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Monday, November 14, 2016

"Einfach JA sagen" - zur Schleichwerbung? Zum OGH-Urteil über Gefälligkeitsartikel in einem Gratisblatt

(Bild aus dem OGH-Urteil)
Mit Urteil vom 26.09.2016, 4 Ob 60/16a, hat der OGH entschieden, dass "Gefälligkeitsartikel" in einem Printmedium nicht als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet werden müssen. Das Urteil - über das der Standard hier (aufgrund einer APA-Meldung) berichtet - hat auf Twitter einige Kritik ausgelöst (zB hier, hier, hier, hier, hier oder hier). Hier ein Versuch, die Angelegenheit etwas nüchterner zu sehen:

1. Ausgangspunkt: ein UWG-Verfahren, gerichtet auf Unterlassung nicht gekennzeichneter Werbung
Zunächst einmal: es geht um ein Verfahren nach dem UWG, in dem ein Medieninhaber einer Gratiszeitung die Medieninhaberin einer anderen Gratiszeitung geklagt hat. Der Anspruch richtet sich darauf, dass es die Medieninhaberin der Gratiszeitung unterlassen soll, einerseits entgeltliche Beiträge, und andererseits "unentgeltlich gestaltete Anzeigen oder unbezahlte Werbung" zu veröffentlichen, sofern diese Veröffentlichungen nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder als "Werbung" gekennzeichnet sind.

Konkret geht es um Veröffentlichungen in dieser und dieser Ausgabe von "Tips". Der OGH gibt relevante Ausschnitte aus diesen Zeitungen in seinem Urteil im Faksimile wieder; etwa - wie oben links gezeigt - den Beginn eines Artikels über eine Hochzeitsplanerin; am Ende des Artikels wird dann noch die Telefonnummer und die (mittlerweile nicht mehr errreichbare) Website der Hochzeitsplanerin angegeben.
(Bild aus dem OGH-Urteil)
Ein anderes Beispiel ist diese Seite (links), auf deren oberem Teil "redaktionell" über eine "Hausmesse beim Zweiradspezialisten" berichtet wird, und auf deren unterem Teil ein Inserat dieses Zweiradspezialisten zu sehen ist.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts wurde für "das Erscheinen der gesamten Seite 42 [links abgebildet], bestehend aus einem klassischen Inserat in der unteren Seitenhälfte und dem von einem Redakteur der Beklagten verfassten Bericht" von dem darin genannten Unternehmer ein Entgelt von 718,20 € bezahlt. Der Unternehmer hatte mit der beklagten Medieninhaberin "das Erscheinen eines Artikels und eines Inserats gegen Bezahlung eines Gesamtentgelts vereinbart." Vergleichbares stellte das Gericht auch zu einer weiteren Seite dieser Ausgabe der "Tips" fest.

Für die anderen vom Kläger inkriminierten Artikel - also zB auch für den Artikel über die Hochzeitsplanerin - wurde festgestellt, dass für deren Veröffentlichung jeweils kein Entgelt bezahlt wurde (bei zwei Artikeln konnte nicht festgestellt werden, ob für deren Veröffentlichung ein Entgelt bezahlt wurde, was prozessual de facto auf dasselbe hinausläuft).

2. Die Rechtslage
Für den Streit zwischen den Medieninhabern ist vor allem das UWG (Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb) relevant. Dieses Gesetz verbietet - in Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken - irreführende Geschäftspraktiken, zu denen nach Z 11 des Anhangs zum UWG u.a. auch folgende Geschäftpraktik zählt:
Redaktionelle Inhalte werden in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt und das Unternehmen hat diese Verkaufsförderung bezahlt, ohne dass dies aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig hervorgehen würde (als Information getarnte Werbung).
Außerdem darf man - vereinfacht gesagt - als Unternehmer im geschäftlichen Verkehr auch keine sonstige unlautere Handlung anwenden, die den Wettbewerb "nicht nur unerheblich" beeinflussen kann. So wäre beispielsweise eine Verletzung von Rechtsvorschriften, die sich auf den Wettbewerb auswirkt, ein typischer Fall einer derartigen unlauteren Handlung. Daher kann auch eine Verletzung der Pflicht zur "Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen" (§ 26 Mediengesetz) einen UWG-Verstoß darstellen. § 26 Mediengesetz lautet wörtlich:
Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, müssen in periodischen Medien als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sein, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können.
3. "Gekaufte" Artikel müssen gekennzeichnet sein
Das OGH-Urteil ändert nichts daran, dass Artikel, die gewissermaßen mit einem Inserat mitgekauft werden, nach § 26 Mediengesetz zu kennzeichnen sind. Das betraf im konkreten Fall aber nur zwei Beiträge (den oben gezeigten "Bericht" über die "Hausmesse" und einen weiteren), denn nur bei diesen wurde festgestellt, dass die Unternehmer für das Erscheinen des Artikels bezahlt hatten (Gesamtentgelt für Inserat und Artikel zusammen). Die Beklagte wurde daher auch verpflichtet, es zu unterlassen, in ihren periodischen Druckwerken "Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, zu veröffentlichen, sofern diese Veröffentlichungen nicht als 'Anzeige', 'entgeltliche Einschaltung', 'Werbung' oder in sinngleicher Weise gekennzeichnet sind." Dieser Punkt war auch in der letzten Instanz nicht mehr strittig. Es bleibt dabei: Artikel, für die ein Entgelt bezahlt wird, sind jedenfalls zu kennzeichnen!

4. Keine Kennzeichnungspflicht für "Gefälligkeitsartikel"
Das Problem vor dem OGH waren aber jene Beiträge, die zwar werblich wirkten, für die aber kein Entgelt gezahlt worden war. Der OGH verweist dazu auf die gesetzlichen Bestimmungen in § 26 Mediengesetz und Z 11 des Anhangs zum UWG, die jeweils eindeutig auf Veröffentlichungen abstellen, für die ein Entgelt geleistet wird. Ein gesetzliches Kennzeichnungsgebot für unentgeltliche Werbung besteht hingegen nicht.

Der OGH prüft dann abschließend, ob das "als 'Schleichwerbung' beanstandete Verhalten der Beklagten" (also die unentgeltlichen, "werbenden" Artikel) unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG unlauter ist (eine mögliche Irreführung im Sinne des § 2 UWG prüft er übrigens nicht mehr). Er kommt zum Ergebnis, dass es "unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots (§ 1 UWG)" keiner zusätzlichen Aufklärung des Publikums bedarf, wenn ein redaktioneller Beitrag "aus Gefälligkeit Äußerungen kommerziellen Charakters mit 'werblichem Überschuss' enthält."

5. Naiv, an "Gefälligkeitsartikel" zu glauben?
Das Unbehagen an diesem Ergebnis ist wohl darauf zurückzuführen, dass bei derartigen Beiträgen an reine Gefälligkeit oft schwer zu glauben ist. Immerhin handelt es sich um eine Gratiszeitung, die nur von Werbung lebt, und in der häufig von Unternehmen berichtet wird, die auch Inserate schalten; schließlich wirken selbst Berichte über Unternehmen, die kein als solches gekennzeichnetes Inserat geschaltet haben, besonders freundlich und enthalten zur besseren Information des Publikums oft gleich alle notwendigen Kontaktinformationen und Hinweise auf besondere Angebote. Da läge es vielleicht nahe, an Zusammenhänge, Geldflüsse oder Gegengeschäfte zu denken - aber solange solche nicht festgestellt sind, kann man im Gerichtsverfahren eben nicht von entgeltlicher (nicht gekennzeichneter) Werbung ausgehen.

Dass der OGH hier von Gefälligkeit ausgeht, ist nicht naiv, sondern notwendig: er kann seiner Entscheidung keine Vermutungen zugrunde legen, sondern muss bei den festgestellten Tatsachen bleiben. Der "Hochzeitsplaner"-Beitrag etwa war demnach unentgeltlich veröffentlicht worden. Offenbar war die Berichterstatterin einfach so überzeugt und begeistert von der Hochzeitsplanerin, dass sie diese Begeisterung - ohne Gegegleistung, aus reiner Gefälligkeit - mit der Welt (bzw. zumindest dem Bezirk Oberpullendorf) teilen wollte.

Im Übrigen wäre es auch medienethisch schwer zu argumentieren, dass (allzu) positive (aber nicht gegen Entgelt erfolgte) Berichterstattung - anderswo vielleicht als "constructive news" eingefordert - als "Werbung" zu kennzeichnen wäre. Schließlich könnte dies wiederum irreführend sein, weil Werbung in diesem Zusammenhang (§ 26 Mediengesetz bzw. Z 11 des Anhangs zum UWG) Entgeltlichkeit voraussetzt (Anderes gilt für audiovisuelle Mediendienste, siehe dazu unter Punkt 6. unten).

