Showing posts with label Telekom Austria. Show all posts
Showing posts with label Telekom Austria. Show all posts

Monday, September 09, 2013

Wieder einmal aus aktuellem Anlass: zur Universaldienstverordnung

Vor knapp sieben Jahren habe ich hier meinen ersten Beitrag zur Universaldienstverordnung geschrieben. Es war ein schlichter Hinweis auf die damals gerade kundgemachte Novelle, BGBl II 2006/400, auf deren Vorgeschichte und auf die auch damals schon geäußerten Vermutungen über einen Zusammenhang mit Wahlspenden.

Vor etwa zwei Jahren brach dann der Telekom-Skandal auf und die Medien begannen, konkreter über Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Verordnungsnovelle zu berichten. Dabei wurde in manchen Berichten deutlich, dass das Verständnis für den Regelungsgegenstand der Verordnung doch ziemlich begrenzt ist. Also habe ich mich in einem weiteren Beitrag bemüht, die Universaldienstverordnung und vor allem den Hintergrund der Novelle verständlich zu machen (ich kann freilich nicht beurteilen, ob das jetzt über oder unter dem "Vorstandsniveau" war, auf auf dem der Regulierungsverantwortliche der Telekom seinem Vorstand das Thema Universaldienstverordnung erklärt hat). Rund um den Beginn des parlamentarischen Untersuchungsauschusses habe ich mich nochmals damit befasst (hier) und schließlich auch versucht, die kolportierte Größenordnung der Vorteile zu hinterfragen, die der Telekom Austria durch die Novelle entstanden sein könnten (hier). Auf das Knappste zusammengefasst: die Novelle war im Interesse der Telekom Austria, aber die kolportierten 10 Mio. €, die ihr das angeblich gebracht haben soll, lassen sich für mich nicht nachvollziehen (nähere Begründung dazu in den schon erwähnten Blogbeiträgen hier, hier und hier).

Der ORF kann offenbar nicht zwischen Verfassungs-
und Verwaltungsgerichtshof unterscheiden
Der aktuelle Anlass, aus dem ich mich nun wieder mit der Universaldienstverordnung befasse, ist aber nicht der heute fortgesetzte Strafprozess (zu dem ich mich nicht äußern werde), sondern die gestrige Pressestunde im ORF mit dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes (und ja, egal was das Insert im ORF sagt, Jabloner ist Präsident des Verwaltungs-, nicht des Verfassungsgerichtshofes). ORF-Journalist Wolfgang Wagner stellte Jabloner dabei (etwa bei 12.20 im - bis kommenden Sonntag verfügbaren - Video) folgende Frage:
"Aber bleiben wir bei dem Punkt, den die Kollegin angesprochen hat: Korruption. Also die Politik ist in wirkliches schiefes Licht gekommen, durch die Enthüllungen der vergangenen Jahre, auch jetzt wieder in den letzten Wochen neue Enthüllungen, zum Telekom-Skandal, morgen geht der Prozess weiter.
Ich möchte etwas fragen, da Sie ja den Senat im Verwaltungsgerichtshof leiten, der sich mit Fragen der Telekommunikation beschäftigt. Sie werden sicherlich, ich hab’s auch nachgesehen, in den letzten Jahren immer wieder auch Beschwerden behandelt haben von Konkurrenten der Telekom Austria, die sich irgendwo zurückgesetzt gefühlt haben. Es ist ja der Sinn zu regulieren und gleiche Marktzugänge von der Verwaltung den Marktteilnehmern zu ermöglichen. Jetzt haben Sie dort Beschwerden möglicherweise abgelehnt, die auf Grund einer Universaldienstverordnung gemacht wurden, auf die die Telekom Austria Einfluss genommen hat, wie man jetzt weiß. Die Drehscheibe, Herr Hochegger, hat das immer wieder politische Landschaftspflege genannt. Ist das für Sie ein Problem, nachträglich zu sagen, hab ich da richtig entschieden, hat sich jemand ein Gesetz, das ich dann anwenden musste, maßschneidern lassen?"
Abgesehen davon, dass die Universaldienstverordnung kein Gesetz ist (aber diese Fehlmeinung ist wohl nicht mehr wegzubekommen, gerade war das auch im Morgenjournal auf Ö1 wieder zu hören), hätte man natürlich, wenn man schon "nachgesehen" hat, auch leicht herausfinden können, dass der Verwaltungsgerichtshof noch keine Entscheidungen zur novellierten Universaldienstverordnung zu treffen hatte (das RIS ist dein Freund!). Die Sachlage war - auch das habe ich schon in den früheren Beiträgen dargestellt - vielmehr so, dass die Novelle der Universaldienstverordnung im Kern eine Reaktion des Verordnungsgebers auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes war (vom 25.2.2004, 2002/03/0273, und vom 19.12.2005, 2005/03/0200): da nach dieser Rechtsprechung eine "payphone access charge" nicht mit Zusammenschaltungsanordnungen durchgesetzt werden konnte, wurde die Möglichkeit dazu eben durch eine Änderung der Universaldienstverordnung geschaffen.

