Als audiovisuellen Mediendienst auf Abruf (oder nichtlinearen audiovisuellen Mediendienst) bezeichnet die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste "einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird".
Die Vorgaben der Richtlinie wurden in Österreich im Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD-G) umgesetzt. Wer einen "audiovisuellen Mediendienst auf Abruf" anbietet, muss dies der Regulierungsbhörde anzeigen (§ 9 AMD-G; hier zur Liste der angezeigten Dienste) und unterliegt einigen (wenigen) inhaltlichen Vorgaben (zB zum Minderjährigenschutz § 39 AMD-G). In einem Streitfall hat die KommAustria als Regulierungsbehörde entschieden, dass mit dem Anbot von Videos auf der Subdomain http://video.tt.com des Webauftritts der Tiroler Tageszeitung Online, http://www.tt.com, ein anzeigepflichtiger Abrufdienst veranstaltet werde (Bescheid der KommAustria, mit Screenshot); nach Berufung des Unternehmens wurde diese Entscheidung vom Bundeskommunikationssenat bestätigt (Berufungsentscheidung des BKS [update 04.09.2014: nun mit korrektem Link!]).
Der Verwaltungsgerichtshof, an den das betroffene Unternehmen Beschwerde erhoben hat, hat mit Beschluss vom 26.06.2014 dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art 1 Abs 1 lit b der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) dahingehend auszulegen, dass von einer in Form und Inhalt erforderlichen Vergleichbarkeit eines in Prüfung stehenden Dienstes mit Fernsehprogrammen dann ausgegangen werden kann, wenn derartige Dienste auch in Fernsehprogrammen angeboten werden, die als Massenmedien angesehen werden können, welche für den Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit bestimmt sind und bei dieser deutliche Wirkung entfalten können.Das Verfahren ist beim EuGH unter C-347/14 New Media Online anhängig (da ich am Ausgangsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof als Richter beteiligt bin, kommentiere ich die Sache nicht näher).
2. Ist Art 1 Abs 1 lit a sublit i der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) dahingehend auszulegen, dass bei elektronischen Ausgaben von Zeitungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Hauptzweckes eines angebotenen Dienstes auf einen Teilbereich abgestellt werden kann, in dem überwiegend kurze Videos gesammelt bereitgestellt werden, die in anderen Bereichen des Webauftritts dieses elektronischen Mediums nur zur Ergänzung von Textbeiträgen der Online-Tageszeitung verwendet werden.
Im UK hatte die für audiovisuelle Mediendienste zuständige Regulierungsbehörde ATVOD übrigens die Video-Website der "Sun" [die Video-Website ist mittlerweile nur mehr für zahlende Abonnenten zugänglich] auch als audiovisuellen Mediendienst auf Abruf beurteilt. In zweiter Instanz wurde diese Entscheidung jedoch vn der Ofcom "umgedreht" (Entscheidung [pdf]; die mehr als 20 Anhänge zur Entscheidung sind hier abrufbar; Anhang 1 ist eine Beschreibung der Website, Anhang 3 ein Screenshot der Video-Seite der Sun). ATVOD hat in der Folge die Entscheidungen zu anderen Zeitungswebsites zurückgenommen (siehe diesen Bericht bei Out-Law.com).
In der Slowakei hatte die nationale Regulierungsbehörde die Video-Website einer Tageszeitung im Jahr 2010 zunächst nicht als Abrufdienst qualifiziert, nach einigen Änderungen an der Website im Jahr 2012 aber doch (mehr dazu hier). Näheres zur Frage der Fernsehähnlichkeit von Abrufdiensten, einschließlich einer Beschreibung nationaler Regulierungspraktiken, kann man ein einem Beitrag von Francisco Javier Cabrera Blázquez in IRIS plus 2013-4 nachlesen; auch er schreibt, dass Zeitungswebsites, die Videos bereitstellen, Klassifikationsprobleme bereiten:
Die meisten Zeitungen bieten ihren Lesern elektronische Versionen an, die online zur Verfügung stehen (entweder werbefinanziert oder im Abonnement). Zusätzlich zu den normalen textbasierten journalistischen Berichten und Kommentaren werden diese Dienste oft mit audiovisuellen Inhalten angereichert. Die Schwierigkeit liegt in diesen Fällen in der Feststellung, ob die Bereitstellung derartiger audiovisueller Inhalte der Hauptzweck der Dienste ist oder nicht und ob der Videobereich einer Zeitung einen anderen Dienst darstellt als der textbasierte Dienst, den die Zeitung anbietet.PS: Ein weiteres neues Vorabentscheidungsersuchen zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste stammt vom Korkein hallinto-oikeus, dem obersten finnischen Verwaltungsgericht (schwedischer Text des Vorlagebeschlusses): C-314/14 Sanoma Media Finland. Dabei geht es zunächst um die Frage, ob ein geteilter Bildschirm, in dem auf der einen Seite der Programmabspann gezeigt wird und auf der anderen Seite eine Programmvorschau, als Werbetrenner im Sinne des Art 19 Abs 1 der Richtlinie beurteilt werden kann. Weitere Fragen beziehen sich auf die Einbeziehung von Sponsorhinweisen in die höchstzulässige Werbezeit und ob die "schwarzen Sekunden" zwischen einzelnen Werbespots und am Ende einer Werbeunterbrechung der Werbezeit zuzurechnen sind (jeweils unter Berücksichtigung des Umstands, dass die AVMD-RL eine Mindestregelung ist).