Friday, December 05, 2008

Der ORF will keine Finanzspritze und keine Subvention - bloß 57 Mio € aus dem Bundesbudget

Die sogenannte "Refundierung der Gebührenbefreiung" ist ein wiederkehrendes Thema im Zusammenhang mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation des ORF. Im Regierungsprogramm, das habe ich schon in meiner kleinen Übersicht dargestellt, wurde dem Wunsch des ORF auf diese "Refundierung" nicht Rechnung getragen. Dass es "keine Finanzspritze für den ORF" geben werde (jedenfalls vorerst), geht auch aus einem Interview mit dem neuen Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (in der Tageszeitung Österreich) hervor. "Österreich" war es eine Vorausmeldung wert, und der ORF reagierte umgehend mit einer eigenen Aussendung. "ORF-Marketing und Kommunikation" (Chef: Pius Strobl, der offenbar demnächst noch weitere Aufgaben übernehmen soll) lässt uns also Folgendes wissen (wörtlich!):
ORF verlangt Fairness, keine "Finanzspritze"

Der ORF hat zu keiner Zeit eine "Finanzspritze" verlangt, er verlangt keine "Finanzspritze" und er benötigt auch keine "Finanzspritze". Der ORF ist ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen, das sich nicht um staatliche Subventionierung bemüht, sondern lediglich die ihm zustehende Refundierung der gesetzlich verordneten Gebührenbefreiungen einfordert.
Die aus sozialpolitischen Gründen sehr wichtige Befreiung von den Rundfunkgebühren wurde vom Gesetzgeber beim ORF bestellt, der daraus entstehende Einnahmenverlust wird dem Unternehmen allerdings unfairerweise nicht ersetzt.
Nur gegen diese Ungleichbehandlung wehrt sich der ORF im Sinne der Gesamtheit der österreichischen Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler.
Strobl kann zwar bei anderen recht penibel sein, an die eigenen Aussendungen legt er aber offenbar keine so strengen Maßstäbe an. Immerhin bietet diese Aussendung Gelegenheit, kurz die rechtlichen Hintergründe der sogenannten "Refundierung der Gebührenbefreiung" darzulegen.

1. Seit Jahrzehnten gibt es das Programmentgelt, die Rundfunkgebühren und die "Gebührenbefreiung": § 20 Abs 3 des Rundfunkgesetzes legte schon zwischen 1984 und Ende 1999 fest, dass der ORF selbst die Höhe des Programmentgelts bestimmt, während Beginn und Ende der Zahlungspflicht sowie die Befreiung davon vom Bundesgesetzgeber entsprechend der Regelung bei den Rundfunkgebühren bestimmt wird. Das heißt: wer (insbesondere aus sozialen Gründen) kein Programmentgelt zu zahlen hat, wurde und wird vom Bundesgesetzgeber festgelegt. Dem ORF steht von den "gebührenbefreiten Rundfunkteilnehmern" kein Programmentgelt zu.

2. Im Jahr 1999, kurz vor den Wahlen, kam es im Nationalrat zu einem Initiativantrag; der Text dazu wurde vom ORF vorbereitet (siehe die Debatte hier; Abg. Schieder [der Ältere] sagte dazu: "Das ist ein Vorschlag. Der Gesetzgeber ist ja nicht verpflichtet, den Vorschlag irgendeiner Gruppe in Betracht zu ziehen oder ihn gleichermaßen zu behandeln wie eine Regierungsvorlage." - er tat es aber). Der in diesem Text enthaltene "Vorschlag", dem ORF den aus den "Gebührenbefreiungen" entstehenden Entfall des Programmentgelts vom Bund abzugelten (stufenweise ab 2001), wurde in den Erläuterungen nicht einmal erwähnt; beschlossen wurde er dennoch. Festzuhalten ist, dass es in diesem Zusammenhang zu keinen Änderungen bei den bisherigen Befreiungstatbeständen kam - es ging also gerade nicht darum, zusätzlich hinzugekommene Befreiungsfälle abzudecken.

3. Ein Jahr später, als der Gesetz gewordene "Vorschlag" budgetwirksam zu werden drohte, wurde im Budgetbegleitgesetz 2001 die geplante "Refundierung" wieder gestrichen - als eine von zahlreichen Maßnahmen, die laut Parlamentskorrespondenz "den Weg Richtung Nulldefizit ebnen" sollten. Eine "Refundierung" hat daher - auch wenn sie ein Jahr lang im Rundfunkgesetz verheißen wurde - daher faktisch nie stattgefunden.

4. Natürlich wäre die "Refundierung der Gebührenbefreiung" eine "Finanzspritze" oder "Subvention" (und, rechtlich betrachtet, eine staatliche Beihilfe, die - da sie neu wäre - zumindest auch der Europäischen Kommission notifiziert werden müsste). Dass dem ORF die Refundierung zustehe, wie dies in der Aussendung behauptet wird, kann man nur als gewissermaßen moralisches Werturteil stehen lassen; einen Rechtsanspruch gibt es jedenfalls nicht. Dass der ORF eine solche Subvention, die laut GD Wrabetz immerhin 57 Mio Euro ausmachen würde, einfach als ihm zustehend "einfordert", zeugt von gesundem Selbstbewusstsein (aber schließlich ist der ORF ja auch keine "Pimperlbank")

5. Vollends kraus wird die ORF-Aussendung, wenn darin behauptet wird, die Befreiung von den Rundfunkgebühren (gemeint: Programmentgelten) sei "vom Gesetzgeber beim ORF bestellt" worden. Vielleicht verwechselt Strobl den ORF mit den Eisenbahnen, bei denen der Bund gemeinwirtschaftliche Leistungen bestellt; beim ORF hingegen gibt der Bund dem ORF gesetzlich die Möglichkeit, ein Programmentgelt (in der vom ORF festgesetzten Höhe!) einzuheben - und der Bund legt auch fest, von welchem Personenkreis dieses Entgelt eingehoben werden kann.
Der implizite Vergleich mit der Eisenbahn hinkt: die Eisenbahnen sind privatrechtlich organisierte Unternehmen, die marktwirtschaftlich Leistungen anbieten; will der Bund (oder eine andere Gebietskörperschaft) weitere Leistungen, dann sind diese zu bestellen und zu bezahlen. Der ORF, eine öffentlich-rechtliche Stiftung, hat die gesetzlich festgelegten Aufträge zu erfüllen, und er kann genau dafür - zusätzlich zu Werbeeinnahmen - ein Programmentgelt einheben; schon dieses Programmentgelt ist - wenn man einem Eisenbahnvergleich nahetreten will - das Entgelt für die "bestellte Leistung". Ähnliches gilt für den Vergleich mit den Telekom-"Gebührenbefreiungen": hier "bestellt" der Bund Leistungen (für die "Gebührenbefreiten"), und ersetzt den Unternehmen die Kosten. Beim ORF "bestellt" der Bund die Leistung "öffentlich-rechtlicher Auftrag" und ersetzt dem ORF die Kosten (indirekt) im Wege des Programmentgelts. Wo die "Ungleichbehandlung" liegt, müsste daher erst einmal erklärt werden.

PS: Natürlich kann sich der ORF 57 Mio € aus dem Budget wünschen; die obigen Ausführungen sind auch nicht als inhaltliche Bewertung dieses Wunsches in die eine oder andere Richtung gedacht. Bloß: wenn man Subventionen will, soll man es nicht zugleich leugnen.

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