Wednesday, October 08, 2008

Konsumentenschutz: Abschied von der Mindestharmonisierung

Mit dem heute vorgestellten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher setzt die Kommission den schon nach dem Grünbuch (siehe dazu in diesem Blog hier) erwarteten Schritt, das im Verbraucherschutzbereich weitgehend vorherrschende Konzept der "Mindestharmonisierung" zu verlassen und zur "Vollharmonisierung" überzugehen. Während die Mitgliedstaaten im Bereich der Mindestharmonisierung strengere Regeln zum Schutz der Verbraucher erlassen konnten, ist dies bei der Vollharmonisierung nicht mehr möglich.

Der aktuelle Richtlinienvorschlag soll die Haustürgeschäfts-RL, die Vertragsklausel-RL, die Fernabsatz-RL, und die Verbrauchsgüterkauf-RL ersetzen. Die Kommission verkauft das wie üblich als wesentliche Verbesserung des Verbraucherschutzes und erwähnt in ihrer Presseaussendung nicht einmal, dass die neue RL Vollharmonisierung vorsieht; die ergänzende "Bürgerinfo" kommuniziert allerdings auch diesen Punkt ganz klar: "Die Richtlinie wird ein einheitliches Verbraucherrecht schaffen, denn die Mitgliedstaaten werden keine darüber hinausgehenden Vorschriften mehr erlassen dürfen." Die deutsche Justizministerin äußerte sich kritisch, aus Österreich habe ich bislang noch keine Reaktion vernommen.

Für das Telekom- oder Rundfunkrecht bringt der Richtlinienvorschlag keine wesentlichen (branchenspezifischen) Änderungen: Wie schon bisher sollen "Verträge, die mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln aufgrund der Benutzung von öffentlichen Fernsprechern geschlossen werden", vom Fernabsatzrecht weitgehend ausgeschlossen bleiben; die in Österreich diesbezüglich strengere Regelung wäre damit unzulässig (ob das für die Praxis relevant wäre, habe ich schon hier bezweifelt). Für den gerade im Telekombereich wesentlichen Vertriebsweg über Online-Shops oder Callcenter sind aber doch einige interessante Änderungen vorgesehen (siehe auch das Memo hier); so sollen etwa im Falle von Verträgen, die über Mobiltelefone oder Teleshopping geschlossen werden, nur die wesentlichsten Informationen direkt am Mobiltelefon / am Bildschirm gegeben werden, die restlichen Angaben müssen aber leicht zugänglich sein (gebührenfreie Rufnummer oder Web); formuliert ist dies etwas verklausuliert in Art 11, der darauf abstellt, dass der "Vertrag mittels eines Trägers geschlossen [wird], auf dem für die Darstellung der Informationen nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung steht"

Die für Verbraucherschutz zuständige Kommissarin Meglena Kuneva glaubt offenbar an eine Win-Win-Situation: "The new rules will significantly strengthen consumer protection across the EU ... At the same time, it will significantly reduce the burden on Europe's hard pressed business community." Ich kann mir vorstellen, dass das von beiden Seiten eher differenzierter aufgenommen werden wird.

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