesjugendvertretung (BJV) und der Landjugend
Österreich. Laut Begründung seien von den vier Vorschlägen "mehrere"
(also wohl: nicht alle) durch Organisationen eingebracht worden, die aufgrund
ihres Wirkungsbereichs von überregionaler Bedeutung sind und einen bedeutenden
Teil an Personen des Bereichs Jugend betreffen (ich gehe davon aus, dass damit
nach Ansicht der Bundesregierung die Landjugend nicht die Kriterien 1 und/oder
zwei erfüllt hat, denn für die anderen Organisationen dürfte das eher
unstrittig sein).
Die Begründung für die Berücksichtigung des Vorschlags der
ÖGJ (bestellt wurde der Erstgereihte Matthias
Hauer) ist wenig erhellend: "Die Entscheidung fiel
zugunsten jener Organisation, die als unmittelbarer Mitgliederverein den
bedeutendsten – im Sinne von quantitativ größten – Teil an Personen betrifft
und vertritt." Diese Argumentation lässt sich meines Erachtens
nicht direkt aus dem Gesetz ableiten: ob die Organisation ein Dachverband oder
ein "unmittelbarer Mitgliederverein" ist, dürfte für die Frage, ob
überregionale Bedeutung vorliegt und ein bedeutender Teil der Personen des
betreffenden Bereichs repräsentiert wird, nicht entscheidend sein. Im nächsten
Schritt wäre nicht zu prüfen, ob die Organisation mehr Personen "betrifft
oder vertritt", sondern ob sie umfangreichere und vielfältigere
Aktivitäten aufweist (wozu die Begründung der Bundesregierung schweigt). Mag
sein, dass die Gewerkschaftsjugend umfangreichere Aktivitäten aufweist als die
Katholische Jungschar und Katholische Jugend - aber mit "hard
facts" ist auch das jedenfalls nicht unterlegt.
6. Schülerinnen und Schüler
Der Bereich Schülerinnen und Schüler war einfach: nur ein
Vorschlag, von der zweifellos überregional bedeutsamen und einen bedeutenden
Teil der Schüler*innen repräsentierenden Bundesschülervertretung; bestellt
wurde die Bundesschulsprecherin Mira
Langhammer (die der ÖVP-nahen Schülerunion angehört).
7. Ältere Menschen
Auch die Organisationen, die die älteren Menschen in
Österreich vertreten, lassen sich politisch schön zuordnen - der Seniorenbund
der ÖVP und der Pensionistenverband Österreichs der SPÖ; beide haben Vorschläge
erstattet, dazu auch noch der Malteser Hospitalsdienst Austria (MHDA), der aber
zutreffend als nicht von überregionaler Bedeutung eingestuft wurde.
Zwischen den beiden parteinahen Verbänden (die ähnliche
Mitgliederzahlen angeben) wurde laut veröffentlichter Begründung aufgrund des
vierten Kriteriums - der vorgeschlagenen Personen - entschieden. Weshalb die
Personenvorschläge des Seniorenbunds "die bessere Gewähr für die Aufgaben
des Publikumsrates" bieten sollen (nach dem Gesetz ginge es um die
"bessere Gewähr für eine den Aufgaben des Publikumsrates entsprechende
Qualifikation"), wird mit keinem Wort begründet.
Dass aus diesem Dreiervorschlag dann die frühere
ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gertrude
Aubauer bestellt wurde, wird übrigens damit begründet, dass
diese "durch ihre Aktivitäten als Volksvertreterin, Funktionärin
und öffentliche Person die Interessen älterer Menschen am offenkundigsten
vertritt." Würde sie die Funktion als
"Volksvertreterin" (Nationalratsabgeordnete) aktuell noch ausüben,
wäre sie allerdings als Mitglied des Publikumsrates gemäß § 28 Abs. 2 Z 4 ORF-G
ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund mutet es etwas seltsam an, dass gerade
diese (frühere) Funktion hier hervorgehoben wird und für ihre Bestellung
sprechen soll.
8. Menschen mit Behinderungen
Für diesen Bereich besteht die gesetzliche Besonderheit (§
28 Abs. 4 letzter Satz ORF-G), dass die Interessen von Menschen mit
Behinderungen durch eine selbst behinderte Person vertreten werden müssen. Der
einzige eingebrachte Dreiervorschlag wurde vom Österreichischen Behindertenrat
(ÖBR) erstattet, die Bundesregierung bestellte den in diesem Vorschlag
Erstgereihten Martin
Ladstätter.