Dass Gesetze (oder Verordnungen) "maßgeschneidert" werden, kommt natürlich vor, und dass gerade im Telekombereich intensives Lobbying - aller Seiten - üblich war (und ist), war (und ist) kein Geheimnis. Angesichts der engen unionsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Telekom-Rechtsrahmens waren die Erfolge der Lobbyisten auf österreichischer Ebene aber meist überschaubar und blieben eher symbolisch oder atmosphärisch. Besonders deutlich ist das an der TKG-Novelle 2009 (BGBl I 2009/65) zu sehen. Diese Novelle basiert auf einem Initiativantrag der Abgeordneten Hakl und Gartlehner (siehe im Blog dazu hier), und natürlich kann man bestimmte Formulierungen auf Wünsche eines bestimmten Marktteilnehmers zurückführen: dass etwa bei einzelnen Regulierungsmaßnahmen "Kosten und Risiken von Investitionen" zu berücksichtigen sind, war wohl kein autonomer Einfall der Abgeordneten (oder der im Hintergrund den Text ausarbeitenden Legisten).

Dennoch ist die Bedeutung dieser Änderung marginal (falls überhaupt vorhanden), denn natürlich waren schon zuvor bei einer ordnungsgemäßen regulatorischen Kostenrechnung auch Investitionsrisken zu berücksichtigen - strittig ist ja in der Regel nur, wie diese Risken bewertet werden. "Auf Vorstandsniveau" könnten Lobbyisten solche Änderungen aber sicher als großen Erfolg ihrer Aktivitäten darstellen.

So etwas würde ich übrigens auch für die Universaldienstverordnung nicht ausschließen: dass die Änderung, selbst wenn sie nicht unmittelbar auf das Wirken der mutmaßlich beteiligten Lobbyisten zurückgehen sollte, dennoch dem Vorstand als Lobbying-Erfolg verkauft wurde (und das vielleicht noch als größerer Erfolg, als ihn die unmittelbar damit befassten Regulierungsexperten des Unternehmens wahrgenommen haben).

Monday, September 17, 2012

Der Telekom-Wisser (Geschichten aus dem U-Ausschuss)

Kann sein, dass der Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen demnächst - ich formuliere das ganz neutral - seine Arbeit beenden wird (man kann das auch etwas anders formulieren).

Natürlich wäre es interessant, auch zu den noch verbliebenen Untersuchungsgegenständen etwas zu erfahren; aus der Sicht dieses Blogs vor allem zu dem die Telekom Austria Group betreffenden Thema 1d - "die lukrative Zwischenschaltung von parteinahen Personen und Unternehmen in den Erwerb ausländischer Beteiligungen (insb. Mobiltel Bulgarien, MDC Weißrussland, Mobtel Serbien)" - sowie natürlich zu den Themen 4 und 5 (Inserate von staatsnahen Unternehmen und Organisationen sowie Inserate und Medienkooperationen von Bundesministerien). Aber vielleicht wird das ja noch schnell in ein/zwei Sitzungen erledigt ...

