Tuesday, December 16, 2008

Verschärfte Verschärfung: ORF-Geschäftsbericht 2007

Am 15. Dezember 2008 ist nun doch noch der ORF-Geschäftsbericht 2007 (pdf-download 7,69 MB!) erschienen. Wie jedes Jahr soll damit "die erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens" (Lindner im Bericht 2005, gleichlautend Wrabetz in den Berichten 2006 und 2007, jeweils im ersten Satz) dargestellt werden (ob dieser Textbaustein auch im kommenden Jahr verwendet wird?). Im Bericht geht es daher im Wesentlichen um eine Darstellung der "Highlights" (allein dieser Begriff kommt 22 mal vor) bzw. der "Höhepunkte" (dreizehn Nennungen), wobei etwa die "Dancing Stars" gleich an zehn verschiedenen Stellen hervorgehoben werden, zB schon im Vorwort des Generaldirektors, dann im Abschnitt Unternehmenspolitik einmal unter dem Stichwort Programmreform, und gleich darauf unter "Weitere (?) TV-Highlights", aber genauso auch im Abschnitt Technik ("herausragende Events im Studiobereich") oder bei den Onlineangeboten und beim Multitext.

Bei so vielen Highlights und Höhepunkten aus dem Programm bleibt die Information zum Unternehmen selbst sehr dünn. So wird lediglich der nackte Jahresabschluss ohne Anhang und ohne Lagebericht abgedruckt, und die wenigen ergänzenden Angaben in diesem Zusammenhang sind merkwürdig unvollständig. Zum Beispiel werden zwar die Tochtergesellschaften aufgezählt, darunter auch die Tourismusfernsehen GmbH (richtig: TW1 Tourismus Fernsehen GmbH) mit dem stolzen Hinweis auf eine Ergebnisverbesserung auf ein EGT von € 108.000, verschwiegen wird aber die TW1 Betriebsführungs GmbH (mit einem negativen Jahresergebnis von € -88.300). Hinweise auf Entwicklungen seit dem Ende des Geschäftsjahres 2007, die angesichts der seither vergangenen immerhin elfeinhalb Monate zu erwarten gewesen wären, fehlen gänzlich.

Für nähere Informationen zur Finanzlage des ORF wird die Öffentlichkeit wohl auf das zuletzt von Generaldirektor Wrabetz versprochene "Finanzierungshandbuch" warten müssen. Zu hoffen bleibt, dass es etwas konkreter wird als das "ORF-Finanzierungsbuch" aus dem Jahr 2000 (soweit ich weiß, war das nie online). Freilich enthält auch dieses alte "Finanzierungsbuch" einige Passagen, auf deren Wiederkehr im neuen Handbuch man fast wetten könnte - so hieß es zum Beispiel im Vorwort:
"Attraktives Programm, die Fortsetzung des Sparkurses und die optimale Nutzung des bestehenden Finanzierungspotentials sind die Eckwerte einer Strategie, die dem ORF auch in Zukunft eine starke Position im Wettbewerb sichern soll."
Unterzeichnet ist dieses Vorwort vom damaligen Generalintendant Gerhard Weis - und von Dr. Alexander Wrabetz, damals kaufmännischer Direktor des ORF.

In den Geschäftsberichten lässt sich inzwischen immerhin eines nachvollziehen: die verschärfte Wettbewerbssituation hat sich weiter verschärft und verschärft - ein paar Zitate aus den Berichten 2005 bis 2007 (ältere Berichte sind online nicht auffindbar):
  • "Wiederum verschärft hat sich für den ORF die Konkurrenzsituation mit in- und ausländischen elektronischen Medien." (2005, S. 8)
  • "Wiederum verschärft hat sich für den ORF die Konkurrenz mit in- und ausländischen Medien." (2006, S. 9)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF im Jahr 2007 weiter verschärft." (2007, S. 10)
  • "... hat sich die Wettbewerbssituation für den ORF in den vergangenen Jahren weiter verschärft." (2005, S. 38)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschärft." (2006, S. 24)
  • "Die Wettbewerbssituation hat sich für den ORF im Jahr 2007 in besonderem Maße verschärft." (2007, S. 24)
In unsicheren Zeiten wie diesen ist es aber tröstlich, dass man sich auf manche Prognosen verlassen kann. So hat Generaldirektor Wrabetz im Vorwort zum Geschäftsbericht 2006 Folgendes angekündigt: "Auf Grund der fortschreitenden Digitalisierung wird sich der Konkurrenzdruck aber weiterhin dramatisch verschärfen, was sich auch bei den Marktanteilen auswirken wird." Und tatsächlich, schon im Vorwort zum Geschäftsbericht 2007 kann er festhalten, dass die Vorhersage eingetroffen ist: "Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung hat sich der Konkurrenzdruck verschärft, was sich auch auf die Marktanteile auswirkt."

PS: Das Sport-Spartenprogramm SPORT PLUS hat im Jahr 2007 angeblich 2.573 Stunden öffentlich-rechtliche Programmleistung erbracht: ich habe zufällig gestern und auch vor einigen Tagen kurz nach halb elf Uhr abends hineingeschaut und dabei jeweils mehrere Minuten lange vollkommen unmotivierte und unkommentierte Aneinanderreihungen von (oft technisch miserablen) Ausschnitten aus Sportereignissen im weiteren Sinn (einschließlich irgendwelcher Auto-Crash-Veranstaltungen) gesehen, fast ausschließlich Unfälle oder Unglücksfälle - brennende Autos, stürzende Skifahrer oder Motorradfahrer, abstürzende Skispringer etc. Öffentlich-rechtliches Sportfernsehen hätte ich mir irgendwie anders vorgestellt - aber so passt es wenigstens zu TW1.

2 comments :

Anonymous said...

Diese Sportclips habe ich auch bereits gesehen und denke einfach an einen mehr oder minder kreativen Pausenfüller bis zum Sendeende um 22:45.

Die 2573 Stunden öffentlich-rechtliches Fernsehen schrumpfen rasch, wenn man beachtet, dass das Sendefenster von 02:00 - 04:30 nur eine Wiederholung des Abendprogramms ist und viele der Übertragungen an Wochentagen nur eine Durchschaltung von ORF 1 darstellen.
Dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen für Randsportarten auch in der Wiederholung von Fußballspielen der aktuellen Bundesligarunde liegt, finde ich befremdlich, zeigt aber die Bedeutung des Österreichischen Fußballs ;).

hplehofer said...

Das mit dem Pausenfüller würde ich ja verstehen - aber könnte nicht auch ein Pausenfüller mit Anstand gemacht werden (muss ja nicht gerade so sein: http://www.youtube.com/watch?v=S2XsS2-dCd4)- in den Programmrichtlinien des ORF heißt es "Durch den Eigenanspruch des ORF auf flächendeckende handwerkliche und inhaltliche Qualität kann ein unverwechselbares, sinn- und identitätsstiftendes Angebot gewährleistet werden, das ihn von kommerziellen Mitbewerbern abheben soll."