Auf den ersten Blick scheinen die wichtigsten Punkte des Reformpakets vom Entwurf umfasst. Schon beim Durchblättern bin ich aber auch auf eine richtlinienwidrige Regelung gestoßen: dass es aus dem Universaldienst keinen Anspruch auf Zugang zu einem Festnetzanschluss mehr geben soll (§ 26 Abs 2 Z 1 laut Entwurf), lässt sich mit Art 4 der UniversaldienstRL nicht vereinbaren. Auch die Regelung in § 42 Abs 1 laut Entwurf, wonach eine Entgeltkontrolle für außerhalb Österreichs und der EU originierende Gespräche nicht aufzuerlegen ist und für innerhalb Österreichs und der EU originierende Gespräche "das Prinzip der Reziprozität zwischen Mobilbetreibern anzuwenden" ist, greift wohl im Sinne des Regulierungsferien-Urteils des EuGH unzulässig in den Entscheidungsspielraum der Regulierungsbehörde ein.
Abgesehen von der reinen Richtlinienumsetzung fallen folgende "Umbauarbeiten" auf, die mit der Novelle umgesetzt werden sollen:
- die Regelungen zu Leitungs- und Mitbenutzungsrechten werden gestrafft und die Zuständigkeiten - bisher zwischen Fernmelde- und Regulierungsbehörden geteilt - werden bei der Regulierungsbehörde konzentriert. Auch die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Entscheidung über Abgeltungen bei Leitungsrechten entfällt, da mit der Telekom-Control-Kommission ohnehin ein Tribunal entscheidet;
- reine Callshops/Internetcafés werden sinnvollerweise von der Anzeigepflicht nach § 15 TKG ausgenommen, allerdings wieder dem Regime der Gewerbeordnung unterworfen;
- recht komplex - um nicht zu sagen verwirrend - scheint das Zusammenspiel zwischen Regulierungsbehörde und Datenschutzkommission im Zusammenhang mit den Regelungen betreffend Sicherheit und Integrität (§ 16a) und Sicherheitsverletzungen (§ 95a); hier würde man sich als Betroffener wohl auch ein streamlining der Behördenzuständigkeiten wünschen;
- § 17 Abs 5 in der Entwurfsfassung sieht vor, dass die Regulierungsbehörde berechtigt ist, "Instrumente und Kontrollmöglichkeiten anzubieten", mit denen der Teilnehmer in die Lage versetzt wird, die Angaben der Betreiber über die Dienstequalität zu überprüfen (Achtung! Dass die Regulierungsbehörde dazu berechtigt ist, heißt noch nicht, dass sie dazu auch verpflichtet wäre!); Ähnliches gilt für elektronische Tarifvergleiche der Regulierungsbehörde (§ 25c laut Entwurf) und die Möglichkeit, die Betreiber zur Bereitstellung von "Tarifberatung und Kostenkontrolle" zu verpflichten (§ 25a);
- § 24a in der Entwurfsfassung gibt der Regulierungsbehörde Möglichkeiten gegen Missbrauch bei Mehrwertdiensten; durch Mandatsbescheid soll hier eine vorläufige Auszahlungssperre an den Rufnummernnutzer verhängt werden können. Auch die Sperre von missbräuchlich verwendeten Mehrwertnummern soll erleichtert werden (§ 91a in der Entwurfsfassung);
- Die Benennung eines Universaldienstverpflichteten soll nur mehr erfolgen, wenn festgestellt wird, dass die Leistungen des Universaldienstes nicht im Wettbewerb erbracht werden; der bestehende Universaldienstbetreiber soll mit Bescheid des BMVIT von seiner Verpflichtung entbunden werden (nach entsprechender Überprüfung der Voraussetzungen; das Ergebnis der Überprüfung ist aber leicht vorherzusagen, schreibt doch das BMVIT in den Erläuterungen, dass die Erbringung des Universaldienstes seit der Liberalisierung stets gewährleistet war);
