Mit Ministerratsbeschluss vom 13. Mai 2025 hat die Bundesregierung über die von ihr zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates und des Publikumsrates des ORF entschieden. Dieser Beschluss basiert auf einer neuen Rechtslage, die erst jüngst - nachdem die Aufhebung einiger Bestimmungen des ORF-Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof wirksam geworden ist - geschaffen wurde. Die geänderte Rechtslage trägt dem VfGH-Erkenntnis formal Rechnung; wie sie in der Praxis nun umgesetzt wurde, habe ich mir für diesen Beitrag angeschaut.
Eine Warnung vorweg: es ist ein sehr langer Text geworden, den ich daher auf zwei Posts aufgeteilt habe. Im ersten Teil gebe ich eine kurze Übersicht über die gesetzlichen Änderungen. Danach gehe ich auf die Bestellung von Stiftungsratsmitgliedern durch die Bundesregierung ein, und zwar zunächst auf die von ihr selbst auszuwählenden Mitglieder und dann auf jene Mitglieder, die von ihr auf Vorschlag der Parteien zu bestellen sind. Der zweite Teil (im Folgeposting) befasst sich dann mit der Auswahl der Publikumsratsmitglieder.
[Wer den ganzen Text lieber in einem pdf lesen mag: bitte hier herunterladen]
Was bisher geschah - vom VfGH-Erkenntnis zur teilweisen Neuregelung der Gremienbestellung
VfGH-Erkenntnis
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2023 einige Bestimmungen über die Bestellung der Mitglieder des Stiftungsrates und des Publikumsrates des ORF als verfassungswidrig aufgehoben (siehe dazu im Blog hier und hier). Die Aufhebung wurde mit Ablauf des 31. März 2025 wirksam.
Neuregelung
Eine (teilweise) Neuregelung der Bestellungsregeln erfolgte mit der am 17. April 2025 kundgemachten Änderung des ORF-Gesetzes. Dabei beschränkte sich der Gesetzgeber auf eine Minimalvariante - es erfolgte also keine Reform der Gremienstruktur und es wurden nur solche Änderungen vorgenommen, die man als erforderlich ansah, um dem VfGH-Erkenntnis (gerade noch) Rechnung zu tragen.
Was noch offen ist
Andere offene Baustellen (wie zB die Frage der Repräsentativität der nach § 28 Abs. 3 ORF-G zu bestellenden Mitglieder des Publikumsrats), die vom VfGH mangels Anfechtung nicht behandelt wurden, blieben ausgespart - da wird die Sanierung wohl erst nach dem nächsten VfGH-Erkenntnis ansetzen. Zudem wäre bis 8. August 2025 auch noch ein Begleitgesetz zum Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) zu erlassen, damit die Bestellung und Abberufung der Führungsebene des ORF in Einklang mit den Vorgaben dieser EU-Verordnung gebracht wird (ich weiß, das ist verwirrend: der EMFA ist tatsächlich eine Verordnung, wird aber im offiziellen Kurztitel als "Gesetz" bezeichnet) .
Übersicht zu den Änderungen im ORF-Gesetz:
- Die Anzahl der von der Bundesregierung zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates wurde von neun auf sechs verringert.
- Für diese Stiftungsratsmitglieder (und nur für diese!) wurden weitere Kriterien in das Gesetz aufgenommen; nach dem neuen § 20 Abs 1b ORF-G hat die Bundesregierung bei den Bestellungen dieser Mitglieder "dafür zu sorgen, dass in den Bereichen Betriebswirtschaft, Controlling, Medienwirtschaft, Kommunikation, Technologie und Innovation sowie Rundfunk-, Urheber- und Medienrecht ausreichende Expertise gegeben ist. Die Bundesregierung hat bei der Bestellung der Mitglieder die facheinschlägige Ausbildung, Dauer und Art der Berufserfahrung sowie die Kenntnisse im jeweiligen Bereich zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung bei den Bestellungen darauf zu achten, dass der Stiftungsrat unter Berücksichtigung des vorliegenden Bedarfs fachlich ausgewogen zusammengesetzt ist."
- Die Funktionen dieser Stiftungsratsmitglieder sind auch öffentlich auszuschreiben und der in der Folge getroffene Beschluss der Bundesregierung ist zu begründen. Die Begründung ist (auf evi.gv.at) auch zu veröffentlichen. Nicht ausdrücklich veröffentlichungspflichtig ist, wer sich auf die Ausschreibung hin beworben hat - und da dies auch tatsächlich nicht veröffentlicht wurde, ist es auch schwer nachzuvollziehen, ob die von der Bundesregierung veröffentlichte Begründung für die Auswahl - unter Berücksichtigung im Hinblick der sonst zur Auswahl stehenden Bewerber*innen - stichhaltig ist.