Es ist tatsächlich auch nicht unüblich, dass werblich wirkende Artikel außerhalb einer konkreten Entgeltbeziehung entstehen - etwa wenn ein positives Umfeld erst aufbereitet werden soll ("Jetzt haben wir zweimal so schön über Euch geschrieben, wollt Ihr nicht einmal ein Inserat schalten?"). Dass viele Medien - insbesondere natürlich Gratismedien, die nur von Werbung leben - ein "inseratenfreundliches Umfeld" schaffen möchten, ist weder neu noch rechtlich verpönt. Ein Objektivitätsgebot für Printmedien besteht nicht, auch Kampagnenjournalismus bzw. eine Berichterstattung, die die Interessen bestehender und möglicher Inserenten im Auge hat, ist zulässig, Selbst der Ehrenkodex des Presserates schließt das übrigens nicht aus: nach diesem dürfen auch wirtschaftliche Interessen des Verlages redaktionelle Inhalte beeinflussen - bloß nicht in einer Weise, "die Fehlinformationen oder Unterdrückung wesentlicher Informationen zur Folge haben könnte."

Von Qualitätsjournalismus erwartet man anderes, aber Qualitätsjournalismus ist keine Rechtspflicht.

6. Schleichwerbung erlaubt?
Nein, der OGH hat Schleichwerbung nicht erlaubt (anders als das Ritchie Pettauer auf seinem Blog zuspitzt; das Missverständnis entstand wohl, weil im APA-Bericht - unzutreffend - von "Gefälligkeitsartikeln, die im Gegenzug für gebuchte Inserate erscheinen", die Rede ist). Der OGH hatte das UWG und § 26 Mediengesetz auszulegen, beide setzen für unzulässige "als Information getarnte Werbung" Entgeltlichkeit voraus, und die war in den beim OGH noch strittigen Fällen eben nicht festgestellt worden. Der Begriff "Schleichwerbung" kommt im OGH-Urteil nur im unter Anführungszeichen gesetzten Zitat des Klägervorbringens vor.

Ausdrückliche rechtliche Regelungen für "Schleichwerbung" gibt es nur für audiovisuelle Mediendienste. Art. 1 Abs. 1 lit. j AVMD-RL (für Österreich siehe § 2 Z 29 AMD-G, § 1a Z 7 ORF-G und für den Hörfunk in § 19 Abs. 4 lit. b PrR-G) definiert Schleichwerbung so:
die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, dem Namen, der Marke oder den Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Mediendiensteanbieter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit über ihren eigentlichen Zweck irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt;
Schleichwerbung nach der AVMD-RL muss daher nicht in jedem Fall entgeltlich sein. Der EuGH kam in der Rechtssache C-52/10, "ALTER CHANNEL", zum Ergebnis, dass die Existenz eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung zwar ein Kriterium darstellt, anhand dessen sich die Werbeabsicht eines Fernsehveranstalters feststellen lässt, dass diese Absicht aber bei Fehlen eines solchen Entgelts oder einer solchen ähnlichen Gegenleistung nicht ausgeschlossen werden kann (siehe dazu im Blog hier). Schleichwerbung in diesem Sinne ist in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation verboten (Art. 9 Abs. 1 lit. a AVMD-RL; § 31 Abs. 2 AMD-G; § 13 Abs. 1 ORF-G; § 19 Abs. 4 lit. b PrR-G).

Für Printmedien gilt damit eine andere Rechtslage als für audiovisuelle Mediendienste: § 26 Mediengesetz untersagt unentgeltliche "Schleichwerbung" (so wie sie in der AVMD-RL verstanden wird und für audiovisuelle Mediendienste sowie in Österreich auch für den Hörfunk verboten ist) nicht. Entgeltliche "Schleichwerbung" ist und bleibt auch im Printbereich unzulässig.

7. Kernfrage: Zusammenhang zwischen Entgelt (für Inserat) und Artikel
Um von lauterkeitsrechtlich unzulässiger "als Information getarnter Werbung" ausgehen zu können, muss ein Zusammenhang zwischen dem redaktionell gestalteten Beitrag und einem Entgelt oder einer anderen Gegenleistung festgestellt werden. Das wird häufig letztlich eine Beweisfrage sein und ist im Einzelfall zu würdigen. Als Freibrief für "Paketangebote" von Inserat und Artikel kann das OGH-Urteil jedenfalls nicht gelesen werden, im Gegenteil: wenn ein solches Paket geschnürt wird (Inserat und Artikel zu Gesamtpreis), ist der Artikel jedenfalls nach § 26 Mediengesetz zu kennzeichnen.

8. Das Ende des objektiven/neutralen Journalismus?
Die APA schrieb auch, dass sich die Höchstrichter "von der jahrzehntelangen Vorstellung eines objektiven Journalismus verabschiedet" hätten. Das ist die Zuspitzung einer meines Erachtens tatsächlich etwas unglücklichen Argumentationskette im OGH-Urteil:

Bei Prüfung der Frage, ob durch die unentgeltlichen (aber werblichen) Beiträge ein aus § 1 UWG abzuleitendes Transparenzgebot verletzt wurde, führt der OGH Folgendes aus:
3.1. § 26 MedienG wurde aus der Erwägung eingeführt, dass redaktionellen Beiträgen vom Leserpublikum ein größeres Vertrauen entgegengebracht wird als Anzeigen, weil letztere offensichtlich den Interessen deren dienen, die dafür zahlen (4 Ob 60/92).
Die vor mehr als zwanzig Jahren in Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Auffassung, dass der Verbraucher bei der offenen Werbung in Rechnung stellt, dass sie stets subjektiv gefärbt ist, und deshalb geneigt ist, gewisse Abstriche zu machen, während er Stellungnahmen von "neutraler Seite" – Zeitungsberichten, Reportagen in Funk oder Fernsehen, Äußerungen der Wissenschaft – oft unbegrenztes Vertrauen entgegenbringt (Nordemann, Wettbewerbsrecht6, 59 Rz 64, zitiert in 4 Ob 60/92), gilt in dieser Allgemeinheit nicht mehr: Der durchschnittlich aufmerksame und kritische Leser geht heute davon aus, dass auch redaktionelle Beiträge in periodischen Medien nicht "neutral" sind und keine absolute Objektivität in Anspruch nehmen können, weil sie von – zumeist auch namentlich genannten – Journalisten stammen, die ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen, sei es in politischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Belangen.
3.2. Besteht demnach – anders als im Fall 4 Ob 60/92 – für den Durchschnittsleser am Charakter der beanstandeten Veröffentlichungen als redaktionelle Beiträge kein Zweifel, bedarf es im Fall der Unentgeltlichkeit dieser Beiträge unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots (§ 1 UWG) auch dann keiner zusätzlichen Aufklärung des Publikums durch Kennzeichnung, wenn der Beitrag aus Gefälligkeit Äußerungen kommerziellen Charakters mit "werblichem Überschuss" enthält.
Daran überrascht nicht nur das mehrfache Zitat des Urteils 4 Ob 60/92 aus dem Jahr 1992, in dem es allerdings gar nicht um die Frage der Kennzeichnung nach § 26 Mediengesetz ging, sondern um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der "Zugabe" von Gratisinseraten (die als Inserate klar erkennbar waren).

Vor allem überrascht, dass der OGH offenbar der Auffassung ist, dass sich am Medienverständnis der Maßfigur des "durchschnittlich aufmerksamen und kritischen Lesers" zwischen 1992 und heute etwas geändert habe und die Leser heute weniger von einem "neutralen" Journalismus ausgehen würden als noch vor knapp 25 Jahren. Nun ist das mit solchen Maßfiguren (vom "verständigen Verbraucher" bis hin zum - tatsächlich - "durchschnittlich rechtstreuen Schwachsinnigen") so eine Sache: es handelt sich um normative Maßstäbe, nicht um empirisch gestützte Diagnosen. Es ist daher müßig, jetzt zu überlegen, ob sich dieses geänderte Medienverständnis in entsprechenden Studien nachvollziehen lässt.

Eine Begründung für den nach Ansicht des OGH geänderten Maßstab gibt es nicht (liegt der Grund vielleicht in der Zunahme an Gratisblättern, im grassierenden Meinungsjournalismus, im Gerede von der "Lügenpresse", vielleicht sogar in verbesserter Medienbildung?). Ich kann das Argument auch nicht ganz nachvollziehen: auch vor 25 Jahren wurde nicht flächendeckend an die absolute Objektivität geglaubt, aber es war und ist etwas anderes, ob ich zB politisch gefärbten Journalismus erwarte (übrigens vor 25 Jahren zB in den damals noch stärker vertretenen Parteizeitungen), oder ob mir - egal ob in der politischen Kolumne oder im "objektiven" Testbericht - absichtlich nicht gekennzeichnete kommerzielle (und entgeltliche) Werbung untergejubelt wurde. Die Argumentation, mit der die Kennzeichnungspflicht für entgeltliche Beiträge im Mediengesetz begründet wurde, hat heute genauso Gültigkeit wie bei Einführung des Mediengesetzes 1981.