Auf jeden Fall aber kann man mit Interesse dem Abschlussbericht entgegensehen. Ich halte zwar die im Untersuchungsausschuss praktizierte Befragungsmethode - mit stets nach kurzer Zeit wechselnden FragestellerInnen, die thematisch "herumspringen" und auch erkennbar unterschiedliche Zielsetzungen mit der Befragung verfolgen - nicht unbedingt für den zielführendsten Weg, die relevanten Geschehnisse aufzuklären und den Sachverhalt verlässlich festzustellen. Aber man sollte wohl nicht von vornherein ausschließen, dass sich die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss doch noch zusammenfinden, um in gemeinsamer Kraftanstrengung aus den bisherigen und den allenfalls noch kommenden Aussagen der Auskunftspersonen, aus den nur den Abgeordneten vorliegenden Akten und vielleicht unter Beiziehung von Sachverständigen zu einem soliden, faktenbasierten Endbericht wenigstens zu den schon verhandelten Themen zu kommen. Am Abschlussbericht - und seiner Behandlung im Nationalrat - wird zu messen sein, wie ernst es dem Nationalrat mit dem Auftrag zur "Klärung von Korruptionsvorwürfen" wirklich war.

Bei aller Ernsthaftigkeit der Sache selbst hatte der Untersuchungsausschuss aber immer wieder auch unterhaltsame Momente - auch wenn man bei der Lektüre der Protokolle oft nicht weiß, ob man wirklich nur lachen oder sich nicht doch einfach nur gruseln soll. Ein besonderes, sagen wir: interessantes, Sittenbild lieferten zum Beispiel die Aussagen der Auskunftsperson Klaus Witttauer, MBA, Landwirt und ehemaliger FPÖ- dann "F-BZÖ"-Abgeordneter zum Nationalrat (siehe das Protokoll des U-Ausschusses vom 27.02.2012, ab Seite 3). Beim Lesen seiner Aussagen muss man sich stets vergegenwärtigen, dass Wittauer einmal Industrie- und Verkehrssprecher einer Regierungspartei war, der später auch zehn- oder hunderttausende Euro von der Telekom Austria erhalten hat, angeblich für Leistungen im Zusammenhang mit der Integration der eTel in die TA. Auf die Frage, was seine Leistung dabei war, antwortete er übrigens so (Protokoll, S. 23)
Klaus Wittauer: Meine Aufgabe war es, Konzepte zu entwickeln. Okay, geben wir einfache Geschichten: Wie kann das Festnetz ... Meine Idee war immer zu 100 Prozent Festnetz, den Rest verkaufen wir.
Wie man sieht, ist der Mann Experte, oder - wie er es nennt - "Telekom-Wisser" (Protokoll, S 22f):
Klaus Wittauer: Jeder weiß – und die Staatsanwaltschaft hat das ausführlich überprüft; inzwischen hat sie auch schon sehr viele Kenntnisse über die Telekom –, dass ich ein Telekom-Wisser bin und mich sehr intensiv auch mit der Telekom auseinandergesetzt habe. (Abg. Dr. Pilz: Dass Sie was sind?) – Wisser heißt, alles, was Telekommunikation, und alles, was jetzt – sage ich einmal – die Bedürfnisse und die Richtungen betrifft, dass ich dort sehr viel Bescheid oder doch eine große Ahnung habe.
Wieviel Ahnung er hat, zeigte er zB auch mit folgender Aussage (Protokoll, S. 30):
Jeder, der sich damit auseinandersetzt, erinnert sich ein bisschen: Davor waren die 800er-Nummern von diesen Mehrwertdingen besetzt, und dann sind alle hinübergehüpft auf die 900er-Nummern.
Ich erinnere mich da zwar "ein bisschen" anders, aber egal. Der Telekom Austria war das Wissen von Klaus Wittauer jedenfalls einiges wert - sogar die Finanzierung einer MBA-Ausbildung. Wittauer, der sich laut Wirtschaftsblatt in dieser einen Sitzung des Untersuchungsausschusses 19 mal der Aussage entschlug, wollte allen Ernstes auch die Frage, bei welcher akademischen Einrichtung er den MBA gemacht hat, unter Berufung auf § 7 der Verfahrensordnung nicht beantworten (siehe S 63f des Protokolls). Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung rechtfertigte er die Aussageverweigerung so:
Da die Telekom mir mein Studium bezahlt hat und da die Telekom gesagt hat, sie holt sich jetzt von allen möglichen Leuten das Geld zurück, stehe ich auf dem Standpunkt, ich sage nichts dazu, weil ich mich einer gewissen Gefahr aussetze
Allzu geheim blieb die "akademische Einrichtung" aber nicht; ATV-Journalist Martin Thür fand noch während der Sitzung heraus, dass es sich um eine gewisse "WWEDU World Wide Education GmbH" handelte (siehe auch diese "Ehrentafel"). Wittauers dort angenommene Masterthese "über die Synopsis der Zustände, Trends und Herausforderung für die Telekombranche am Beispiel der Telekom Austria" ist allerdings noch nicht zugänglich, da die nach § 86 Abs 2 UG 2002 verhängte "Sperrfrist" erst Ende 2013 ausläuft.* Geht man - den Ausführungen Wittauers im Untersuchungsausschuss folgend - davon aus, dass der Sperrantrag wegen der Verwendung von Firmeninterna der Telekom Austria gestellt wurde, so hätte es die Telekom Austria freilich in der Hand, Klaus Wittauer von einer diesbezüglichen Verschwiegenheitsverpflichtung schon jetzt zu befreien. Und wenn die Telekom Austria, was wohl zu erwarten ist, im Gegenzug zur Finanzierung des Studiums auch Verwertungsrechte für die Arbeit gesichert hat, dann könnte sie diese natürlich auch veröffentlichen.

