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Monday, January 17, 2011

Volltext des Schweizer Bundesgerichts zum "Alpenfestung"-Fall: Quellenschutz auch für Belanglosigkeiten

Das Schweizer Bundesgericht hat am 10. November 2010 nach öffentlicher Beratung entschieden, dass der Quellenschutz nach § 28a des Schweizer Strafgesetzbuchs auch für anonyme Kommentare in einem Blog des Schweizer Fernsehens gilt (siehe dazu schon hier und hier). Die Entscheidung, die mit knapper Mehrheit von 3:2 Stimmen getroffen wurde, ist seit heute im Volltext auf der Website des Bundesgerichts verfügbar (Danke an Franz Zeller - dessen Arbeiten zum Redaktionsgeheimnis vom Bundesgericht ausführlich zitiert werden - für den Hinweis auf die Veröffentlichung!).

Da der Quellenschutz nach dem Wortlaut von Art. 28a Abs. 1 Schweizer StGB auf die Vermittlung von Informationen beschränkt ist, befasst sich das Urteil eingehend mit der Abgrenzung zwischen Information und Unterhaltung, die freilich - so das Bundesgericht - "in der Praxis auf Schwierigkeiten" stößt:
"Eine klare Trennung erweist sich insbesondere bei neueren journalistischen Stilformen als problematisch, zu denen etwa das sog. Infotainment oder die Dokufiction gezählt werden. [...] Wegen der Bedeutung der Medienfreiheit und des Redaktionsgeheimnisses in einer demokratischen Gesellschaft ist der Begriff der Information weit auszulegen. Zu den Informationen gehören nicht nur sog. seriöse Botschaften, es kann gleichermassen die Vermittlung von Belanglosigkeiten dazu zählen. Auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Ernsthaftigkeit kann es nicht ankommen. Ebenso unerheblich ist, ob die Information von allgemeinem und öffentlichem Interesse ist. Es darf berücksichtigt werden, dass auch mit der sog. Unterhaltung Informationen verbunden sein können. Der Begriff der Unterhaltung ist demnach restriktiv zu verstehen. [...]
Gesamthaft zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen Information und Unterhaltung sowohl in allgemeiner Hinsicht als auch im konkreten Fall schwierig ist. Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Medienfreiheit und die Ausrichtung der Bestimmung von Art. 28a StGB sowie im Interesse der Rechtssicherheit ist im Allgemeinen von einem weiten Informationsbegriff auszugehen. Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass der umstrittene Kommentar an den Blog anschliesst und gewissermassen eine Antwort auf den Blog darstellt. Schliesslich hat sich gezeigt, dass der Beitrag auch konkret betrachtet tatsächlich Informationen enthält, welche die Anwendung des Quellenschutzes rechtfertigen.
Somit fällt der fragliche Kommentar in den Anwendungsbereich von Art. 28a Abs. 1 StGB. Das bedeutet, dass das SF Schweizer Fernsehen die Identität des Autors nicht preisgeben muss."
Der Quellenschutz führt aber - in den Worten des Bundesgerichts - "nicht zu einem strafrechtlichen Freipass", sondern bewirkt lediglich eine Verlagerung, da anstelle des - anonym bleibenden - Autors der verantwortliche Redaktor strafbar ist. Deutlich fällt die Warnung des Bundesgerichts an jene aus, die vielleicht glauben, im Schutz der Anonymität gefahrlos ehrverletzende Kommentare posten zu können:
"Überdies bedeutet der Umstand, dass sich das Medium nach Art. 28a Abs. 1 StGB auf den Quellenschutz berufen kann, in keiner Weise, dass das Medium tatsächlich davon Gebrauch machen müsste. Es ist frei, die entsprechenden Angaben über einen Informanten herausgeben und insoweit auf das Redaktionsgeheimnis zu verzichten. [...] Wohl kann der Informant oder Kommentator in persönlicher Weise auf eine bestimmte Person zielen. Er hat, wie dargetan, keine direkten Ansprüche aus dem Redaktionsgeheimnis und somit keine Gewähr, dass der Quellenschutz von Seiten des Mediums tatsächlich in Anspruch genommen wird."
Auch das Bundesgericht betont damit - vielleicht eine Folge des knappen Abstimmungsverhältnisses - recht nachdrücklich, dass das Redaktionsgeheimnis nicht den Informanten (die "Quelle") vor Strafverfolgung schützt, sondern dem Medium die Entscheidung überlässt, ob die Quelle offengelegt werden soll oder nicht (siehe meine entsprechenden Anmerkungen auch schon hier oder hier).