Es scheint, als wolle sich der OGH mit der (vorgeblichen) Maßstabsänderung vom mehrfach zitierten, aber - wie er an anderer Stelle selbst betont - nicht einschlägigen Urteil 4 Ob 60/92 absetzen. Dort ging es jedoch gerade nicht um eine mögliche Täuschung des Publikums über den werblichen Charakter einer Veröffentlichung (der Streit betraf die Inserate, die als solche erkennbar und gedacht waren, für die aber kein Entgelt verlangt wurde).

Tatsächlich hat der OGH noch nie über unentgeltliche redaktionelle Artikel mit "werblichem Überschuss" entschieden, es wäre also gar nicht notwendig gewesen, sich von der Entscheidung 4 Ob 60/92 abzusetzen und dazu ein angeblich geändertes Medienverständnis heranzuziehen. Oder muss man das aktuelle Urteil so lesen, dass der OGH im Jahr 1992 - hypothetisch - noch zum Ergebnis gekommen wäre, unentgeltliche werbende Artikel wären damals nach § 1 UWG unzulässig gewesen?

Für das vom OGH erzielte Ergebnis hätte es gereicht, auf die Voraussetzung der Entgeltlichkeit sowohl nach § 26 Mediengesetz als auch nach Z 11 des Anhangs zum UWG hinzuweisen und festzuhalten, dass sonstige - nicht monetär oder durch eine andere Gegenleistung gestützte - Motive, um besonders positiv über ein Produkt, eine Dienstleistung, oder ein Unternehmen zu schreiben, demnach nicht offengelegt werden müssen.

So aber wirkt die Argumentation des OGH tatsächlich, als würde er sich von einer "jahrzehntelangen Vorstellung eines objektiven Journalismus" verabschieden. Diese Vorstellung lag aber weder dem Mediengestz zugrunde (die Erläuterungen sprachen nur vom "größeren Vertrauen" in redaktionelle Beiträge, nicht von der Erwartung eines objektiven und/oder neutralen Journalismus) noch der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, sondern sie wurde vom OGH im Jahr 1992 ohne Not aus einem alten deutschen Kommentar importiert - und nun wieder mühsam "exportiert".

Im Übrigen: auch objektiver Journalismus ist vielleicht eine Wunschvorstellung, aber (sieht man vom Rundfunk ab) keine Rechtspflicht.

Tuesday, October 25, 2016

EGMR: Verlagsgruppe News gegen Österreich: identifizierender Bericht über Treasurer der Hypo Alpe-Adria zulässig

Mit seinem heutigen Urteil im Fall Verlagsgruppe News GmbH gegen Österreich (Appl. no. 60.818/10) stellte der EGMR erstmals seit drei Jahren wieder eine Verletzung des Art. 10 EMRK durch Österreich fest. Die Entscheidung ist insofern nicht überraschend, als der EGMR in einem sehr ähnlichen Fall bereits 2012 eine Verletzung festgestellt hatte - damals war es um den selben von identifizierender Verdachtsberichterstattung betroffenen Bankmanager, aber um eine anders Medium gegangen. Bemerkenswert am heute entschiedenen Fall ist allerdings, dass es erstmals auch nach einer Entscheidung des Medien-Fachsenats am OGH zu einer Verurteilung Österreichs durch den EGMR gekommen ist.

Ausgangsfall
Der Ausgangsfall begann vor mehr als zehn Jahren. In seiner Ausgabe vom 10.04.2006 veröffentlichte das Magazin profil einen Artikel mit dem Titel "Schwere Hypothek", in dem über enorme Verluste der Hypo Alpe-Adria Bank aus Spekulationsgeschäften berichtet wurde. Der Artikel enthielt Kritik am Bankvorstand, nannte aber auch den Treasurer der Bank mit vollem Namen. Wörtlich hieß es in diesem Artikel unter anderem:
Als das Alarmsystem anschlug, hatte die Katastrophe längst ihren Lauf genommen. Am Mittwoch, dem 17. November 2004, zeigte das zur Risikosteuerung und -kontrolle eingesetzte Softwareprogramm in der Zentrale der Hypo Alpe-Adria-Bank in Klagenfurt an sämtlichen zuständigen Stellen des Hauses genau jene Daten, die Managern eines Kreditinstituts gemeinhin den kalten Schweiß auf die Stirn treiben: horrende Verluste im Veranlagungsgeschäft. [...]
Der für die Transaktionen verantwortlich zeichnende Treasury-Manager Christian Rauscher wurde daraufhin umgehend von seinem Arbeitsplatz verbannt. (Der Sohn des ehemaligen SPÖ-Finanzlandesrats Max Rauscher war für profil für eine Stellungnahme nicht erreichbar.) [...] Gegen Rauscher laufen beim Landesgericht Klagenfurt (Aktenzahl 3 St 79/06x) Vorerhebungen wegen Verdachts der Untreue, gegen den Vorstand steht der Vorwurf der unrichtigen Darstellung der Jahresabschlüsse, kurz gesagt der Bilanzfälschung, im Raum. [...]
Die inkriminierten Transaktionen wurden allesamt zwischen 20. September und 5. Oktober 2004 getätigt. Rauscher soll dabei laut Darstellung von Hypo-Boss Kulterer entgegen den Vorgaben mittels so genannter Swaps auf eine hochexplosive Mischung zweier Entwicklungen an den Finanzmärkten gesetzt haben: einerseits auf fallende Zinsen, andererseits auf einen Anstieg von Dollar und Yen gegenüber dem Euro.
Der genannte Treasury-Manager beantragte die Zuerkennung einer Entschädigung nach § 7a Abs. 1 Mediengesetz (Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen). Das Landesgericht für Strafsachen Wien wies seinen Antrag ab, das OLG Wien als Berufungsgericht drehte die Entscheidung jedoch um. Es sprach aus, dass durch die Veröffentlichung, "in der mehrmals der Name des Antragstellers Christian R***** als einer gerichtlich strafbaren Handlung Verdächtiger im Zusammenhang mit Spekulationsverlusten der H*****-Bank genannt wurde, Angaben über die Identität des Antragstellers veröffentlicht wurden, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden seiner Identität zu führen, wodurch seine schutzwürdigen Interessen verletzt wurden, ohne dass wegen seiner Stellung in der Öffentlichkeit, wegen eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben oder aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat."
Die Medieninhaberin des profil, die Verlagsgrupep News GmbH, wurde gemäß § 7a Abs 1 Mediengesetz zur Zahlung einer Entschädigung von 3.000 € verpflichtet.

Die Medieninhaberin stellte einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (entsprechend der Rechtsprechung, die in solchen Fällen eine analoge Anwendung des § 363a StPO zulässt), blieb damit aber erfolglos. Mit Beschluss vom 17.03.2010, 15 Os 95/09y, wies der OGH - in dem für "Fachsachen nach dem Mediengesetz" zuständigen Senat - den Erneuerungsantrag zurück.

Der OGH hielt fest, dass eine identifizierende Berichterstattung nur zulässig ist, "wenn und soweit dem Namen bzw sonstigen Identitätsmerkmalen des (hier:) Verdächtigen ein eigenständiger Informations- oder Nachrichtenwert zukommt. Dieser Informationswert muss, um die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung zu begründen, das schutzwürdige Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiegen." Für den konkreten Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass das OLG Wien die Abwägung korrekt vorgenommen habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass erst eine "frühe Verdachtslage" vorgelegen sei, weil der Artikel schon fünf Tage nach Einlangen der Anzeige der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) - die, darauf legt der OGH wert, "keine Strafverfolgungsbehörde ist" - veröffentlicht wurde (die Vorerhebungen gegen den Treasurer wurden erst sechs Wochen nach der Veröffentlichung eingeleitet; das Strafverfahren gegen ihn übrigens später gänzlich eingestellt). Der Hinweis auf die politische Funktion des Vaters des Verdächtigten sei thematisch nicht begründet gewesen. Dem Magazin, so hatte bereits das OLG Wien argumentiert, wäre die Möglichkeit "einer zwar investigativen, jedoch anonymitätswahrenden Reportage" offen gestanden, die Offenlegung des vollen Namens habe der bereits gebotenen Information nichts von öffentlichem Interesse hinzugefügt.

Das Urteil des EGMR
Das Ergebnis des EGMR überrascht nicht, weil - wie erwähnt - ein Parallelfall schon im selben Sinn vom EGMR entschieden wurde (Standard Verlags GmbH gegen Österreich [Nr. 3]). Damals ging es ebenfalls um eine Entschädigung wegen identifizierender Verdachtsberichterstattung nach § 7a Mediengesetz, die dem Treasurer der Hypo Alpe-Adria Bank vom OLG Wien zugesprochen worden war. Das Urteil des OLG Wien in jenem Fall datierte vom 14.02.2007, also noch vor der Rechtsprechung des OGH, die in solchen Fällen seit August 2007 einen Erneuerungsantrag an den OGH in analoger Anwendung des § 363a StPO zulässt. Die Beschwerde der Medieninhaberin des Standard lag dem EGMR somit schon deutlich früher - im August 2007 - vor, und der EGMR entschied "schon" im Jänner 2012, dass die Gründe, die das OLG Wien für die Zuerkennung der Entschädigung gefunden hatte, zwar "relevant", aber nicht "ausreichend" waren (mehr dazu im Blog hier; s. auch den Bericht des Standard über das EGMR-Urteil).

