Friday, May 16, 2025

ORF-Gremien: alter Proporz in neuen Schläuchen? (Teil 2 - Publikumsrat)

Das ist der zweite Teil eines längeren Textes, den ich anlässlich des Ministerratsbeschlusses vom 13. Mai 2025 geschrieben habe, mit dem die Bundesregierung über die von ihr zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates und des Publikumsrates des ORF entschieden hat. Im ersten Teil habe ich mich mit dem Stiftungsrat befasst, in diesem zweiten Teil geht es um die Auswahl der Publikumsratsmitglieder und einige Schlussfolgerungen daraus.

Publikumsrat

Die von der Bundesregierung bestellten 14 Publikumsratsmitglieder (auch hier gibt es eine strikte Gleichverteilung zwischen Männern und Frauen, § 30f ORF-Gesetz ist also erfüllt) sind:

  • Mag.a Dr.in Beatrix KARL für den Bereich Hochschulen,
  • Dr. John EVERS für den Bereich Bildung,
  • Mag. Paul POET für den Bereich Kunst und Kultur,
  • Mag.a Michaela HUBER für den Bereich Sport,
  • Matthias HAUER für den Bereich Jugend,
  • Mira LANGHAMMER für den Bereich Schülerinnen und Schüler,
  • Mag.a Gertrude AUBAUER für den Bereich ältere Menschen,
  • Martin LADSTÄTTER, M.A. für den Bereich Menschen mit Behinderungen,
  • Dr. Helmut SAX für den Bereich Eltern bzw. Familien,
  • Mag. Josef BURANITS, LL.M. für den Bereich Volksgruppen,
  • MMag.a Dr.in Petra STOLBA für den Bereich Touristik,
  • MMag. Bernhard WIESINGER, MBA, MPA für den Bereich Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer,
  • Mag.a Andrea SCHELLNER für den Bereich Konsumentinnen und Konsumenten und
  • Mag.a Birgit MAIR-MARKART für den Bereich Umweltschutz

Aufteilungsschlüssel?
Für die Auswahl der von der Bundesregierung zu bestellenden Mitglieder des Publikumsrates wurde im Regierungsprogramm kein (ausdrücklicher) Schlüssel für die Verteilung zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS vereinbart, denn eigentlich geht es hier um die Vertretung der nicht zwingend parteipolitisch zuzuordnenden Zivilgesellschaft. In der Praxis schaut das freilich gelegentlich anders aus: auch die Organisationen der Zivilgesellschaft oder die sie vertretenden Personen sind häufig politisch punziert (nicht nur in Österreich, siehe im Blog zB hier).

Begründungspflicht
Beim letzten Bestellungsvorgang hat die damals zuständige Medienministerin die Auswahl in evident gesetzwidriger Weise vorgenommen (siehe dazu im Blog hier; dieses Vorgehen war wohl mit auch ein Auslöser für die Anfechtung der einschlägigen Bestimmungen durch die burgenländische Landesregierung). Solcher Willkür sollte durch die nun erfolgte Neuregelung ein Riegel vorgeschoben werden. Es wurde dabei zwar keine Rechtskontrolle über die korrekte Auswahl geschaffen, allerdings zumindest eine Begründungspflicht eingeführt, die eine gewisse Nachvollziehbarkeit der getroffenen Auswahl ermöglichen sollte. 

Kriterien für die Auswahl
Die Auswahlkriterien nach § 28 Abs. 8 ORF-Gesetz sehen vor, dass bei mehreren Vorschlägen zunächst jene in die engere Auswahl zu nehmen sind, "die von Einrichtungen bzw. Organisationen stammen, die aufgrund ihres Wirkungsbereichs von zumindest überregionaler Bedeutung sind und jedenfalls einen bedeutenden Teil an Personen des betreffenden, in Abs. 4 genannten Bereichs bzw. der betreffenden Gruppe repräsentieren", dann ist dem Vorschlag jener jener Einrichtung bzw. Organisation der Vorzug zu geben, "die umfangreichere und vielfältigere Aktivitäten im Interesse des repräsentierten Bereichs bzw. der repräsentierten Gruppe aufweist" und wenn sich unter Anwendung dieser Kriterien weiterhin keine eindeutige Präferenz begründen lässt, ist jenem Dreiervorschlag der Vorrang einzuräumen, "von dem auf Grund von Ausbildung, Erfahrung und Berufstätigkeit der zur Bestellung vorgeschlagenen Personen und deren Engagement im von der Einrichtung bzw. Organisation repräsentierten Bereich insgesamt eine bessere Gewähr für eine den Aufgaben des Publikumsrates entsprechende Qualifikation geboten wird."

