Tuesday, February 22, 2011

Vermischtes: Vorratsdaten, Cold Calling, "Kompetenzzentrum" Internetgesellschaft

Aktuelle Zwischenstands-Meldungen, für mehr reicht weder meine Zeit noch mein aktueller Informationsstand:

1. Vorratsdaten
Die Umsetzung der RL 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten in Österreich kommt nun offenbar doch ernsthaft in Gang: im Ministerrat wurde heute die entsprechende Regierungsvorlage für eine Novellierung des Telekommunikationsgesetzes 2003 beschlossen, in der die Verpflichtungen der Netzbetreiber für die Speicherung festgelegt werden (Ministerratskommuniqué). Zusätzlich wurden auch die Regierungsvorlagen für die korrespondierenden Novellen zur Strafprozessordnung und zum Sicherheitspolizeigesetz beschlossen, mit denen der Zugriff von Justiz und Polizei auf die Daten geregelt wird. Soweit bekannt ist, wird die Speicherdauer 6 Monate betragen, der Zugriff darf zur Aufklärung schwerer Straftaten mit einer Strafdrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe und grundsätzlich nur mit richterlicher Zustimmung erfolgen; beides mit Ausnahmen.

Der - soweit das aktuell zu überblicken ist - solideste aktuelle Medienbericht dazu ist hier auf help.orf.at zu finden (mit näheren Informationen zum Inhalt der beschlossenen Regelungen); auf andere, oft unscharfe Medienberichte und die oft eher skurrilen Presseaussendungen  gehe ich lieber nicht näher ein ("Damit wird auch einem EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich rechtzeitig vorgebeugt" heißt es - mehr als ein halbes Jahr nach der Verurteilung im Vertragsverletzungsverfahren - origineller Weise zB in dieser Presseaussendung; auch der Beschluss einer Regierungsvorlage hindert übrigens ein Vertragsverletzungsverfahren natürlich nicht).

Die im Ministerrat beschlossenen Texte sind noch nicht offiziell online verfügbar; sie werden aber in den nächsten Tagen hier auf der Website des Parlaments zu finden sein (update 23.2.2011: die Entwüre samt Erläuterungen sind nun abrufbar: TKG-Novelle, StPO- und SPG-Novelle). 

Zu den immer wieder erwähnten Hoffnungen auf erstens eine Reform der Richtlinie "in Brüssel" und zweitens eine "Anfechtung" der Richtlinie durch ein irisches Gericht ist nur knapp festzuhalten, dass die Kommission noch nicht einmal einen Entwurf für eine Änderung vorgelegt hat (sodass eine Änderung zumindest innerhalb der nächsten etwa zwei, wahrscheinlich eher drei Jahre jedenfalls so gut wie ausgeschlossen ist) und dass auch die schon lange angekündigte Vorlage des irischen High Court bis jetzt noch nicht erfolgt ist. Vor dem EuGH ist derzeit ein Verfahren anhängig, in der eine Auslegung der Vorratsdaten-RL gefragt ist: C-461/10 Bonnier Audio AB ua.

