Da der Quellenschutz nach dem Wortlaut von Art. 28a Abs. 1 Schweizer StGB auf die Vermittlung von Informationen beschränkt ist, befasst sich das Urteil eingehend mit der Abgrenzung zwischen Information und Unterhaltung, die freilich - so das Bundesgericht - "in der Praxis auf Schwierigkeiten" stößt:
Der Quellenschutz führt aber - in den Worten des Bundesgerichts - "nicht zu einem strafrechtlichen Freipass", sondern bewirkt lediglich eine Verlagerung, da anstelle des - anonym bleibenden - Autors der verantwortliche Redaktor strafbar ist. Deutlich fällt die Warnung des Bundesgerichts an jene aus, die vielleicht glauben, im Schutz der Anonymität gefahrlos ehrverletzende Kommentare posten zu können:"Eine klare Trennung erweist sich insbesondere bei neueren journalistischen Stilformen als problematisch, zu denen etwa das sog. Infotainment oder die Dokufiction gezählt werden. [...] Wegen der Bedeutung der Medienfreiheit und des Redaktionsgeheimnisses in einer demokratischen Gesellschaft ist der Begriff der Information weit auszulegen. Zu den Informationen gehören nicht nur sog. seriöse Botschaften, es kann gleichermassen die Vermittlung von Belanglosigkeiten dazu zählen. Auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Ernsthaftigkeit kann es nicht ankommen. Ebenso unerheblich ist, ob die Information von allgemeinem und öffentlichem Interesse ist. Es darf berücksichtigt werden, dass auch mit der sog. Unterhaltung Informationen verbunden sein können. Der Begriff der Unterhaltung ist demnach restriktiv zu verstehen. [...]
Gesamthaft zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen Information und Unterhaltung sowohl in allgemeiner Hinsicht als auch im konkreten Fall schwierig ist. Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Medienfreiheit und die Ausrichtung der Bestimmung von Art. 28a StGB sowie im Interesse der Rechtssicherheit ist im Allgemeinen von einem weiten Informationsbegriff auszugehen. Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass der umstrittene Kommentar an den Blog anschliesst und gewissermassen eine Antwort auf den Blog darstellt. Schliesslich hat sich gezeigt, dass der Beitrag auch konkret betrachtet tatsächlich Informationen enthält, welche die Anwendung des Quellenschutzes rechtfertigen.
Somit fällt der fragliche Kommentar in den Anwendungsbereich von Art. 28a Abs. 1 StGB. Das bedeutet, dass das SF Schweizer Fernsehen die Identität des Autors nicht preisgeben muss."
Auch das Bundesgericht betont damit - vielleicht eine Folge des knappen Abstimmungsverhältnisses - recht nachdrücklich, dass das Redaktionsgeheimnis nicht den Informanten (die "Quelle") vor Strafverfolgung schützt, sondern dem Medium die Entscheidung überlässt, ob die Quelle offengelegt werden soll oder nicht (siehe meine entsprechenden Anmerkungen auch schon hier oder hier)."Überdies bedeutet der Umstand, dass sich das Medium nach Art. 28a Abs. 1 StGB auf den Quellenschutz berufen kann, in keiner Weise, dass das Medium tatsächlich davon Gebrauch machen müsste. Es ist frei, die entsprechenden Angaben über einen Informanten herausgeben und insoweit auf das Redaktionsgeheimnis zu verzichten. [...] Wohl kann der Informant oder Kommentator in persönlicher Weise auf eine bestimmte Person zielen. Er hat, wie dargetan, keine direkten Ansprüche aus dem Redaktionsgeheimnis und somit keine Gewähr, dass der Quellenschutz von Seiten des Mediums tatsächlich in Anspruch genommen wird."
Zur Vermeidung von Missverständnissen weise ich nochmals darauf hin, dass sich nach dem Schweizer StGB "Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen", auf das Redaktionsgeheimnis berufen können - zu nicht-professionellen Blogs wurde schon aufgrund des konkret zu beurteilenden Sachverhalts nichts gesagt. Das Bundesgericht hat aber die Auslegung des § 28a Schweizer StGB ausdrücklich "an den verfassungsrechtlichen Grundanliegen" ausgerichtet, wie sie sich aus Art. 17 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung und Art. 10 EMRK ergeben; dass man aus Art 10 EMRK allenfalls einen weitergehenden Schutzbereich des "Redaktionsgeheimnisses" herleiten könnte, dazu habe ich hier etwas mehr geschrieben.
PS: der Inhalt des inkriminierten Kommentars ist im Urteil des Bundesgerichts wörtlich wiedergegeben. Dass dieser Kommentar ehrverletzend sein könnte, erschließt sich meines Erachtens erst, wenn man bedenkt, dass der anonyme Poster sich eines falschen Namens bedient hatte, und dass die Person dieses Namens die im Kommentar enthaltenen "Informationen" als für sie ehrenrührig ansah.
Update 13.03.2014: Der OGH hat in seinem Urteil vom 23.01.2014, 6 Ob 133/13x, die im oben dargestellten Urteil des Schweizer Bundesgerichts dargelegte Auffassung für Österreich ausdrücklich abgelehnt.
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