Zusammengefasst sind also die - nacheinander abzuarbeitenden - Kriterien: 

  1. überregionale Bedeutung 
  2. Repräsentation eines bedeutenden Teils der Personen 
  3. umfangreichere und vielfältigere Aktivitäten
  4. die vorgeschlagenen Personen bieten bessere Gewähr für die den Aufgaben des Publikumsrates entsprechende Qualifikation

Wie diese gesetzlich vorgesehenen Auswahlkriterien gehandhabt wurden, sollte in der veröffentlichten Begründung der Auswahlentscheidung dargelegt werden. Ich habe mir das für die jeweiligen Vertretungsbereiche näher angeschaut:

1. Hochschulen

Für diesen Bereich wurden zwei Vorschläge erstattet, einmal von der Österreichischen  Universitätenkonferenz (uniko), und einmal von der Rektorinnen- und Rektorenkonferenz der österreichischen Pädagogischen Hochschulen (RÖPH). Die in der uniko zusammengefassten Universitäten sind (laut eigenen Angaben) in Summe Arbeitgeberinnen von rund 66.000 Personen (wissenschaftlich/künstlerisch/allgemein) und haben in Summe rund 265.000 Studierende. Die RÖPH repräsentiert die 14 pädagogischen Hochschulen, Zahlen zu den Studierenden sind in der veröffentlichten Bewerbung nicht genannt, laut Statistik Austria hatten sie im Wintersemester 2023/2024 nicht einmal ein Zehntel der Studierenden der Unis, nämlich nur 21.580 Studierende, dazu kommt eine in der Größenordnung mit den Unis vergleichbare Zahl von Lehrgang-Studierenden (ca. 18.000). 

Die Bundesregierung hat sich für den Vorschlag der RÖPH entschieden und begründet das damit, dass der Organisation der Vorzug gegeben worden sei, "die mit ihren Aktivitäten die weitreichenderen und nachhaltigeren Auswirkungen im Bereich Hochschulen zeitigt. So setzt die betreffende Organisation nicht nur unmittelbare akademische Akzente durch die Ausbildung von jährlich zigtausenden Studierenden; sie bildet auch kontinuierlich tausende Lehrerinnen und Lehrer weiter. Dieses Ausbildungssystem hat letztlich erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Bildungsweg von hunderttausenden Schülerinnen und Schülern in Österreich bis hin zur möglichen Hochschulreife."

Der Begründungswert dieser Ausführungen ist null. Weshalb die Aktivitäten der PHs weitreichendere und nachhaltigere Auswirkungen im Bereich Hochschulen "zeitigen" sollen als jene der Unis mit mehr als zehnmal so vielen Studierenden, das ist ohne weitere Erklärung nicht nachvollziehbar: welche Aktivitäten sind denn da gemeint, welche Auswirkungen, und wer hat die wie bewertet? Auch die Unis bilden weiter (auch Lehrende an Schulen, btw), auch das hat Auswirkungen auf den Bildungsweg von Schülerinnen und Schülern (um die es hier im Bereich der Hochschulen aber gar nicht geht). 

Die Auswahl erfolgte hier also angeblich gestützt auf das Kriterium 3 (umfangreichere Aktivitäten). Einen Beleg dafür bleibt die Begründung schuldig, und nach allem was man vom außen beurteilen kann, dürfte ein solcher Beleg auch nicht erbracht werden können: Dass die 14 pädagogischen Hochschulen mit zusammen knapp 22.000 Studierenden (oder 40.000 Studierenden, wenn man die Lehrgänge hinzurechnet), im Hochschulbereich umfangreichere Aktivitäten entfalten als die Universitäten mit zusammen gut 260.000 Studierenden, glaubt wahrscheinlich nicht einmal die RÖPH selbst, sondern nur die Bundesregierung, die das zur Begründung ihrer Auswahlentscheidung gemacht hat.

Der Zufall will es, dass die von der RÖPH vorgeschlagene und von der Bundesregierung bestellte Vertreterin (Beatrix Karl) eine ehemalige ÖVP-Abgeordnete und Bundesministerin ist, während der von der uniko Erstvorgeschlagene Oliver Vitouch als SPÖ-nah gilt. 