9. Eltern bzw. Familien
Für diesen Bereich wurden die meisten Vorschläge erstattet,
und zwar insgesamt acht Vorschläge (Katholischer Familienverband,
Österreichische Kinderfreunde Bundesorganisation, Volkshilfe Österreich,
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, Österreichische Liga für
Kinder- und Jugendgesundheit, Rat auf Draht gemeinnützige GmbH, SOS-Kinderdorf,
die möwe Kinderschutz gemeinnützige GmbH), wobei allerdings die Vorschläge der
fünf zuletzt genannten Organisationen vollkommen gleichlautend waren.
Die Begründung der Bundesregierung für die vorgenommene
Auswahl ist hier insofern unvollständig, als sie nicht einmal klar angibt,
welchen Vorschlag sie tatsächlich ausgewählt hat. Wörtlich heißt es in
dort: "Mit Blick auf den Umfang und die Vielfalt der Aktivitäten
fiel die Entscheidung für den Dreiervorschlag jener Organisation, die im Sinne
von Eltern und Familien das Wohl von Kindern und Jugendlichen im relevantesten
– nämlich im gesundheitlichen – Bereich in den Fokus ihrer Arbeit rückt."
Da die bestellte Person, Helmut
Sax, in fünf Vorschlägen erstgereiht war, lässt sich daraus nur indirekt
erschließen, welcher Vorschlag gemeint sein dürfte: wohl jener der
Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Auch hier mag die
Auswahl einen guten Grund haben, mit den gesetzlich vorgesehenen Kriterien nach
§ 28 Abs. 8 ORF-G wird sie allerdings nicht begründet: dass die Organisation
das Wohl von Kindern und Jugendlichen im "relevantesten" Bereich (wie
auch immer man darauf gekommen sein mag) in den Fokus der Arbeit rückt, sagt
nämlich nichts aus über Umfang und Vielfalt der Aktivitäten im Interesse der
Eltern bzw. Familien.
10. Volksgruppen
Für den Bereich Volksgruppen wurden zwei Dreiervorschläge
vorgelegt, und zwar vom Kroatischen Kulturverein im Burgenland/Hrvatsko
kulturno društvo u Gradišću (HKD) und vom Rat der Kärntner Slowenen/ Narodni
svet koroških Slovencev (NSKS). Die Bundesregierung schreibt in der Begründung
zwar, dass beide Organisationen "einen bedeutenden Teil an Personen des
Bereichs Volksgruppen" betreffen und "umfangreiche und vielfältige
Aktivitäten im Bereich der Volksgruppen" aufweisen. Dann wird die
Begründung kryptisch: "Anhand der vorgelegten Personenvorschläge
fiel die Entscheidung formal für eine der beiden Organisationen; die personelle
Entscheidung fiel aber auf jene eine Person, die von beiden Organisationen in
ihrem Dreiervorschlag nominiert worden ist."
Damit wird aber tatsächlich gerade nicht offengelegt, für
welchen Vorschlag sich die Bundesregierung entschieden hat und nach welchen
Kriterien dies erfolgt ist. Es ist nachvollziehbar, dass die Erstreihung jener
Person, die auch aktuell die Volksgruppen im Publikumsrat repräsentiert, auf
beiden Vorschlägen als Signal zu sehen war, dass sowohl die kroatische als auch
die slowenische Volksgruppe diese Person (Josef
Buranits) wieder im den Publikumsrat haben wollte. Das enthebt aber
die Bundesregierung nicht der Verpflichtung, sich für einen Vorschlag zu
entscheiden (was sie angeblich auch getan hat, aber nicht offenlegt) und dies
entsprechend zu begründen. Die getroffene Entscheidung ist gut gemeint und
dürfte auch dem Willen beider nominierender Volksgruppen entsprechen - formal
korrekt argumentiert ist sie nicht.
11. Touristik
Für den Bereich Touristik wurde die Erstgereihte des
einzigen - von der Österreich Werbung erstatteten - Dreiervorschlags, Petra
Stolba, bestellt.
12. Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer
Auch für den Bereich Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer lag
nur ein Dreiervorschlag (des ÖAMTC) vor, wobei wiederum der Erstgereihte (Bernhard
Wiesinger) bestellt wurde.
2.13. Konsumentinnen und Konsumenten
Für den Bereich Konsumentinnen und Konsumenten gab es
ebenfalls nur einen Dreiervorschlag, hier von der Mietervereinigung
Österreichs. Bestellt wurde diesmal jedoch die Drittgereihte (Andrea
Schellner), von der die Bundesregierung meint, dass sie "aufgrund
ihrer beruflichen Tätigkeit diesen Bereich überzeugend repräsentieren
kann" (warum auch immer, das wird nicht weiter begründet - und es scheint
mir auf den ersten Blick auch nicht ganz klar, was der Beruf einer
Wirtschaftstreuhänderin so Spezielles an sich hat, dass er den Bereich der
Konsumentinnen und Konsumenten überzeugend repräsentieren kann).
2.14. Umweltschutz
Für den Bereich Umweltschutz wurden Vorschläge von den
Naturfreunden Österreich, vom ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung, und vom
Umweltdachverband eingebracht. Allen drei Organisationen wird von der
Bundesregierung beschieden, von überregionaler Bedeutung zu sein einen
bedeutenden Teil an Personen des Bereichs Umweltschutz zu betreffen. Anders als
im Bereich Jugend, wo der "unmittelbare Mitgliederverein" bevorzugt
wurde, wurde im Bereich Umweltschutz nicht der Vorschlag des (roten) Mitgliedervereins
Naturfreunde, sondern der Vorschlag "jener Organisation, die als
Dachverband die größten Umwelt- und Naturschutzorganisationen des Landes
(GLOBAL 2000, WWF, VIER PFOTEN; Kooperation mit Greenpeace) und deren
umfangreichen und vielfältigen Aktivitäten repräsentiert", ausgewählt.
Auch in diesem Fall lässt sich der Begründung kein nachvollziehbarer Vergleich
des Umfangs und der Vielfalt der Aktivitäten dieses Dachverbands mit den
Aktivitäten der beiden anderen Organisationen, die Vorschläge erstattet haben,
entnehmen.
Vom Vorschlag des Umweltdachverbandes wurde die
Zweitgereihte (Birgit
Mair-Markart) ausgewählt, mit der bemerkenswerten Begründung, diese
sei "jene Person, die auch in einem Dreiervorschlag einer zweiten
Organisation im Bereich Umweltschutz nominiert worden ist."
Schlussfolgerungen - Was lässt sich aus der Bestellung
der Publikumsratsmitglieder lernen?
Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Die Auswahlentscheidung ist natürlich besonders einfach, wenn
nur ein einziger Dreiervorschlag für den jeweiligen
Vertretungsbereich erstattet wird. In diesem Fall ist nur zu prüfen, ob es sich
beim Vorschlagenden um eine repräsentative Einrichtung oder Organisation
handelt (wäre das nicht der Fall, so wäre nach § 28 Abs. 6 und 7 ORF-Gesetz
vorzugehen), und dann eine Auswahl unter den drei vorgeschlagenen Personen
vorzunehmen. Diese Auswahl liegt im freien Ermessen der Bundesregierung (wobei
auf die Geschlechterverteilung iSd § 30f ORF-G Bedacht zu nehmen
ist).
Gleich in fünf Vertretungsbereichen (Schülerinnen und
Schüler, Menschen mit Behinderungen, Touristik, Kraftfahrerinnen und
Kraftfahrer, Konsumentinnen und Konsumenten) wurde nur ein Dreiervorschlag
erstattet. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass es nur eine repräsentative
Organisation oder Einrichtung gibt (schwer zu glauben, zumal in der
Vergangenheit in diesen Vertretungsbereichen auch andere Organisationen
Vorschläge erstattet haben). Es mag auch sein, dass sich die anderen
Organisationen nicht dafür interessieren (so spannend ist der Publikumsrat nun
auch wieder nicht). Oder es könnte sein, dass es im Vorfeld Absprachen gegeben
hat. Dabei gibt es wieder zwei Möglichkeiten: der
"Vertretungsbereich" einigt sich intern darauf, wer vorschlägt
(das könnte hinter dem einzigen Vorschlag aus dem Bereich Menschen mit
Behinderungen stehen), oder es wird politisch ausgedealt, wer für welchen
Vertretungsbereich vorschlagen soll (nach dem - hypothetischen - Muster: wenn
der rote ARBÖ keinen Vorschlag für die Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer
erstattet, macht der schwarze Mieterbund keinen Vorschlag für die
Konsumentinnen und Konsumenten).
