Tuesday, December 21, 2010

Selbstregulierung ohne Selbst und ohne Regulierung: der neue Presserat

Über den aktuellen Trend, dass sich sogenannte Selbstregulierungseinrichtungen mehr mit Außenstehenden beschäftigen (als mit den ihnen Angehörenden), habe ich unter dem Titel "Selbstregulierung ohne Selbst" schon letztes Monat am Beispiel des PR-Ethik-Rats geschrieben. Der Trend macht auch, wie erwartet, vor dem neuen österreichischen Presserat nicht halt.

Dieser Presserat hat nun tatsächlich - rund zweieinhalb Jahre, nachdem man sich angeblich auf seine Wiedererrichtung geeinigt hatte (siehe näher dazu hier) und gut zehn Monate nach Eintragung des neuen Vereins im Vereinsregister - seine erste Entscheidung getroffen. Das steht zumindest in den Zeitungen (zB Standard, Presse), veröffentlicht wird die Entscheidung nämlich nicht. Denn der Presserat hat vieles - zB zwei Senate (mit jeweils einer/einem Vorsitzenden und jeweils einem Sprecher), drei Ombudsleute, einen Geschäftsführer, einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten, auch ein neues Büro - aber er hat eines (zumindest noch) nicht in ausreichendem Maß: Medien, die sich auf das Verfahren vor dem Presserat einlassen und seinen Spruch anerkennen.

Daher ist die nun (angeblich) getroffene Entscheidung betreffend die Tageszeitung "Österreich", die den Presserat erwartungsgemäß (siehe zB diesen Standard-Artikel aus dem August 2010) nicht anerkennt, in einem "amtswegigen" Verfahren ergangen. Nach der Verfahrensordnung ist diese Entscheidung "ausschließlich dem betroffenen Medieninhaber schriftlich mitzuteilen" (ohne weitere Rechtswirkungen, insbesondere natürlich auch ohne Verpflichtung zur Veröffentlichung). Die Senatsmitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, an die Öffentlichkeit kann die Entscheidung daher - abgesehen von Datenpannen oder Wikileaks-ähnlichen Aktionen - nur dann kommen, wenn sich entweder "Österreich" zur Veröffentlichung entschließt oder wenn sich Senatsmitglieder des Presserats nicht an ihre Verschwiegenheitspflicht halten.

Nun ist es - nicht nur wegen des schon erwähnten Artikels - wenig verwunderlich, dass sich die Zeitung "Österreich", die dem Verband Österreichischer Zeitungen nicht angehört (mehr dazu steht in diesem OGH-Urteil), auch dem vom VÖZ maßgeblich mitgetragenen Presserat nicht unterwirft. Viel bemerkenswerter ist es schon, dass noch immer nicht einmal alle dem VÖZ angehörenden Zeitungen den Presserat anerkannt haben; laut Presse "sieht es danach aus [d.h.: es ist wahrscheinlich, aber noch nicht eingetreten], dass sich alle Mitglieder des Verbands Österreichischer Zeitungen sowie des Regionalmedienverbands dem Regelwerk des Rates unterwerfen."

Das scheint mir nicht völlig belanglos, denn immerhin sieht § 12a des Presseförderungsgesetzes vor, dass die KommAustria "einer repräsentativen Einrichtung der Selbstkontrolle im Bereich der österreichischen Presse im Sinne der Gewährleistung der Unabhängigkeit dieser Einrichtung und zur Sicherstellung der Wahrnehmung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben sowie einer wirksamen Durchsetzung ihrer Entscheidungen und Beschlüsse" jährlich einen Zuschuss von 150.000 € zu gewähren hat. Um aber von einer repräsentativen Einrichtung der Selbstkontrolle sprechen zu können, wird es wohl mehr brauchen als einen vor allem von VÖZ und Gewerkschaft getragenen Verein: es müsste auch eine repräsentative Anzahl von Zeitungen die Entscheidungen dieser Einrichtung für sich anerkennen. Die "amtswegige" Beschäftigung mit Veröffentlichungen in anderen, sich dem Presserat nicht unterwerfenden Medien hat jedenfalls mit Selbstkontrolle/Selbstregulierung  nichts zu tun, ja sie hat nicht einmal etwas mit Kontrolle oder Regulierung (ohne "Selbst-") zu tun, wenn die Entscheidung nicht einmal veröffentlicht wird.

Weshalb die Zeitungen so lange zögern, ist den Pressemeldungen nicht zu entnehmen. Allzuviel hätten sie wohl angesichts der von den Beschwerdeführern abzugebenden Unterwerfungserklärungen, in der auf jegliche gerichtliche Geltendmachung von Forderungen zu verzichten ist, nicht zu fürchten (mehr dazu hier), vielleicht abgesehen von den Kosten des offenbar ziemlich aufwändigen Schiedsverfahrens (aber das Kostenrisiko hat auch der Beschwerdeführer, der ja nach § 609 ZPO - insbesondere im Fall des Unterliegens - auch zum Kostenersatz verhalten werden kann).

Aber der Presserat hat ja auch erste Erfolge, konnte man heute lesen. Ein Fall wurde nämlich schon "auf dem Wege der Mediation" gelöst: Einem Abtreibungsgegner, der sich von der Presse nicht korrekt wiedergegeben fühlte, wurde "eine Stellungnahme in einem Leserbrief eingeräumt"(!)

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