2. Bildung

Für diesen Bereich wurden vier Dreiervorschläge eingebracht, vom Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV), dem Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs (VWGÖ), dem Verein arbeit plus - Soziale Unternehmen Österreich und vom Österreichischen Roten Kreuz.

Nach der veröffentlichten Begründung erfolgte die Auswahl nach den Kriterien 1 (überregionale Bedeutung und 2 ("bedeutender Teil der Personen repräsentiert"); dies impliziert, dass diese Kriterien (die nur dafür heranzuziehen sind, welche Vorschläge in die engere Auswahl gezogen werden) für die anderen vorschlagenden Organisationen nicht gegeben seien (was meines Erachtens nicht eindeutig ist). Die Auswahl nach dem Kriterium 3 (umfangreichere Aktivitäten) würde aber wohl ebenso zu diesem Vorschlag führen. Die ausgewählte Person, den Generalsekretär des VÖV John Evers, wird man wohl als politischen Ausgleich zur Vertreterin des Bereichs Hochschulen sehen können, sodass der Hochschul- und Bildungsbereich offenbar rot/schwarz aufgeteilt wurde. 

3. Kunst und Kultur

Für diesen Bereich gab es ebenfalls vier Vorschläge, und zwar vom Kulturrat Österreich, vom Dachverband der österreichischen Filmschaffenden, vom Grazer Kunstverein und vom Österreichischen Blasmusikverband (ÖBV). Ausgewählt wurde der Vorschlag des Dachverbands der Filmschaffenden, wobei hier nicht der Erstgereihte bestellt wurde, sondern der Zweitgereihte Paul Poet

Die Begründung spricht von mehreren (also wohl drei) Dreiervorschlägen von Organisationen, die aufgrund ihres Wirkungsbereichs von überregionaler Bedeutung sind und einen bedeutenden Teil an Personen des Bereichs Kunst und Kultur betreffen (damit ist wohl der Grazer Kunstverein ausgeschieden, auf dessen Vorschlag für die jetzt zu Ende gehende Funktionsperiode Johann Baumgartner als Mitglied des Publikumsrates bestellt wurde - damals allerdings nur gegen die Konkurrenz der ebenfalls regional beschränkten "Alten Schmiede"/Kunstverein Wien). 

Von den drei verbleibenden Organisationen wurde der Dachverband der Filmschaffenden als jener mit den "umfangreicheren und wirkmächtigeren Aktivitäten" beurteilt - auch hier ist die Begründung recht pauschal und nicht mit "hard facts" unterlegt (gesetzlich entscheidend sind die "umfangreicheren" Aktivitäten, was ich nicht wirklich beurteilen kann; dass die Aktivitäten "wirkmächtiger" sind, oder dass der Film "wie kaum ein anderes Medium die kulturelle Wahrnehmung, kollektive Erinnerung und gesellschaftliche Debatte mit immenser Breitenwirkung, internationaler Reichweite und enormer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung" prägt, ist kein gesetzlich vorgesehenes Auswahlkriterium). 

Interessant ist auch die Begründung, weshalb der Zweitgereihte bestellt wurde: er sei jene Person aus diesem Dreiervorschlag, "die die umfangreichsten Branchenkenntnisse und langjährige Berufserfahrung im Bereich Kunst und Kultur mitbringt." Das mit der langjährigen Berufserfahrung würde der Erstgereihte wohl anders sehen, zumal dessen Berufskarriere schon begonnen hatte, als der Zweitgereihte noch nicht einmal geboren war (der Drittgereihte ist etwa gleich alt wie der Zweitgereihte); das mit den "umfangreichsten Branchenkenntnissen" kann ich nicht beurteilen. De facto ist es wohl eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung für eine Person, die - anders als der 1947 geborene Erstgereihte - noch im aktiven Berufsleben steht. Für diese Auswahl unter den einzelnen Personen, die auf den Dreiervorschlägen genannt werden, gibt es auch keine gesetzlich vorgegebenen Kriterien, die Bundesregierung ist hier also in ihrer Entscheidung frei. 

Paul Poet hat zu seiner Bestellung auf LinkedIn öffentlich erklärt, dass seine Bestellung "unterstützt von den NEOS und SPÖ/Vizekanzler Andi Babler" erfolgt sei - das war also sicher kein ÖVP-Ticket. 

