Der Generalanwalt setzt sich im Einzelnen mit den von der Deutschen Telekom vorgebrachten Argumenten zur konkreten Beurteilung der Preis-Kosten-Schere auseinander (RNr 42-65), nachdem zunächst (in den RNr 12 bis 41) zur komplementären Anwendbarkeit von Wettbewerbs- und Regulierungsrecht, der Frage eines allenfalls bestehenden Vertrauensschutzes (im Hinblick auf die Beurteilung durch die Regulierungsbehörde) und der Vorsätzlichkeit/Fahrlässigkeit des Wettbewerbsverstoßes behandelt. Den klaren Schlussfolgerungen des Generalanwalts ist kaum etwas hinzuzufügen; hier ein paar beispielhafte Auszüge:
"Der Umstand, dass die RegTP dem missbräuchlichen Verhalten der Rechtsmittelführerin nicht entgegengetreten ist, mag dieses Verhalten zwar in gewisser Weise veranlasst haben, jedoch entbindet dies allein die Rechtsmittelführerin noch nicht von ihrer Verantwortung aus Art. 82 EG. [...] In Randnr. 113 des angefochtenen Urteils wird zu Recht darauf hingewiesen, dass NRB wie alle staatlichen Organe gehalten sind, die Bestimmungen des EG-Vertrags zu beachten. Entscheidungen der NRB können die Kommission jedoch nicht daran hindern, in der Folgezeit tätig zu werden und nach Maßgabe der VO 17 bzw. jetzt der VO 1/2003 die Einhaltung von Art. 82 EG zu verlangen. [...] Insoweit halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, dass die deutschen Behörden ebenfalls gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen haben, wie in Randnr. 265 des angefochtenen Urteils angemerkt wird." (RNr 13)
"[Es] führt doch kein Weg daran vorbei, dass der fragliche regulatorische Rahmen die Wettbewerbsregeln des Vertrags ergänzen und ein wettbewerbliches Umfeld in einem Maße gewährleisten soll, das die Art. 81 EG und 82 EG allein nicht mit derselben Sicherheit erreichen können [...] Art. 81 EG und 82 EG müssen daher als Mindeststandard beachtet werden." (RNr 15)
"Ich halte das von der Kommission in ihren Ausführungen gewählte Bild von den zwei Schranken insoweit für recht anschaulich. Die Regulierung stellt eine der Schranken dar; sie ist beachtet, wenn die Rechtsmittelführerin die Regulierungsvorschriften einhält, und dies ist eine Frage, über die die RegTP [nun Bundesnetzagentur] befindet. Die zweite Schranke besteht in Art. 82 EG, und die gegebenenfalls erforderliche Entscheidung darüber, ob diese zweite Schranke beachtet wurde, fällt in die Zuständigkeit der betreffenden Wettbewerbsbehörde, im vorliegenden Fall der Kommission, und zwar unabhängig von der der RegTP obliegenden Verpflichtung zur Beachtung der Bestimmungen des EG-Vertrags. Auch musste der Rechtsmittelführerin klar sein, dass die Regulierung der Telekommunikation und die Anwendung von Art. 82 EG verschiedene Instrumente sind, selbst wenn beide letztlich der Förderung des Wettbewerbs dienen." (RNr 21)
"Aus den vorstehenden Überlegungen [...] folgt jedoch, dass, wenn Äußerungen der RegTP der Beurteilung durch die Kommission nicht vorgreifen können, sie auch kein berechtigtes Vertrauen der Rechtsmittelführerin darauf begründen können, die Kommission werde der Auffassung der RegTP folgen. Allein dies genügt, um einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes auszuschließen" (RNr 34)Dazu passend eine aktuelle Ankündigung der österreichischen Regulierungsbehörde: am 19. Mai 2010 findet eine Veranstaltung zum Thema "Margin Squeeze - Fragen aus der Praxis und neue Herausforderungen" statt (Programm); es referieren unter anderem Elfriede Solé (Hofrätin des OGH, Vorsitzende der TKK, und auch Verfasserin des Standardwerks "Das Verfahren vor dem Kartellgericht") und Hanno Wollmann, einer der profiliertesten österreichischen Wettbewerbsrechtler aus der Anwaltschaft.
(Hervorhebungen hinzugefügt)
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*) Bezogen nur auf das nationale Wettbewerbsrecht zuletzt Michael Potacs in seinem hier erwähnten Beitrag in der Zeitschrift Medien und Recht (wie meine im Folgeheft erschienene Replik darauf nicht online verfügbar). Nun hat Potacs auf meine Replik wiederum repliziert (Heft 1/2010); mit seiner Bekämpfung des von ihm zunächst erfundenen "Parallelitätsgrundsatzes" hat er mich freilich noch immer nicht überzeugt. In seiner Replik möglicherweise etwas irreführend scheint mir allerdings, dass er meint, ich hätte die von ihm vertretene Ansicht "als rechtspolitischen Wunsch verständlich" erachtet, sodass "zumindest im Ergebnis eine Einigung erzielt werden kann". Das ist unrichtig: ich habe den Konjunktiv verwendet ("erschiene dies als rechtspolitischer Wunsch verständlich"), um auszudrücken, dass ich seine Auffassung dann verstehen (definitiv nicht: teilen) könnte, wenn man sie als rechtspolitischen Wunsch ansähe. Da ich das jetzt hier klargestellt habe, kann ich mir eine weitere Replik sparen.
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