Im damaligen Blogpost hielt ich es ernstlich für möglich, dass die Umstellung vom geräteabhängigen Programmentgelt auf einen haushaltsbezogenen ORF-Beitrag mit 1. Jänner 2014 erfolgen könnte. Ich hatte aber die Trägheit der österreichischen Medienpolitik - entgegen jeder Erfahrung - wieder einmal unterschätzt. Zehn Jahre später, mit 1. Jänner 2024, soll es nun aber tatsächlich so weit sein: nach einer Einigung zwischen ÖVP und Grünen soll mit kommendem Jahr das bisherige (gerätebezogene) Programmentgelt durch einen (haushaltsbezogenen) ORF-Beitrag ersetzt werden.
Noch gibt es keinen Gesetzesentwurf (update: am 27.04.2023 wurde der Entwurf zur Begutachtung versandt: Text und Materialien sind hier auf der Parlaments-Website), und natürlich warten bis zur tatsächlichen Umsetzung noch zahlreiche politische und vielleicht auch rechtliche Fallstricke, aber immerhin ist nun Bewegung in die Sache gekommen. Wie in der österreichischen Medienpolitik üblich, brauchte es dazu zunächst eine Gerichtsentscheidung, um Handlungsbedarf anzumahnen, und dann auch noch das baldige Ende der in diesem Fall vom VfGH gesetzten Deadline.
Was wir bis jetzt wissen, ergibt sich aus einem Umlaufbeschluss der Bundesregierung vom 23. März 2023, mit dem ein gemeinsamer Bericht der Medienministerin, des Finanzministers und - wohl damit auch ein:e grüne:r Minister:in dabei ist - des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport "betreffend Neuregelung ORF-Finanzierung nach VfGH-Erkenntnis " angenommen wurde (Volltext des Ministerratsvortrags). Auch wenn man von den seither andauernden Verhandlungen derzeit so manches hört oder liest (meist Unbestätigtes und nichts Definitives), beschränke ich mich in diesem Beitrag bewusst nur auf eine gewisse "Exegese" des Ministerratsvortrags.
Zum Inhalt des Ministerratsvortrags
Der Ministerratsvortrag enthält zunächst ein Bekenntnis zu einem unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Hinweis, dass (laut einer vom ORF in Auftrag gegebenen Umfrage) rund 95 Prozent "der Österreicherinnen und Österreicher" (beim ORF: "der Befragten", 1000er Sample, ab 16 Jahre) Angebote des ORF in Radio, Fernsehen und/oder Online nutzen. Daran anschließend wird in einem Absatz auf das VfGH-Erkenntnis vom 30. Juni 2022 hingewiesen, das "eine Neuregelung unumgänglich" gemacht hat (da klingt an, dass eine Neuregelung wirklich erst dann in Angriff genommen wird, wenn sie "unumgänglich" ist). Schließlich werden drei Bereiche angesprochen, in denen es zu Änderungen kommt:
ORF-Beitrag
Der Ministerratsvortrag skizziert knapp die denkbaren Szenarien einer Neugestaltung der ORF-Finanzierung: Finanzierung aus dem Bundesbudget, Erweiterung der gerätebezogenen Abgabe auf alle streamingfähigen Geräte ("Laptop, Tablet, Hand, usw.") und "ORF-Beitrag für jeden Haushalt. Den beiden ersten Varianten erteilt der Ministerratsvortrag eine Absage und spricht sich für die Variante einer Haushaltsabgabe ("ORF-Beitrag") aus. Dieser ORF-Beitrag soll ab 1. Jänner 2024 eingeführt werden. Dem Ministerratsvortrag sind dazu folgende Eckpunkte zu entnehmen (ich versuche die eher versprengten Ausführungen etwas systematischer zusammenzufassen):
- Haushaltsabgabe: der Beitrag soll für jeden "Haushalt" anfallen, unabhängig von der Zahl der Bewohner:innen oder der genutzten Geräte.
- Hauptwohnsitz: angeknüpft wird nur an den Hauptwohnsitz, Nebenwohnsitze bleiben unberücksichtigt.
- Befreiungen: bisherige Befreiungen sollen aufrecht bleiben (damit wird indirekt auch bestätigt, dass es beim Modell eines einheitlichen - also insbesondere nicht etwa sozial gestaffelten - Beitrags bleibt, der entweder in voller Höhe oder - im Fall einer "Befreiung" - gar nicht zu entrichten ist).