4. Sport

Anders ist es beim Sport, hier gab es Vorschläge von ASKÖ und Sportunion (als gelernter Österreicher weiß man: ASKÖ = rot, Sportunion =  schwarz), die Bundesregierung entschied sich für den Vorschlag der Sportunion, begründet einfach damit, dass der Dachverband Sportunion "quantitativ mehr Vereine unter seinem Dach vereint" (was wohl eine Annäherung an das Kriterium 3 - "umfangreichere Aktivitäten" - sein soll). Dieser Punkt geht also an die ÖVP. Bestellt wurde die Sportunion-Vizepräsidentin (und beruflich ÖBB-Infra-Vorständin) Michaela Huber

 5. Jugend

Dafür punktet bei der Jugend die andere politische Seite. Vier Dreiervorschläge wurden eingebracht, und zwar von der Katholischen Jungschar Österreichs (KJSÖ) mit Katholischer Jugend (KJÖ), der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ im ÖGB), der Österreichischen Kinder- und Jugendvertretung (ÖJV) - Bundesjugendvertretung (BJV) und der Landjugend Österreich. Laut Begründung seien von den vier Vorschlägen "mehrere" (also wohl: nicht alle) durch Organisationen eingebracht worden, die aufgrund ihres Wirkungsbereichs von überregionaler Bedeutung sind und einen bedeutenden Teil an Personen des Bereichs Jugend betreffen (ich gehe davon aus, dass damit nach Ansicht der Bundesregierung die Landjugend nicht die Kriterien 1 und/oder zwei erfüllt hat, denn für die anderen Organisationen dürfte das eher unstrittig sein). 

Die Begründung für die Berücksichtigung des Vorschlags der ÖGJ (bestellt wurde der Erstgereihte Matthias Hauer) ist wenig erhellend: "Die Entscheidung fiel zugunsten jener Organisation, die als unmittelbarer Mitgliederverein den bedeutendsten – im Sinne von quantitativ größten – Teil an Personen betrifft und vertritt." Diese Argumentation lässt sich meines Erachtens nicht direkt aus dem Gesetz ableiten: ob die Organisation ein Dachverband oder ein "unmittelbarer Mitgliederverein" ist, dürfte für die Frage, ob überregionale Bedeutung vorliegt und ein bedeutender Teil der Personen des betreffenden Bereichs repräsentiert wird, nicht entscheidend sein. Im nächsten Schritt wäre nicht zu prüfen, ob die Organisation mehr Personen "betrifft oder vertritt", sondern ob sie umfangreichere und vielfältigere Aktivitäten aufweist (wozu die Begründung der Bundesregierung schweigt). Mag sein, dass die Gewerkschaftsjugend umfangreichere Aktivitäten aufweist als die Katholische Jungschar und Katholische Jugend - aber  mit "hard facts" ist auch das jedenfalls nicht unterlegt.  

6. Schülerinnen und Schüler

Der Bereich Schülerinnen und Schüler war einfach: nur ein Vorschlag, von der zweifellos überregional bedeutsamen und einen bedeutenden Teil der Schüler*innen repräsentierenden Bundesschülervertretung; bestellt wurde die Bundesschulsprecherin Mira Langhammer (die der ÖVP-nahen Schülerunion angehört).

7. Ältere Menschen

Auch die Organisationen, die die älteren Menschen in Österreich vertreten, lassen sich politisch schön zuordnen - der Seniorenbund der ÖVP und der Pensionistenverband Österreichs der SPÖ; beide haben Vorschläge erstattet, dazu auch noch der Malteser Hospitalsdienst Austria (MHDA), der aber zutreffend als nicht von überregionaler Bedeutung eingestuft wurde. 

Zwischen den beiden parteinahen Verbänden (die ähnliche Mitgliederzahlen angeben) wurde laut veröffentlichter Begründung aufgrund des vierten Kriteriums - der vorgeschlagenen Personen - entschieden. Weshalb die Personenvorschläge des Seniorenbunds "die bessere Gewähr für die Aufgaben des Publikumsrates" bieten sollen (nach dem Gesetz ginge es um die "bessere Gewähr für eine den Aufgaben des Publikumsrates entsprechende Qualifikation"), wird mit keinem Wort begründet. 

