Wednesday, February 06, 2008

Der Kaufmann vom Ballhausplatz: Wenn der Bundeskanzler den Zeitungspreis festsetzt

Das wären zwei schöne Prüfungsfragen an der Schnittstelle von Medien- und Staatsrecht:

  1. Welche Rechtsvorschrift verpflichtet den Bundeskanzler zur Beachtung kaufmännischer Grundsätze?
  2. Welches Medium unterliegt einer Preisregelung durch den Bundeskanzler?

In beiden Fällen findet sich die Antwort in § 7 Abs 2 des Staatsdruckereigesetzes 1996 (in der Fassung BGBl I 2001/47): Der Bundeskanzler hat demnach den Bezugspreis der Wiener Zeitung (und die Tarife für Veröffentlichungen im Amtsblatt) "nach kaufmännischen Grundsätzen und unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen festzusetzen."

Ob er demnächst wieder einmal nachrechnen muss? Die Auflage dieser laut Offenlegung stets das Interesse der Republik in den Vordergrund stellenden Zeitung (in der Praxis schaut das eher so, so oder so aus) scheint jedenfalls nicht gerade im Steigen zu sein. An der Auflagenkontrolle beteiligt sich das Blatt ja nicht, aber im Anzeigentarif lässt sich von 2007 auf 2008 zumindest eine Verringerung der Druckauflage um 10% ausmachen:

(so im Anzeigentarif 2007; das mit ÖAK-geprüft stimmte auch für den Samstag übrigens nicht)

(so im Anzeigentarif 2008)

Tatsächlich einer ÖAK-Kontrolle unterworfen ist das Wiener Journal (bzw. das, was die Wiener Zeitung aus dem früher respektablen, wenngleich mäßig erfolgreichen Wiener Journal gemacht hat). Dieses Supplement hatte im 3. Quartal 2007 laut ÖAK eine Druckauflage von 20.154 Stück, davon wurden 17.772 an "Trägerobjekte" geliefert (also in die Wiener Zeitung eingelegt). Die verbreitete Auflage der Wiener Zeitung wird also wohl kaum darüber liegen. Und die verkaufte Auflage schließlich machte zu Zeiten, als die Wiener Zeitung noch in der ÖAK vertreten war, nicht viel mehr als die Hälfte (56%) der Druckauflage aus (siehe hier den Wert aus 1999).

Angesichts dieser Bedeutung der Republikszeitung wird sich das Gedränge um die aktuell ausgeschriebene Geschäftsführerposition der Wiener Zeitung GmbH wohl in Grenzen halten. An der Ausschreibung, die für diese Funktion vor allem deren bisherige Innehabung "Bewährung in der kaufmännischen Leitung einer Tageszeitung oder eines vergleichbaren Printmediums mit Internetauftritt, ... "Bewährung in der Leitung des Aufbaus und des Betriebes von Unternehmen der 'new economy', ... Bewährung und fachliche Befähigung in der Leitung eines Druckereibetriebes" (und noch einiges mehr, worüber der gegenwärtige Geschäftsführer zufällig zu verfügen scheint) verlangt, kann es jedenfalls nicht liegen, falls sich nur ein geeigneter Interessent melden sollte. [Update 10.6.2008: welche Überraschung - der bisherige Geschäftsführer wurde wieder bestellt.]

PS: Die Wiener Zeitung, die übrigens der Ansicht ist, eine Qualitätszeitung zu sein (jedenfalls hat jemand unter der Staatsdruckerei-IP-Adresse 194.107.60.70 eine entsprechende Ergänzung im Wikipedia-Beitrag über die Presse angebracht), bietet auch eine Lehrredaktion an. Als Aufnahmetest ist (unter anderem) ein Kurzkommentar abzuliefern, unter der Überschrift "Ärgernisse, wohin man schaut" (1500 bis 2000 Anschläge) . Kein weiterer Kommentar.

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