- Die Anzahl der vom Publikumsrat in den Stiftungsrat zu entsendenden Mitglieder wurde von sechs auf neun erhöht.
- Die bisher von der Medienministerin auszuwählenden 17 Publikumsratsmitglieder aus 14 verschiedenen "Vertretungsbereichen" ("Hochschulen, Bildung, Kunst und Kultur, Sport, Jugend, Schülerinnen und Schüler, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Eltern bzw. Familien, Volksgruppen, Touristik, Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer, Konsumentinnen und Konsumenten sowie Umweltschutz") wurden auf 14 reduziert (ein Mitglied pro "Vertretungsbereich") und nun von der Bundesregierung ausgewählt.
- Für diese Vertretungsbereiche sind wie bisher Dreiervorschläge von repräsentativen Organisationen oder Einrichtungen einzuholen - allerdings haben diese Organisationen/Einrichtungen nunmehr auch ihre Repräsentativität darzulegen ("durch Darstellung des Wirkungsbereichs und der für den betreffenden Bereich bzw. die betreffende Gruppe relevanten Aktivitäten"). Die eingelangten Vorschläge sind zu veröffentlichen und die von der Bundesregierung vorgenommene Auswahl ist zu begründen. Für den Fall, dass mehrere Vorschläge eingebracht wurden, enthält § 28 Abs. 8 ORF-G auch nähere Regeln für die Auswahl. Zudem ist (neu) auch § 30f ORF-Gesetz zu berücksichtigen, wonach "auf eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter Bedacht zu nehmen" ist (da merkt man übrigens, dass § 30f ORF-Gesetz schon 15 Jahre alt, als die "zwei oder mehr Geschlechter"-Debatte noch nicht in der Gesetzgebung angekommen war). Auch die Begründung für die Auswahl dieser Publikumsratsmitglieder ist zu veröffentlichen.
- Die Funktionsperiode der aktuell noch bestehenden Gremien wurde per Gesetz verkürzt: sie endet am 16. Juni 2025. Am Tag danach beginnt die Funktionsperiode für die neu bestellten Gremien ("unbeschadet einer Bestellung oder Konstituierung vor diesem Datum").
Neubestellung
Vor diesem Hintergrund war nach der Kundmachung der Novelle rasch zu handeln:
- Am 22. April 2025 wurde die Ausschreibung für die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsrates und die Ausschreibung für die Bestellung von Mitgliedern des Publikumsrates veröffentlicht.
- Am 6. Mai 2025 erfolgte die Bekanntmachung gemäß § 28 Abs. 5 ORF-G über die eingelangten Dreiervorschläge für die Bestellung zu Mitgliedern des Publikumsrates des ORF
- Am 13. Mai 2025 beschloss die Bundesregierung, wen sie als Stiftungs- und Publikumsratsmitglieder bestellt; die Bekanntmachung über die Bestellung (mit der Begründung) erfolgte dann am 14. Mai 2025.
Stiftungsrat
Von der Bundesregierung ausgewählte Mitglieder des Stiftungsrates
Die von der Bundesregierung ausgewählten sechs Mitglieder des Stiftungsrates (drei Männer und drei Frauen, also ganz konform mit § 30f ORF-G) sind
- Dr. Leonhard DOBUSCH
- Dr. Philip GINTHÖR
- Astrid SALMHOFER
- Mag. Gregor SCHÜTZE
- Ruth STRONDL, MAS
- Dipl.-Ing. Christina WILFINGER
In der veröffentlichten Begründung für die Auswahl erfolgt keine ausdrückliche Zuordnung dieser sechs Mitglieder zu den sechs im Gesetz genannten Bereichen, vielmehr werden in sehr allgemeiner Form die Erfahrungen/Qualifikationen dargestellt.
- Demnach dürfte der Bereich "Betriebswirtschaft" ganz gut abgedeckt sein, denn neben Leonhard Dobusch (Univ.-Prof. für Betriebswirtschaft) wird auch Astrid Salmhofer "erhebliche betriebswirtschaftliche Kompetenz" und Ruth Strondl "betriebswirtschaftliches Know-How" attestiert. "Controlling" als solches wird keiner der ausgewählten Personen zugeordnet (das kann man aber wohl unter den betriebswirtschaftlichen Hut bringen).