Dass aus diesem Dreiervorschlag dann die frühere ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gertrude Aubauer bestellt wurde, wird übrigens damit begründet, dass diese "durch ihre Aktivitäten als Volksvertreterin, Funktionärin und öffentliche Person die Interessen älterer Menschen am offenkundigsten vertritt." Würde sie die Funktion als "Volksvertreterin" (Nationalratsabgeordnete) aktuell noch ausüben, wäre sie allerdings als Mitglied des Publikumsrates gemäß § 28 Abs. 2 Z 4 ORF-G ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund mutet es etwas seltsam an, dass gerade diese (frühere) Funktion hier hervorgehoben wird und für ihre Bestellung sprechen soll.

8. Menschen mit Behinderungen

Für diesen Bereich besteht die gesetzliche Besonderheit (§ 28 Abs. 4 letzter Satz ORF-G), dass die Interessen von Menschen mit Behinderungen durch eine selbst behinderte Person vertreten werden müssen. Der einzige eingebrachte Dreiervorschlag wurde vom Österreichischen Behindertenrat (ÖBR) erstattet, die Bundesregierung bestellte den in diesem Vorschlag Erstgereihten Martin Ladstätter

9. Eltern bzw. Familien

Für diesen Bereich wurden die meisten Vorschläge erstattet, und zwar insgesamt acht Vorschläge (Katholischer Familienverband, Österreichische Kinderfreunde Bundesorganisation, Volkshilfe Österreich, Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, Rat auf Draht gemeinnützige GmbH, SOS-Kinderdorf, die möwe Kinderschutz gemeinnützige GmbH), wobei allerdings die Vorschläge der fünf zuletzt genannten Organisationen vollkommen gleichlautend waren. 

Die Begründung der Bundesregierung für die vorgenommene Auswahl ist hier insofern unvollständig, als sie nicht einmal klar angibt, welchen Vorschlag sie tatsächlich ausgewählt hat. Wörtlich heißt es in dort: "Mit Blick auf den Umfang und die Vielfalt der Aktivitäten fiel die Entscheidung für den Dreiervorschlag jener Organisation, die im Sinne von Eltern und Familien das Wohl von Kindern und Jugendlichen im relevantesten – nämlich im gesundheitlichen – Bereich in den Fokus ihrer Arbeit rückt."

Da die bestellte Person, Helmut Sax, in fünf Vorschlägen erstgereiht war, lässt sich daraus nur indirekt erschließen, welcher Vorschlag gemeint sein dürfte: wohl jener der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit. Auch hier mag die Auswahl einen guten Grund haben, mit den gesetzlich vorgesehenen Kriterien nach § 28 Abs. 8 ORF-G wird sie allerdings nicht begründet: dass die Organisation das Wohl von Kindern und Jugendlichen im "relevantesten" Bereich (wie auch immer man darauf gekommen sein mag) in den Fokus der Arbeit rückt, sagt nämlich nichts aus über Umfang und Vielfalt der Aktivitäten im Interesse der Eltern bzw. Familien. 

10. Volksgruppen

Für den Bereich Volksgruppen wurden zwei Dreiervorschläge vorgelegt, und zwar vom Kroatischen Kulturverein im Burgenland/Hrvatsko kulturno društvo u Gradišću (HKD) und vom Rat der Kärntner Slowenen/ Narodni svet koroških Slovencev (NSKS). Die Bundesregierung schreibt in der Begründung zwar, dass beide Organisationen "einen bedeutenden Teil an Personen des Bereichs Volksgruppen" betreffen und "umfangreiche und vielfältige Aktivitäten im Bereich der Volksgruppen" aufweisen. Dann wird die Begründung kryptisch: "Anhand der vorgelegten Personenvorschläge fiel die Entscheidung formal für eine der beiden Organisationen; die personelle Entscheidung fiel aber auf jene eine Person, die von beiden Organisationen in ihrem Dreiervorschlag nominiert worden ist." 

Damit wird aber tatsächlich gerade nicht offengelegt, für welchen Vorschlag sich die Bundesregierung entschieden hat und nach welchen Kriterien dies erfolgt ist. Es ist nachvollziehbar, dass die Erstreihung jener Person, die auch aktuell die Volksgruppen im Publikumsrat repräsentiert, auf beiden Vorschlägen als Signal zu sehen war, dass sowohl die kroatische als auch die slowenische Volksgruppe diese Person (Josef Buranits) wieder im den Publikumsrat haben wollte. Das enthebt aber die Bundesregierung nicht der Verpflichtung, sich für einen Vorschlag zu entscheiden (was sie angeblich auch getan hat, aber nicht offenlegt) und dies entsprechend zu begründen. Die getroffene Entscheidung ist gut gemeint und dürfte auch dem Willen beider nominierender Volksgruppen entsprechen - formal korrekt argumentiert ist sie nicht. 