In seinem heutigen Urteil im Fall Verlagsgruppe News GmbH gegen Österreich (Appl. no. 60.818/10) kommt der EGMR (einstimmig) zum selben Ergebnis. Unstrittig war, dass ein Eingriff in das nach Art. 10 EMRK geschützte Recht vorlag, und dass dieser Eingriff auf Gesetz beruhte und einem legitimen Ziel diente. Zu prüfen war daher nur mehr, ob der Eingriff im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich war.

Der EGMR verweist auf das Urteil im Fall Standard Verlags GmbH (Nr. 3), dem ein "einigermaßen ähnlicher" Sachverhalt zugrunde lag. Dennoch müsse der konkrete Einzelfall analysiert werden: "Even so, the Court emphasises that an examination of the case may lead to different conclusions as certain of the criteria of assessment defined by the Court’s case-law depend heavily on an assessment of the specific publication and the conduct of its author." (Abs. 37)

Allzu große Mühe macht sich der EGMR dann aber doch nicht mit der Einzelfallprüfung: er geht zwar der Reihe nach die "Caroline-Kriterien" durch (siehe dazu vor allem die Urteile der Großen Kammer Von Hannover Nr 2 [im Blog dazu hier], Axel Springer AG [im Blog dazu hier] und Couderc und Hachette Filipacchi Associés), bleibt dabei aber meist recht knapp:

- Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse Anders als der Beitrag im Standard behandelte der hier zu beurteilende Artikel nicht die Verbindungen zwischen der Politik und den Verlustgeschäften der Bank, sodass die Berichterstattung nicht schon aus diesem Grund zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beigetragen hat. Der EGMR verweist aber darauf, dass der Betroffene als Leiter der Treasury-Abteilung einer fast zur Hälfte im Eigentum des Landes Kärnten stehenden Bank für diese Bank Verträge über viele Millionen Euro eingehen konnte, wobei die Steuerzahler für einen Großteil der daraus entstandenen Verluste aufkommen müssen. Und auch wenn die FMA - wie der OGH betont hatte - keine Strafverfolgungsbehörde ist, so ist sie doch die wesentliche Aufsichtsbehörde über den Bankensektor, und sie hatte ausreichende Gründe für eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft gefunden. Damit kam der EGMR zum Ergebnis, dass der Artikel einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leistete.

- Bekanntheit der Person, über die berichtet wird Der Betroffene war keine Person des öffentlichen Lebens und auch niemand, der das Licht der Öffentlichkeit gesucht hatte. Der EGMR begnügt sich hier mit dem Hinweis, dass die Frage, ob es sich beim Betroffenen um eine "public figure" handle, nur eines von mehreren Kriterien ist.

- Methode der Informationsbeschaffung und Wahrheitsgehalt des Berichts
Die Richtigkeit des Artikels war nicht strittig. Auch die Methoden der Informationsbeschaffung wurden nicht in Streit gezogen. Die Identität des Betroffenen war zum Veröffentlichungszeitpunkt zudem schon aufgrund anderer Berichte bekannt.

- Form und Folgewirkungen der Veröffentlichung,
Der Betroffene hatte schwere Auswirkungen des Berichts auf sein Privat- und Berufsleben behauptet. Das OLG Wien hatte allgemein Auswirkungen auf sein privates und berufliches Leben anerkannt. Im Verfahren vor dem EGMR wurde das nicht näher thematisiert, der EGMR nimmt hier einfach an, dass der Artikel einen signifikanten Effekt auf das Privatleben und die berufliche Position des Betroffenen gehabt haben muss.

- Schwere der Sanktionen
Die dem Betroffenen zugesprochene Entschädigung von 3.000 € ist, so der EGMR, "weder symbolisch noch vernachlässigbar."

- Ergebnis
Auch beim Ergebnis verliert der EGMR nur wenige Worte und formuliert fast wortgleich wie im "Standard"-Urteil:
49. In sum, the Court finds that the reasons given by the domestic courts were “relevant” but not “sufficient”. The Court therefore considers that the domestic courts have exceeded the narrow margin of appreciation afforded to them regarding restrictions on debates of public interest. It follows that the interference with the applicant company’s right to freedom of expression was not “necessary in a democratic society”.
50. Consequently, there has been a violation of Article 10 of the Convention.
PS [Update 15.11.2016]: siehe zu diesem Urteil nun auch den Beitrag von Holger Hembach auf Telemedicus.

Tuesday, July 12, 2016

Kameras im Gerichtssaal: der Verfassungsgerichtshof geht neue Wege

Ein neues Bild: TV-Mikros auf dem Richtertisch
(Screenshot von der ORF-Live-Übertragung der Verkündung)
Der Verfassungsgerichtshof geht oft neue Wege: er erfindet erkennt bisher in Österreich unbekannte (Grund-)Rechte - zuletzt etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (dazu im Blog hier) - oder entwickelt kreativ seine Zuständigkeit weiter (beispielsweise durch Inanspruchnahme der Kompetenz zur Entscheidung über die Staatshaftung oder durch Erweiterung seines Prüfungsmaßstabs durch die Grundrechtecharta der EU) - Rechtsfortbildung ist eine wesentliche Funktion eines Verfassungsgerichts.

In seinem Erkenntnis vom 01.07.2016 zur Anfechtung des zweiten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl (bislang nur mündlich verkündet, noch nicht schriftlich ausgefertigt; siehe die Pressemitteilung; update 13.07.2016: nun gibt es auch die schriftliche Ausfertigung) ist der Verfassungsgerichtshof jedoch - jedenfalls dem Grundsatz nach (Aufhebung einer Wahl, wenn eine Rechtswidrigkeit im Wahlvorgang auf das Ergebnis Einfluss gehabt haben könnte) - nicht von seiner ständigen Rechtsprechung abgegangen (eine interessante Fortentwicklung sehe ich allerdings darin, dass die Weitergabe von Teilergebnissen aus den bereits ausgezählten Wahlsprengeln durch Wahlbehörden als Rechtswidrigkeit beurteilt wurde, die den "Grundsatz der Freiheit der Wahl" beeinträchtigt - diesbezüglich bin ich auf die nähere Begründung in der schriftlichen Ausfertigung, die in dieser Woche zu erwarten ist, gespannt).

Wirklich neu bei diesem Erkenntnis war allerdings die Art der Information der Öffentlichkeit: der Verfassungsgerichtshof hat bei der Verkündung der Entscheidung auch die Live-TV-Übertragung zugelassen. Das ist zwar nicht Teil der vom Gerichtshof getroffenen Entscheidung (sondern Angelegenheit der Sitzungspolizei) und wird daher auch nicht näher begründet. Höchst bemerkenswert ist es, weil der Verfassungsgerichtshof mit der Zulassung von TV-, Hörfunk- und Fotoaufnahmen - wie auch der Live-Übertragung - von einer Auslegung des § 22 Mediengesetz abgeht, die bislang einhellige Meinung in der juristischen Literatur und Praxis der Gerichte war.*)

Ob TV-Aufnahmen oder Übertragungen aus dem Gerichtssaal zulässig sein sollen, ist eine seit langem immer wieder diskutierte rechtspolitische Frage. Dabei stehen sich verschiedene Interessen gegenüber: auf der einen Seite vor allem der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten und der Schutz des gerichtlichen Verfahrens an sich, auf der anderen Seite das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, dem die mediale Berichterstattung dient.

Der österreichische Gesetzgeber hat sich bereits vor 35 Jahren im Mediengesetz dafür entschieden, diese Abwägung nicht den einzelnen Richter_innen zu überlassen, sondern eine klare und allgemeine Regelung zu treffen, die für alle Gerichte (und damit auch für den Verfassungsgerichtshof, siehe ausdrücklich den Ausschussbericht 439 BlgNR 25. GP 10) gilt: TV-Aufnahmen von Gerichtsverhandlungen sind - ausnahmslos - unzulässig. Es wird nach dem Gesetz auch nicht darauf abgestellt, ob im Einzelfall Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf an sich zu schützen sind oder ob etwa ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Die Bedenken wegen der nachteiligen Auswirkungen, so heißt es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2 Blg 15. GP, 36), können "nur durch ein absolutes Verbot solcher Übertragungen ausgeräumt werden."