Zur Vermeidung von Missverständnissen weise ich nochmals darauf hin, dass sich nach dem Schweizer StGB "Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen", auf das Redaktionsgeheimnis berufen können - zu nicht-professionellen Blogs wurde schon aufgrund des konkret zu beurteilenden Sachverhalts nichts gesagt. Das Bundesgericht hat aber die Auslegung des § 28a Schweizer StGB ausdrücklich "an den verfassungsrechtlichen Grundanliegen" ausgerichtet, wie sie sich aus Art. 17 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung und Art. 10 EMRK ergeben; dass man aus Art 10 EMRK allenfalls einen weitergehenden Schutzbereich des "Redaktionsgeheimnisses" herleiten könnte, dazu habe ich hier etwas mehr geschrieben.

PS: der Inhalt des inkriminierten Kommentars ist im Urteil des Bundesgerichts wörtlich wiedergegeben. Dass dieser Kommentar ehrverletzend sein könnte, erschließt sich meines Erachtens erst, wenn man bedenkt, dass der anonyme Poster sich eines falschen Namens bedient hatte, und dass die Person dieses Namens die im Kommentar enthaltenen "Informationen" als für sie ehrenrührig ansah.

Update 13.03.2014: Der OGH hat in seinem Urteil vom 23.01.2014, 6 Ob 133/13x, die im oben dargestellten Urteil des Schweizer Bundesgerichts dargelegte Auffassung für Österreich ausdrücklich abgelehnt.

Thursday, June 24, 2010

Zwischendurch: Vermischtes aus der Schweiz

  • Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter, dem Sparmaßnahmen verordnet werden, der dafür aber mehr Werbemöglichkeiten bekommt, vor allem auch Online, was aber erst mit den Printverlegern abgestimmt wird: das kann einem als Österreicher schon irgendwie bekannt vorkommen - aber hier geht es um die Schweiz, wo solche Maßnahmen jüngst vom Bundesrat (der Schweizer Regierung) beschlossen wurden (Pressemitteilung; Reaktion der SRG).
  • Die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen dem Verein gegen Tierfabriken (VgT) und der SRG (bzw der Schweiz) geht mittlerweile ins siebzehnte Jahr. 1994 lehnte die SRG die Ausstrahlung eines VgT-Werbespots ab, in dem Massentierhaltung mit Zuständen in Konzentrationslagern verglichen wurde. Dieses Verbot von im weiteren Sinne politischer Werbung beschäftigte den EGMR in zwei Fällen (VgT gegen Schweiz 1 und VgT gegen Schweiz 2; siehe dazu hier); in beiden Fällen wurde eine Verletzung des Art 10 EMRK durch die Schweiz festgestellt. Nun beschwerte sich der VgT dagegen, dass die SRG nicht über das EGMR-Urteil berichtet habe. Wie schon eine verangegangene Beschwerde wurde auch diese von der UBI (Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen) nicht materiell behandelt (oder, wie die Schweizer sagen; die UBI hat die Beschwerde "nicht an die Hand genommen"); und wie schon im vorangegangenen Fall hat das Bundesgericht den "Nichteintretensentscheid" der UBI aufgehoben und die Angelegenheit an die UBI zur materiellen Entscheidung zurückgeschickt (Urteile vom 2.6.2010, 2C_59/2010, und vom 10.12.2009, 2C_380/2009); vor allem das Urteil vom 10.12.2009 geht über Schweizer Spezifika hinaus und befasst sich vor dem Hintergrund der EGMR-Rechtsprechung mit dem "Recht auf Antenne" (womit freilich nicht das Recht gemeint ist, eine Antenne aufzustellen - es geht vielmehr um das Recht auf Zugang zum Programm).
  • Im Telekombereich hat die Verbotsverfügung der Wettbewerbskommission vom 21.4.2010 betreffend das Zusammenschlussvorhaben France Télécom SA / Sunrise Communications AG zuletzt Aufsehen erregt; die Beteiligten haben angekündigt, gegen die Entscheidung der Wettbewerbskommission zu "rekurrieren" (Pressemeldung).
  • Dass es sich auszahlen kann, Entscheidungen der Weko anzufechten, zeigt das Urteil des (Schweizer) Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010, B-2050/2007, mit dem die von der Weko über die Swisscom verhängte Geldbusse wegen überhöhter Mobilfunk-Terminierungsentgelte von 333 Mio SFR aufgehoben wurde (die Ausführungen zum Verhältnis von Kartellrecht und Fernmelderecht (Seiten 204 bis 218 des Urteils) sind durchaus interessant, allerdings in den Hinweisen auf die Situation in der EU meines Erachtens nicht überzeugend: dass etwa im Verhältnis zum Kartellrecht ein "Vorrang von sektorspezifischem Wettbewerbsrecht (Telekom-Recht) ... zur Zeit auch im Recht der Europäischen Union vorgesehen" wäre, lässt sich aus den zum Beleg dafür zitierten Ziff 135ff der Marktanalyse-Leitlinien wahrlich nicht ableiten. Wie auch immer: das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls den von der Wettbewerbskommission unternommenen "Versuch, ... ex post gestützt auf das Kartellgesetz mit einer Sanktion korrigierend auf den – aus ihrer Sicht – unzulänglichen Preisbildungsprozess einzugreifen" (ex ante-Regulierung nach EU-Muster ist in der Schweiz nicht vorgesehen) nicht zugelassen.