11. Touristik 

Für den Bereich Touristik wurde die Erstgereihte des einzigen - von der Österreich Werbung erstatteten - Dreiervorschlags, Petra Stolba, bestellt. 

12. Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer

Auch für den Bereich Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer lag nur ein Dreiervorschlag (des ÖAMTC) vor, wobei wiederum der Erstgereihte (Bernhard Wiesinger) bestellt wurde. 

2.13. Konsumentinnen und Konsumenten

Für den Bereich Konsumentinnen und Konsumenten gab es ebenfalls nur einen Dreiervorschlag, hier von der Mietervereinigung Österreichs. Bestellt wurde diesmal jedoch die Drittgereihte (Andrea Schellner), von der die Bundesregierung meint, dass sie "aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit diesen Bereich überzeugend repräsentieren kann" (warum auch immer, das wird nicht weiter begründet - und es scheint mir auf den ersten Blick auch nicht ganz klar, was der Beruf einer Wirtschaftstreuhänderin so Spezielles an sich hat, dass er den Bereich der Konsumentinnen und Konsumenten überzeugend repräsentieren kann).

2.14. Umweltschutz

Für den Bereich Umweltschutz wurden Vorschläge von den Naturfreunden Österreich, vom ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung, und vom Umweltdachverband eingebracht. Allen drei Organisationen wird von der Bundesregierung beschieden, von überregionaler Bedeutung zu sein einen bedeutenden Teil an Personen des Bereichs Umweltschutz zu betreffen. Anders als im Bereich Jugend, wo der "unmittelbare Mitgliederverein" bevorzugt wurde, wurde im Bereich Umweltschutz nicht der Vorschlag des (roten) Mitgliedervereins Naturfreunde, sondern der Vorschlag "jener Organisation, die als Dachverband die größten Umwelt- und Naturschutzorganisationen des Landes (GLOBAL 2000, WWF, VIER PFOTEN; Kooperation mit Greenpeace) und deren umfangreichen und vielfältigen Aktivitäten repräsentiert", ausgewählt. Auch in diesem Fall lässt sich der Begründung kein nachvollziehbarer Vergleich des Umfangs und der Vielfalt der Aktivitäten dieses Dachverbands mit den Aktivitäten der beiden anderen Organisationen, die Vorschläge erstattet haben, entnehmen. 

Vom Vorschlag des Umweltdachverbandes wurde die Zweitgereihte (Birgit Mair-Markart) ausgewählt,  mit der bemerkenswerten Begründung, diese sei "jene Person, die auch in einem Dreiervorschlag einer zweiten Organisation im Bereich Umweltschutz nominiert worden ist."

Schlussfolgerungen - Was lässt sich aus der Bestellung der Publikumsratsmitglieder lernen?

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Die Auswahlentscheidung ist natürlich besonders einfach, wenn nur ein einziger Dreiervorschlag für den jeweiligen Vertretungsbereich erstattet wird. In diesem Fall ist nur zu prüfen, ob es sich beim Vorschlagenden um eine repräsentative Einrichtung oder Organisation handelt (wäre das nicht der Fall, so wäre nach § 28 Abs. 6 und 7 ORF-Gesetz vorzugehen), und dann eine Auswahl unter den drei vorgeschlagenen Personen vorzunehmen. Diese Auswahl liegt im freien Ermessen der Bundesregierung (wobei auf die Geschlechterverteilung iSd § 30f ORF-G Bedacht zu nehmen ist).  