- Betriebe: der Ministerratsvortrag bleibt zu den Betrieben unklar; nur indirekt ergibt sich aus der Anmerkung, dass "im betrieblichen Bereich" die Kontrollen durch die GIS entfallen, dass die Betriebe weiterhin beitragspflichtig bleiben sollen. Für mich kryptisch ist, was "ein gestaffelter weitgehend automatisierter Vollzug" sein soll, auf den in diesem Zusammenhang Bezug genommen wird; möglicherweise wird dabei auf die bisherige Staffelung der Gebühren- und Programmentgeltpflicht (teilweise) abhängig von der Zahl der Empfangsgeräte an betrieblichen Standorten abgestellt; laut Medienberichten sollen Ein-Personen-Unternehmen ausgenommen werden.
- USt und "Bundesgebühren": die derzeit gemeinsam mit dem Programmentgelt eingehobene Rundfunkgebühr sowie der Kunstförderungsbeitrag sollen entfallen; damit verzichtet der Bund auf Einnahmen von rund 75,5 Mio. € (auf der Basis der Einnahmen 2022); außerdem soll der ORF-Beitrag - anders als derzeit das Programmentgelt - nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Das belastet den ORF insoweit, als damit auch die Vorsteuerabzugsberechtigung entfällt und sich dementsprechend die Kosten für den ORF erhöhen werden (zur Frage, ob die auf eine Bestimmung im Beitrittsvertrag zurückgehende Verrechnung von USt. auf das Programmentgelt wirklich unionsrechtskonform ist, ist derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren am EuGH anhängig, in dem am 25. Mai 2023 von Generalanwalt Szpunar die Schlussanträge erstattet werden - ein Abwarten der Urteils des EuGH vor der Neuregelung geht sich damit nicht mehr aus).
- Landesabgaben: die Landesabgaben werden im Ministerratsvortrag nur einmal kurz erwähnt, nämlich beim Hinweis auf die in Aussicht genommene Höhe des Beitrags, der "künftig (ohne Landesabgaben) lediglich rund 15 Euro betragen" soll; damit wird aber auch deutlich gemacht, dass der Bundesgesetzgeber nicht beabsichtigt, etwa durch eine finanzverfassungsrechtliche Regelung die Einhebung von Landesabgaben zugleich mit dem ORF-Beitrag zu unterbinden. Allerdings wird eine Verständigung mit den Ländern jedenfalls erforderlich sein, da derzeit in den Landesabgabenbestimmungen auf den "Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung" abgestellt wird und die Einhebung über die GIS geregelt ist; gerade diese Anknüpfung und Einhebungsform soll auf Bundesebene aber wegfallen.
- GIS: die "GIS-Kontrollen" werden entfallen, die "GIS in ihrer derzeitigen Form" brauche es in Zukunft nicht mehr; konkretere Aussagen über die Art der Einhebung trifft der Ministerratsvortrag nicht (im Abschnitt "Einsparungen" ist zudem von "Einsparungen im Vollzug" von mittelfristig bis zu einem Viertel die Rede, wobei mit "Vollzug" offenbar die Beitragseinhebung gemeint sein dürfte).
- Festsetzung des ORF-Beitrags: der Ministerratsvortrag bleibt auch unscharf, wer die (erstmalige) Höhe des Beitrags festlegt. Die Formulierung, wonach "die Festsetzung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags nach der Umstellung dem bisherigen System - unter strenger Kontrolle der KommAustria - folgen soll" (Betonung hinzugefügt), klingt, als würde die erstmalige Festsetzung der Höhe des ORF-Beitrags möglicherweise unmittelbar durch das Gesetz erfolgen ("Festsetzung der Nettokosten" ist eine missverständliche Formulierung, da ja nicht die Nettokosten festgelegt werden, sondern derzeit das Programmentgelt, in Zukunft der ORF-Beitrag, und die Einnahmen aus diesen Beiträgen nicht höher sein dürfen, als die Nettokosten für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags).