- "Medienwirtschaft" dürfte durch Philip Ginthör (war bei Bertelsmann, Columbia und Sony) repräsentiert werden, ein wenig vielleicht auch durch Gregor Schütze (er war immerhin ein Jahr lang ATV-Geschäftsführer).
- Dafür ist der Bereich "Kommunikation" wieder stark vertreten - durch den Kommunikationsberater Schütze, die "Chief Communications Officer" der Wiener Stadtwerke Astrid Salmhofer und die Public Affairs-Leiterin des Kunsthistorischen Museums, Ruth Strondl.
- "Technologie und Innovation" dürfte das Ticket für die Unternehmensberaterin Christina Wilfinger gewesen sein, die früher bei SAP und Microsoft war; dass sie derzeit auch Aufsichtsrätin bei der Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien ist, macht die Sache insofern interessant, als diese Holding sich - laut Website - "aktiv im Medienbereich" engagiert, vom Kurier über die gemeinsame ORF/Raiffeisen-Tochter ORS oder Agrarverlag bis zu leadersnet.at.
- Und "Rundfunk-, Urheber- und Medienrecht" schließlich kann wohl auch vom Betriebswirtschafts-Professor Dobusch abgedeckt werden (er hat auch ein Jus-Studium absolviert und in seiner netzpolitischen Arbeit sowie in den Gremien des ZDF entsprechende einschlägige Erfahrung gesammelt), ebenso von Philip Ginthör (seine juristische Dissertation hat ein wenig auch mit Technologie zu tun, ist aber eher philosophisch ausgerichtet und trägt den schönen Titel: "Freiheit und Verantwortung im Lichte virtueller Sittlichkeit"; laut dem darin dargestellten Ausbildungsgang hat er aber auch den "Kurs zum Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht" absolviert); schließlich hat auch der Kommunikationsberater Gregor Schütze einen juristischen Abschluss, aber nicht einschlägig gearbeitet.
Kriterien eingehalten
Zusammenfassend kann man also sagen, dass bei der Auswahl der von der Bundesregierung nach § 20 Abs. 1 Z 3 ORF-Gesetz zu bestellenden Stiftungsratsmitglieder die vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien jedenfalls im Ergebnis beachtet wurden. Ob mit diesen Bestellungen der Stiftungsrat auch, wie es das Gesetz verlangt, "unter Berücksichtigung des Bedarfs fachlich ausgewogen zusammengesetzt" ist, lässt sich von außen schwer beurteilen, und man wird der Bundesregierung hier ein großzügiges Ermessen einräumen müssen - dessen ungeachtet bin ich persönlich nicht ganz überzeugt, dass es allein unter den von der Bundesregierung ausgewählten sechs Personen drei PR-Menschen (Kommunikationsberater, Public Affairs-Leiterin, Chief Communications Officer) braucht.
Unklar ist allerdings, wie die Auswahl unter allen eingelangten Bewerbungen erfolgt ist. Die veröffentlichte Begründung bezieht sich nur auf die schließlich ausgewählten Personen und enthält keine Informationen darüber, wer sich sonst noch beworben hat und welche Qualifikationen diese Personen - auch im Vergleich zu den schließlich ausgewählten - aufzuweisen hatten. Das ist meines Erachtens der klare Schwachpunkt dieser Bestellung: der Eindruck, dass es keine gesamthafte Auswahl unter allen eingelangten Interessensbekundungen gegeben hat, sondern eine parteipolitisch zuordenbare Vorauswahl, um der im Regierungsprogramm ausdrücklich vereinbarten Aufteilung (3 Bundeskanzler [also ÖVP], 2 Vizekanzler [also SPÖ], 1 ranghöchstes Regierungsmitglied der NEOS) Rechnung zu tragen.
![]() |
(Regierungsprogramm 2025 - 2029, S. 234) |
Von den politischen Parteien vorgeschlagene Stiftungsratsmitglieder
- DI.in Dr.in Hildegard AICHBERGER (Die Grünen)
- MMag Dr. Christoph URTZ, LL.M., LL.M. (FPÖ)
- Ing. Peter WESTENTHALER (FPÖ)
- Dr. Markus BOESCH (NEOS)
- Dr. Ewald ASCHAUER (ÖVP)
- Heinz LEDERER (SPÖ)
Bestellungspflicht?
