Monday, January 10, 2011

Cold Calling: Regierungsvorlagen für TKG- und KSchG-Novellen

Manche Vorhersagen über den Ausgang von Gesetzgebungsverfahren sind wirklich einfach: Anlässlich des Begutachtungsverfahrens zum Ministerialentwurf für ein "Bundesgesetz über Maßnahmen gegen Unerbetene Werbeanrufe, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 geändert wird" habe ich vor einem knappen halben Jahr Folgendes angemerkt: "Ich würde darauf wetten, dass zumindest das automatische Erlöschen einer Zustimmung nach drei Jahren nicht Gesetz wird." Denn der Ministerialentwurf hatte nicht nur das Erfordernis einer ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung für Werbeanrufe, sondern darüber hinaus auch das automatische Erlöschen einer solchen Zustimmung nach Ablauf von drei Jahren vorgesehen. Dass von diesen zwei Punkten in der dem Nationalrat schließlich zugeleiteten Regierungsvorlage nichts mehr zu finden ist, war wahrlich nicht schwer vorherzusehen.

Tatsächlich ist die Regierungsvorlage sehr knapp ausgefallen, an der etwas großspurigen Bezeichnung als "Bundesgesetz über Maßnahmen gegen Unerbetene Werbeanrufe" hat sich allerdings nichts geändert (man beachte vor allem den Großbuchstaben bei "Unerbetene"!). Inhaltlich beschränkt sich diese Gesetzesvorlage nun darauf, bei Werbeanrufen die Unterdrückung oder Verfälschung der Rufnummernanzeige durch den Anrufer ausdrücklich - und mit Strafandrohung - zu untersagen (ebenso untersagt ist es, den Diensteanbieter zur Unterdrückung oder Verfälschung der Rufnummernanzeige zu veranlassen), sowie den Strafrahmen für unerbetene Werbeanrufe von bisher maximal 37.000 € auf bis zu 58.000 € zu erhöhen (eine Mindeststrafe ist weiterhin nicht vorgesehen). Für den Diensteanbieter ändert sich damit nichts (die Strafnormen richten sich an den Anrufer, allenfalls käme eine Beitragstäterschaft - § 7 VStG - in Betracht, wenn er sich vorsätzlich an der Verfälschung/Unterdrückung der Rufnummer beteiligt); die Verpflichtung zur Weiterleitung einer Caller-ID für den Diensteanbieter ergibt sich schon aus § 5 KEM-V, allerdings muss dies nicht die unmittelbare Anrufernummer sein, sondern bloß "eine rückrufbare Rufnummer, an welcher der Teilnehmer das Nutzungsrecht hat" oder, wenn es diese nicht gibt, "jede den Teilnehmer identifizierende Rufnummer". Die Verletzung von Verpflichtungen aus der KEM-V ist nach § 109 Abs 1 Z 9 TKG 2003 ebenfalls strafbar, mit einem Strafrahmen bis 4.000 €.

Die Gesetzesvorlage wurde im Nationalrat bereits im Ausschuss für Forschung, Innvoation und Technologie behandelt und dort einstimmig angenommen; dass der Text in dieser Form Gesetz wird, scheint damit höchst wahrscheinlich. Es ist allerdings davon auszugehen, dass es im Plenum des Nationalrats zu einer gemeinsamen Beschlussfassung zusammen mit der Regierungsvorlage für ein Konsumentenschutzrechts-Änderungsgesetz 2011 (KSchRÄG 2011) kommen wird. Diese Regierungsvorlage ist dem Konsumentenschutzausschuss zur Beratung zugewiesen, der aber noch nicht dazu getagt hat. Der Entwurf für das KSchRÄG 2011 sieht im Wesentlichen vor, dass ein während eines unzulässigen Werbeanrufs ausgehandelter Vertrag nur gültig wird, wenn der Unternehmer dem Verbraucher innerhalb einer Woche ab dem Anruf eine Bestätigung mit den wesentlichen Vertragsinhalten entsprechend den Bestimmungen über den Fernabsatz übermittelt. Verträge über Wett- und Lotteriedienstleistungen, die bei einem unzulässigen Werbeanruf ausgehandelt wurden, sollen überhaupt nichtig sein.

Zur Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht verweist die Regierungsvorlage darauf, dass die Fernabsatz-RL 97/7/EG die im Entwurf behandelten Vertriebspraktiken nicht regelt und diese RL zudem für Verbraucher günstigere Regelungen zulässt. Das könnte sich allerdings in den nächsten Jahren ändern: der derzeit in Verhandlung stehende Richtlinienvorschlag der Kommission über Rechte der Verbraucher würde ein Ende der "Mindestharmonisierung" bedeuten (Artikel 4 des Vorschlags: "Die Mitgliedstaaten dürfen keine von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufrechterhalten oder einführen; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus.").Der Wegfall der "Mindestklausel" ist freilich eines der am heftigsten umstrittenen Themen im EU-Gesetzgebungsverfahren zur RL über Rechte der Verbraucher - und jedenfalls derzeit steht die Fernabsatz-RL dem österreichischen Vorhaben, das Verbraucherschutzniveau bei Verträgen, die bei unzulässigen Werbeanrufen zustandekommen, anzuheben, nicht entgegen.

Als Inkrafttretenstermin für die neuen Bestimmungen ist der 1. März 2011 vorgesehen.
Update 25.1.2011: Der nächste Ausschusstermin des Konsumentenschutzausschusses wurde für den 22.02.2011 festgelegt; nächster Plenartag des Nationalrats ist der 01.03.2011 - man kann also davon ausgehen, dass der Inkrafttretenstermin nach hinten verschoben wird. 

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