Monday, May 30, 2011

Telekom-Rat: Ministerebene ohne Minister

Der Rat, als Organ der Europäischen Union, besteht gemäß Art 16 Abs 2 EUV "aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung des von ihm vertretenen Mitgliedstaats verbindlich zu handeln und das Stimmrecht auszuüben."

Am vergangenen Freitag fand die 3093. Ratstagung statt, und zwar in der Ratsformation "Verkehr, Telekommunikation und Energie", allerdings ausschließlich mit Telekom-Themen (Pressemitteilung). Dieser sogenannte "Telekom-Rat" ist das skurrile Ergebnis der Bemühungen, die früher größere Vielfalt an Ratsformationen einzudämmen: 2002 wurden die drei Bereiche Verkehr, Telekommunikation und Energie zu einem Rat zusammengelegt, de facto hat sich aber wenig geändert, da einfach die Themensetzung jeweils so gewählt wird, dass entweder die Verkehrs-, die Telekom- oder die Energieminister anreisen.

Oder auch nicht: denn zur "Telekom"-Ratstagung am Freitag kamen gerade einmal 8 echte Minister aus den 27 Mitgliedstaaten; die anderen schickten Staatssekretäre, stellvertretende Minister oder die (stellvertretenden) "Ständigen Vertreter". Auch die österreichische Ministerin fand es nicht der Mühe wert, nach Brüssel zu fliegen. Vielleicht war die Tagesordnung zu dünn, vielleicht wollte sie sich aber - wie auch die MinisterInnen anderer Mitgliedstaaten - einfach nicht anhören, was die zuständige Kommissarin den Ministern beim Mittagessen sagen wollte: denn neben Informationen zu den Plänen zur weiteren Senkung der Roamingentgelte war zu erwarten, dass auch die schleppende Umsetzung des Telekom-Reformpakets zur Sprache kommen würde.

Tatsächlich waren keine weltbewegenden Themen auf der Tagesordnung: beim ersten Programm zur Funkfrequenzpolitik sind sich die Mitgliedstaaten zwar weitgehend einig (aber nicht immer im Sinn des Kommissionsvorschlags); abzuschließen wird das aber frühestens unter der polnischen Präsidentschaft sein. Dass die bisher eher als glücklos geltende ENISA eine weitere Gnadenfrist erhält, ist de facto zwingende Konsequenz aus dem noch immer nicht finalisierten geänderten Mandat (nachdem der Versuch, die ENISA mit dem Telekom-Reformpaket in eine neue Regulierungsagentur zu integrieren, gescheitert ist). Nicht besonders vielsagende Schlussfolgerungen des Rates gibt es zum Programm zum Schutz kritischer Infrastrukturen, zur Vorbereitung der Weltfunkkonferenz 2012 und zum eGovernment-Aktionsplan.

Und ja: die Umsetzungsfrist für das Telekom-Reformpaket ist mit 25. Mai 2011 abgelaufen; die Mitgliedstaaten müssten seit 26. Mai 2011 die geänderten Vorschriften anwenden. Tatsächlich haben erst sehr wenige Mitgliedstaaten umgesetzt, nach dieser Übersicht auf dem T-Regs-Blog bisher erst Dänemark, Estland, Spanien und das Vereinigte Königreich. Das hat die Kommission natürlich nicht gehindert, die neue bessere Welt für Telekomkunden in zahlreichen Pressemitteilungen zu feiern (Digitale Agenda: Bürger und Unternehmen profitieren vom neuen EU-Telekommunikations­recht, Digital Agenda: how new EU telecoms rules would ensure easier and fairer access to telecoms services for customers, Digital Agenda: how new EU rules improve privacy protection for internet users, Digital Agenda: how new EU rules foster more competition in telecoms markets).

In Österreich gibt es - nach dem Ministerialentwurf (siehe dazu hier) - noch immer keine Regierungsvorlage zur Umsetzung, die Zeit bis zur üblichen Beschlussfassung im "Sommerkehraus" (in einer der letzten Nationalratssitzungen vor der Sommerpause) wird langsam knapp (aber es kann sich noch ausgehen). Dafür ist mittlerweile am 18.05.2011 das Bundesgesetzblatt mit den TKG-Änderungen zur Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht worden (da der Kernpunkt der Regelung erst am 01.04.2011 in Kraft treten wird, kann aber auch hier strittig sein, ob eine ordnunsggemäße Umsetzung erfolgt und das Vertragsverletzungsverfahren vom Tisch ist). Auch bei dieser BGBl-Veröffentlichung gibt es übrigens wieder einen Fehler im Detail: im Einleitungssatz wird auf das "TKG 2003, BGBl. I Nr. 70/2003, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 50/2010" Bezug genommen - tatsächlich wurde das Gesetz aber mittlerweile ein weiteres Mal geändert (durch BGBl I 2011/23).

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