Letzte Woche habe ich hier auf die heutige öffentliche Urteilsberatung des Schweizer Bundesgerichts in Sachen anonyme Kommentare auf Medienwebsites hingewiesen; und da das auf überraschend großes Echo gestoßen ist, muss ich nun auch auf das Ergebnis aufmerksam machen. Zwar liegt das Urteil noch nicht vor (bis es auf der Website des Bundesgerichts verfügbar ist, dauert das in der Regel doch ein paar Wochen), doch gibt es eine Agenturmeldung, die ua auf den Onlineportalen von NZZ und Tagesanzeiger zu finden ist. Dazu - mit aller gebotenen Vorsicht - nur zwei kurze Anmerkungen:
1. Die Entscheidung stützt sich auf eine Bestimmung des Schweizer Strafgesetzbuchs, nach der "Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen", die Auskunft über die Identität des Autors oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen verweigern dürfen. Geschützt sind also professionelle Medien - auf nicht professionelle Blogger oder Website-Betreiber lässt sich das nicht übertragen (auch § 31 des österreichischen MedienG gilt nicht für "Amateure", sondern schützt "Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens", wobei "Medienmitarbeiter" nur ist, wer die journalistische Tätigkeit "ständig und nicht bloß als wirtschaftlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt.").
Ob eine Beschränkung des Quellenschutzes auf professionell und hauptberuflich journalistisch Tätige in jedem Fall ausreichend wäre, um den Anforderungen des Art 10 EMRK zu entsprechen, könnte man durchaus diskutieren (ich werde dazu bei Gelegenheit noch eine Anmerkung machen; update 11.11.2010: siehe nun hier); Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesgericht war aber die Website des Schweizer Fernsehens, sodass sich diese Frage nicht stellte.
2. Das Bundesgericht hat - so der Agenturbericht - als Voraussetzung für den Quellenschutz auch verlangt, "dass der Kommentar ein Minimum an Information enthält. Dabei seien allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen, zumal heutzutage bei gewissen journalistischen Formen die Abgrenzung zwischen Information und Unterhaltung nicht immer leicht sei."
Update zum Update (10.11., 18 Uhr): eine "Kurzfassung der Urteilsberatung" ist auf der Website des Schweizer Fernsehens zugänglich: demnach ist die Entscheidung (Referent war Bundesrichter Aemisegger) knapp, mit 3:2 Stimmen ergangen. Einig seien sich alle Richter drin gewesen, dass "vom Quellenschutz alle publizistischen Leistungen vorbehältlich der Werbung erfasst werden". Die in der Minderheit gebliebenen Bundesrichter Raselli und Eusebio hätten darauf hingewiesen, "dass im vorliegenden, etwas seltsamen Sachverhalt eine relativ banale Kritik am Kommentar eines anderen als ehrverletzend empfunden wurde. Insgesamt genüge die abstrakte Beurteilung der Grundsatzkonstellation nicht, um die Beschwerde gutzuheissen, weil der vorliegende Fall konkret eine Anwendung des Redaktionsgeheimnisses mangels Informationscharakters nicht rechtfertige." Der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung betonte auch, dass der Quellenschutz "selbstverständlich" nicht bei den im Gesetz angeführten Ausnahmen schwerer Delikte und Verbrechen - der hier aber nicht voegelegen sei - gelte.
Und noch ein Update (11.11.2010): Der Bundesgerichtskorrespondent der NZZ Markus Felber (@felnzz, Blog) hat seinen Beitrag in der NZZ hier zum Download verfügbar gemacht.
Update 17.01.2011: der Volltext des Urteils ist nun verfügbar; siehe dazu auch hier.
Update 13.03.2014: Der OGH hat in seinem Urteil vom 23.01.2014, 6 Ob 133/13x, die im oben dargestellten Urteil des Schweizer Bundesgerichts dargelegte Auffassung für Österreich ausdrücklich abgelehnt.
Wednesday, November 10, 2010
Update zur Alpenfestung: Schweizer Bundesgericht bejaht Quellenschutz für Blog-Kommentar auf Medien-Website
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