§ 22 Mediengesetz ("Verbot von Fernseh-, Hörfunk-, Film- und Fotoaufnahmen") lautet:
Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte sind unzulässig.
Die rechtspolitische Frage wurde damit durch den Gesetzgeber eindeutig entschieden. Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit soll durch die Möglichkeit der Teilnahme von Medienvertreter_innen an der Verhandlung ausreichend gedient sein; die Berichterstattung in den audiovisuellen Medien kann auch durch Bild- und Tonaufnahmen, die vor und nach der Verhandlung aufgenommen werden, ergänzt werden. In der Verhandlung aber sind keine Kameras zuzulassen.

Das Verbot des § 22 MedienG richtet sich vor allem an den Richter/die Richterin, der/die die Verhandlung leitet, aber auch an die Medienmitarbeiter_innen und sonstige Verfahrensbeobachter_innen, die keine Aufnahmen machen dürfen, selbst wenn es vom Gericht erlaubt würde. "Allen an der Verhandlung Beteiligten [...] - und zwar auch dem Vorsitzenden selbst - ist es nicht gestattet, Ausnahmen zuzulassen", schreibt etwa Hanusch (Kommentar zum Mediengesetz, Rz 1 zu § 22).

Was ist unter einer "Verhandlung" im Sinne des § 22 MedienG zu verstehen?
Wenn nun der Verfassungsgerichtshof bei der Verkündung erstmals TV-Aufnahmen zugelassen hat, kann dies also nur an einer geänderten Auslegung des in § 22 MedienG verwendeten Begriffs der "Verhandlungen" liegen.

In der ordentlichen Justiz wurde § 22 MedienG bisher einhellig so verstanden, dass Aufnahmen (und natürlich auch Live-Übertragungen) von der gesamten Verhandlung, einschließlich der Verkündung der Entscheidung, unzulässig sind.

Das sieht auch auch die Lehre so, und zwar - für die rechtswissenschaftliche Lehre durchaus überraschend - ausnahmslos: Berka (in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Praxiskommentar MedienG, 3. Auflage, Rz 12) schreibt etwa, dass "auch Aufnahmen oder Übertragungen von der Urteilsverkündung" unzulässig sind; Rami (Wiener Kommentar zum StGB, Rz 5 zu § 22 MedienG) verweist darauf, dass § 22 MedienG für die Verhandlungen der Gerichte einen einheitlichen Begriff verwendet und sich dieser daher nicht mit den gleichlautenden Begriffen in StPO und ZPO deckt [und damit - meine Ergänzung - wohl auch nicht mit dem Verhandlungsbegriff im VfGG]; die "Verhandlung" im Sinne des § 22 MedienG, so Rami, erfasst "den gesamten Vorgang der Verhandlungssitzung, somit im Verfahren nach der StPO auch die Verkündung des Urteils".

Ähnlich sehen dies auch Brandstetter/Schmid (Kommentar zum Mediengesetz, 2. Aufl, Rz 8 zu § 22):
"Das Aufnahme- und Übertragungsverbot erstreckt sich auf die gesamte Verhandlung vom Aufruf der Sache an ... Es umfaßt auch das Plädoyer im Strafprozeß und die öffentliche Verkündung des Gerichtserkenntnisses, die im Beisein der Verfahrensbeteiligten erfolgt. Insofern ist der Begriff der Gerichtsverhandlung nicht im prozeßtechnischen Sinn zu verstehen, sondern im Sinn von öffentlicher Gerichtssitzung."
Auch Christian Broda, unter dessen Ägide als Bundesminister für Justiz das Mediengesetz entstand, teilte diese Ansicht: "Meines Erachtens umfaßt bei richtiger Gesetzesauslegung das Verbot der medialen Übertragung auch die Urteilsverkündung, obwohl dies nicht immer von den Gerichten so gehandhabt wird." Diese Aussage liegt mehr als 30 Jahre zurück (Vortrag bei der Eröffnung des Juristentages im September 1985, abgedruckt im AnwBl 1986, 107 [109]); die Praxis der Gerichte ist seither dieser Auslegung gefolgt - mit Ausnahme nun des Verfassungsgerichtshofs.

Dass Kameras auch bei der Verkündung nicht zulässig sind, sehen im Übrigen auch jene so, die sich bisher kritisch zum "absoluten Verbot" in der gesetzlichen Regelung geäußert haben. Zacharias (in ÖJZ 1996, 681 [687]) schreibt: "Während die Medienöffentlichkeit mit Mikrofon und Kamera bei der Urteilsverkündung eines Gerichtshofs öffentlichen Rechts, trotz der sowohl in Österreich wie auch in Deutschland eindeutig gegenteiligen Rechtslage, in Grundsatzfragen von öffentlichem und demokratiepolitischem Interesse eventuell noch diskutierbar erscheint, stellt sich im Strafverfahren die Lage schon ganz anders dar." (Hervorhebung hinzugefügt). Und Bammer, der (soweit ich das überblicke: als einziger) Bedenken gegen die Verfassungskonformität des ausnahmslosen Ausschlusses von Kameras äußert, schlägt vor, ähnlich der in Deutschland für das Bundesverfassungsgericht getroffenen Sonderregelung auch für den Verfassungsgerichtshof bestimmte geeignete Verfahrensabschnitte "für die elektronische Medienöffentlichkeit" zu öffnen - auch er geht dabei davon aus, dass das Verbot von Fernseh- und Hörfunkaufnahmen sich auch auf die Verkündung erstreckt (in: Österreichische Juristenkommission [Hg.], Recht und Öffentlichkeit, 116 [125]).

Die übereinstimmende Auslegung durch die (ordentlichen) Gerichte und die Lehre hat natürlich gute Gründe, etwa dass der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten bei der Verkündung eine ebenso große Rolle spielt wie in der mündlichen Verhandlung im engeren Sinne: sollen die Kameras wirklich auf Angeklagte oder Privatbeteiligte gerichtet sein, wenn sie vom Schuld- oder Freispruch erfahren - hingezoomt, um vielleicht Tränen oder andere Gefühlsaussbrüche einzufangen? Oder wenn man bedenkt, dass die Verfahrensbeteiligten "nicht zu Schauspielern degradiert werden sollen", wie Brandstetter/Schmid schreiben: das gilt natürlich in gleichem Maße für die Verkündung (und, gerade bei der Verkündung, besonders für die Richter_innen, die nicht für die Kameras Recht sprechen, sondern für die Verfahrensparteien). Da der Gesetzgeber sich gegen eine von den Richter_innen vorzunehmende Einzelfallabwägung entschieden hat, kommt es daher auch hier nicht darauf an, ob im Einzellfall etwa Erwägungen des Persönlichkeitsschutzes zum Tragen kommen.

Die Gesetzesmaterialien zu § 22 MedienG geben zur Frage, ob auch die Übertragung der Verkündung von Entscheidungen unzulässig ist, nicht viel her: die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2 BlgNR 15. GP, 36) sprechen zwar von einem "absoluten Verbot", der Justizausschuss (JAB 743 BlgNR 15. GP, 10) erweiterte die zunächst nur für Strafverfahren vorgesehene Regelung auf "alle öffentlichen Gerichtsverhandlungen" - aber eine eindeutige Festlegung, dass damit auch eine - von der mündlichen Verhandlung im engeren Sinne abgesetzte - Verkündung der gerichtlichen Entscheidung noch vom Verhandlungsbegriff des § 22 MedienG erfasst ist, findet sich darin nicht.

Was den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes letztlich dazu bewogen hat, Kameras im Gerichtssaal zuzulassen, kann man nur vermuten. Da es sich um eine Angelegenheit der Sitzungspolizei handelt, gibt es dazu keine schriftliche (oder auch mündliche) Begründung. Einen Ansatzpunkt könnte man darin finden, dass das Verfassungsgerichtshofgesetz (wie freilich zB auch die ZPO oder die StPO) einen gewissen Trennstrich zwischen der "mündlichen Verhandlung" und der Verkündung der Entscheidung ziehen: § 26 Abs 1 VfGG sieht vor, dass das Erkenntnis, wenn möglich, "sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu fällen" ist. Nach § 26 Abs 2 VfGG wird das Erkenntnis, wenn es nicht "sofort nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefällt werden kann", entweder "mündlich in einer besonderen, den Beteiligten nach Schluss der Verhandlung sofort bekanntzugebenden öffentlichen Tagsatzung verkündet" oder schriftlich bekannt gemacht wird (Hervorhebung hinzugefügt).

Zwar kann also zwischen der der mündlichen Verhandlung und der Verkündung unterschieden werden. Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob die Verkündung (nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw in einer besonderen Tagsatzung) noch zur "Verhandlung" - nicht nur im Sinne des Mediengesetzes, sondern auch des VfGG - zählt. Das VfGG verwendet nämlich die Begriffe "Verhandlung" und "mündliche Verhandlung" meist - wenn auch nicht durchgängig - differenziert: als mündliche Verhandlung könnte man damit, ähnlich wie im Zivilverfahrensrecht, jenen Teil des Verfahrens verstehen, in dem sich die dazu geladenen Verfahrensparteien an der Erörterung der Rechtssache vor Gericht beteiligen. Die Verhandlung (ohne Einschränkung auf "mündliche Verhandlung") könnte man als Überbegriff verstehen, der über die mündliche Verhandlung hinaus auch den Verfahrensabschnitt der Verkündung mit umfasst.