Gleich in fünf Vertretungsbereichen (Schülerinnen und Schüler, Menschen mit Behinderungen, Touristik, Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer, Konsumentinnen und Konsumenten) wurde nur ein Dreiervorschlag erstattet. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass es nur eine repräsentative Organisation oder Einrichtung gibt (schwer zu glauben, zumal in der Vergangenheit in diesen Vertretungsbereichen auch andere Organisationen Vorschläge erstattet haben). Es mag auch sein, dass sich die anderen Organisationen nicht dafür interessieren (so spannend ist der Publikumsrat nun auch wieder nicht). Oder es könnte sein, dass es im Vorfeld Absprachen gegeben hat. Dabei gibt es wieder zwei Möglichkeiten: der "Vertretungsbereich" einigt sich intern darauf, wer vorschlägt (das  könnte hinter dem einzigen Vorschlag aus dem Bereich Menschen mit Behinderungen stehen), oder es wird politisch ausgedealt, wer für welchen Vertretungsbereich vorschlagen soll (nach dem - hypothetischen - Muster: wenn der rote ARBÖ keinen Vorschlag für die Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer erstattet, macht der schwarze Mieterbund keinen Vorschlag für die Konsumentinnen und Konsumenten). 

Egal wie auch immer es aber zur Situation gekommen ist, dass nur ein Vorschlag einer repräsentativen Organisation erstattet wurde: die Bundesregierung hat in diesem Fall keine Wahl, sie muss jemand aus diesem Vorschlag auswählen.

Je öfter genannt, desto besser?
In drei Fällen (Eltern bzw. Familien, Volksgruppen, Umweltschutz) hat die Bundesregierung Personen bestellt, die auf zwei oder mehr Vorschlägen genannt waren. Die Anzahl der Nennungen ist allerdings kein gesetzlich relevantes Kriterium und dürfte als solches nicht für die Auswahl des zu berücksichtigenden Dreiervorschlags herangezogen werden. Das schließt freilich nicht aus, bei der - im Ermessen der Bundesregierung liegenden - Auswahl der konkreten Personen aus dem zuvor auszuwählenden Dreiervorschlag jene Person zu nennen, die auch auf anderen Vorschlägen genannt ist. Aber grundsätzlich ist zunächst jener Dreiervorschlag (eindeutig!) auszuwählen, der den Kriterien am besten entspricht, und erst dann ist die Auswahl unter den dort genannten Personen zu treffen (das wurde beim Bereich Volksgruppen nicht getan: hier hat sich die Bundesregierung nicht festgelegt, welchen Vorschlag sie ausgewählt hat).

Außergesetzliche Kriterien
Mit der erstmaligen Festlegung von Kriterien für die Auswahl unter mehreren Dreiervorschlägen hat der Gesetzgeber versucht, dem VfGH-Erkenntnis Rechnung zu tragen, das in der (damals dem Bundeskanzler bzw. der Medienministerin zustehenden) freien Auswahl, "ob und welche Vorschläge berücksichtigt werden," ein Unterlaufen der Repräsentativität des Publikumsrates als möglich erachtet hat. Die nun erfolgte erste Bestellung nach den neuen Bestimmungen zeigt, dass die Bundesregierung vielleicht da und dort andere oder zusätzliche Kriterien heranziehen möchte, über deren gesetzliche Verankerung man diskutieren könnte. So hat sich die Bundesregierung in einem Fall (Jugend) darauf bezogen, dass es sich um einen "unmittelbaren Mitgliederverein" handelt, der den größten Teil der betroffenen Personen vertritt. In einem anderen Fall  (Umweltschutz) wiederum klingt die Begründung so, als wäre es gerade die Form des Dachverbands,  die eine Rolle bei der Auswahlentscheidung gespielt hat. In einem anderen Bereich (Eltern bzw. Familie) wird darauf abgestellt, dass die (implizit) ausgewählte Organisation einen bestimmten Aspekt aus diesem Bereich, den die Bundesregierung - warum auch immer - für den relevantesten hält, "in den Fokus der Arbeit rückt" - auch dieses "Relevanz"-Kriterium oder eine Fokussierung auf bestimmte Aspekte ist im Gesetz derzeit nicht abgebildet. 

Begründen muss man wollen (und können)
Das Gesetz verlangt die Veröffentlichung der "tragenden Gründe für die Entscheidung zugunsten der ausgewählten Einrichtung bzw. Organisation und der ausgewählten Person" (§ 28 Abs. 10 ORF-G). Diese Verpflichtung wurde (ohne relevante Folgen) im Bereich Volksgruppen schon deshalb nicht eingehalten, weil nicht bekanntgegeben wurde, für welchen Vorschlag sich die Bundesregierung entschieden hat (im Bereich Eltern bzw. Familie kann man den ausgewählten Vorschlag zumindest indirekt erschließen). Darüber hinaus bleiben manche Begründungen formelhaft: dass die Vorschläge des Seniorenbundes "die bessere Gewähr für die Aufgaben des Publikumsrates" bieten sollen (als jene des Pensionistenverbandes), wird nur behauptet, nicht erklärt.