In Zusammenhang mit diesen Mitgliedern wurde die Frage aufgeworfen, ob die Bundesregierung die von den Parteien vorgeschlagenen Personen jedenfalls bestellen muss. Der Gesellschaftsrechtler Martin Schauer meinte im Standard, die Bundesregierung habe nicht die Pflicht, die vorgeschlagenen Personen zu bestellen und sie dürfe nur nur solche Personen für den Stiftungsrat auswählen, die für eine professionelle Aufsichtstätigkeit zum Wohl des Unternehmens geeignet sind. Peter Westenthaler zählt für Martin Schauer offenkundig nicht zu diesen Personen (seine Auffassung wird von anderen renommierten Gesellschaftsrechtler*innen geteilt), er begründet dies im Wesentlichen damit, dass Westenthaler in der Vergangenheit "fortgesetzt durch öffentliche Angriffe auf das Unternehmen hervorgetreten" ist, "häufig artikuliert bei einem privaten Sender, der zum ORF in einem Wettbewerbsverhältnis steht."
Der ORF ist keine Aktiengesellschaft
Meines Erachtens ist das Problem etwas differenzierter anzugehen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Stiftungsrat zwar in vielerlei Hinsicht dem Aufsichtsrat bei Aktiengesellschaften nachgebildet ist. Der ORF ist aber gerade keine Aktiengesellschaft, sondern eine Stiftung öffentlichen Rechts, die einen besonderen öffentlich-rechtlichen Auftrag wahrzunehmen hat. Die Bundesregierung ist auch nicht Eigentümerin oder Eigentümervertreterin, sondern hat nur die ihr vom Gesetzgeber in diesem Zusammenhang zugewiesenen Befugnisse bzw. Pflichten - und der Gesetzgeber hat es für zweckmäßig erachtet, dass auch Vertreter*innen politischer Parteien im Stiftungsrat vertreten sind (was laut VfGH verfassungskonform ist).
Keine Stilkritik durch die Bundesregierung
Es gehört zur politischen Auseinandersetzung, dass die Parteien auch über die Aufgaben und die Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterschiedliche Ansichten vertreten. Die Bundesregierung darf daher die Bestellung eines von einer Partei vorgeschlagenen Vertreters nicht deshalb verweigern, weil er zB die Auffassung vertritt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle verkleinert oder auch abgeschafft werden. Meines Erachtens kann man daher auch Stil und Inhalt der öffentlichen Äußerungen einer von einer Partei vorgeschlagenen Person nicht als Kriterium dafür heranziehen, diese Person nicht zum Stiftungsratsmitglied zu bestellen. Insofern muss man bei der Übernahme gesellschaftsrechtlicher Grundsätze zurückhaltend sein und den besonderen Charakter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Auge behalten: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Rundfunk der Gesellschaft, und zu dieser Gesellschaft gehören auch Personen, die gerade diesen Rundfunk kritisch sehen oder ablehnen. Auch diese Personen sollen. so will es der Gesetzgeber, vermittelt über die auch diese Positionen vertretenden Parteien in den Gremien repräsentiert sein.
Gesetzliche Eignungskriterien
Voraussetzung für die Bestellung zum Stiftungsratsmitglied (für alle Mitglieder außer jene, die vom Zentralbetriebsrat bestellt werden) ist, dass die Person die "persönliche und fachliche Eignung" aufweist, und zwar entweder "durch eine entsprechende Vorbildung" oder durch "einschlägige Berufserfahrung in den vom Stiftungsrat zu besorgenden Angelegenheiten" (§ 20 Abs. 1a Z 1 ORF-G). Weiters muss diese Person "über umfassende Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen" oder "sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben" (§ 20 Abs. 1a Z 2 ORF-G).
Die Bundesregierung darf eine Person, die über diese Voraussetzungen nicht verfügt, nicht zum Mitglied des Stiftungsrates bestellen. Ich will nicht beurteilen (dazu fehlen mir auch die dafür notwendigen Unterlagen), ob alle von den Parteien vorgeschlagenen Personen diese Kriterien erfüllen. In der Praxis wurden diese Kriterien jedenfalls immer sehr weit ausgelegt, und ich kann mir schon vorstellen, dass man den Abschluss einer EDV-HTL als "entsprechende Vorbildung" ansieht und dass man als Verantwortlicher für die Kommunikation einer politischen Partei "umfassende Kenntnisse" des Medienmarktes aufbauen kann.
Überprüfung des Bestellungsakts?
Die weite Auslegung dieser Kriterien ist meines Erachtens durchaus vertretbar, zumal man damit in der Regel ein anderes - und zwar ein wirklich heikles - Problem umgehen kann: Was würde passieren, wenn die Bundesregierung die Bestellung einer von einer Partei vorgeschlagenen Person verweigert? Das Bestellungsverfahren ist ein Regierungsakt, der nicht bescheidmäßig erfolgt. Eine unmittelbare rechtliche Überprüfung der Entscheidung der Bundesregierung ist daher (anders als zB bei der Bestellung der Mitglieder der Volksgruppenbeiräte) nicht möglich.