- Höhe des ORF-Beitrags: der Ministerratsvortrag nennt einen konkreten Betrag ("rund 15 Euro"), lässt aber offen, wie es zu diesem Betrag gekommen ist, insbesondere ob es sich dabei um eine normative Vorgabe handeln soll (also der Gesetzgeber die 15 Euro festlegt), oder ob der Betrag das Ergebnis einer Berechnung ist, in der aktuelle Kosten des ORF, deren absehbare Entwicklung und die schon öffentlich diskutierten, aber offenbar auch bilateral zwischen Medienministerin und ORF-Generaldirektor erörterten Sparpläne berücksichtigt wurden.
- Berücksichtigung der unions- und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen: das lässt offen, ob allenfalls eine beihilfenrechtliche Notifizierung als notwendig angesehen wird und lässt jedenfalls auch Spielraum für gewisse Adaptierungen, um allfälligen unions- und verfassungsrechtlichen Bedenken in Detailfragen noch nachkommen zu können.
Die in Deutschland erfolgte Umstellung auf eine Haushaltsabgabe - dort: "Rundfunkbeitrag" - wurde übrigens nicht notifiziert; der EuGH hat mit seinem Urteil vom 13.12.2018 in der Rechtssache C-492/17 Rittinger bestätigt, "dass eine Änderung der Finanzierungsregelung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eines Mitgliedstaats, die wie in den Ausgangsverfahren darin besteht, eine Rundfunkgebühr, die für den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts zu entrichten ist, durch einen Rundfunkbeitrag zu ersetzen, der insbesondere für das Innehaben einer Wohnung oder einer Betriebsstätte zu entrichten ist, keine Änderung einer bestehenden Beihilfe im Sinne [des Art. 1 Buchst. c VO (EG) Nr. 659/1999] darstellt, von der die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV zu unterrichten ist." - Stärkung der Rolle der Regulierungsbehörde: der Ministerratsvortrag spricht zweimal von "strenger" (externer) Kontrolle durch die Regulierungsbehörde/KommAustria. Angedacht ist offenbar, den Kontrollmaßstab der Regulierungsbehörde bei der Überprüfung des ORF-Beitrags (derzeit: des Programmentgelts) zu verschärfen. Wie das genau erfolgen soll, bleibt offen.
Einsparungen
Die den Ministerratsvortrag unterzeichnenden Regierungsmitglieder "begrüßen [...], dass der ORF von sich aus Einsparungen beschließen wird. Der ORF hat in Aussicht gestellt, in den kommenden Jahren selbst rund 325 Mio. Euro einzusparen. Einsparungsmaßnahmen betreffen sowohl den Personal- als auch den Sachaufwand, beispielsweise durch eine Deckelung der Valorisierungen, nachhaltige Strukturmaßnahmen und Optimierungen im Programm."
Welcher genaue Zeithorizont mit "in den kommenden Jahren" gemeint ist, bleibt offen, operationalisierbar ist das Einsparungsziel damit nicht. Klar ist, dass die Regierung keine konkreten Vorgaben zur Einsparung machen kann und auch in der Novelle zum ORF-Gesetz wird man sich diesbezüglich wohl zurückhalten, um nicht unionsrechtlich oder im Hinblick auf die Unabhängigkeit unnötig Bedenken aufzumachen. Die Passage über die Einsparungen im Ministerratsvortrag liest sich damit wie eine diplomatische Note, in der Zusagen der Gegenseite indirekt wiedergegeben werden, um die "Geschäftsgrundlage" des eigenen Handelns klarzustellen. Das dahinter liegende Verständnis: die vorgesehene Beitragsfinanzierung wird nur kommen, (oder Bestand haben), wenn auch der ORF die - wohl informell abgesprochenen - Einsparungsziele einhält. Der Haken daran für den ORF ist freilich: auch das Einhalten dieser de facto Vorgaben wird ihn nicht schützen, wenn es sich die (allenfalls: kommende) Regierung später anders überlegt.