§ 22 MedienG betrifft, wie schon gesagt, Verhandlungen aller Gerichte. Auch für den Verfassungsgerichtshof bestehen derzeit keine besonderen Regelungen, selbst wenn dieser Gerichtshof sonst in verschiedener Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt. Die Sonderstellung zeigt sich etwa bei der Bestellung seiner Mitglieder, die auch keine Berufsrichter im Sinne des B-VG sind, vor allem aber bei der Art der ihm zur Entscheidung übertragenen Rechtssachen: der Verfassungsgerichtshof entscheidet vielfach über Angelegenheiten, die weit über den Kreis der Verfahrensparteien hinaus von Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen sind: Wahlanfechtungen, Kompetenzstreitigkeiten im Bundesstaat, Verfassungswidrigkeiten von Gesetzen und Ähnliches mehr.

Es läge daher rechtspolitisch durchaus nahe, die Frage der Zulässigkeit der TV-Übertragung von (Teilen der) Verhandlungen des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere der Verkündung, anders zu regeln als bei Verhandlungen der ordentlichen Gerichte, selbst wenn auch dort immer wieder Fälle mit besonderem öffentlichen Interesse vorkommen - man denke etwa an die Verkündung der Entscheidungen in den Strafverfahren gegen einen ehemaligen Innenminister oder einen einst mächtigen Bankvorstand (in beiden Fällen wurden natürlich von den ordentlichen Gerichten - trotz entsprechenden Andrangs - Kameras bei der Verkündung nicht zugelassen).

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über eine Wahlanfechtung unterscheidet sich wesentlich von jenen Fällen, die dem Gesetzgeber bei der Schaffung des § 22 MedienG besonders vor Augen standen: Strafsachen, in denen über Schuld und Strafe von Einzelnen entschieden wird. Im Verfahren über die Wahlanfechtung gibt es zwar auch Verfahrensparteien, deren Persönlichkeitsrechte aber - jedenfalls bei der Bundespräsidentenwahl - nur sehr eingeschränkt geschützt werden müssen. Der Verfahrensausgang betrifft über die Verfahrensparteien hinaus alle Wahlberechtigten und einen wesentlichen Aspekt des demokratischen Prozesses; insofern besteht ein ganz besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Es mag sein, dass für die Zulassung der TV-Übertragung im Hintergrund auch verfassungsrechtliche Überlegungen maßgebend waren: so könnte ein Verbot der Live-Übertragung der Verkündung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen im Lichte des Art 10 EMRK als bedenklich beurteilt und § 22 MedienG dementsprechend eingeschränkt interpretiert worden sein.

Dazu kommt aus Kommunikationssicht noch, dass der Verfassungsgerichtshof in Zeiten des "Live-Tickers" - wie er etwa bei der Verkündung des Erkenntnisses über die Vorratsdatenspeicherung (bei der es noch keine Live-Übertragung im TV gab) zum Einsatz kam - mit seiner bisher üblichen Kommunikation, insbesondere Pressegesprächen des Präsidenten, zeitlich ins Hintertreffen geraten kann: auch wenn der Präsident unmittelbar nach der Verkündung ein TV-Interview bzw. eine (allenfalls live übertragene) Pressekonferenz gibt, wäre das Ergebnis in den elektronischen Medien bereits bekannt und vielleicht von den einen oder anderen Interessierten schon mit einem gewissen "Spin" versehen, der im Nachhinein schwer wieder einzufangen ist.

Die TV-Übertragung der Erkenntnis-Verkündung zuzulassen bietet einen Ausweg aus diesem Dilemma, der im konkreten Fall vom "Publikum" - insbesondere den Medienmitarbeiter_innen, soweit dies aus diversen Glossen und Kommentaren abzulesen ist - sehr gut aufgenommen wurde. Auch wenn der Präsident des Verfassungsgerichtshofes die Verkündung nicht mit "Im Namen der Republik!" begann, sondern zuvor noch einige allgemeine Worte eher an das Fernsehpublikum als an die anwesenden Verfahrensparteien richtete**), blieb der Charakter der förmlichen Verkündung gewahrt; man hatte nicht den Eindruck, dass Verkündung und Pressekonferenz vermischt oder die Verfahrensparteien und VfGH-Mitglieder - in den Worten von Brandstetter/Schmid - "zu Schauspielern degradiert" worden wären.

Ich bin gespannt, wie der Verfassungsgerichtshof in Zukunft mit der Zulassung von Hörfunk- und Fernsehaufnahmen umgehen wird. Immerhin gab es bisher auch bei hohem Medieninteresse (zB zuletzt bei der Entscheidung über die Vorratsdatenspeicherung) noch keine Live-Fernsehbilder von der Verkündung.

Und gespannt bin ich auch, ob die Diskussion über "Kameras im Gerichtssaal" nun wieder einmal aufflammen wird. Denn die ordentlichen Gerichte werden nicht von ihrem - auch in der Literatur einhellig vertretenen - Verständnis des § 22 MedienG abgehen, wonach auch die Verkündung der gerichtlichen Entscheidung Teil der "Verhandlung" im Sinne des § 22 MedienG ist.

In Deutschland hat man, was die Medienöffentlichkeit betrifft, eine Sondernorm für das Bundesverfassungsgericht geschaffen. § 17a BVerfGG bestimmt nun, abweichend von der generellen Regelung für andere Gerichte (§ 169 Gerichtsverfassungsgesetz), dass Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen bei Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts in folgenden zwei Fällen zulässig sind:
  1. in der mündlichen Verhandlung, bis das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat,
  2. bei der öffentlichen Verkündung von Entscheidungen.
Der österreichische Gesetzgeber hat eine vergleichbare Sonderregelung für den Verfassungsgerichtshof bisher nicht vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof hat sie sich - wohl durch entsprechende einschränkende Auslegung des § 22 MedienG - de facto selbst geschaffen.

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*) In der ursprünglichen Fassung dieses Beitrags, wie sie eine knappe halbe Stunde online war, habe ich von einer erstmaligen Zulassung von TV- und Tonaufnahmen gesprochen; der Sprecher des VfGH hat mich darauf hingewiesen, dass es "seit mehr als zehn Jahren" Praxis sei, bei der Verkündung solche Aufnahmen zuzulassen - das ist allerdings mir (und nicht nur mir) tatsächlich entgangen. Ich habe den Text dementsprechend geändert. Die Live-Übertragung im Fernsehen war aber jedenfalls erstmalig.
Update 31.08.2016: mittlerweile wurde ich auch darauf hingewiesen, dass der VfGH bereits 1985 - und damit schon während der Geltung des Mediengesetzes - Aufzeichnungen im Verhandlungssaal zuließ, und zwar beim Verfahren gegen den Salzburger Landeshauptmann, der im Fernsehbeitrag auch während der Entscheidungsverkündung gezeigt wurde (nachzusehen hier auf der ORF-Website).
Und in Deutschland wurde heute ein Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren vorgestellt (Gesetzesentwurf; Pressemitteilung des Justizministeriums). Wenn dieser Entwurf Gesetz wird, werden sie Obersten Gerichtshöfe des Bundes die Übertragung von Verkündungen von Entscheidungen zulassen können. Zudem soll die Übertragung in Arbeitsräume von Medienvertretern ermöglicht werden sowie die audio-visuelle Dokumentation von Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung.

**) "Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahlen sind das Fundament unserer Demokratie. Es ist die vornehmste Pflicht des Verfassungsgerichtshofes, dieses Fundament funktionstüchtig zu halten. Die Entscheidung, die ich jetzt verkünden werde, macht niemanden zum Verlierer und niemanden zum Gewinner. Sie soll allein einem Ziel dienen, das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und damit in unsere Demokratie zu stärken."

Thursday, July 11, 2013

EuGH-Generalanwalt: Kennzeichnungspflicht entgeltlicher Veröffentlichungen mit "Anzeige" verstößt gegen UGP-Richtlinie

Generalanwalt Wathelet hat heute die Schlussanträge zu dem vom deutschen Bundesgerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-391/12 RLvS erstattet. Es geht dabei - ausgehend von einem Streit zwischen Zeitschriftenverlagen nach dem deutschen UWG - um die Frage, ob die Regelung im Landespressegesetz Baden-Württemberg, wonach entgeltliche Veröffentlichungen mit dem Wort "Anzeige" zu kennzeichnen sind, mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG, "UGP-RL") vereinbar ist.

