Thursday, November 04, 2010

Eine Alpenfestung für anonyme Poster? SRG vor dem Schweizer Bundesgericht

Fällt die IP-Adresse, unter der ein anonymer Poster auf einem Blog eines Medienunternehmens einen ehrverletzenden Kommentar über einen Dritten abgegeben hat, unter das Redaktionsgeheimnis?

Über diese Frage - nach Schweizer Recht - wird das Schweizer Bundesgericht am 10. November 2010 öffentlich beraten und entscheiden (mehr dazu in einem Bericht des Tagesanzeigers). [Update 10.11.2010: laut Tweet des NZZ-Bundesgerichts-Korrespondenten hat das Bundesgericht den Quellenschutz für Kommentare auf Webseiten von Medien bejaht; siehe zur Entscheidung nun hier]

Das Schweizer Fernsehen (ein Unternehmen der SRG, des öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmens), ist bislang hart geblieben und verweigert die Bekanntgabe der IP-Adresse, unter der der Kommentar auf auf einem programmbegleitenden Blog zur Sendung "Alpenfestung  - Leben im Réduit" im August 2009 abgegeben wurde (ich hab mir den Blog kurz angeschaut - die Anzahl der Kommentare ist sehr überschaubar, kein Vergleich zB mit den Foren auf derStandard.at oder auch bis zum 01.10.2010 auf vielen ORF-Seiten).

Nach § 31 des österreichischen Mediengesetzes erstreckt sich das Redaktionsgeheimnis auch auf "die Person des Verfassers" oder Einsenders von Beiträgen; auch die auf den Websites der Medien erscheinenden Postings sind wohl als "Beiträge" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Franz Schmidbauer dokumentiert auf seiner Website einen Beschluss des LG Salzburg, wonach das Redaktionsgeheimnis einer Erzwingung der Herausgabe der IP-Adresse eines anonymen Online-Leserbriefschreibers entgegensteht.

Ob sich ein Medieninhaber aber zB gegenüber Strafverfolgungsbehörden auf das Redaktionsgeheimnis berufen will oder nicht, liegt ganz bei ihm, der anonyme Poster hat darauf ebensowenig Anspruch wie der Whistleblower, der sich etwa mit vertraulichen Akten direkt an einen Journalisten wendet. Und während die Medien bei "klassischen Informanten" hohes Interesse an der Wahrung des Redaktionsgeheimnisses haben, dürfte ihre Bereitschaft, sich auch für rabiate Poster auf die Schienen zu legen, deutlich geringer sein (siehe zu einem Fall, in dem es wegen rassistischer Postings auf einer Medienwebsite zur Anklage wegen Verhetzung gekomemn ist, hier).

Da es offene Fragen zum Redaktionsgeheimnis nicht nur in der Schweiz gibt, wird übrigens im österreichischen Justizministerium aus gegebenem Anlass (siehe dazu in diesem Blog zB hier, hier und hier) am 12.11.2010 - zwei Tage nach dem Schweizer Urteil - eine Fachtagung "Medienrecht, Pressefreiheit und Amtsgeheimnis" stattfinden (Themen und Teilnehmer nennt der Standard hier; zur Offenlegung: ich bin auch dabei).

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