- Im Kernbereich des Regulierungsrechts erfolgt auch eine Flurbereinigung: die strikte Trennung zwischen Marktdefinition (mit Verordnung) und Marktanalyse (mit Bescheid) wird entfallen, in Hinkunft soll auch die Marktdefinition mit Bescheid erfolgen, die Zuständigkeit wird bei der Telekom-Control-Kommission konzentriert (für Rundfunkmärkte bleibt wie bisher die KommAustria zuständig);
- auf eine "Forderung der Branche" geht die etwas merkwürdige Bestimmung des § 38 Abs 5 in der Entwurfsfassung zurück: demnach sollen Netzbetreiber "Risikobeteiligungsverträge ebenso wie Kooperationsvereinbarungen zur Teilung des Investitionsrisikos für neue und verbesserte Infrastrukturen" abschließen können, was zunächst einmal wie eine Art gesetzlicher Freibrief von wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen klingt - allerdings darf auch nach dieser neuen Bestimmung "der Wettbewerb dadurch nicht beeinträchtigt" werden;
- die Bestimmungen über Frequenzzuteilungen werden vereinheitlicht, um die Verfahren vor den Fernmeldebehörden bzw. vor der Telekom-Control-Kommission nach möglichst einheitlichen Regeln abwickeln zu können;
- die Bestimmungen über den "Schutz der Nutzer" enthalten auch Bestimmungen, bei denen man nicht ganz sicher ist, ob es wirklich die Nutzer sind, die hier geschützt werden sollen: so soll die Höchstfrist für Einwendungen gegen Rechnungen mit drei Monaten (!) festgelegt werden; immerhin soll auch eine Mindestfrist von sechs Wochen gelten;
- und wenn schon aufgrund der RL neues totes Recht geschaffen werden muss (§ 47a - Funktionelle Trenung), so fällt wenigstens eine Bestimmung weg, die seit dem ersten TKG 1997 totes Recht geblieben ist: jene über die Einrichtung des "Telekommunikationsbeirates" (den es - ungeachtet der gesetzlichen Bestimmung - nie gegeben hat).
Update 17.06.2011: Der ursprüngliche Plan, noch vor dem Sommer einen Gesetzesbeschluss herbeizuführen, ist nun wohl endgültig als gescheitert anzusehen; aus heutiger Sicht ist realistisch, dass zwar vielleicht noch im letzten Ministerrat vor dem Sommer, allenfalls auch erst im Sommer, eine Regierungsvorlage beschlossen werden könnte und dann erst im September die parlamentarische Behandlung beginnt, sodass die Novelle, wenn dann alles klappt, im November in Kraft treten könnte. Angesichts der geplanten Erweiterungen des Konsumentenschutzes durch die Novelle hält sich bei den Betreibern das Bedauern über die Verzögerung eher in Grenzen.
2 comments :
Was aber wenn der vorliegende § 94 TKG-Entwurf einen anderen Inhalt bzw. Terminologie ("Anbieter") enthält bzw. verwendet als der § 94 TKG-Entwurf welcher die VDS-RL umsetzt?
Dürfen wir uns dann erwarten, dass die heftig umkämpfte Umsetzung der VDS-RL nochmals "aufgeschnürt" und abgepasst wird?
Vielen Dank,
@Anonymous: realistischerweise wird das meines Erachtens so ausschauen: der Forschungs- und Technologieausschuss hat am 7. April seine nächste Sitzung, dort dürfte wohl die Novelle zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen werden; für 28. und 29. April sind Plenarsitzungen des Nationalrats vorgesehen, in denen dann das dann vom Plenum beschlossen werden kann. Da die Stellungnahmefrist für die aktuelle Novelle bis 26. April 2011 läuft, kann man davon ausgehen, dass für die dann zu erstellende Regierungsvorlage die mittlerweile beschlossene VDS-Novelle entsprechend berücksichtigt wird. Terminologische Änderungen auch in den durch die VDS-Novelle geänderten Bestimmungen sind damit noch denkbar, aber ein neuerliches "Aufmachen" der gesamten Vorratsdaten-Diskussion soll es sicher nicht mehr geben (was freilich nicht bedeutet, dass die Opposition das nicht versuchen wird).
Post a Comment