Egal wie auch immer es aber zur Situation gekommen ist, dass
nur ein Vorschlag einer repräsentativen Organisation erstattet wurde: die
Bundesregierung hat in diesem Fall keine Wahl, sie muss jemand aus diesem
Vorschlag auswählen.
Je öfter genannt, desto besser?
In drei Fällen (Eltern bzw. Familien, Volksgruppen, Umweltschutz) hat die
Bundesregierung Personen bestellt, die auf zwei oder mehr Vorschlägen genannt
waren. Die Anzahl der Nennungen ist allerdings kein gesetzlich relevantes
Kriterium und dürfte als solches nicht für die Auswahl des zu
berücksichtigenden Dreiervorschlags herangezogen werden. Das schließt freilich
nicht aus, bei der - im Ermessen der Bundesregierung liegenden - Auswahl der
konkreten Personen aus dem zuvor auszuwählenden Dreiervorschlag jene Person zu
nennen, die auch auf anderen Vorschlägen genannt ist. Aber grundsätzlich ist
zunächst jener Dreiervorschlag (eindeutig!) auszuwählen, der den Kriterien am
besten entspricht, und erst dann ist die Auswahl unter den dort genannten
Personen zu treffen (das wurde beim Bereich Volksgruppen nicht getan: hier hat
sich die Bundesregierung nicht festgelegt, welchen Vorschlag sie ausgewählt
hat).
Außergesetzliche Kriterien
Mit der erstmaligen Festlegung von Kriterien für die Auswahl unter mehreren
Dreiervorschlägen hat der Gesetzgeber versucht, dem VfGH-Erkenntnis Rechnung zu
tragen, das in der (damals dem Bundeskanzler bzw. der Medienministerin
zustehenden) freien Auswahl, "ob und welche Vorschläge berücksichtigt
werden," ein Unterlaufen der Repräsentativität des Publikumsrates als
möglich erachtet hat. Die nun erfolgte erste Bestellung nach den neuen
Bestimmungen zeigt, dass die Bundesregierung vielleicht da und dort andere oder
zusätzliche Kriterien heranziehen möchte, über deren gesetzliche Verankerung
man diskutieren könnte. So hat sich die Bundesregierung in einem Fall (Jugend)
darauf bezogen, dass es sich um einen "unmittelbaren
Mitgliederverein" handelt, der den größten Teil der betroffenen Personen
vertritt. In einem anderen Fall (Umweltschutz) wiederum klingt die
Begründung so, als wäre es gerade die Form des Dachverbands, die eine
Rolle bei der Auswahlentscheidung gespielt hat. In einem anderen Bereich
(Eltern bzw. Familie) wird darauf abgestellt, dass die (implizit) ausgewählte
Organisation einen bestimmten Aspekt aus diesem Bereich, den die
Bundesregierung - warum auch immer - für den relevantesten hält, "in den
Fokus der Arbeit rückt" - auch dieses "Relevanz"-Kriterium oder
eine Fokussierung auf bestimmte Aspekte ist im Gesetz derzeit nicht
abgebildet.
Begründen muss man wollen (und können)
Das Gesetz verlangt die Veröffentlichung der "tragenden Gründe
für die Entscheidung zugunsten der ausgewählten Einrichtung bzw. Organisation
und der ausgewählten Person" (§ 28 Abs. 10 ORF-G). Diese
Verpflichtung wurde (ohne relevante Folgen) im Bereich Volksgruppen schon
deshalb nicht eingehalten, weil nicht bekanntgegeben wurde, für welchen
Vorschlag sich die Bundesregierung entschieden hat (im Bereich Eltern bzw.
Familie kann man den ausgewählten Vorschlag zumindest indirekt erschließen).
Darüber hinaus bleiben manche Begründungen formelhaft: dass die Vorschläge des
Seniorenbundes "die bessere Gewähr für die Aufgaben des
Publikumsrates" bieten sollen (als jene des Pensionistenverbandes), wird
nur behauptet, nicht erklärt.