Der Ministerratsvortrag wird bei den Einsparungen auch ein wenig konkreter, indem er "aus heutiger Sicht nicht mehr haltbare, branchenunübliche und angesichts der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation auch nicht mehr finanzierbare ORF-Sondervereinbarungen insbesondere in Altverträgen - wie sehr hohe Sonderpensionen, Spezialzulagen und besonders großzügige Abfertigungsregelungen" hervorhebt, für die nicht nur eine Überprüfung in "ORF-internen Prozessen" erwartet, sondern auch gesetzliche Grundlagen ankündigt, die "zügig erarbeitet und gemeinsam mit den Gesetzen zur neuen Finanzierung" zur Beschlussfassung vorgelegt werden sollen. Allzu tief werden diese gesetzlichen Grundlagen nicht in vertragliche Vereinbarungen eingreifen können, aber in gewissem Rahmen (siehe die VfGH-Rechtsprechung zum Pensionssicherungsbeitrag für Nationalbank-Pensionist:innen bzw. Pensionen von Wirtschaftskammer, EVN und Verbund) wird man ein symbolisches Sonderopfer von den Alt-Privilegierten einfordern können.
Transparenz
Fast schon rührend ist die Formulierung im Ministerratsvortrag, wonach es der Bundesregierung "ein wichtiges Anliegen [ist], dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch wissen wie ihr Geld verwendet wird." Abgesehen davon, dass der Rundfunkbeitrag wohl keine Steuer sein wird, war von diesem Anliegen in anderen Bereichen bisher eher wenig zu sehen (Stichwort: noch immer fehlendes Informationsfreiheitsgesetz). Aber hinsichtlich des ORF soll jedenfalls "eine umfassende Information der Öffentlichkeit und Transparenz zur Mittelverwendung" sichergestellt werden und dem ORF sollen dazu bestimmte Berichtspflichten auferlegt werden: "Dazu zählt unter anderem die Veröffentlichung über die Höhe ausgezahlter Gehälter nach internationalen Vorbildern (zum Beispiel die British Broadcasting Corporation), die Offenlegung von Nebenbeschäftigungsverhältnissen, Zulagensystemen und Einschalt- und Zuhörerquoten sowie detaillierte Angaben zu Werbung und Kooperationen in Form eines umfassenden Jahresberichts."
Zur BBC: dort werden die Gehälter aller Personen in Organfunktionen sowie von "on-air talent" offengelegt, soweit diese mehr als 150.000 £ im Jahr verdienen (siehe den letztverfügbaren Governance Report bzw. die Punkt 37 der Charter).
Der ORF war in der Vergangenheit immer bestrebt, im Hinblick auf Gehaltszahlungen möglichst wenig offen zu legen und hat diese Position (wie immer in dieser Hinsicht tatkräftig begleitet von anderen öffentlichen Einrichtungen wie der Wirtschaftskammer oder der Nationalbank) auch nachhaltig vor Gericht verteidigt. Im Urteil des EuGH 20.05.2003 in den verbundenen Rechtssachen C-465/00, C-138/01 und C-139/01, Rechnungshof gegen ORF u.a., hat dieser noch ausgesprochen, dass die (damalige) Datenschutz-Richtlinie einer Veröffentlichung der Namen der Bezieher eines Einkommens über einer bestimmten Einkommenshöhe nicht entgegensteht, sofern erwiesen ist, dass die Offenlegung "im Hinblick auf das vom Verfassungsgesetzgeber verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung der öffentlichen Mittel notwendig und angemessen ist". Im nachfolgenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat dieser allerdings eine derartige Notwendigkeit nicht anerkannt, sondern in der Offenlegung bemerkenswerter Weise eine Verletzung des Art. 8 EMRK gesehen. Zitat aus diesem Erkenntnis:
Die vorgesehene Veröffentlichung stellt einen Eingriff erheblichen Gewichts in das durch Art8 EMRK geschützte Rechtsgut der Bezügeempfänger dar. Dass ein solcher Eingriff notwendig und angemessen sein soll, um jene Institutionen, die die Bezüge gewähren, zur sparsamen und effizienten Verwendung öffentlicher Mittel anzuhalten, in concreto: "die Bezüge in angemessenen Grenzen zu halten", wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert, ist nicht erkennbar: Dies einmal deswegen, weil nicht die allenfalls überhöhte Bezüge gewährenden Rechtsträger aufgelistet werden sollen, sondern die Bezügeempfänger, deren Bezüge überdies - wie der Europäische Gerichtshof zu Recht hervorhebt - in unterschiedlichem Ausmaß von deren familiärer und persönlicher Situation abhängig sein können. Zum anderen ist darauf aufmerksam zu machen, dass das Ziel der Sicherung der effizienten Mittelverwendung durch die Bezüge gewährenden Rechtsträger schon durch die Berichterstattung über die Ergebnisse der diese Rechtsträger betreffenden allgemeinen Gebarungskontrolle in effektiver und auch den Anforderungen des Art8 EMRK entsprechender Weise (vgl. dazu auch oben Pkt. II.3.b dieser Entscheidung) erreicht wird.Auch die Bundesregierung behauptet in ihrer Stellungnahme nicht, dass die Veröffentlichung der Bezüge unter Nennung der Namen der Bezügeempfänger im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur effizienten Mittelverwendung notwendig sei. Sie argumentiert mehrfach damit, dass die personenbezogene Einkommensveröffentlichung einem dringenden sozialen Bedürfnis nach Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Mittel und nach Vermeidung deren Missbrauchs bestehe, tut aber nicht dar, wieso es notwendig sein soll, die Namen von Personen und ihre Bezüge zu veröffentlichen, um die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel sicherzustellen; darauf kommt es aber nach der - den Verfassungsgerichtshof bindenden - Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. Mai 2003, Rs. C-465/00 ua., Rechnungshof gegen ORF ua., an.
