Sunday, February 06, 2011

Presserat und Qualität: am Beispiel der Berichterstattung über den Presserat

Der Presserat "will vor allem eines: mehr Qualität". Das schreibt die NÖN aus Anlass der Eröffnungsveranstaltung des Presserats Ende Jänner. Im selben Artikel heißt es über den Presserat weiter:
"Außerdem auf der Agenda für 2011: die schon länger geplante Evaluierung aller heimischen Medien (soll in den nächsten Monaten stattfinden), eine Regelung für Neue Medien (also: das Internet) und eine EU-Richtlinie, die auch in Österreich noch auf ihre Umsetzung wartet."
Erstens: Von einer "Evaluierung aller heimischen Medien" durch den Presserat träumt wohl nicht einmal dieser selbst (und wenn, dann wohl alb). Eine Evaluierung soll es tatsächlich geben, allerdings nicht der Medien, sondern des Presserats (dazu der Vorsitzende des Trägervereins schon hier; bei der Eröffnungsveranstaltung hat er angemerkt, dass die Evaluierung wegen des späten Starts etwas verschoben wurde).
Zweitens: eine Regelung für "Neue Medien (also: das Internet)" wurde jedenfalls bei der Eröffnungsveranstaltung nicht angekündigt und ist angesichts der Trägerorganisationen auch nicht zu erwarten.
Drittens: Mit der "EU-Richtlinie, die auch in Österreich noch auf ihre Umsetzung wartet", dürfte die RL 2003/6/EG (Martkmissbrauchs-Richtlinie) - bzw. die RL 2003/125/EG (2. Marktmissbrauchs-Durchführungsrichtlinie) - gemeint sein. Inhaltlich geht es dabei - ganz grob gesagt - unter anderem um Offenlegungsregeln für Anlageempfehlungen und die Verhinderung von Missbrauch durch Verwertung von Insiderwissen. Die RL ist umgesetzt (was zB die Wiener Zeitung in ihrem Bericht über die Presseratseröffnung halbwegs korrekt erkannt hat); Anliegen des Presserats ist allerdings seine Berücksichtigung als Selbstkontrolleinrichtung, da nach der 2. Marktmissbrauchs-DurchführungsRL ist in bestimmten Fällen eine spezifische Regelung für Journalisten dann nicht erforderlich ist, wenn diese "einer gleichwertigen angemessenen Regelung - einschließlich einer gleichwertigen angemessenen Selbstkontrolle - in den Mitgliedstaaten unterliegen". Ob der Presserat eine derartige angemessene Selbstkontrolle bewerkstelligen könnte, will ich hier nicht kommentieren; es geht jedenfalls nicht um die Umsetzung einer Richtlinie, sondern darum, dass der Presserat sich erst einmal auf eine Ergänzung seines sogenannten "Ehrenkodex" einigen müsste. Denn in seiner Verfahrensordnung gibt es zwar einen eigenen Abschnitt mit "Sondervorschriften für Verfahren betreffend Publizitätsverletzungen bei Anlageempfehlungen durch Medienmitarbeiter (RL 2003/6/EG)", aber der bezieht sich auf Verstöße "gegen Art. [*] des Ehrenkodex". Solange der/die "Art [*]" nicht ausformuliert werden, braucht man über eine allfällige Eignung des Presserats als angemessene Selbstkontrolle jedenfalls noch nicht nachzudenken.

Wenn der Presserat also wirklich vor allem einmal mehr Qualität will: bei der Berichterstattung über den Presserat gäbe es noch Optimierungspotential.

PS: Zum Presserat siehe auch eine Replik des Geschäftsführers des Presserats auf einen Presse-Artikel; er schreibt darin: "Ein weiterer großer Vorteil für die Betroffenen ist es, dass das Verfahren beim Presserat – anders als bei Gericht – kostenlos ist." Das steht so freilich sonst nirgends, jedenfalls weder auf der Website des Presserats noch in der Verfahrensordnung - eher im Gegenteil: nach § 14 Abs 3 der Verfahrensordnung hat der Presserat "in seiner Entscheidung in analoger Anwendung des § 609 ZPO über die Verpflichtung zum Kostenersatz zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegner zu entscheiden." Auch wenn vom Presserat also keine "Pauschalgebühr" erhoben wird, kostenlos ist das Verfahren für den Beschwerdeführer dennoch nicht unbedingt.

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