2. "Kompetenzzentrum" Internetgesellschaft
Tatsächlich gibt es nun mehr als ein Jahr nach der Gründung dieses sogenannten Kompetenzzentrums (mehr dazu hier) erstmals auch einen Ministerratsbeschluss über einen Bericht dieser Einrichtung. Auch dieser Bericht ist jedenfalls bis jetzt nicht online zu finden. Zu finden ist nur eine Presseaussendung der sogenannten "Internetoffensive Österreich" (ich verzichte hier auf die penetrante Großschreibung dieser Bezeichnung), die sich darüber freut, dass erstmals "von der Internetoffensive Östereich initiierte Maßnahmen in einem Ministerratsvortrag enthalten [sind], die eine gemeinsame Umsetzung zwischen Politik und Wirtschaft garantieren." Die Presseaussendung zählt dann auf:
"Konkret sind heute im Ministerrat folgende IKT-Projekte beschlossen worden:
* Best Practise Plattform: iktprojekte.at
* Handysignatur für jeden Bürger
* Tarifsituation im Index überprüfen
* Klimaschutz jetzt: Green ICT
* Öffentliche Verwaltung - öffentliche Daten
* Venture Capital für High-Tech-Unternehmen
* Elektronische Rechnungen an den Bund
* Unternehmensserviceportal - Phase 1
* Breitbandförderung in entlegenen Gebieten
* KIG Informationsstrategie
* Zentrale Digitale Bildungsservices
* Indexpflege
* Personenstandregister
* Förderung von innovativen Dienstleistungsprojekten mit Schwerpunkt auf dem Bereich IKT"
Die "Best Practise Plattform" ist offenbar in einer Beta-Version freigeschaltet, verantwortet wird sie laut Impressum von der Rundfunk und Telekom-Regulierungs GmbH (deren Unternehmensgegenstand übrigens falsch mit "Erfüllung der Aufgaben nach § 9 KOG" angegeben wird, wahrscheinlich hat man nicht mitbekommen, dass das KOG im letzten Jahr gravierend geändert wurde; nun sollte wohl auf § 20 KOG Bezug genommen werden, was allerdings auch nicht der gesamte Unternehmensgegenstand der RTR ist). Wieweit die Tätigkeit der RTR-GmbH als Website-Redaktionsteam zur Präsentation unter anderem finnischer Tourismusprojekte unmittelbar aus dem Kompetenzzentrumsauftrag gemäß § 20 KOG abzuleiten ist, könnte vielleicht auch noch näher untersucht werden.

Ich habe beim Bundeskanzleramt um Übermittlung des gesamten Berichts des sogenannten "Kompetenzzentrums Internetgesellschaft" ersucht, da ich mir unter anderen von der Internetoffensive Österreich verkündeten Projekten wie "Indexpflege" noch wenig vorstellen kann. Ich bin einmal gespannt, wann ich den Bericht bekomme (aber da der private "Förderverein Internetoffensive Österreich" den Bericht offenbar schon hat, sollte es wohl kein Problem sein, diesen zu veröffentlichen - update 28.02.2011: offenbar doch ein Problem: hier ist die Antwort des BKA, die sich im Wesentlichen in einem Verweis auf die RTR erschöpft).
Update 23.02.2011: Tatsächlich gibt es seit 30.12.2010 einen "Förderverein Internetoffensive Österreich" (ZVR-Zahl 741900401); im Vereinsnamen wurde offenbar auf die Großschreibung vergessen, obwohl der Vereinssitz in den Räumen der Lobbying-Agentur ist, die auch bisher die "Internetoffensive" betreut hat.

3. KSchG-Novelle zum "Cold Calling"
Dass sich der geplante Inkrafttretenstermin 1. März 2011 für die beiden Gesetzesnovellen (TKG und KSchG) zur Verbesserung des Schutzes vor unerbetenen Telefonanrufen nicht mehr ausgehen würde, war schon länger abzusehen (siehe im Blog dazu zuletzt hier), nun dürfte es sich auch mit April nicht mehr ausgehen: in der heutigen Sitzung des Konsumentenschutzausschusses des Nationalrats wurde nämlich keine Einigung über die Novelle zum KSchG erzielt (Presseaussendung des Parlaments). Was genau die Einigung verhindert hat, geht aus der Presseaussendung nicht hervor, angeblich gehe es darum, "noch einige Punkte zu präzisieren" (gut wär's, wenn es denn stimmen sollte). Nächster Anlauf im Konsumentenschutzausschuss soll am 17.03.2011 sein; es ist wohl davon auszugehen, dass auch die parallele Ergänzung des TKG 2003, die bereits im Ausschuss beschlossen wurde, bis dahin nicht dem Nationalratsplenum vorgelegt wird.

Vielleicht könnte diese Änderung dann auch gleich mit der Beschlussfassung über die TKG-Novelle zur Vorratsdatenspeicherung zusammengelegt werden. In jedem Fall sollte es nicht die letzte TKG-Novelle in nächster Zeit sein: die Umsetzung des EU-Reformpakets für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste wäre eigentlich bis 25.05.2011 erforderlich. Allerdings: den Menschen, der auf eine fristgerechte Umsetzung dieses Pakets in Österreich wetten würde, habe ich bislang nicht kennengelernt.

Die Justizministerin kündigte im Konsumentenschutz-Ausschuss übrigens die Schaffung von Straftatbeständen bezüglich "Cyber Grooming" und "Happy Slapping" an (nicht aber für "Cyber Mobbing").

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