Die UGP-Richtlinie beurteilt "als Information getarnte Werbung" zwar als irreführende Geschäftspraktik, verlangt aber keine Kennzeichnung entgeltlicher Inhalte mit einem ganz bestimmten Wort, sondern geht von einer Einzelfallbeurteilung aus: es reicht demnach, dass die Entgeltlichkeit "aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig" hervorgeht.

Der heikle Punkt in der vom EuGH zu entscheidenden Rechtssache ist daher, ob die Regelung im LPresseG BW (vergleichbare Regeln gibt es auch in anderen Landespressegesetzen) in den Anwendungsbereich der UGP-RL fällt. Da die RL grundsätzlich eine Vollharmonisierung bewirkt, sind in ihrem Anwendungsbereich strengere nationale Regelungen - wie es § 10 LPresseG BW jedenfalls schon deshalb ist, weil ein ganz bestimmtes Wort ("Anzeige") verwendet werden muss - nicht zulässig.

Generalanwalt Wathelet kommt zum Ergebnis, dass § 10 LPresseG BW, weil diese Bestimmung dem BGH zufolge "zumindest teilweise auch den Schutz der Verbraucher bezweckt", in den Anwendungsbereich der UGP-RL fällt - aber nicht in allen Fällen:
"Soweit § 10 LPresseG BW weder voraussetzt, dass die Veröffentlichung zu einem kommerziellen Zweck erfolgt, noch, dass sie geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung im Sinne des Art. 5 der Richtlinie zu veranlassen, erfasst er Umstände, die nicht systematisch in den materiellen Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Dies gilt etwa für Veröffentlichungen, die von politischen Parteien, gemeinnützigen Vereinigungen oder ähnlichen Organisationen, die keinen kommerziellen Zweck verfolgen, finanziert werden. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken gilt für diese Fälle nicht, und der nationale Gesetzgeber behält insoweit seinen Handlungsspielraum." (RNr 37 der Schlussanträge)
Der Generalanwalt schlägt daher vor, die Vorlagefrage des BGH so zu beantworten:
Die [UGP-RL] ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die – soweit sie auf Veröffentlichungen Anwendung findet, die unlautere Praktiken im Sinne des Art. 5 dieser Richtlinie darstellen – bestimmt, dass der Verleger eines periodischen Druckwerks, der für eine kommerzielle Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen hat, diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen hat, und die nicht nur die Verbraucher schützen soll, sondern noch weitere Zwecke verfolgt.

Ich habe zu diesem Vorabentscheidungsverfahren schon anlässlich des Vorlagebeschlusses des BGH einen eher ausführlichen Blogbeitrag verfasst, auf den ich hier nochmals verweisen möchte.

Die heutigen Ausführungen des Generalanwalts überzeugen mich in einem Punkt nicht:
Die UGP-RL erfasst nur Handlungen von Gewerbetreibenden gegenüber Verbrauchern. Die Kennzeichnungspflicht trifft aber das Medienunternehmen und stellt meines Erachtens - auch wenn sie (sei es bloß reflexmäßig oder auch primär) dem Verbraucherschutz dient - keine Regelung dar, die sich, was nach der UGP-RL erforderlich wäre, auf eine Geschäftspraktik "zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts" bezieht. Bestraft - oder im Ausgangsfall: von einem Konkurrenten nach dem UWG in Anspruch genommen - wird der Medienunternehmer, nicht der "ungekennzeichnet" Werbende. Es wird auch nicht dem Werbenden verboten, ohne Kennzeichnung mit "Anzeige" zu werben (für den Werbenden gilt freilich auch in Deutschland eine die UGP-RL berücksichtigende Regelung in § 3 Abs 3 (dt) UWG iVm Nr 11 des Anhangs zu dieser Bestimmung).

Folgt man allerdings de Ansicht des Generalanwalts, wonach die Regeln über die Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen in den Landespressegesetzen irreführende Geschäftspraktiken (der Medienunternehmen!) gegenüber Verbrauchern regeln wollten, dann sind solche über die UGP-RL hinausgehende Regeln jedenfalls zu streng und müssten wohl im Wesentlichen an den Wortlaut der Richtlinie angepasst werden, sofern sie nicht ohnehin in den bereits bestehenden, den Anforderungen der UGP-RL Rechnung tragenden Bestimmungen des UWG (in Östererich übrigens Z 11 des Anhangs zum UWG) aufgehen. Für strengere medienrechtliche Kennzeichnungspflichten bliebe in diesem Fall - wenn also der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen sollte - damit nur noch der Bereich jener Medien, die nicht im geschäftlichen Verkehr von Unternehmern an Verbraucher verkauft werden. Ob es sich für dieses schmale Segment aber auszahlt, weiter gehende Kennzeichnungsvorschriften in den Presse- oder Mediengesetzen vorzusehen?

In Östereich sieht § 26 Mediengesetz ohnehin keine strenge Kennzeichnungspflicht mit einem bestimmten Wort vor, sondern es reicht, wenn "Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können" - auch hier könnte man freilich die Auffassung vertreten, dass dies eine strengere Regelung ist, da die RL lediglich darauf abstellt, dass "aus dem Inhalt oder aus für den Verbraucher klar erkennbaren Bildern und Tönen eindeutig" die Entgeltlichkeit der Veröffentlichung hervorgeht.

Für audiovisuelle Mediendienste hat der Unionsgesetzgeber selbst Sondervorschriften geschaffen und in der UGP-RL auch festgehalten, dass diese Regeln (nunmehr: RL 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste) von der UGP-RL unberührt bleiben. Von der RL über audiovisuelle Mediendienste nicht erfasst ist aber der Hörfunk, für den - folgte man der Ansicht des Generalanwalts - ebenfalls keine über die UGP-RL hinausgehenden Kennzeichnunsgvorschriften für entgeltliche Veröffentlichungen festgelegt werden dürften.

Ich bin jedenfalls gespannt, ob der EuGH den Schlussanträgen, die leider nicht allzu sehr in die Tiefe gehen, auch in diesem Fall folgen wird.

Update (26.11.2013): der EuGH ist in seinem Urteil vom 17.10.2013 dem Generalanwalt diesmal nicht gefolgt und hat damit meine Bedenken hier und vor allem in meinem ersten Blogpost dazu bestätigt.
Update 09.02.2014/11.08.2014: Zum Urteil des BGH im fortgesetzten Verfahren siehe dessen Pressemitteilung vom 06.02.2014; zum Urteil im Volltext siehe auch Thomas Stadler auf Internet-Law

Tuesday, September 29, 2009

Der Medienrat: "ein zeitgemäßes, effizientes Selbstkontrollorgan" (?!)

Mit dem Ministerialentwurf zur Mediengesetz-Novelle kann man glücklich sein oder auch nicht - das Begutachtungsverfahren gibt jedenfalls Gelegenheit, die eigene Position vorzubringen. Auch der Österreichische Journalisten Club, der nach seinen Statuten ja nicht nur den Handel mit Waren aller Art betreibt, sondern auch "standespolitische Aufgaben" wahrnimmt, hat sich im Begutachtungsverfahren zu Wort gemeldet. Neben der offiziellen Stellungnahme (pdf) gegenüber dem Justizministerium wurde begleitend auch per Presseaussendung vor den Bestrebungen gewarnt, die Grundrechte auszuhöhlen.

Besonders bemerkenswert an der Stellungnahme des ÖJC ist der folgende zweite Absatz:
"Ebenso sollte ein Ministerialentwurf von der aktuellen Faktenlage ausgehen und nicht alten, nicht mehr funktionstüchtigen Strukturen 'hinter her laufen'. Wenn auf Seite 4 des Vorblattes und der Erläuterungen dem nicht mehr vorhanden Presserat 'nachgeweint' wird, so stellen wir fest, dass sich in den vergangenen Jahren eine neue, zeitgemäße Form der Selbstkontrolle der österreichischen Medien durch den Österreichischen Medienrat, den Österreichischen Ethik-Rat [gemeint wahrscheinlich: der PR-Ethik-Rat] und den Österreichischen Werberat entwickelt hat. Diese neuen, effizienten Selbstkontrollorgane decken bereits jetzt die gesamte Medienlandschaft in Österreich ab und arbeiten sehr kostengünstig und ohne Staatszuschüsse." (Links hinzugefügt)
Könnte man die mutige Behauptung, der sogenannte Medienrat sei ein "effizientes Selbstkontrollorgan", nicht vielleicht als "Missstand in der Öffentlichkeitsarbeit" ansehen und sich beim PR-Ethik-Rat darüber beschweren? Immerhin hat der ÖJC diese Behauptung ja auch in seiner Presseaussendung wiederholt.

