Saturday, May 02, 2009

Doch Neues zur Medienvielfalt: "Beta-Version" des "Media Pluralism Monitor"

Zuletzt war ich vielleicht etwas zu ungeduldig, als ich auf die gewisse Bedächtigkeit der Kommission in Sachen Medienvielfalt hingewiesen habe. Nun haben die Auftragnehmer der Studie zu Indikatoren für Medienvielfalt einen preliminary draft final report vorgelegt, komplett mit einem Prototyp des "Media Pluralism Monitor", einem Excel-File, in dem man die jeweiligen nationalen Werte für die Inidikatoren eingeben kann (plus "user guide" und Feedback-Formular), alles veröffentlicht auf der Website der Kommission. Ein "stakeholder workshop" dazu wird am 8. Juni stattfinden.

Nach einer ersten überblicksweisen Durchsicht bleibt für mich ein etwas zwiespältiger Eindruck, und zwar weniger im Hinblick auf die Qualität der Studie als zur Frage, wie weit die einzelnen Indikatoren tatsächlich in verschiedenen Mitgliedstaaten operationalisierbar und die Ergebnisse vergleichbar sein können. Ein wenig habe ich den Eindruck, dass jedenfalls bei einzelnen Indikatoren eine Tendenz zu einer positiven Bewertung regulatorischer Aufsicht erkennbar ist, und dass - teilweise damit einhergehend - die Bedeutung formaler Strukturen und Abläufe (Behörden, Selbstregulierungseinrichtungen, Anzahl von Beschwerden etc.) etwas zu stark betont wird. Dutzende Male wird etwa die Frage gestellt "Is there an administrative or judicial body actively monitoring compliance with these rules and/or hearing complaints?" - zur Frage, ob/wie faire politische Berichterstattung durch Printmedien sichergestellt ist genauso wie zur Frage, ob sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausreichend in Online-Medien engagiert (nicht ausreichendes Engagement wäre demnach ein Risikofaktor für die Medienvielfalt), und das zieht sich in dieser Weise durch eine Vielzahl von Indikatoren.

Natürlich kann man bei einer Studie dieses Umfangs immer Kritikpunkte finden (muss man zB bei einer für die EU-Mitgliedstaaten ausgelegten Bewertung wirklich die Frage stellen, ob die EMRK ratifiziert wurde und die Freiheit der Meinungsäußerung in der Verfassung und/oder im nationalen Recht anerkannt ist?). Und auch sachliche Fehler lassen sich in der vorläufigen Version natürlich leicht finden, aber zu deren Bereinigung gibt es ja eine Endversion. Ob die Mitgliedstaaten bestimmte Richtlinien ratifziert (!) haben (so im User Guide zum Indikator B1.2) wird man schwer beantworten können; zum Indikator O9.1 wird man sich auch eine andere Frage einfallen lassen müssen, als ob die Marktanalyse des Markts 18 nach der längst nicht mehr geltenden Märkteempfehlung 2003 durchgeführt wurde; und ob schließlich das in Indikator T1.6 zugrundegelegte Verständnis von Art 31 der Universaldienst-RL aufrechterhalten werden kann, würde ich genauso bezweifeln. In manchen Fragen kann man auch ein gewisses Interesse der Kommission als Auftraggeber der Studie wahrnehmen, insbesondere bei Fragen zu den Regulierungsbehörden im Medien und Telekombereich.

Aber bei aller Detailkritik (und ich habe da erst mal quer durchgeschaut - Studie und User Guide haben ja zusammen gut 500 Seiten) muss man festhalten, dass mit diesem Werk auch ein wichtiger Schritt getan ist. Denn auch wenn sich bei sehr vielen Indikatoren und vor allem auch den dazu zu beantwortenden Sub-Fragen die Bewertungskriterien und manchmal auch die Relevanz diskutieren lassen, eines ist damit jedenfalls gelungen: ein Inventarium von Fragestellungen, mit dem man sich bei der Bewertung der Medienvielfalt systematisch auseinandersetzen kann und muss.

Dass die Kommission den Einsatz genau dieses "Media Pluralism Monitors" empfehlen wird, kann ich mir noch nicht vorstellen, denn nun werden wohl Mitgliedstaaten und Interessenverbände zahlreiche grundsätzliche und detaillierte Kritik anbringen. Das Schöne an diesem Instrument aber ist, dass es - wie die Studienverfasser audrücklich betonen - offen ist für die Benützung durch ein breites Feld an Stakeholdern, Regulatierungsbehörden genauso wie NGO’s, Wissenschaft und Marktteilnehmer. Emfpohlen wird freilich eine arbeitsteilige Zusammenarbeit von Medienbehörden, NGOs, and akademischen Experten. Ich bin gespannt, wer sich in Österreich dieser Aufgabe unterziehen wird.

[update: die Endfassung der Studie, der User Guide, und das Excel Sheet zur Berechnung liegen nun vor, ebenso die Präsentationen von einem Workshop am 8. Juni 2009; weitere Informationen auf dieser Seite]

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