Die Grundrechte deutscher Bäcker sind in Gefahr, meint der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Die Bedrohung geht immerhin von der Europäischen Kommission aus, und sie ist so ernst, dass der Verband beim EuG Klage erhoben hat (T-354/13). Die Kommission habe nämlich eine fehlerhafte geografische Abgrenzung Schlesiens nicht erkannt und zudem "Kołocz śląski" bzw "Kołacz śląski" (schlesischer Streuselkuchen) als Ursprungs- statt als Gattungsbezeichnung* beurteilt**.
Wird nun also vor dem Gericht der Europäischen Union - und danach vielleicht vor dem EuGH - wegen eines Streuselkuchens ein Streit über die wahren Grenzen Schlesiens ausgefochten werden?
Wohl nicht. Denn auch wenn ich die näheren Umstände des Verfahrens nicht kenne, so scheint der Aufstand der
... Krainer Wurst, Steirisches Öl ...
Aber das Verfahren zeigt wieder einmal, wie leicht die Eintragung einer geschützten geografischen Angabe für "juristische Grenzkonflikte" sorgen kann, die dann in manchen Medien gleich als Kriege vermarktet werden. Österreich hat damit eine gewisse Erfahrung, wie der - formal noch offene, inhaltlich aber offenbar bereits bereinigte - Streit um die Eintragung der "Kranjska klobasa" zeigt (dazu habe ich ja - genauso off topic - auch schon mal gebloggt). Zuvor schon gab es die Auseinandersetzung um das Štajersko prekmursko bučno olje, das ich jetzt - nach der Durchführungsverordnung der Kommission - nur mehr teilweise übersetzen darf: Kürbiskernöl aus der Štajerska oder aus Prekmurje ist das, aber eben keinesfalls steirisches Kürbiskernöl.
Beim schlesischen Kuchen hätte vielleicht so ein Übersetzungsverbot wie beim Kürbiskernöl aus der
... Bayerische Brezen
Doch wird es demnächst die österreichischen Bäcker zerbrezeln? Letzten Mittwoch wurde nämlich ein Antrag im Amtsblatt veröffentlicht, mit dem der Name "Bayerische Breze"/"Bayerische Brezn"/"Bayerische Brez’n"/"Bayerische Brezel" als geografische Angabe geschützt werden soll; ein österreichischer Bäcker könnte also keine "bayerischen Brezen" mehr anbieten. Perfekt wie fast immer*** bei solchen Anträgen ist übrigens die Beschreibung der Besonderheiten des Produkts; da liest man zB:
Wertbestimmend für den Genusswert ist der laugige Geschmack in Verbindung mit dem röschen, kurzen Bruch der Breze sowie die wattige, noch weiche Beschaffenheit der Krume beim Verzehr.Falls die österreichischen Bäcker vielleicht der Meinung sein sollten, dass die Bayerische Breze/Brezn/Brez'n/Brezel eine Gattungsbezeichnung sei, oder Bayern mit der Angabe "Freistaat Bayern" fehlerhaft geografisch abgegrenzt würde, so hätten sie jetzt drei Monate ab Veröffentlichung Zeit für einen Einspruch!
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*) Unter Gattungsbezeichnung versteht man nach Art 3 Z 6 der VO (EU) 1151/2012 einen Produktnamen, der, obwohl er auf den Ort, die Region oder das Land verweist, in dem das Erzeugnis ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, zu einer allgemeinen Bezeichnung für ein Erzeugnis in der Union geworden ist. Ähnlich war die Defintion bereits in der Vorgänger-Verordnung VO (EG) 510/2006.
**) Die vom Zentralverband angeführten Löschungsgründe betreffend die Eintragung "Kołocz śląski/Kołacz śląski" als geschützte geographische Angabe sind laut der Veröffentlichung im Amtsblatt: "bei der streitgegenständlichen Bezeichnung handele es sich um eine Gattungsbezeichnung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 510/2006; das geografische Gebiet Schlesiens sei in der Spezifikation der Eintragung fehlerhaft abgegrenzt worden".
***) Manchmal wirken die Besonderheiten auch ein wenig schlicht: gerade beim Streuselkuchen zB heißt es in der Spezifikation: "Ein weiteres besonderes Merkmal, durch das sich der 'Kołocz śląski' oder 'Kołacz śląski' von anderen ähnlichen Produkten unterscheidet, ist seine rechteckige Form." Das klingt mir jetzt nicht gerade nach einem ultimativen Alleinstellungsmerkmal.
PS (Update 23.09.2013): Der Spiegel hat mein Blog gelesen und diesen Beitrag zum Anlass für eine Geschichte genommen (Nr. 39/2013, S. 60; online nur angeteasert, im Volltext wird mein Text zitiert und auch offengelegt, dass die Headline des Artikels im Spiegel - "versemmelt" - aus dem Blog stammt). Update 02.12.2014: online inzwischen hier zu finden.
Update 12.11.2013: Die taz behandelt das Thema schlesischer Streuselkuchen in der Rubrik "was fehlt" (hier); wenig überraschend interessierte sich auch die eher am rechten Rand angesiedelte "Junge Freiheit" für das Thema, der Beitrag, in dem sie mich ausführlich zitiert, ist aber harmlos.
Update 27.11.2013: Die Kommission hat mit Durchführungsbeschluss vom 14.11.2013 (ABl L 306/40 vom 16.11.2013) den Antrag Deutschlands auf Löschung der in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates eingetragenen Bezeichnung Kołocz śląski/kołacz śląski (g. g. A.) abgelehnt.
Update (22.04.2014): Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks geht mit einer am 17.01.2014 eingereichten Klage auch gegen den oben erwähnten Durchführungsbeschluss vor: anhängig beim EuG unter T-49/14, Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks/ Kommission.
Update 02.12.2014: Die erste Klage wurde erwartungsgemäß als unzulässig zurückgewiesen (Beschluss des EuG vom 10.09.2014, T-354/13). Über die zweite Klage wird am 03.12.2014 vor dem EuG verhandelt.
Update 29.09.2015: Das Urteil in der Rechtssache T-49/14, Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks/ Kommission ist für 07.10.2015 angekündigt.
Update 07.10.2015: zum Urteil siehe im Blog hier!
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