Aber was würde bei einer solchen Beschwerde bei diesem anderen "effizienten Selbstkontrollorgan" wohl herauskommen? Vielleicht wäre es ein "dringender Anlass, die weitere Entwicklung aktiv zu beobachten"? Wer glaubt, dass diese Wortfolge frei erfunden ist, den muss ich leider enttäuschen: denn gerade gestern, 28.9.2009, hat sich der PR-Ethik-Rat neu, effizient und zeitgemäß mit dem "Fall BUWOG/Hochegger" befasst und dabei tatsächlich Folgendes mitgeteilt:

"Die bisher bekannt gewordenen Fakten und die Reaktionen der Beteiligten sind für den Rat dringender Anlass, die weitere Entwicklung aktiv zu beobachten und Hintergründe sowie Zusammenhänge zu recherchieren."
Zurück zum sogenannten Medienrat (dazu in diesem Blog bereits hier und hier):
seit Mitte Juli - genau genommen seit dieser Presseaussendung des ÖJC - warte ich gespannt auf die erste Entscheidung dieses Rats. Ganz habe ich allerdings nicht verstanden, weshalb in diesem Fall eine polizeiliche Strafverfügung (Höchststrafe € 365), gegen die man Einspruch erheben kann (dessen Abweisung 10% des Strafbetrags kosten würde), mit einer 700 Euro teuren Beschwerde beim Medienrat "bekämpft" wird; aber vielleicht ist gerade das die neue, zeitgemäße Form der Selbstkontrolle - ein Rätsel bleibt allerdings, weshalb die Polizei nun auch schon zu den Medien gerechnet wird, oder wie der Medienrat sonst das Wort "Selbstkontrolle" bei einer Beschwerde gegen polizeiliches Vorgehen rechtfertigen will.
[Update 7.10.2009: Gerald Bäck, Mitglied des Medienrats, verdanke ich die Information in den Kommentaren, dass die Eingabe des ÖJC vom Medienrat nicht behandelt wurde, weil sie nicht dessen Aufgabenbereich entsprach]

Immerhin wurde ja angekündigt, die Entscheidungen auf der Website zu veröffentlichen, und viel mehr als zwei Monate sollte das effiziente Verfahren ja nicht dauern; also sollten wir bald etwas zu lesen bekommen auf der Website, auf der bislang leider nur das Bild der Mitglieder und das Video der Pressekonferenz vom 27. Mai 2009 zu sehen sind.

PS: in der Pressaussendung vom 15. Juli 2009 teilt der ÖJC auch mit, er habe seine Anwälte (in der Sache mit der Strafverfügung) beauftragt, "eine Klage gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen des Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen die Medien- und Pressefreiheit in Österreich, zu prüfen." Die Anwälte werden sich wohl die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Herzen nehmen, die da sagt: "Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernimmt, gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten" (zB 27.5.1999, 2 Ob 224/97y).

PPS: der dritte in der Stellungnahme des ÖJC genannte Rat, der Werberat, verdient sich - auch wenn ihm derzeit der Melissa-Mann angehört - eine eingehendere und ernsthaftere Behandlung, zu der ich allerdings in absehbarer Zeit kaum kommen werde.

Tuesday, August 25, 2009

"Tatsachen, nach denen im Sozialleben in der Regel nicht gefragt zu werden pflegt ...

... und die gewöhnlich nicht spontan mitgeteilt werden", sollen in Hinkunft auch nicht mehr straffrei durch Paparazzi-Fotos oder Videos an die Öffentlichkeit gebracht werden, um die Abgebildeten bloßzustellen. Das will der vor kurzem in Begutachtung geschickte Ministerialentwurf zur Änderung des Medienrechts (Gesetzestext, Erläuterungen, Textgegenüberstellung) durch die Einführung eines neuen gerichtlichen strafbaren Tatbestandes erreichen: nach § 120a StGB soll die "Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen durch Bildaufnahmen" mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht sein. Strafbar soll sein, wer "von einem anderen in der Absicht, diesen bloßzustellen, eine Bildaufnahme herstellt, einem Dritten zugänglich macht oder veröffentlicht, die Umstände des persönlichen Lebens oder Geheimnisbereichs betrifft, an denen der Abgebildete ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (§§ 1 Abs. 1, 8 und 9 DSG 2000) hat".

Der Entwurf sieht im Übrigen vor,
  • dass der Identitätsschutz (Schutz vor der Veröffentlichungen, die zum Bekanntwerden der Identität führen) auf Angehörige von Opfern sowie von Verdächtigen und Verurteilten und weiters auch auf Zeugen von Straftaten ausgedehnt wird,
  • dass für Entschädigungsansprüche wegen Identitätsbekanntgabe von Opfern von Straftaten keine gesonderte Prüfung schutzwürdiger Interessen vorzunehmen ist,
  • dass eine Entschädigungsuntergrenze von 100 Euro eingezogen wird und eine einheitliche Obergrenze von 100.000 Euro (statt derzeit je nach Verletzung 20.000, 50.000 oder 100.000 Euro); eine Überschreiten der Höchstgrenze "auf Grund besonders schwerwiegender Auswirkungen der Veröffentlichung und eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die gebotene journalistische Sorgfalt" ist möglich;
  • dass die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen von bisher sechs Monaten auf neun Monate "nach der erstmaligen, dem Anspruch zu Grunde liegenden
    Verbreitung, Ausstrahlung oder Abrufbarkeit" verlängert wird;
  • und dass schließlich die Befugnisse von Dienststellenleitern und Verhandlungsleitern bei den Gerichten und den unabhängigen Verwaltungssenaten, die Berichterstattung durch Bild- und Tonaufnahmen und -übertragungen in Amtsgebäuden zu beschränken oder auszuschließen, konkretisiert werden.
Damit sollen die entsprechenden Ankündigungen des Regierungsprogramms (siehe dazu hier) umgesetzt werden; für die im Regierungsprogramm ebenfalls noch vorgesehene "Erstreckung der Prozessbegleitung nach der StPO auf medienrechtliche Verfahren" fehlt derzeit das Geld. Die - wie meist bei Entwürfen des Justizministeriums - ausführlichen und instruktiven Erläuterungen nehmen ausdrücklich Bezug auf die im vergangenen Jahr durchgeführte Medienrechts-Enquete im Parlament (siehe dazu hier und hier) und die insbesondere im Zusammenhang mit zwei spektakulären Kriminalfällen geführte breite Debatte. Wörtlich heißt es in den Erläuterungen:
"Im Rahmen dieser intensiven medienethischen wie medienrechtlichen Debatte wurde insbesondere einerseits eine Stärkung des medienrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, andererseits auch eine wirksame Selbstregulierung der Medien (Stichwort Presserat) gefordert. ... Trotz dieser breiten Debatte kann jedoch auch in jüngster Zeit nicht beobachtet werden, dass die persönlichkeitsverletzende Berichterstattung abgenommen hätte."
Trotz der mittlerweile auch gesetzlich vorgesehenen staatlichen Förderung der Selbstkontrolle der Presse (§ 12a Presseförderungsgesetz) fehlt ein Presserat allerdings nach wie vor in unserer Räte-Republik (bei Gelegenheit werde ich, wie schon angekündigt, auch noch auf diesen Rat zurückkommen).

Monday, February 23, 2009

PrTV-G, PrR-G und MedienG-Novellen

Der erste Schritt zur Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) ist nun getan: die Novelle zum Privatfernsehgesetz, die in Anpassung an die RL kleinere Erleichterungen für Unterbrecherwerbung, Patronanzsendungen und Teleshoppingangebote von privaten Fernsehveranstaltern bringt, ist - gemeinsam mit einer geringfügigen Anpassung des Privatradiogesetzes - am 23. Februar 2009 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2009/7) veröffentlicht worden und tritt mit 1. März 2009 in Kraft (siehe dazu die RV, die Erläuterungen und den Ausschussbericht mit dem - nur hinsichtlich des Inkrafttretenstermins - geänderten Gesetzesvorschlag). Anlässlich der Debatte im Nationalrat hat dieser auch einstimmig folgende Entschließung gefasst, die ich lieber unkommentiert lasse:
"Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, mit den Betreibern von Privatfernseh- und Privatradioanstalten in Gespräche einzutreten, um einen freiwilligen Verzicht auf Unterbrecherwerbung bei Kindersendungen und Kinderfilmen unabhängig von der Dauer zu erreichen."
Die Umsetzung der weiteren Neuerungen der AVMD-RL wird, wie die Erläuterungen zur PrTV-G-Novelle betonen, "einen intensiven Diskussionsprozess mit allen Beteiligten erfordern" (der vom Bundeskanzleramt längst begonnen wurde); das Regierungsprogramm (siehe dazu hier bzw hier) sieht die Umsetzung der RL im Jahr 2009 vor (bis 19. Dezember 2009 lässt die RL Zeit), enthält sich aber inhaltlicher Vorgaben.

Ebenfalls am 23. Februar 2009 wurde die Novelle zum Mediengesetz, mit der die Sammlung und Ablieferung periodischer elektronischer Medien geregelt wird, im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl I 2009/8; dazu schon hier; siehe weiters die RV, die Erläuterungen und den Ausschussbericht). Auch diese Novelle tritt am 1. März 2009 in Kraft.