Wie auch immer: ich werde nach Ablauf der Sperrfrist (also frühestens im Dezember 2013) jedenfalls versuchen, die Arbeit einzusehen. Von soviel Telekom-Wissen kann ich sicher nur profitieren.

----
*) Einem Sperrantrag ist nach dem Gesetz "stattzugeben, wenn die oder der Studierende glaubhaft macht, dass wichtige rechtliche oder wirtschaftliche Interessen der oder des Studierenden gefährdet sind." Das ist typischerweise dann der Fall, wenn im Zuge der wissenschaftlichen Arbeit vertrauliche Daten eines Unternehmens verwendet werden sollen, die nur unter der Bedingung einer entsprechenden Sperrfrist herausgegeben werden.

Thursday, February 16, 2012

"Stille Lösung": nochmals zum Deal zwischen Bundeswettbewerbsbehörde und Telekom Austria

Im Zuge der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen hat NRAbg Pilz, wie man Medienberichten entnehmen kann, zwei Ausdrucke von Mails im Zusammenhang mit einem kartellgerichtlichen Verfahren präsentiert. Ob diese Ausdrucke authentisch sind, kann ich nicht beurteilen; es fällt allerdings auf, dass niemand die Authentizität bestritten hat, insbesondere auch nicht die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die zum Sachverhalt in einer Aussendung Stellung genommen hat.

In einem dieser Mails leitet Michael Fischer, damals "Head of Public Relations" der Telekom Austria TA AG (TA), den TA-Vorstandsmitgliedern ein Mail weiter, das er mit dem Betreff "informell" an den Generaldirektor für Wettbewerb Theodor Thanner gesandt hatte. Der Wortlaut des Mails:
"Lieber Theo,
wie informell abgestimmt:
next Steps (Vorschlag) 
Informelle Abstimmung und anschl. Verhandlung für einen 'stille Lösung':

Folgende Eckpfeiler, wie kurz besprochen:
  • Eingrenzung des Sachverhalts: Störung aus Mangel von Anschalterichtlinien (muss entspechend seitens TA mit Richtern und BWB verhandelt werden)
  • keine darüberhinausgehende Begründung
  • Keine Angaben zur Dauer des Verstoßes 
  • Höhe der Strafe < 1,5 
  • keine medialen Aktivitäten 
 Alles Liebe, Michi"
In Verbindung mit einem weiteren Mail, in dem Michael Fischer darauf hinweist, dass die TA "statt 7,2 mio jetzt 1,5 bezahlt" habe, wurde in manchen Medien auch berichtet, dass "die Telekom eine Kartellstrafe der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) offenbar von 7,2 auf 1,5 Mio. Euro drücken" habe können.

