Schaut man in den deutschen Richtlinientext, so scheint die Frage wenig Raum für Zweifel offen zu lassen, denn Schleichwerbung ist dort wörtlich so definiert (Hervorhebung hinzugefügt):
"die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marke oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Fernsehveranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt."Auch die Schleichwerbungsdefinition in Art 1 Abs 1 lit j der neuen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 2010/13/EU (AVMD-RL) entspricht im Wesentlichen dieser Definition, vor allem der letzte Satz ist wörtlich gleichlautend.
Das heutige Urteil des EuGH zeigt aber, weshalb der Συμβούλιο της Επικρατείας doch Zweifel hatte: in der griechischen Sprachfassung fehlte nämlich das Wort "insbesondere" (ιδίως)! Bemerkenswerter Weise ist dieses Wort aber in der griechischen Sprachfassung der neuen AVMD-RL nun doch zu finden, obwohl sich etwa in der deutschen, englischen und französischen Sprachfassung nichts geändert hat.
Der EuGH konnte daher - da ja alle Sprachfassungen gleichwertig sind - nicht einfach auf das Wort "insbesondere" ("in particular", "notamment", etc.) hinweisen und eine schlampige "Übersetzung" rügen, sondern musste eine Auslegung "nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung" vornehmen. Und dieser Zweck ist nach Ansicht des EuGH eindeutig: der umfassende und angemessene Schutz der Interessen der Verbraucher als Zuschauer. Wörtlich heißt es im Urteil:
"31 [Art 1 lit d d Satz 2 der RL] darf jedoch nicht eng in dem Sinne ausgelegt werden, dass eine solche Erwähnung oder Darstellung nur dann als beabsichtigt gelten kann, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.
32 Diese Auslegung ergibt sich nämlich weder aus dem Wortlaut der in dieser Bestimmung aufgestellten Vermutung noch aus der Systematik und dem Zweck der Richtlinie 89/552.
33 Eine solche Auslegung würde im Gegenteil den umfassenden und angemessenen Schutz der Fernsehzuschauer, den die Richtlinie 89/552 insbesondere durch das Verbot der Schleichwerbung in Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie sicherstellen soll, in Frage stellen und könnte darüber hinaus diesem Verbot seine praktische Wirksamkeit nehmen, da es in manchen Fällen schwierig oder gar unmöglich sein dürfte, im Zusammenhang mit einer Werbung, die alle in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils aufgeführten Merkmale einer Schleichwerbung aufweist, die Existenz eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung festzustellen.
34 Folglich stellt die Existenz eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung zwar ein Kriterium dar, anhand dessen sich die Werbeabsicht eines Fernsehveranstalters feststellen lässt, aus dem Wortlaut von Art. 1 Buchst. d der Richtlinie 89/552 sowie deren Systematik und Zweck ergibt sich jedoch, dass diese Absicht bei Fehlen eines solchen Entgelts oder einer solchen ähnlichen Gegenleistung nicht ausgeschlossen werden kann."
No comments :
Post a Comment