Thursday, April 08, 2010

Schweizer Bundesgericht: Werbefenster / Kurzberichterstattung / Must Carry

Zur Abwechslung einmal ein kleiner Ausflug in die Schweiz mit Hinweisen auf rundfunkrechtliche Entscheidungen des Schweizer Bundesgerichts:

Zunächst zum Urteil des Bundesgerichts vom 12.01.2010, 4A_203/2009 in einem Rechtsstreit zwischen der SRG und dem französischen Sender M6 (siehe auch die Pressemitteilung): die SRG hatte versucht, mit den Mitteln des Lauterkeitsrechts (Schweizer UWG) und des Urheberrechtsgesetzes ihrem Konkurrenten M6 zu verbieten, bestimmte Filme, Fernsehfilme und Serien, die auch von der SRG ausgestrahlt werden, mittels eigenem Signal auszustrahlen, mit dem auch an das Schweizer Publikum gerichtete Werbung ausgesandt wird. Interessant scheint mir an diesem Fall weniger, dass die SRG vor dem Bundesgericht scheiterte, als dass sie vor dem Berufungsgericht Recht bekommen hatte.

Eine zweites Verfahren vor dem Bundesgericht betraf die Frage des Kurzberichterstattungsrechts bei Fußball und Eishockeyübertragungen, an denen die SRG die Free TV-Rechte hat. Anders als in Österreich, wo das Recht auf Kurzberichterstattung gemäß § 5 Abs 3 FERG die Berechtigung zur Aufzeichnung des Signals des die Rechte haltenden Fernsehveranstalters zur Herstellung und Sendung eines Kurzberichtes umfasst, besteht in der Schweiz auch das Recht auf "physical access", also auf Duldung des eigene Zugangs der anderen Fernsehveranstalter ins Stadion, um dort selbst Bilder aufzuzeichnen.Damit hat sich das Bundesgericht bereits in seinem Urteil vom 18.3.2009 (BGE 135 II 224) befasst. Ende März 2010 haben sich die SRG und Telesuisse - Verband der Schweizer Regional Fernsehen geeignigt, die bisherige Praxis fortzuführen (Pressemitteilung).

Und schließlich noch ein Hinweis auf eine "Must Carry"-Entscheidung des Bundesgerichts vom 18.6.2009, BGE 135 II 296, an der meines Erachtens vor allem der Hinweis auf die zulässige (gebotene?) Zurückhaltung des Bundesverwaltungsgerichts (als Unterinstanz mit voller Kognition) in Regulierungsfragen ist (das klingt nicht unähnlich der Chevron-Doktrin in den USA, siehe im Blog dazu hier):
"Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin ist es nicht rechtswidrig, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung des unbestimmten Rechtsbegriffs des 'besonderen Masses' der Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags eine gewisse Zurückhaltung auferlegt und nicht ohne Not in den Beurteilungsspielraum des für die verfassungskonforme Ausgestaltung des rundfunkrechtlichen Mediensystems verantwortlichen Bundesamts eingegriffen hat. Auch eine Rechtsmittelbehörde, der volle Kognition zusteht, soll in Gewichtungsfragen den Beurteilungsspielraum der Vorinstanz respektieren. Sie muss zwar eine unangepasste Entscheidung korrigieren, darf aber die Wahl unter mehreren sachgerechten Lösungen der Vorinstanz überlassen. Wenn es um die Beurteilung technischer oder wirtschaftlicher Spezialfragen geht, kann sie sich eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, ohne damit ihre Kognition in unzulässiger Weise zu beschränken (BGE 131 II 680 E. 2.3.2 mit Hinweisen)."