Ein rechtswidriges Vorgehen der Bundesregierung bei der Bestellung von Gremienmitgliedern des ORF könnte daher wohl nur inzident erfolgen, also im Zusammenhang mit der Prüfung von Gremienbeschlüssen, die im Beisein der rechtswidrig bestellten (bzw. in Abwesenheit der rechtswidrig nicht bestellten) Mitglieder erfolgt sind. Ob in so einem Fall jegliche Rechtswidrigkeit oder nur eine besonders qualifizierte Rechtswidrigkeit im Bestellungsvorgang zu einer Anfechtbarkeit oder gar Nichtigkeit von Beschlüssen führt, und ob dies vor den Zivilgerichten oder im Aufsichtsweg über die KommAustria und das Bundesverwaltungsgericht (bis zum VfGH und VwGH) auszutragen wäre: das alles ist nicht ausdrücklich geregelt (wahrscheinlich wird man im Bedarfsfall diesbezüglich tatsächlich gesellschaftsrechtliche Regelungen und die einschlägige Rechtsprechung sinngemäß heranziehen müssen).
Jedenfalls ist nachvollziehbar, dass die Bundesregierung es lieber vermeiden möchte, sich diesen Fragen zu stellen und daher auch Bestellungen von Personen durchwinkt, bei denen man vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennt, dass die Eignungskriterien des § 20 Abs. 1a ORF-G erfüllt werden. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die von den Ländern und vom Publikumsrat zu bestellenden Stiftungsratsmitglieder.
Ausschlusskriterien
Nicht zum Mitglied des Stiftungsrates bestellt werden dürfen Personen, auf die einer der in § 20 Abs. 3 ORF-G normierten Ausschlussgründe zutrifft. Im Wesentlichen geht es dabei um bestimmte politische oder politiknahe Funktionen und um den Ausschluss eines Konkurrenzverhältnisses. In der Praxis, so auch im Ministerratsbeschluss vom 13. Mai 2025, begnügt man sich dabei mit der Vorlage einer persönlichen Erklärung, dass keine Ausschließungsgründe im Sinne von § 20 Abs. 3 ORF-G vorliegen.
Sonstige Voraussetzungen?
Weitere Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Stiftungsrat bestehen für die von den Parteien vorgeschlagenen Mitglieder nicht. So sind etwa auch nicht getilgte Verurteilungen, aufgrund derer man nach der Gewerbeordnung von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen ist, kein Hindernis für eine Bestellung als Mitglied des Stiftungsrates. Wollte man diesbezüglich "nachschärfen", wäre eine Gesetzesänderung erforderlich. Zwar sieht auch das Aktiengesetz keine weiteren Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder vor - aber hier ist wieder die Besonderheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu berücksichtigen: bei den Anteilseignern einer Aktiengesellschaft kann man in aller Regel davon ausgehen, dass sie rational handelnde Teilnehmer*innen am Wirtschaftsleben sind; sie werden daher auch die von ihnen zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder sorgfältig auswählen und dabei das Ziel verfolgen, dass diese durch qualifizierte Aufsichtstätigkeit zur Sicherung des gedeihlichen Wirkens der Gesellschaft beitragen.
Diese Annahmen lassen sich allerdings nicht so einfach auf die Vorschläge politischer Parteien für die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks übertragen. Für einzelne politische Parteien mag es durchaus politisch rational sein, weniger auf die Seriosität und fachliche Qualifikation eines potentiellen Stiftungsratsmitglieds zu schauen, sondern auf dessen politische Attraktivität oder Kampagnefähigkeit.
Vor diesem Hintergrund wäre es durchaus denkbar, dass sich der Gesetzgeber darauf verständigt, weitere Mindestanforderungen an Stiftungsratsmitglieder, egal von wem sie vorgeschlagen oder bestellt werden, festzulegen.
Ausschluss von Mitgliedern?
Schließlich wäre es meines Erachtens auch geboten, ausdrückliche Regelungen für die Abberufung oder den Ausschluss von Stiftungsratsmitgliedern - etwa wegen neu auftretender (oder neu zutage tretender) Unvereinbarkeiten - festzulegen. Auch dafür enthält nämlich das ORF-Gesetz derzeit keine Regelungen, und es ist keineswegs gesichert, dass eine Übertragung gesellschaftsrechtlicher Wertungen (insbesondere aus dem Aktiengesetz), wie sie offenbar Kalss und Schima vorschwebt, ohne Weiteres möglich ist.
No comments :
Post a Comment