Diese Unschärfe macht das per Aussendung verbreitete Dementi der BWB leicht. Denn natürlich entscheidet das Kartellgericht, nicht die BWB über die Geldbuße, und natürlich ist die Kooperation des Unternehmens, gegen das eine Geldbuße verhängt werden soll, für deren Höhe mitentscheidend.

Andererseits ist auch die Aussendung der BWB unscharf: Denn mit der in der Aussendung angesprochenen Anwendung der Kronzeugenregelung nach § 11b WettbG hat der vorliegende Fall überhaupt nichts zu tun, da es sich nicht um eine Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot nach § 1 KartG 2005 bzw Art 81 Abs 1 EGV (nun Art 101 Abs 1 AEUV) handelte, sondern um den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, also eine Zuwiderhandlung gegen § 5 KartG (Art 102 AEUV). Abgesehen davon wären auch eine weitere Bedingung für die "Kronzeugenregelung" nach § 11 Abs 3 WettbG nicht erfüllt, da die BWB nicht von der TA, sondern von der Telekom-Control-Kommission über den Sachverhalt informiert wurde, wie ich zumindest einem Mail entnehme, das ich nach langem Nachfragen vor einiger Zeit erhalten habe (mehr dazu und zum Fall überhaupt: hier).
Update 17.02.2012: Ich sollte vielleicht auch noch darauf hinweisen, dass das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als die BWB (oder der Bundeskartellanwalt) beantragt. Auch diesbezüglich ist die Aussendung der BWB also, vorsichtig ausgedrückt: missverständlich. Denn auch wenn die Geldbuße vom Kartellgericht verhängt wird, so hatte es der Generaldirektor der BWB in der Hand, durch entsprechende Antragstellung die Höhe der zu verhängenden Geldbuße jedenfalls nach oben hin zu begrenzen.

War der Deal ungewöhnlich?
Ja, aber nicht aus dem Grund, dass anstelle einer vielleicht ursprünglich von der BWB angedrohten oder beantragten Geldbuße von 7,2 Mio schließlich eine Buße von "nur" 1,5 Mio Euro wurde, und auch nicht aus dem Grund, dass eine informelle Absprache vor der Entscheidung des Kartellgerichts stattgefunden hat. Das lässt sich nämlich durchaus auch schlüssig erklären mit einer Art "plea bargaining", wie es zwar im österreichischen Kartellrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist, aber doch einem praktischen Erfordernis entspricht.

Im Wesentlichen kann man sich das so vorstellen: das Unternehmen räumt einen (kleineren) Verstoß ein, im Gegenzug wird von der BWB eine niedrige Geldbuße beantragt und allseits auf Rechtsmittel verzichtet. Damit ist allen irgendwie geholfen: das Unternehmen muss nicht mit der Unsicherheit leben, vielleicht zu einer höheren Geldbuße verurteilt zu werden, die BWB läuft nicht das Risiko, den behaupteten Verstoß im gerichtlichen Verfahren vielleicht gar nicht beweisen zu können oder aufgrund anderer Umstände (andere Rechtsansicht des Kartellgerichts, Formalprobleme o.ä.) nicht durchzudringen, und auch das Gericht erspart sich eine umfassende Beweisaufnahme und aufwändige Begründung*) sowie das Verfahren in der Instanz. Einen Grund, nach der Staatsanwaltschaft zu rufen, wie dies geradezu reflexhaft auch in diesem Zusammenhang gefordert wurde, sehe ich diesbezüglich - jedenfalls nach den (wenigen) öffentlich bekannten Umständen - nicht.

Behördliches Stillschweigen als Teil des Deals
Irritierend an der Angelegenheit ist für mich allerdings nach wie vor das Zugeständnis der BWB, ihre gesetzlich normierte Informationspflicht, ich formuliere das jetzt einmal sehr vorsichtig: zurückhaltend wahrzunehmen. Das Verständnis der getroffenen informellen Abstimmung bei der BWB war nämlich offensichtlich, dass nicht einmal die Art des vom Kartellgericht rechtskräftig festgestellten Marktmachtmissbrauchs der TA veröffentlicht werden sollte (und auch tatsächlich nicht wurde). Nun muss aber die BWB nach § 10b Abs 3 WettbG über die Entscheidungen des Kartellgerichts informieren, was üblicherweise so verstanden wird, dass sich auf der Website auch Informationen über die Art des Verstoßes, die Dauer, die betroffenen Abnehmer/Lieferanten etc. finden.