Monday, August 10, 2009

Weiterentwicklung in "abermals verschärftem Umfeld": ORF-Geschäftsbericht 2008

Irgendwann hat auch die beständigste "erfolgreiche Weiterentwicklung" ein Ende: das Einleitungsstatement des Generaldirektors im ORF-Geschäftsbericht für das Jahr 2008 spricht von einem "umfassenden Überblick über die Weiterentwicklung des Unternehmens" - in den Jahren zuvor war stets von einer "erfolgreichen Weiterentwicklung" die Rede gewesen (siehe dazu schon hier). Nicht verändert hat sich freilich die fortschreitende Verschärfung, und so kann man neuerlich von "verschärfte[n] Rahmenbedingungen" (S. 5), "einem abermals verschärften Konkurrenzumfeld" (S. 9) und einer "verschärften Wettbewerbssituation" (S. 14) lesen (siehe auch dazu den Vergleich mit den Vorjahren hier). Daneben finden sich, wenn auch etwas sparsamer als letztes Jahr, die üblichen Hinweise auf "Highlights" und "Höhepunkte" des Programms und eine Übersichtsdarstellung sonstiger Leistungen und Aktivitäten.

Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens wird - wie ebenfalls üblich - nur sehr knapp abgehandelt; nicht einmal der Jahresabschluss wird vollständig wiedergegeben. "Dank konsequenter Sparmaßnahmen und Strukturverbesserungen liegt der Jahresabschluss über den Prognosen", heißt es im Geschäftsbericht auf Seite 14 (gemeint ist wohl, dass das Ergebnis besser als prognostiziert ausfiel). Ein Hinweis auf Urheber und Zeitpunkt der Prognosen wäre hilfreich gewesen: denn noch im Februar 2008 erwartete der ORF selbst, dass der Bilanzgewinn "am Jahresende 2008 15,6 Millionen Euro betragen" werde - erst gegen Ende des Geschäftsjahres gab es dann Prognosen von "minus 100 Mio Euro" und im Februar 2009 ein vorläufiges Ergebnis, das wundersamer Weise "deutlich besser als erwartet" war (siehe dazu hier). Und dass diese sozusagen in letzter Sekunde erfolgte Verbesserung auf konsequente Sparmaßnahmen und Strukturverbesserungen zurückzuführen ist, stimmt immerhin unter der Annahme, dass auch "Stukturverbesserungen" in den Beteiligungen damit gemeint sind - schließlich ist die "Ergebnisverbesserung" im Wesentlichen Folge einer Neustrukturierung und damit verbunden Neubewertung der Beteiligung des ORF an den Österreichischen Lotterien (siehe dazu hier).

Über diese Beteiligung an den Lotterien verliert der Geschäftsbericht allerdings kein Wort (die Hinweise auf eine "Kreuzfahrt ins Glück" [S. 39] und "Wege zum Glück" [S. 40] beziehen sich auf Programmangebote, nicht auf die Beteiligung am Glücksspielunternehmen und die glückliche Bilanzverbesserung). Auch wer analog zu Geschäftsberichten börsenotierter Unternehmen einen Lagebericht oder einen Bericht über wesentliche Entwicklungen seit dem Ende des Geschäftsjahres 2008 sucht, wird im ORF Geschäftsbericht 2008 nicht fündig (siehe dazu auch schon hier).

Wer gerne vergleichen möchte, wie es andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mit ihren Jahresberichten halten:

Sunday, March 22, 2009

Auch die SRG muss sparen ...

"Erfahrungen in audiovisuellen Medienunternehmen zeigen, dass für konvergentes Arbeiten die räumliche Nähe der Redaktionen vorteilhaft ist." Das steht in einem Bericht des Generaldirektors der SRG an seinen Verwaltungsrat vom 18. März 2009 (zum Thema Medienkonvergenz und Wirtschaftlichkeit, abrufbar auf der SRG-Website).

