Monday, February 02, 2009

Digitale Dividende - für wen?

Wenn es um die Verteilung von Dividenden geht, ist das Interesse groß - und wie der volle Saal bei der Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Digitale Plattform Austria letzten Dienstag gezeigt hat, gilt dies auch für die digitale Dividende (siehe dazu schon hier), selbst wenn noch keineswegs feststeht, wie viel es letztlich zu verteilen geben wird.

Die Veranstaltung unter dem schlichten Titel "Die digitale Dividende" bot einen informativen Überblick über die tatsächliche Situation in Österreich und über die maßgebenden Interessenpositionen, von den Rundfunknetzbetreibern über die Mobilfunker bis zu den Kulturveranstaltern, die um die Einsetzbarkeit ihrer drahtlosen Mikrofone bangen. Interessant waren auch die ersten zaghaften Ansätze für eine österreichische frequenzpolitische Position, die sich aus dem Einleitungsstatement von Univ.-Prof. Georg Lienbacher, Leiter des Verfassungdienstes im Bundeskanzleramt, ableiten lassen (da Lienbacher in Vertretung des kurzfristig verhinderten Medien-Staatssekretärs Josef Ostermayer sprach, darf man wohl annehmen, dass es sich dabei um eine "offiziöse" Position handelt). Lienbacher betonte den Interessenausgleich, den es zwischen Rundfunkveranstaltern, Mobilfunkbetreibern und Konsumenten bei der DVB-H-Vergabe gegeben habe, und wünschte sich darauf aufbauend auch in Zukunft eine pragmatische Vorgangsweise. Der Bedarf an zusätzlichen "Muxen" (Multiplex-Plattformen) für DVB-T in Österreich sei "überschaubar", meinte Lienbacher und betonte, dass weder ein gänzliches Aufbrauchen der digitalen Dividende für Rundfunkdienste, noch eine "Vorausreservierung für nicht umsetzungsreife Konzepte" angebracht sei. Deutliche Kritik gab es an der Europäischen Kommission; Österreich spreche sich gegen den Versuch aus, den politischen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten in der Rundfunk- und Frequenzpolitik zurückzudrängen; Rundfunk-Frequenzen seien auch kein beliebig handelsbares Wirtschaftsgut.