Diese Informationspflicht dient nicht zuletzt auch dazu, dass sich allenfalls vom Missbrauch (oder von einem Kartell) nachteilig betroffene Unternehmen/Kunden auch zivilrechtliche Schritte überlegen - insbesondere auch Schadenersatzforderungen stelllen - können. In diesem einen Fall aber hat die BWB selbst auf hartnäckiges Nachfragen nicht mehr verraten, als dass "bestimmte von der  Telekom Austria TA AG im Rahmen des Ausbaus ihres Telekommunikationsnetzes gesetzte Maßnahmen" Gegenstand des Verfahrens waren (mit den nun veröffentlichten Mails weiß man zumindest, dass es um das Problem der Anschalterichtlinien, also wohl um xDSL-Angebote über entbündelte Leitungen, ging).

Eine derartige "stille Lösung", wie sie hier "informell abgestimmt" wurde, kann daher für jene nachteilig sein, die am Verfahren nicht beteiligt sind, deren Interessen aber die BWB zu wahren hätte: Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, die möglicherweise vom Marktmachtmissbrauch geschädigt wurden.

PS: Eine interessante Facette, aber wohl typisch österreichisch, ist es auch, dass der Head of Public Relations die wesentlichen informellen Gespräche mit dem Generaldirektor für Wettbewerb geführt hat, wo man doch annehmen würde, das wäre etwas für die Profis aus den Rechts- oder Regulierungsabteilungen und/oder die AnwältInnen. Aber hier gab's eben offenbar eine tragfähige persönliche Verbindung ...

*) Nach dem im Kartellverfahren anwendbaren § 38 AußStrG kann übrigens die schriftliche Ausfertigung mündlich verkündeter Beschlüsse unterbleiben, wenn alle Parteien auf Rechtsmittel und schriftliche Ausfertigung verzichten; das dürfte  hier der Fall gewesen sein.

Update 20.02.2012: Perfektes Timing: am Samstag, 18. Februar 2012, wurde die "Funktion des/-r Generaldirektors/-in für Wettbewerb in der Bundeswettbewerbsbehörde" im Amtsblatt zur Wiener Zeitung ausgeschrieben (siehe Bild links, zur Vergrößerung klicken). Diesmal wird immerhin eine "mindestens fünfjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts" erwartet, außerdem (unter anderem) Fähigkeit zum Netzwerken vernetztem Denken und Verhandlungsgeschick (immerhin bringt es der Beruf mit sich, dass - siehe oben - gelegentlich "stille Lösungen"  ausgehandelt werden müssen). Bevor sich jetzt aber jemand verfrühte Hoffnungen macht, sollte ich wohl darauf hinweisen, dass eine neuerliche Ernennung (des aktuellen Funktionsinhabers) zulässig ist. Die Bewerbungsfrist endet jedenfalls am 18.03.2012.

Das Problem mit der selektiv zurückhaltenden Informationspolitik der BWB könnte übrigens demnächst gelöst werden: indem man die Veröffentlichungspflicht dem Kartellgericht überträgt, wie dies in den derzeit in Begutachtung befindlichen Entwürfen für eine Kartellgesetz-Novelle 2012 und eine Wettbewerbsgesetz-Novelle 2012 geplant ist.

Sunday, January 29, 2012

"Die Novelle brachte der Telekom 10 Millionen Euro jährlich" - wirklich?

Die Novelle zur Universaldienstverordnung, deren Entstehungsgeschichte derzeit unter anderem Gegenstand des "Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen" des Nationalrats ist, soll der Telekom Austria AG "10 Millionen Euro jährlich" gebracht haben.