Politaufteilung schlägt gesetzliche Kriterien
Über die konkreten Auswahlentscheidungen kann man in manchen Fällen unterschiedlicher Meinung sein, und die Kriterien sind nicht immer griffig anzuwenden. Aber schon die (bloß behauptete, nicht begründete) "bessere Gewähr" für die Aufgaben des Publikumsrates bei den Seniorenbund-Vorschlägen klingt ein wenig nach: es soll halt so sein (mit anderen Worten: das ist ein VP-"Mandat"). Ähnlich ist es bei der Jugend: hier wurde der Vorschlag der Gewerkschaftsjugend ausgewählt, weil sie "als unmittelbarer Mitgliederverein den bedeutendsten – im Sinne von quantitativ größten – Teil an Personen betrifft und vertritt"  - auch da fehlt eine nähere Auseinandersetzung, die das mit den gesetzlichen Kriterien in Beziehung setzt und mit Fakten unterlegt. Aber Jugend, das war wohl ein "rotes Ticket" (dafür kommt wieder bei den Schülerinnen und Schülern, wo es allerdings nur einen Vorschlag gab, eine Vertreterin einer ÖVP-nahen Organisation zum Zug). 

Diese Auswahlentscheidungen bei den älteren Menschen und bei der Jugend lassen sich aber noch halbwegs argumentieren und wurden nicht ganz so offensichtlich nur aufgrund der politischen Zuordnung getroffen. Anders ist das allerdings im Bereich Hochschulen: dass hier der Vorschlag der Rektorinnen- und Rektorenkonferenz der österreichischen Pädagogischen Hochschulen (RÖPH) vor jenem der Österreichischen Universitätenkonferenz bevorzugt wurde, lässt sich nicht anders als (partei-)politisch erklären. Die im Ministerratsbeschluss dafür genannten Gründe sind absurd und unglaubwürdig. Wie schon oben ausgeführt: dass die 14 pädagogischen Hochschulen mit zusammen knapp 22.000 Studierenden im Hochschulbereich umfangreichere Aktivitäten entfalten als die Universitäten mit zusammen gut 260.000 Studierenden, glaubt wahrscheinlich - wenn sie dies denn tut - nur die Bundesregierung. 

In diesem Fall ist greifbar, dass nicht die gesetzlichen Kriterien herangezogen wurden, sondern alte Proporzüberlegungen hinter der Auswahlentscheidung stehen. 

Das ist schon deshalb bedauerlich, weil damit auch die Auswahlentscheidungen in anderen Bereichen, die formal besser begründet wurden, unter diesen Verdacht geraten - wie schon gesagt: es liegt nahe, dass nach dem schwarzen Ticket für den Bereich Hochschulen der Bereich "Bildung" ein rotes Ticket war, dem roten Jugend-Ticket ein schwarzes Ticket aus dem Beriech Schülerinnen und Schüler gegenübersteht, und dass auf die "schwarzen" Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern die "roten" Konsumentinnen und Konsumenten" folgen. Und weil die ÖVP etwas größer ist als die SPÖ, hat sie auch die Bereiche ältere Menschen, Sport und Touristik bekommen, dafür (wahrscheinlich) die SPÖ den Bereich Kunst und Kultur (zumindest hat sich der Ausgewählte bei SPÖ und NEOS bedankt). Nicht (oder jedenfalls nicht für mich) direkt parteipolitisch zuordnen lassen sich die ausgewählten Vorschläge für die Bereiche behinderte Menschen, Volksgruppen, Umweltschutz und Eltern bzw. Familien.

Zusammenfassend: die Auswahl wurde zwar transparenterer, aber da und dort schimmert das alte Proporzdenken durch. 

Was kommt jetzt?

Der nächste Schritt ist die Bestellung der Stiftungsrats- und Publikumsratsmitglieder durch die anderen bestellungsberechtigten Einrichtungen. Von besonderem Interesse ist, welche neun Mitglieder des Publikumsrates von diesem in den Stiftungsrat entsendet werden, und ob hier - wie Harald Fidler im Interview mit dem Vizekanzler im Standard in den Raum stellt - eine Aufteilung von "je vier für ÖVP und SPÖ und einem Sitz für Neos" erkennbar sein wird.

  

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