Wesentliche Aussagen der weiteren Referenten sind der Presseinformation der RTR zu entnehmen; daher hier nur ergänzend ein paar aus meiner Sicht interessante Details, die in der Presseinfo nicht erwähnt werden:
  • Hans Hege, Direktor der MABB, betonte die Bedeutung der terrestrischen TV-Verbreitung für Zweitgeräte und mobile Geräte, sodass die Reichweite von DVB-T über die bundesweit 11% der Haushalte, für die DVB-T die einzige TV-Versorgung ist, hinausgehe. Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben sich nach seinen Angaben durch die Digitalisierung die Senderkosten halbiert. Die Terrestrik sei auch notwendig, um unerwünschten Entwicklungen (Verschlüsselung bisher frei empfangbarer Programme) in der Kabel- und Satellitenverbreitung entgegenzuwirken. Hege sprach sich für die Harmonisierung des (bisherigen) Rundfunk-Spektrums oberhalb von 790 MHz aus, auch um Breitband-Internet zu ermöglichen (durch Rundfunkgebühren würden ja zB auch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Anstalten finanziert werden, sie sollten daher auch von jedermann genutzt werden können, was eine entsprechend Internetanbindung voraussetzt). Dennoch zeigte sich Hege skeptisch zur Nutzung der digitalen Dividende durch Mobilfunker: für mobiles Telefonieren sei die digitale Dividende nicht notwendig, die bisher mangelnde Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Breitband-Internet sei auch "kein Problem der Physik", sondern eine wirtschaftliche Frage. Auch Rundfunkfrequenzen seien dafür kein Allheilmittel. Schließlich sei "die bisherige Geschichte der Durchsetzung von (Versorgungs-)Auflagen keine Erfolgsgeschichte". Frequenzbedarf für Rundfunkdienste werde es bei einer späteren Umstellung auf DVB-T2 geben; dass HDTV über DVB-T verbreitet werde, hält Hege hingegen auf absehbare Zeit nicht für realistisch.
  • Michael Truppe vom Bundeskanzleramt berichtete über den Diskussionsstand in Brüssel (sieh dazu die Vortragsfolien).
  • Franz Prull (im Bild oben links zu sehen), stv. Leiter der KommAustria und oberster Rundfunk-Frequenzplaner, zeigte auf, was von der theoretisch möglichen digitalen Dividende in der frequenzplanerischen Praxis überbleibt (siehe seine Folien). In Österreich mit seinen (für die Frequenzplanung) neun bis zehn Nachbarstaaten ist die Situation natürlich einigermaßen komplexer als auf einer Insel wie etwa dem UK. Von sechs bis sieben "Layers" (Bedeckungen) bleibt da manchmal gar nicht mehr viel übrig, zumal die Vergabe der digitalen Dividende ja schon mit Mux B (zweites bundesweites DVB-T), Mux C (regionales DVB-T) und Mux D (bundesweites DVB-H) begonnen hat.
  • Auch Franz Ziegelwanger, Frequenzmanager des BMVIT, ging auf die technischen Gegebenheiten ein und erläuterte insbesondere die schwierige Situation von PMSE (Funkanwendungen für "Programme Making and Special Events", also vor allem drahtlose Mikrofone in Theatern, Opernhäusern, bei Veranstaltungen und der TV-Programmproduktion), die derzeit in lokal nicht genutzten Bereichen des Rundfunkspektrums verwendet werden, durch die Ausnützung der digitalen Dividende aber "vertrieben" werden könnten. Allenfalls könnte für diese Anwendungen Ersatz im L-Band gefunden werden (siehe seine Vortragsfolien).
  • Michael Wagenhofer, kaufmännischer Geschäftsführer der ORS, betonte - im Gegensatz zu Hege - dass auch HDTV digital terrestrsich verbreitet werden müsse. In einer digitalen Zukunft müssten "zumindest 2 HDTV-MUXe" in der Startphase, danach bis zu 7 HD-MUXe angeboten werden, für einen weichen Umstieg (auch auf DVB-T2) seien daher Frequenzreserven erforderlich - für andere Anwendungen blieb in seinem Szenario kein Raum (siehe auch seine Vortragsfolien).
  • Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der deutschen Bundesnetzagentur, berichtete von Grabenkämpfen um die digitale Dividende und verwendete mehrfach das Bild von Schützengräben - insgesamt eine recht martialische Darstellung. Und auch wenn sie sich eher in der Rolle einer Vermittlerin sehen wollte, war doch ziemlich klar, wo ihre Präferenzen lagen - jedenfalls nicht bei den Rundfunkveranstaltern und den sie unterstützenden Ländern. In einigen Punkten aber deckte sich ihre Meinung durchaus mit Hans Hege, etwa dass HDTV über terrestrische Verbreitunsgwege "keinen Sinn" macht, aber auch bei der Einschätzung, dass DVB-T als "Hebel" nützlich ist, um Verschlüsselungsbestrebungen im Kabel- und Sat-Bereich im Zaum zu halten. Henseler-Unger machte klar, dass sie jedenfalls von einer Zuweisung des Frequenzbereichs 790-862 MHz für Mobilfunkanwendungen (IMT) ausgeht und auch im Bereich 470 bis 790 MHz andere Anwendungen als Rundfunkdienste zulassen möchte (neben PMSE auch Cognitive Radio und drahtlosen festen Breitbandzugang). Die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung, in der dies geregelt werden soll, könnte im Februar im Kabinett beschlossen werden, bedarf aber dann noch der Zustimmung durch den Bundesrat (siehe auch ihre Vortragsfolien).
  • Tobias Schmidt von RTL verteidigte eloquent die Position der Rundfunkveranstalter. Das Kompromissangebot aus dieser Sicht war, die Kanäle 61 bis 69 (also 790 bis 862 MHz) für andere Anwendungen freizugeben, dafür aber für den Frequenzbereich unter 790 MHz einen "Bestandsschutz" für Rundfunkdienste festzuschreiben; außerdem müssten die Kosten für notwendige Umzugsmaßnahmen aus dem Bereich 790 bis 862 MHz von den "neuen Mietern" bezahlt werden. Für Schmidt ist das Argument, die digitale Dividende werde von Telekomanbietern zur Breitbandversorgung im ländlichen Raum genützt werden, nicht glaubwürdig; wörtlich sagte er: "Ich möchte das den Kollegen von der Telekomseite raten, das nicht allzu sehr nach vorne zu tragen, sonst werden sie es am Ende noch tun müssen."
  • Stephan Korehnke von Vodafone D2 bezog die Gegenposition (siehe auch seine Vortragsfolien) - er will, dass zusätzlich zu den aus seiner Sicht ohnehin klaren 72 MHz (790 bis 862 MHz) noch weitere 90 MHz für Telekomanwendungen freigemacht werden. Auflagen zur Flächenversorgung sollen nur "mit Augenmaß" erteilt werden (soll wohl heißen: gerade nicht für die wirklich ländlichen Gebiete). Bei der "Förderung kultur- und medienpolitischer Zielsetzungen wie zB kulturelle Vielfalt und Medienpluralismus" setzte Korehnke in seinen Vortragsfolien ein Fragezeichen: die Liberalisierung der Frequenzverwaltung soll nach Ansicht von Vodafone D2 offenbar ohne Berücksichtigung dieser Kriterien erfolgen.
Man kann nun gespannt sein, wie sich der österreichische "pragmatische Ansatz" entwickeln wird und ob sich daraus gar einmal so etwas wie eine nationale Frequenzpolitik und -strategie (siehe Art 3 Abs 1 lit b der Entscheidung über die einheitliche Bereitstellung von Informationen über die Frequenznutzung in der Gemeinschaft) entwickeln könnte (siehe dazu auch hier)

