Monday, April 05, 2010

Presse: Was darf Journalismus? -"Und die heimischen Gerichte billigten das" (nicht)

"Was darf Journalismus?" Zu diesem ewig wiederkehrenden Thema gab es gestern auch einen Beitrag in der Presse. Nichts wirklich Neues, zu Wort kommt unter anderem der "von vielen Medien häufig mit einem Experten verwechselte In-Mikrofone-Sprecher Jo Groebel" (Zitat: Stefan Niggemeier), der hier wieder einmal als "Medienexperte" genannt wird (auch dazu Stefan Niggemeier: "was in diesem Fall bedeutet, dass er in den Medien als Experte gilt").Hannes Haas vom Publizistik-Institut der Uni Wien wurde ebenfalls befragt. Die Presse schreibt, Haas zufolge hätte "auch Natascha Kampusch nicht in der Disco fotografiert werden dürfen." Abgesehen von der gewissen, auf Grund der Verknappung verständlichen Unschärfe, dass es natürlich nicht um das Fotografieren geht, sondern um das Veröffentlichen der Fotos, klingt das ganz so, als ginge es dabei bloß um eine Ansicht und nicht um die konkrete Rechtslage.

Der Presse-Artikel schließt jedenfalls mit den Worten: "[Eva] Dichands Blatt 'Heute' zeigte allerdings 2007 Fotos von Natascha Kampusch beim Schmusen in einer Disco. Die heimischen Gerichte billigten das."

Ein Blick ins eigene Archiv hätte gezeigt, dass das natürlich nicht stimmt: Unter dem Titel "Später Schutz für Kampusch - Oberster Gerichtshof verbietet Fotos aus Diskothek" berichtete die Presse nämlich vor nicht einmal einem halben Jahr über das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 19.8.2009, die das Gegenteil besagt. Ein Zitat daraus:

"Die demnach gänzlich undistanzierte, die körperliche Nähe der Antragstellerin zu ihrem Tanzpartner beim gemeinsamen Tanzen auf der Tanzfläche einer Diskothek sowohl fotografisch als auch textlich fokussierend und detailliert darstellende, mit der spekulativen Deutung einer facettenreich geschilderten 'ersten Liebe' versehene inkriminierte Berichterstattung war nach der Art und Weise der Erörterung und Darstellung jedenfalls geeignet, die Antragstellerin in der Öffentlichkeit bloß zu stellen. Denn die dafür charakteristische Entfremdung des Privatlebens [...] war ohne weiteres in der die Antragstellerin realitätsverzerrend zum Objekt einer klischeehaften Spekulation über ihre 'erste Liebe' degradierenden medialen Darstellung gelegen."
Es trifft zu, dass das Berufungsgericht (abweichend übrigens vom Erstgericht) anderer Meinung war - aber dessen Entscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof eben ausdrücklich als "mit dem Gesetz nicht im Einklang" stehend beurteilt.

No comments :