Tuesday, May 11, 2010

Schutz journalistischer Quellen

Der Schutz journalistischer Quellen ist nicht nur in Österreich (oder: "Österreich") ein aktuelles Thema. Vor wenigen Tagen, am 7. Mai 2010, erging auch ein Urteil des Supreme Court of Canada (SCC): R. v. National Post, 2010 SCC 16. Das Urteil ist freilich nicht im Sinne der Medien ausgefallen, die sich als "Media Coalition" auch am Verfahren als Intervenienten beteiligt hatten. Der SCC erkennt kein allgemeines "Journalisten-Privileg" an, sondern verlangt eine fallbezogene Prüfung, die in dem konkret dem Gerichtshof vorgelegenen Fall zu Lasten der Journalisten bzw ihrer Zeitung ausfiel. In der Sache ging es, grob vereinfacht, um Dokumente, die einem Journalisten von einer vertraulichen Quelle zugespielt worden waren. Diese Dokumente sollten finanzielle Interessenskollisionen eines ehemaligen Premierministers dokumentieren, waren aber nach Ansicht der Polizei gefälscht. Der Zugriff der Polizei auf diese Unterlagen sollte der Aufklärung der Urkundenfälschung dienen.

Das Urteil ist auch für Nicht-Kanadier lesenswert, weil es eine kompakte Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Schutzes journalistischer Quellen enthält, in die auch die Rechtsprechung des EGMR (und des US Supreme Court) einbezogen wird (sogar Österreich wird übrigens erwähnt, als eines jener Länder, in denen es eine einschlägige gesetzliche Regelung gibt). Die Kläger (die betroffenen Journalisten und die  National Post) verwiesen natürlich auf das Financial Times-Urteil des EGMR, konnten damit aber Richter Binnie, der die Mehrheitsmeinung verfasste, nicht überzeugen. Binnie verwies, gewissermaßen im Gegenzug zum Financial Times-Urteil, auf das Sanoma Uitgevers-Urteil des EGMR, und schloss daraus. "in my view, the Strasbourg jurisprudence is not of much assistance to the appellants."

Womit er - im Lichte von Sanoma Uitgevers - wohl nicht so unrecht hat. In diesem Urteil hat der EGMR - mit knapper Mehrheit von 4 zu 3 Stimmen - keine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt. Zitat aus diesem Urteil (Abs. 57): 
"The Court does not dispute that a compulsory handover of journalistic material may have a chilling effect on the exercise of journalistic freedom of expression. However, it does not follow per se that the authorities are in all such cases prevented from demanding such handover; whether this is so will depend on the facts of the case." 
Im konkreten Fall ging es um Fotos, die Journalisten anlässlich eines illegalen Straßenrennens gemacht hatten; um die Möglichkeit zu diesen Aufnahmen zu bekommen, hatten die Journalisten Vertraulichkeit zusichern müssen. In der Folge verlangte die Polizei die Herausgabe der  Fotos, da sie zur Identifizierung einer Bande dienen konnten, die es unter Gewaltanwendung und mit Schaufelladern auf das Knacken von Bankomaten abgesehen hatte; die Polizei hatte die Herausgabe der Fotos erst verlangt, als es bei einem solchen Bankomatenraub zur Anwendung einer Schusswaffe kam. Damit, so die Auffassung des EGMR, unterschied sich der Fall auch in wesentlichen Punkten von den Fällen Ernst and Others, Roemen and Schmit und Voskuil. Allerdings ist Sanoma Uitgevers noch nicht endgültig, sondern noch bei der großen Kammer anhängig. Im Jänner fand bereits ein Hearing statt - und Medienrechtler warten nun gespannt auf das Urteil der Großen Kammer.

Mehr zum Kammer-Urteil Sanoma Uitgevers hier im ECHR-Blog; dort auch mehr zum Financial Times-Urteil (beide Beiträge von Dirk Voorhoof).Weitere einschlägig interessante EGMR-Fälle sind Nordisk Film und Tillack, Aus der deutschen Rechtsprechung ist das Cicero-Urteil des Bundesverfassngsgerichts hervorzuheben.

Und was ist nun die "bottom line" aus all diesen Urteilen? Dazu nochmals Richter Binnie vom Supreme Court of Canada (Abs. 69 des Urteils): "The bottom line is that no journalist can give a source a total assurance of confidentiality."  

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