PS: Die britische Regulierungsbehörde Ofcom, in ihrer Eigenwahrnehmung immer schon "leader within Europe in planning for the release of a digital dividend", hat übrigens heute ein Konsultationsdokument (Kurzfassung, Presseinfo) veröffentlicht, in dem sie eine Änderung des bisherigen Planes zur Diskussion stellt. Im Hinblick auf die - nach dem Ergebnis der Weltfunkkonferenz eigentlich wenig überraschende - Entscheidung anderer EU-Staaten, vorrangig das Spektrum von 790 bis 862 MHz (auch) dem Mobilfunk zur Verfügung zu stellen, will sich Ofcom nun dieser Entwicklung anschließen und den alten Plan entsprechend abändern. Und es wäre nicht Ofcom, würde nicht selbst dieser Rückzieher, der einiges an früheren Planungen und auch Frequenzzuteilungen obsolet macht, noch mit Milliardengewinnen für die Volkswirtschaft angepriesen: "We estimate these net benefits, conservatively, at £2-3 billion in net present value (NPV)." Dagegen nehmen sich die Kosten für den Rückzieher bescheiden aus: "We believe the costs of clearing channels 61, 62 and 69 will be modest compared to the benefits. Our estimate is that these costs lie in the range of about £90-200m."

PPS: In den USA ist der geplante Umstieg auf digitale terrestrische Verbreitung am 17. Februar noch immer nicht ganz klar (siehe zB hier oder hier). Bemerkenswert ist die Drastik, mit der der derzeit amtierende interimistische Vorsitzende der FCC, Mcihael J. Copps, die Situation in einer Ansprache am vergangenen Freitag beschrieben hat: "... we never really dug deep enough to understand all the consequences that would attend the DTV transition ... we didn’t have a well thought-out and coherent and coordinated plan to ease the transition ... we didn’t have a sense of real urgency until it was too late. ... Unfortunately, things don’t look any better now ... If anything, they look worse. At this point, we will not have — we cannot have — a seamless DTV transition." Und vier Tage zuvor hatte Copps noch in einer Ansprache vor den Mitarbeitern der FCC dringend dazu aufgerufen, sich für das "DTV volunteer team" zu melden. [update 5.2.2009: der Umstellungszeitpunkt wurde nun doch auf 12. Juni 2009 verschoben - Fernsehsender können aber auch wie geplant schon am 17. Februar umstellen; siehe die Public Notice der FCC]

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