So wird das in vielen Medien als - nicht weiter hinterfragte - Vermutung berichtet (zB in der Wiener Zeitung "10 Millionen soll das der Telekom jährlich gebracht haben"). Manchmal aber wird diese Zahl auch gleich als Tatsache präsentiert (etwa auf krone.at: "Die Novelle brachte der Telekom zehn Millionen Euro jährlich.", im News Nr 51/2011, S. 88: "...Verordnung so geändert, dass dies der Telekom zehn Millionen Euro pro Jahr mehr in die Kassen spült.", auf diepresse.com: "Resultat auf Telekom-Seite: zehn Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr."). Peter Pilz vermutet noch höhere Beträge (die Presse schreibt dazu: "Laut dem Ausschussmitglied Peter Pilz (Grüne) habe man sich seitens der Telekom eine Verordnung erwartet, die 40 Millionen Euro zusätzlich einbringen könnte"). Einem Reality-Check hat diese Zahlen offenbar noch niemand unterzogen. Kann es wirklich sein, dass diese Verordnungsänderung der TA zehn Millionen Euro pro Jahr gebracht hat?

Reality-Check - warum die Novelle wohl keine zehn Mio € pro Jahr gebracht hat
Dazu vorweg nochmal ein kurzer Hinweis, was die Novelle geändert hat (mehr dazu schon hier): der Telekom Austria wurde ermöglicht, den Zugang zu den kostenlosen 0800-Rufnummern und den 0810- bzw. 0820-Rufnummern (shared cost) aus den öffentlichen Sprechstellen zu sperren. Damit brach ein Großteil des Geschäfts der calling card-Anbieter weg, die vor allem günstige Auslandstarife angeboten hatten, die man nach Anwahl einer 0800-Nummer, häufig aus Sprechstellen, nutzen konnte. Wesentliche Zielgruppen dieser Angebote waren zB MigrantInnen und TouristInnen, die keinen Festnetzanschluss nutzen konnten und denen die Handy-Tarife für Auslandstelefonate zu hoch waren.

Das Telefoniegeschäft mit den öffentlichen Sprechstellen war aber schon vor dem verstärkten Aufkommen der Calling Cards durch die rasant zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen deutlich unter Druck gekommen. Hier die Zahlen aus den Geschäftsberichten der Telekom Austria, die in den Jahren 2002 bis 2008 jeweils die Umsatzerlöse aus öffentlichen Sprechstellen und Mehrwertdiensten (gemeinsam) ausgewiesen hat:

2002: 67,1 Mio €
2003: 57,8 Mio €
2004: 52,6 Mio €
2005: 48,1 Mio €
2006: 44,9 Mio €
2007: 46,7 Mio €
2008: 41,2 Mio €