Sofern man also nicht auf eine Zustimmung der Betroffenen zur Veröffentlichung ihrer Einkommen setzt (was ich für wenig realistisch halte), bin ich daher gespannt, zu welchen Formulierungen der Gesetzgeber greifen wird, um dem VfGH eine Änderung seiner Rechtsprechung zu ermöglichen - das "dringende soziale Bedürfnis nach Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Mittel" hat ja zuletzt nicht ausgereicht. Es wäre vielleicht eine Gelegenheit für den VfGH, von seiner restriktiven Rechtsprechung zur Gehaltstransparenz abzugehen. Aus der Rechtsprechung des EGMR ergibt sich dieser restriktive Zugang nicht zwingend: zwar gibt es kein ganz einschlägiges Urteil des EGMR, aber aus dem Urteil der Großen Kammer im Fall Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy gegen Finnland, in der dieser die Veröffentlichung Steuerdaten (fast) aller Steuerpflichtigen nicht als von Art. 10 EMRK geschützt beurteilt hat, hat er doch anerkannt, dass es ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung auch von Steuerdaten bestimmter Kategorien von Personen wie zB jener, die besonders hohe Einkommen beziehen, geben kann ("such as politicians, public officials, public figures or others who belonged to the public sphere by dint of their activities or high earnings"). Interessant wird auch sein, wie weit das im Ministerratsvortrag betonte Anliegen der Transparenz dann auch zB bei der Wirtschaftskammer oder anderen öffentlichen Einrichtungen verfolgt wird, die bislang wie der ORF gegenüber solchen Anliegen nachhaltig Widerstand geleistet haben.
Ein gewisser Spielraum zur Umsetzung von mehr Transparenz im ORF bliebe übrigens noch bei Neuanstellungen oder dem Abschluss neuer Verträge: hier wäre es denkbar - aber ohne gesetzliche Grundlage eher heikel - den Vertragsschluss von einer Zustimmung zur Veröffentlichung der Bezahlung abhängig zu machen.
Und sonst so?
Ein wenig beziehungslos, eher wie eine Art Reminder, steht am Ende des Ministerratsvortrags noch der Hinweis, dass "auch der geplante Transformationsprozess des ORF ins digitale Zeitalter in Form einer Digitalnovelle" eingeleitet werden müsste, die "zeitnah vorzulegen" sei. Was Inhalt dieser Digitalnovelle sein soll, oder was "zeitnah" heißt, bleibt offen. Eine definitive Junktimierung - neue Finanzierung nur mit Digitalnovelle (und umgekehrt) - ist aus der "zeitnah"-Formulierung nicht abzuleiten, aber wohl angedacht. Das abschließende "Bekenntnis zum Erhalt der Inhalte des Spartenkanals Sport+ und zum finanziell nachhaltigen Fortbestand des international renommierten ORF Radio-Symphonieorchesters Wien (RSO)" ist auch nicht mehr als das: ein "Bekenntnis", von dem allenfalls erwähnenswert ist, dass an den Erhalt des Spartenkanals Sport+ jedenfalls nicht gedacht ist, sondern bloß an den Erhalt der Inhalte, was wohl ein Abgehen von der TV-Verbreitung zu einem reinen Internet/Streaming-Angebot bedeutet.
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