Wahrscheinlich stehen ähnliche Sätze auch im "Strategie- und Strukturkonzept für den ORF im digitalen Zeitalter", einem Bericht des ORF-Generaldirektors an den ORF-Stiftungsrat (siehe dazu auch den vorangegangenen Eintrag). Genau weiß man es freilich nicht, denn der ORF verzichtet darauf, dieses Konzept online verfügbar zu machen (Geheimhaltungsüberlegungen können dafür nicht ausschlaggebend sein, zumal der Bericht auch schon an - jedenfalls definitionsgemäß - außenstehende Politiker übermittelt wurde). Aber wenn man auf der ORF-Website Informationen zum Unternehmen sucht, ist die erste Eintragung schon seit Monaten unverändert: "Am liebsten ORF - ORF-Werbekampagne".

Auch die SRG kämpft mit schlechten Ergebnissen; das Unternehmensergebnis ist mit etwa 79 Millionen CHF negativ (ORF: ca 79 Mio Euro). Nähere Infos zum Abschluss 2008 der SRG wird es pünktlich, wie die Schweizer eben sind, am 30. April mit dem Geschäftsbericht 2008 geben (der ORF hat sich zuletzt mit dem Geschäftsbericht 2007 bis zum 15. Dezember 2008 Zeit gelassen- ich bin schon gespannt, wann der Bericht heuer vorliegen wird). In der Schweiz wird allerdings angekündigt, am Programmangebot sparen zu wollen: "Angesichts der real abnehmenden Einnahmen und der aktuellen Finanzaussichten ist über die bestehenden Sparprogramme hinaus eine Reduktion des Programmangebots und der Eigenproduktionen nicht zu umgehen", heißt es dazu in der Presseaussendung.

An eine Gebührenerhöhung denken die Schweizer nicht. Allerdings haben sie eine deutlich andere Ausgangsposition als der ORF: im Jahr 2008 erlöste die SRG umgerechnet mehr als 730 Mio Euro aus Empfangsgebühren und damit fast um die Hälfte mehr als der ORF aus Programmentgelten (504 Mio Euro); die Empfangsgebühren betragen monatlich (für Radio und Fernsehen zusammen) rund 25 Euro und damit gleich um 10 Euro mehr als das ORF-Programmentgelt. Die SRG erhält davon ca. 91%, jeweils rund vier Prozent erhalten private Veranstalter ("Gebührensplitting") und die Billag, der kleine Rest geht an das BAKOM bzw wird für neue Technologien und Nutzungsforschung verwendet; festgesetzt werden die Empfangsgebühren durch den Bundesrat. (Wer übrigens sehen will, wie die "Schweizer GIS", die Billag, für die Empfangsgebühren Werbung macht, kann das hier tun)

PS: die BBC trifft es ebenfalls: 400 Mio GBP müssen innerhalb der nächsten drei Jahre eingespart werden, sagte BBC-Generaldirektor Mark Thompson am vergangenen Donnerstag; der Guardian berichtete: "The idea that the BBC was 'swimming with cash and people' was out of date, he said." Die Ausgaben für den Online-Dienst werden aber innerhalb der kommenden drei Jahre um 27% steigen, auf 145 Mio GBP pro Jahr - womit die vom BBC Trust genehmigte Steigerung aber weit hinter dem Antrag der BBC zurückblieb. Die Genehmigung des Budgets durch den BBC Trust (siehe die Meldung hier) erfolgte im Hinblick auf das Online-Angebot unter besonderen Auflagen: der Trust hält zwar derzeit keinen Public-Value-Test für erforderlich, behält sich aber vor, die Auswirkungen genau zu beeobachten und erforderlichenfalls einzelne Bereiche des Online-Angebots einem Public-Value-Test zu unterziehen.

Tuesday, June 17, 2008

Keine Zensur - bloß "Fußball an erster Stelle"

"Aus Art 10 EMRK folgt aber, dass es allein dem Fernsehveranstalter obliegt auszuwählen, welche Szenen er für interessant genug erachtet, um sie seinem Publikum zu präsentieren." So begründete der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkentnnis vom 1.12.2006, B 551/06ua, aufgrund einer Beschwerde des ORF, dass beim Kurzberichterstattungsrecht nach § 5 FERG keine inhaltlichen Vorgaben durch den Bundeskommunikationssenat erfolgen dürfen.

