Seine Schlussanträge waren legendär: oft weit ausholend, mit blumigen Expositionen und einem reichen Zitatenschatz aus Literatur und Geschichte - und mit Vergleichen, die sich im Gedächtnis eingeprägt haben, wie etwa der Vergleich der Deutschen Telekom mit einem eingebildeten Kranken (C-152/07 bis C-154/07 Arcor, Tele2 und 01051 Telekom, dazu hier) oder die Gleichstellung des Fernsehens mit den Zirkusspielen in Juvenals "panem et circenses" (C-337/06 Bayerischer Rundfunk ua, dazu hier). Dem Fernsehen schien er überhaupt mit einer gewissen Grundskepsis gegenüberzustehen: In der Rechtssache C-195/06 KommAustria ("ORF Quiz-Express") verglich er Fernsehwerbekampagnen mit dem "Geschwätz der Scharlatane, Hausierer, Schwindler, Entdecker von Elixieren, Schmerzbalsamika oder Wunderkräutern, Zahnklempner, Verkäufer von Haarwuchs‑ oder Allheilmitteln, Bauchladenverkäufer und Krämer zur Lobpreisung ihrer Ware auf den Börsen und Messen der Vergangenheit".
Und wohl nur Ruiz-Jarabo Colomer konnte es schaffen, in einer auf den ersten Blick trockenen Angelegenheit wie dem Streit Deutschlands und Dänemarks gegen die Kommission um die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1829/2002 (betreffend Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse) mit der Bibel zu beginnen ("der erste Hinweis auf eine Ursprungsbezeichnung findet sich in der Bibel, und zwar in der Schilderung der Errichtung des Tempels von Jerusalem, ... für den Hiram, der König von Tyrus und Sidon, Zedern im Libanon im Auftrag von Salomon fällen ließ, ..." ) und dann in nur einem Absatz Cervantes, Lope de Vega, Shakespeare, Proust und Carpentier zu zitieren.
Die Tätigkeit des Generalanwalts hat Ruiz-Jarabo Colomer nicht nur wissenschaftlich aufgearbeitet (The institution of Advocate General at the Court of Justice of the European Communities), sondern in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-296/06 Telecom Italia in einer Fußnote so umrissen:
"Über die Jahre aufgrund von Vorabentscheidungsersuchen, deren Herkunft und Sachverhalte sehr unterschiedlich sind, mit der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift konfrontiert, ähnelt der Generalanwalt einem Maler, der ein Motiv, nachdem er es auf der Leinwand festgehalten hat, mit anderen Umrissen und Farbtönen erneut einfängt, da sich das Licht, die Umgebung oder sein Gemütszustand verändert haben."Wie schon die IPKat-Blogger geschrieben haben: man muss nicht allem zustimmen, was er geschrieben hat - aber wir werden ihn vermissen. Descanse en paz.
Im Gedenken an Generalanwalt M. Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer, diesen "refined traveller of Spain", einen kultivierten Reisenden aus Spanien, habe ich an die Spitze dieses Beitrags daher auch ein Zitat gestellt; es stammt von Shakespeare, aus Love's Labour Lost.
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