Sunday, February 13, 2011

Vorschau: mögliche Telekom- und Rundfunkurteile des EuGH 2011

Welche interessanten Entscheidungen können wir dieses Jahr vom EuGH bzw EuG erwarten? Damit habe ich mich in meiner jährlichen "top 3 cases"-Liste für www.contentandcarrier.eu (in englischer Sprache) befasst, auf die ich einerseits einfach verweisen möchte, die ich aber andererseits heir nochmal knapp zusammenfasse:

Am kommenden Donnerstag, 17.02.2011, wird sich der EuGH wieder zu Margin Squeeze-Fragen äußern; Anlass ist das schwedische Vorabentscheidungsersuchen C-52/09 TeliaSonera Sverige. Außerdem stehen am 17.02.2011 eine Entscheidung zur Verpflichtung von Universaldienstbetreibern, Zugang zu Teilnehmerdaten zu gewähren (C-16/10 The Number and Conduit Enterprises) sowie Schlussanträge in ähnlicher Sache (C-543/09 Deutsche Telekom) auf dem Programm. Außerdem wird das Gericht (EuG) über Klagen von FIFA und UEFA gegen die belgische und britische Liste von Ereignissen mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung entscheiden (T-385/07 FIFA / Kommission, T-68/08 FIFA / Kommission, T-55/08 UEFA / Kommission.

Am 03.03.2011 wird aller Voraussicht nach Belgien wegen unzureichender Umsetzung des Art. 31 Universaldienst-RL ("must carry") verurteilt werden (C-134/10 Kommission / Belgien). Am 10.03.2011 folgen Schlussanträge im Fall C-71/10 Ofcom (Zugang zu genauen Standortdaten von Mobilfunk-Basisstationen) sowie das Urteil im Fall C-85/10 Telefónica Móviles España (Frequenznutzungsgebühren) und am 17.03.2011 die Schlussanträge in den Fällen C-431/09 Airfield und Canal Digitaal und C-432/09 Airfield zur Satelliten- und KabelweiterverbreitungsRL.

Unter den aus meiner Sicht die interessantesten Fällen, in denen im Jahr 2011 mit einer Entscheidung gerechnet werden könnte, ist zunächst ein weiterer "Margin Squeeze"-Fall, nämlich T-336/07 Telefónica /Kommission und T-398/07 Spanien/Kommission (betreffend über die Kommissionsentscheidung  COMP/38.784, Wanadoo España), in dem es immerhin um ein Bußgeld von über 151 Mio Euro geht. Der Fall ist zwar noch nicht ganz so alt wie andere beim EuG noch anhängige Fälle, aber angesichts des EuGH-Urteils in der Sache C-280/08 P Deutsche Telekom sollte hier vielleicht doch mit einer Entscheidung innerhalb von vier Jahren - also noch 2011 - gerechnet werden können.

Für Fußball- und Fernsehinteressierte stehen wohl die verbundenen Rechtssachen C-403/08 Football Association Premier League u.a. und C-429/08 Murphy im Zentrum des Interesses. Nach den zumindest aus der Sicht der englischen Premier League spektakulären Schlussanträgen von Generalanwältin Kokott ist für Spannung gesorgt - die Entscheidung des EuGH wird zeigen, ob Dienstleistungsfreiheit und Wettbewerbsrecht tatsächlich die territorialen Exklusivrechte bei Fußballübertragungen - aber nicht nur dort - zu Fall bringen können.  

Internet-Filter: Für alle Internetnutzer spannend könnte die Entscheidung im Fall C-70/10 Scarlet Extended werden, in dem es um die Zulässigkeit eines richterlichen Auftrags an einen Internet Provider geht, den gesamten Verkehr zu filtern, um mögliche Urheberrechtsverstöße zu identifizieren. Auch wenn also der Ausgangspunkt der Sache - man möchte sagen: wieder einmal - im Urheberrecht liegt, so berühren die Vorlagefragen des Brüsseler Appellationsgerichtshofs doch nicht nur zwei UrheberrechtsRL (2001/29 und 2004/48), sondern auch Datenschutz- und vor allem Grundrechtsfragen: Das vorlegende Gericht spricht Art 8 und 10 EMRK ausdrücklich an, und ich wäre überrascht, würde der EuGH nicht die Gelegenheit nutzen, ein paar grundsätzliche Aussagen zu Art. 7, 8 und 11 der Grundrechtecharta zu treffen (auch wenn sie im maßgebenden Zeitpunkt des Vorlagefalls noch nicht in Kraft war). Die mündliche Verhandlung in dieser Sache hat bereits stattgefunden, aber für eine Entscheidung noch in diesem Jahr wird es wohl doch knapp werden, zumal die Schlussanträge des Generalanwalts voraussichtlich erst gegen Mitte April vorliegen werden (update 12.03.2011: am 14.04.2011 werden die Schlussanträge veröffentlicht).

Und sollte es heuer nichts mehr werden mit diesem Fall, vielleicht geht sich stattdessen eine Entscheidung in einem der anhängigen TV-Werbungsfälle aus, insbesondere zu C-390/09 R.T.I. - Reti Televisive Italiane s.p.a, der auch Auswirkungen auf ein - inzwischen ausgesetztes - Verfahren des österreichischen Bundeskommunikationssenats hat (update 12.03.2011: das Verfahren vor dem EuGH wurde aus dem Register gestrichen, da das Ausgangsverfahren gegenstandslos wurde).

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