Wem obliegt es beim aktuellen Fußballturnier, die gesendeten Bilder auszuwählen? In den letzten Tagen ist vor allem in der Schweiz Kritik an der UEFA aufgekommen, die über eine Tochtergesellschaft selbst die Bilder produziert, die von den Rundfunkveranstaltern, die Rechte erworben haben, dann gesendet werden. Und offenbar will die UEFA keine Bilder verbreiten, die sich auf die gute Stimmung abträglich auswirken könnten. "Zensur", sagte dazu laut Tagesanzeiger etwa Armin Walpen, Generaldirektor der SRG, und kritisch äußerte sich auch ORF-Sportchef Hans Huber. Die UEFA bestreitet jede Zensur, bestätigt aber, dass es Richtlinien für die Fernsehregie gibt, wonach der "Fußball an erster Stelle" stehen solle, was natürlich das Ausblenden von Krawallszenen erklären kann.

Ins Rollen gebracht hat die Angelegenheit wohl Regula Bähler, Mitglied der UBI, der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen in der Schweiz, die im medienheft einen lesenswerten Beitrag über König Fußball unter UEFA-Herrschaft geschrieben hat. Der ORF, der 22 Millionen Euro für die EM aufwendet und sich auch freut, als einziger öffentlich-rechtlicher TV-Sender Europas "alle 31 Spiele der EURO 08 live, in HD-Qualität, für Handy-TV und als Stream im Internet" zu zeigen, ist eigentlich recht spät darauf aufmerksam geworden, dass er der UEFA vielleicht etwas auf die Finger schauen könnte, wie es jetzt heißt.

Dass aus Fußballstadien nicht immer alles berichtet wird, was vielleicht für die Fans interessant wäre, müsste der ORF freilich selbst am besten wissen - zu erinnern wäre zB an das Spiel Admira-Rapid im März 2004, bei dem sich Hans Huber (ja, das ist derjenige, der sich nun über die Zensur der UEFA beschwert) bei den Zusehern für "die beschränkte Übertragung" entschuldigte. Beschränkt war die Übertragung, weil die ORF-Regie praktisch nur eine Spielhälfte zeigte, um nicht ein Transparent mit Kritik am ORF ins Bild zu bringen (siehe dazu zB hier und die Reaktion des ORF hier).

Sunday, June 10, 2007

Swissness als Programmauftrag

Wie formuliert man den öffentlich-rechtlichen Auftrag eines Rundfunkveranstalters? Vor dieser Frage steht derzeit das schweizer Bundesamt für Kommunikation. Das BAKOM arbeitet nämlich an der neuen Konzession der SRG, die mit 1. Jänner 2008 in Kraft treten soll.
Der Entwurf für die neue Konzession wurde bereits einer Konsultation unterzogen, demnächst sollen die Reaktionen auf der Website des BAKOM bereitgestellt werden. In den Erläuterungen zum Entwurf für die neue Konzession wird unter anderem betont, dass "innovative Eigenproduktionen, die eine identifikationsstiftende Wirkung ('Swissness') entfalten", gefragt seien.
Der Programmauftrag des ORF ist nicht durch Konzession, sondern unmittelbar durch das ORF-Gesetz festgelegt. Vergleicht man den Programmauftrag des ORF mit jenem der SRG, so kommt einem naturgemäß Vieles bekannt vor (siehe hier eine Gegenüberstellung von § 4 ORF-G und Art 2 und 3 des Entwurfs der SRG-Konzession).
Was uns in Österreich aber fehlt, ist eine griffige Bezeichnung für das, was im Gesetz als Auftrag zur "Förderung der österreichischen Identität" umschrieben wird - da klingt "Swissness" doch um einiges moderner!

PS: Die Gegenüberstellung ORF-G und SRG-Konzessionsentwurf umfasst natürlich nicht alle Aspekte des öffentlich-rechtlichen Auftrags; für ein vollständiges Bild ist das gesamte ORF-G bzw der "service public" Auftrag der SRG (aktuelle Informationen; Entwurf der neuen Konzession) zu berücksichtigen.
In Deutschland ist § 11 des Rundfunkstaatsvertrages einschlägig, der allerdings weitere Festlegungen in den Satzungen bzw in Richtlinien der einzelnen öffentlich-rechtlichen Fundfunkveranstalter verlangt (siehe zB die Programmleitlinien des WDR oder die Richtlinien für Sendungen des ZDF).