Thursday, March 10, 2011

Potjemkinsches Recht: Zum Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes zur Transparenz von Medienkooperationen

Wieviel Geld Bund, Länder und staatliche bzw staatsnahe Unternehmen für Werbeeinschaltungen ausgeben, ist derzeit offenbar nicht leicht herauszufinden. In Kärnten etwa wurde dem Journalisten Georg Holzer vor kurzem vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach durchgeführtem Beweisverfahren beschieden, dass "in den [...] beantragten Auskünften, insbesondere [...] wie viel Geld aus Mitteln der Kärntner Landesregierung im Jahre 2008 bis 2009 an Marketingausgaben für die einzelnen Regierungsmitglieder geflossen sei, eine präzise Aussage nur möglich ist, wenn man wochenlang händisch auswertet." (Hervorhebung hinzugefügt). Standard-Chefredakteurin Föderl-Schmid sagte kürzlich, dass über (Regierungs-)Anzeigen ein Volumen von insgesamt 95 Mio. Euro an verschiedene Medien fließe und die Presseförderung im Vergleich dazu nur rund 12,8 Mio Euro ausmache.

Nun soll mehr Transparenz in die Werbeausgaben der öffentlichen Hand kommen, denn die Regierung hat sich "auf die verpflichtende Offenlegung von Ausgaben für Inserate in Medienunternehmen geeinigt" (so hieß es nach dem Ministerrat am vergangenen Dienstag). Das Mittel dazu: ein neues "Bundesverfassungsgesetz zur Transparenz von Medienkooperationen mit sowie der Vergabe von Förderungen und Werbeaufträgen an Medienunternehmen (BVG-Medienkooperation und Medienförderung – BVG-MedKF)". Der offenbar in der Bundesregierung akkordierte Entwurf des Bundeskanzleramtes für dieses Gesetz ging am 8. März 2011 in Begutachtung, die Frist läuft bis 8. April 2011 (die Stellungnahmen werden hier auf der Parlaments-Website zu lesen sein).

Dass in der Folge irgendeine gesetzliche Regelung kommen könnte, halte ich nicht einmal für ausgeschlossen - äußerst unwahrscheinlich ist allerdings, dass in absehbarer Zeit (und insbesondere vor der nächsten Nationalratswahl) tatsächlich aussagekräftige Zahlen auf einer Website für jedermann zu sehen sein könnten. Der vorliegende Gesetzesentwurf sorgt geschickt dafür vor:

Erstens ist der Entwurf umfassend genug angelegt, so dass auch der Widerstand gegen den Entwurf garantiert umfassend sein wird: der ORF soll zB genauso zur Offenlegung der von ihm aufgewendeten Werbekosten verpflichtet werden wie (vereinfacht gesagt) im Wesentlichen alle weiteren der Rechnungshofkontrolle unterliegenden Rechtsträger, und zwar selbst jene, deren Tätigkeit derzeit nur in einem Teilbereich vom Rechnungshof geprüft werden kann (nach Art 126b Abs 3 B-VG: die Gebarung öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Mitteln des Bundes). Damit sind unter anderem Sozialversicherungsträger und gesetzliche berufliche Vertretungen (sprich: Kammern) erfasst. Sollte etwa - willkürliche Beispiele - die Vorarlberger Landarbeiterkammer ihre jährliche Meisterschaft im Blochrollen, Durchhacken und Entkerben in den Vorarlberger Nachrichten ankündigen wollen, müsste sie die Kosten dafür ebenso melden wie wenn die Burgenländische Krankenanstalten GmbH eine offene Dauersekundararztstelle in der Jobbeilage einer Zeitung ausschreibt. Dass all dies unmöglich, undenkbar, überbordend und was weiß ich sonst noch sei, wird man in den Stellungnahmen in den nächsten Wochen lesen können. Außerdem werden vor allem die betroffenen staatsnahen Unternehmen darauf hinweisen, dass mit einer Veröffentlichung Geschäftsgeheimnisse offenzulegen wären, dass dadurch die notwendige Öffentlichkeitsarbeit teurer werde (wegfallende Sonderrabatte etc.) und dass sie damit auch einen Wettbewerbsnachteil erleiden würden. Und der ORF? Angesichts des bekannten track records ist wohl auszuschließen, dass der ORF gegen die Pflichtveröffentlichung seiner Aufwendungen für Werbeeinschaltungen und Medienkooperationen keine Einwände hätte. Ähnliches gilt für die Kammern (hier wird in den Stellungnahmen wohl von einem "Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung" die Rede sein), denen im politischen Meinungsbildungsprozess bekanntermaßen auch einiges Gewicht zukommt.

Zweitens wird das Gesetz, selbst wenn es in der Entwurfsfassung beschlossen werden sollte, zahnlos bleiben: denn die Meldepflicht soll zwar am 1. Juli 2011 in Kraft treten, sodass theoretisch die erste Veröffentlichung in der zweiten Jännerhälfte 2012 über das zweite Halbjahr 2011 erfolgen könnte. Das ist freilich reine Theorie, denn eine "Veröffentlichung der Website durch das Bundeskanzleramt erfolgt, sobald sämtliche der zur Bekanntgabe verpflichteten Rechtsträger ihrer Bekanntgabepflicht" nachgekommen sind (§ 1 Abs 5 des Entwurfs). Man kann gut darauf vertrauen, dass es immer irgendwo zB eine Landes-Liftgesellschaft geben könnte, die aus welchen Gründen auch immer leider ihre Werbeausgaben dem Bundeskanzleramt nicht gemeldet haben wird (Strafsanktionen bei Meldepflichtverletzungen sind im Entwurf auch für Unternehmen nicht vorgesehen).

Der ist klassisches potjemkinsches Recht: wer außen vorbeigeht, sieht eine beeindruckende Fassade, dahinter tut sich das Nichts auf.

1 comment :

mboe said...

schön gesagt - etwas weniger höflich wäre auch Verar... g der rechtsunterworfenen passend