Politaufteilung schlägt gesetzliche Kriterien
Über die konkreten Auswahlentscheidungen kann man in manchen Fällen
unterschiedlicher Meinung sein, und die Kriterien sind nicht immer griffig
anzuwenden. Aber schon die (bloß behauptete, nicht begründete) "bessere
Gewähr" für die Aufgaben des Publikumsrates bei den
Seniorenbund-Vorschlägen klingt ein wenig nach: es soll halt so sein (mit
anderen Worten: das ist ein VP-"Mandat"). Ähnlich ist es bei der
Jugend: hier wurde der Vorschlag der Gewerkschaftsjugend ausgewählt, weil sie
"als unmittelbarer Mitgliederverein den bedeutendsten – im Sinne von
quantitativ größten – Teil an Personen betrifft und vertritt" -
auch da fehlt eine nähere Auseinandersetzung, die das mit den gesetzlichen
Kriterien in Beziehung setzt und mit Fakten unterlegt. Aber Jugend, das war
wohl ein "rotes Ticket" (dafür kommt wieder bei den Schülerinnen und
Schülern, wo es allerdings nur einen Vorschlag gab, eine Vertreterin einer
ÖVP-nahen Organisation zum Zug).
Diese Auswahlentscheidungen bei den älteren Menschen und bei
der Jugend lassen sich aber noch halbwegs argumentieren und wurden nicht ganz
so offensichtlich nur aufgrund der politischen Zuordnung getroffen. Anders
ist das allerdings im Bereich Hochschulen: dass hier der Vorschlag der
Rektorinnen- und Rektorenkonferenz der österreichischen Pädagogischen
Hochschulen (RÖPH) vor jenem der Österreichischen Universitätenkonferenz
bevorzugt wurde, lässt sich nicht anders als (partei-)politisch
erklären. Die im Ministerratsbeschluss dafür genannten Gründe sind
absurd und unglaubwürdig. Wie schon oben ausgeführt: dass die 14 pädagogischen
Hochschulen mit zusammen knapp 22.000 Studierenden im Hochschulbereich
umfangreichere Aktivitäten entfalten als die Universitäten mit zusammen gut
260.000 Studierenden, glaubt wahrscheinlich - wenn sie dies denn tut - nur die
Bundesregierung.
In diesem Fall ist greifbar, dass nicht die gesetzlichen
Kriterien herangezogen wurden, sondern alte Proporzüberlegungen hinter der
Auswahlentscheidung stehen.
Das ist schon deshalb bedauerlich, weil damit auch die
Auswahlentscheidungen in anderen Bereichen, die formal besser begründet wurden,
unter diesen Verdacht geraten - wie schon gesagt: es liegt nahe, dass nach dem
schwarzen Ticket für den Bereich Hochschulen der Bereich "Bildung"
ein rotes Ticket war, dem roten Jugend-Ticket ein schwarzes Ticket aus dem
Beriech Schülerinnen und Schüler gegenübersteht, und dass auf die
"schwarzen" Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern die "roten"
Konsumentinnen und Konsumenten" folgen. Und weil die ÖVP etwas größer ist
als die SPÖ, hat sie auch die Bereiche ältere Menschen, Sport und Touristik
bekommen, dafür (wahrscheinlich) die SPÖ den Bereich Kunst und Kultur
(zumindest hat sich der Ausgewählte bei SPÖ und NEOS bedankt). Nicht (oder
jedenfalls nicht für mich) direkt parteipolitisch zuordnen lassen sich die
ausgewählten Vorschläge für die Bereiche behinderte Menschen, Volksgruppen,
Umweltschutz und Eltern bzw. Familien.
Zusammenfassend: die Auswahl wurde zwar transparenterer,
aber da und dort schimmert das alte Proporzdenken durch.
Was kommt jetzt?
Der nächste Schritt ist die Bestellung der Stiftungsrats-
und Publikumsratsmitglieder durch die anderen bestellungsberechtigten
Einrichtungen. Von besonderem Interesse ist, welche neun Mitglieder des
Publikumsrates von diesem in den Stiftungsrat entsendet werden, und ob hier
- wie
Harald Fidler im Interview mit dem Vizekanzler im Standard in den Raum stellt -
eine Aufteilung von "je vier für ÖVP und SPÖ und einem Sitz für Neos"
erkennbar sein wird.