Sunday, December 07, 2008

Vermischtes: Struve, TW1, saarländischer medienpolitischer Stammtisch und Reding

Ein paar nur lose zusammenhängende Anmerkungen, die sich im Lauf der Tage so angesammelt haben:

1. Rettet Struve den ORF?
In der Bestellung von Günter Struve zum Sachverständigen für das Qualitätssicherungssystem des ORF (dazu schon hier und hier) vermag wohl nur die Frankfurter Rundschau einen "Schachzug" zu erkennen, dessen "strategische Güte" (!) dem ORF-Generaldirektor aber "womöglich gar nicht bewusst war" (mir ist sie noch immer nicht bewusst). Ex-WDR-Intendant (und derzeit EBU-Präsident) Fritz Pleitgen sagte etwa zeitgleich über Struve: "Er war ein starker Programmdirektor, oft der Gegenpol meiner öffentlich-rechtlichen Vorstellungen." (Quelle: epd-medien). Dass aber Struve gar "den ORF retten" soll, wie dies auf Meedia zu lesen ist, scheint doch ein wenig weit hergeholt. Andererseits: hätte der ORF den genauen Auftrag und Zeitplan für die Arbeit von Herrn Struve bekannt gegeben, würde es wohl nicht zu solchen Gerüchten kommen. Ich persönlich würde dem ORF jedenfalls nicht wünschen, dass ausgerechnet an "Struves Expertise ... nun die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Senders" hängt, wie Meedia meint.

2. TW1 einstellen, ausbauen oder weiter so gesetzestreu wie bisher betreiben?
Falls Struve aber doch als "ORF-Notretter" tätig werden will, könnte er einmal auf den dafür erstellten Merkzettel mit zehn Spar- und Reformvorschlägen von Walter Gröbchen schauen; gleich in Punkt 1 sagt er zu TW1: "bislang hat mir kein Mensch erklären können, wofür man eisern eine Frequenz mit einem Trash-, Randsport- und Nebelwetter-Sammelsurium besetzt hält". Andreas Khol, einer treuesten Freunde von TW1, möchte dennoch gerade dieses Programm aus- und umbauen; dem von Khol geleiteten Seniorenkongress am 28. Oktober 2008 lag daher auch ein Papier mit Beiträgen aus der sogenannten "Denkwerkstatt" vor, das sich auch mit TW1 befasste. Auch der ORF sei schon kontaktiert worden, aber er argumentiere, dass es für eine Änderung in Richtung Kulturkanal einen Gesetzesauftrag brauche. Offenbar durchaus ernstgemeint heißt es dann: "Das ORF-Gesetz lässt gegenwärtig TW1 nur mit jenen Inhalten zu, wie sie derzeit gesendet werden." Dazu schreibe ich jetzt besser gar nichts mehr. Nein, wirklich nicht.

3. Saarländische Lobbyisten und kein Geschäft im Internet
Fritz Raff, Intendant des Saarländischen Rundfunks und derzeit Vorsitzender der ARD, trat kürzlich in Brüssel auf, passender Weise anlässlich der Eröffnung eines Anwaltsbüros, das von seinem "alten Freund Reinhold Kopp" geleitet werden soll, der früher Chef der saarländischen Staatskanzlei und Wirtschaftsminister (Stichwort: staatsferner Rundfunk) und zuletzt einige Jahre VW-Lobbyist in Brüssel war. In seinem Vortrag regt sich Raff zunächst über den Entwurf der neuen Rundfunkmitteilung der Kommission (Details dazu hier) auf (wie übrigens auch die Bundesländer), lobt erwartungsgemäß den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und kommt dann ebenso erwartungsgemäß auf das Internet zu sprechen. Zitat:
"Natürlich ist das Internet auch ein großer Markt. Es wird geworben und verkauft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aber keine wirtschaftliche Konkurrenz, denn das Internet als Plattform für Geschäfte interessiert ihn nicht."
(Betonung hinzugefügt; in Österreich dürfte das etwas anders ausschauen)
4. Saarländischer Mythos, Redings Retourkutsche
Das Saarland, für das Fritz Raff spricht, wurde von EU-Kommissarin Viviane Reding in einer Rede am 10. November 2008 als "Epizentrum" eines Mythos "vom medienpolitischen Stammtisch" ausgemacht. Der Mythos laute: „Brüssel will die Rundfunkräte von ARD und ZDF abschaffen und durch neue Bürokratien ersetzen.“ Und noch bevor man lange nachdenken kann, ob das nicht vielleicht sogar eine Verbesserung sein könnte, fährt Reding - teilweise durchaus mit Ironie - fort (in eckiger Klammer habe ich eingefügt, was Reding sich dabei gedacht haben könnte):
Meine Damen und Herren, ich kenne viele Rundfunkräte von ARD und ZDF seit Jahren persönlich aus meiner Arbeit [Reding hätte auch "schätze" statt "kenne" sagen können; so heißt es bloß: die waren ziemlich lästig und wollten andauernd Termine mit mir]. Es handelt sich dabei regelmäßig [= nicht immer] um engagierte [= nicht zwingend kompetente] Einzelpersonen [= ziemlich unorganisiert bzw. uneinheitlich], die sich ehrenamtlich und nebenberuflich [=Amateure!] für Medienvielfalt und für die Zukunftsfähigkeit von ARD und ZDF einsetzen [sie setzen sich dafür ein, aber sie können es nicht unbedingt sicherstellen]. Es gibt meines Wissens niemand in Brüssel, der diese Rundfunkräte ersetzen möchte, zumal [=weil] mehrere von ihnen als hauptberufliche Mitglieder des Europäischen Parlaments regelmäßig die als Rundfunkräte erworbenen Kenntnisse [= also nicht besonders viel, denn es sind ja Amateure] aktiv in die europäische medienpolitische Debatte einbringen [= lästige Besserwisser].
In der Folge wünscht sich Reding zwar, dass die „Public Value“-Prüfung von unabhängigen und sachkundigen Schiedsrichtern durchgeführt wird und nicht von ARD/ZDF selbst. Aber sie schließt dann auch "nicht von vornherein" aus, dass die Rundfunkräte in der Lage sein könnten, dies auch selbst zu leisten: "Wenn Deutschland also den Sonderweg einer 'Public Value'-Prüfung durch die Rundfunkräte von ARD und ZDF wählt, dann müssen diese Rundfunkräte in ihrer persönlichen Unabhängigkeit gegenüber ARD und ZDF und auch in ihrer sachlichen und finanziellen Ausstattung erheblich gestärkt werden."

5. Nicht vergessen: brav über Europa berichten!
Interessant sind Redings Ausführungen (in der selben Rede) aber auch, wenn sie den medienpolitischen Umgang mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durchaus mit inhaltlichen Fragen der Berichterstattung in Zusammenhang bringt. So lobt sie ARD und ZDF, die den Weg bestritten hätten, "durch Sendungen wie 'Bericht aus Brüssel', 'Jetzt red i Europa', 'Heute Europa' sowie die regelmäßige kompetente Berichterstattung aus der Straßburgwoche ihren öffentlichen Mehrwert auch auf europäischer Ebene sehr deutlich zu demonstrieren. ... Ich kann Ihnen versichern, dass dies bei europäischen Medienpolitikern in Parlament und Kommission seinen Eindruck nicht verfehlt hat". Das klingt fast ein wenig wie: wenn ihr brav über Europa berichtet, dann behandeln wir euch auch regulatorisch besser.

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