Tuesday, August 25, 2009

"Tatsachen, nach denen im Sozialleben in der Regel nicht gefragt zu werden pflegt ...

... und die gewöhnlich nicht spontan mitgeteilt werden", sollen in Hinkunft auch nicht mehr straffrei durch Paparazzi-Fotos oder Videos an die Öffentlichkeit gebracht werden, um die Abgebildeten bloßzustellen. Das will der vor kurzem in Begutachtung geschickte Ministerialentwurf zur Änderung des Medienrechts (Gesetzestext, Erläuterungen, Textgegenüberstellung) durch die Einführung eines neuen gerichtlichen strafbaren Tatbestandes erreichen: nach § 120a StGB soll die "Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen durch Bildaufnahmen" mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht sein. Strafbar soll sein, wer "von einem anderen in der Absicht, diesen bloßzustellen, eine Bildaufnahme herstellt, einem Dritten zugänglich macht oder veröffentlicht, die Umstände des persönlichen Lebens oder Geheimnisbereichs betrifft, an denen der Abgebildete ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (§§ 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) hat".

Der Entwurf sieht im Übrigen vor,
  • dass der Identitätsschutz (Schutz vor der Veröffentlichungen, die zum Bekanntwerden der Identität führen) auf Angehörige von Opfern sowie von Verdächtigen und Verurteilten und weiters auch auf Zeugen von Straftaten ausgedehnt wird,
  • dass für Entschädigungsansprüche wegen Identitätsbekanntgabe von Opfern von Straftaten keine gesonderte Prüfung schutzwürdiger Interessen vorzunehmen ist,
  • dass eine Entschädigungsuntergrenze von 100 Euro eingezogen wird und eine einheitliche Obergrenze von 100.000 Euro (statt derzeit je nach Verletzung 20.000, 50.000 oder 100.000 Euro); eine Überschreiten der Höchstgrenze "auf Grund besonders schwerwiegender Auswirkungen der Veröffentlichung und eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die gebotene journalistische Sorgfalt" ist möglich;
  • dass die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen von bisher sechs Monaten auf neun Monate "nach der erstmaligen, dem Anspruch zu Grunde liegenden
    Verbreitung, Ausstrahlung oder Abrufbarkeit" verlängert wird;
  • und dass schließlich die Befugnisse von Dienststellenleitern und Verhandlungsleitern bei den Gerichten und den unabhängigen Verwaltungssenaten, die Berichterstattung durch Bild- und Tonaufnahmen und -übertragungen in Amtsgebäuden zu beschränken oder auszuschließen, konkretisiert werden.
Damit sollen die entsprechenden Ankündigungen des Regierungsprogramms (siehe dazu hier) umgesetzt werden; für die im Regierungsprogramm ebenfalls noch vorgesehene "Erstreckung der Prozessbegleitung nach der StPO auf medienrechtliche Verfahren" fehlt derzeit das Geld. Die - wie meist bei Entwürfen des Justizministeriums - ausführlichen und instruktiven Erläuterungen nehmen ausdrücklich Bezug auf die im vergangenen Jahr durchgeführte Medienrechts-Enquete im Parlament (siehe dazu hier und hier) und die insbesondere im Zusammenhang mit zwei spektakulären Kriminalfällen geführte breite Debatte. Wörtlich heißt es in den Erläuterungen:
"Im Rahmen dieser intensiven medienethischen wie medienrechtlichen Debatte wurde insbesondere einerseits eine Stärkung des medienrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, andererseits auch eine wirksame Selbstregulierung der Medien (Stichwort Presserat) gefordert. ... Trotz dieser breiten Debatte kann jedoch auch in jüngster Zeit nicht beobachtet werden, dass die persönlichkeitsverletzende Berichterstattung abgenommen hätte."
Trotz der mittlerweile auch gesetzlich vorgesehenen staatlichen Förderung der Selbstkontrolle der Presse (§ 12a Presseförderungsgesetz) fehlt ein Presserat allerdings nach wie vor in unserer Räte-Republik (bei Gelegenheit werde ich, wie schon angekündigt, auch noch auf diesen Rat zurückkommen).

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