Ab dem Jahr 2009 wurden diese Umsätze offenbar so gering, dass die Telekom Austria auf eine gesonderte Ausweisung dieser Umsatzerlöse verzichtete und sie unter die "sonstigen Umsatzerlöse" packte. Zur Erklärung dieser Entwicklungen gibt es in den österreichischen Geschäftsberichten der TA nur recht dürftige Angaben:
"Der Rückgang der Erlöse aus öffentlichen Sprechstellen und Mehrwertdiensten ist eine Folge der rückläufigen Nutzung öffentlicher Sprechstellen." [Geschäftsbericht 2004]
"Höhere Umsätze aus Mehrwertdiensten konnten die geringere Nutzung von öffentlichen Sprechstellen nicht ausgleichen" [Geschäftsbericht 2005]
"Höhere Umsätze aus Mehrwertdiensten konnten die geringere Nutzung und Anzahl von öffentlichen Sprechstellen nicht ausgleichen" [Geschäftsbericht 2006]
"Weiters wurde nun auch in Österreich die rechtliche Grundlage für die Payphone Access Charge geschaffen, wodurch Telekom Austria berechtigt ist, für Anrufe zu 0800-Nummern über öffentliche Sprechstellen ein Entgelt an die alternativen Betreiber zu verrechnen." [Geschäftsbericht 2006]
"Im Geschäft mit öffentlichen Sprechstellen und Mehrwertdiensten stiegen die Umsätze infolge einer neuen Tarifstruktur für öffentliche Sprechstellen und des Absatzes von Wertkarten und von Mehrwertdienstleistungen, die beispielsweise für Fernsehsendungen oder Gewinnspielplattformen angeboten werden, um 4,0% auf 46,7 Mio. EUR." [Geschäftsbericht 2007]
"Die unter der Position öffentliche Sprechstellen und Mehrwertdienste erfassten Umsatzerlöse gingen um 11,8% auf 41,2 Mio. EUR zurück." [Geschäftsbericht 2008
Etwas besser dokumentiert ist die Situation in den aufgrund des damaligen Listings in New York erforderlichen Filings mit der amerikanischen Börsenaufsicht (Hervorhebung jeweils hinzugefügt):
Public payphone services and value added services
In 2004, the revenues from our public payphone and VAS decreased by 22.1% to EUR 52.6 million from EUR 67.5 million in 2003. The revenues from public payphones declined due to falling demand primarily as a result of the high mobile penetration rate. Neither the further roll-out of more attractive public multimedia stations providing access to internet, e-mail, video telephony and various other multimedia services in 2004 nor the increase in VAS from event based premium rate services traffic could offset this decline. [Quelle]
Public payphone services and value added services
In 2005 the revenues from our public payphone and VAS decreased by 8.5% to EUR 48.1 million from EUR 52.6 million in 2004. The revenues from public payphones declined due to an increased number of calls with prepaid calling cards of other providers, usable at public payphones, resulting in an decrease in charged minutes. Neither the further roll-out of public multimedia stations providing access to internet, e-mail, video telephony and various other multimedia services in 2005 nor the slight increase in VAS from calling cards could offset this decline.[Quelle]
Public payphone services and value added services
In 2006 the revenues from our public payphone and VAS decreased by 6.7% to EUR 44.9 million from EUR 48.1 million in 2005. The revenues from public payphones declined due to the decreasing usage of public payphones and an increased number of calls with prepaid calling cards of other providers, usable at public payphones, resulting in a decrease in charged minutes. Since November 2006, Telekom Austria is entitled by law to charge a Payphone Access Charge (contribution to payphone infrastructure) from operators that offer calling card services. The slight increase in VAS from event based and voting line calls could not offset this decline. [Quelle
Zusammenfassend: 
Folgt man den in Österreich publizierten Geschäftsberichten der TA, so war der Rückgang der Umsatzerlöse aus öffentlichen Sprechstellen schlicht eine Folge der "rückläufigen Nutzung", teilweise auch der "geringeren Anzahl" der Sprechstellen, von calling cards ist in diesen Berichten nicht die Rede. Nach den Filings mit der SEC waren die hohe Mobilpenetration, die geringere Nutzung und (auch, aber nicht nur!) der Anstieg der Anrufe über calling cards ursächlich für den Rückgang der Erlöse. In den - im Hinblick auf die Nutzung der calling cards interessanten - Jahren 2005 und 2006 sanken die Erlöse aus dem Segment Sprechstellen und Mehrwertdienste um 7,7 Mio €. Auch wenn man einen Anstieg bei den Mehrwertdiensten annimmt, waren das insgesamt (über zwei Jahre verteilt!) wohl kaum zehn Millionen Euro. Schaut man sich dann die Jahre 2007 und 2008 an (also jene Jahre, in denen die geänderte UDV voll wirksam wurde), sieht man einen kurzen Anstieg von 2006 auf 2007 um 1,8 Mio € und im folgenden Jahr einen Abstieg um 5,5 Mio €. Selbst wenn man realistischerweise annimmt, dass ohne Änderung der UDV der Rückgang noch deutlicher gewesen wäre: dass in diesem Geschäftssegment Jahr für Jahr zehn Millionen Euro für die TA an Mehrerlös oder "Ersparnis"allein aufgrund der UDV-Novelle zu erzielen gewesen wären, ist angesichts dieser Zahlen höchst unwahrscheinlich.

All das schließt freilich nicht aus, dass für die Änderung dieser Verordnung (oder, aus meiner Sicht viel wahrscheinlicher, aus manchen anderen Gründen) Geld in dunkle Kanäle geflossen sein könnte (bei dieser Gelegenheit ist anzumerken, dass die Transparenz der Parteienfinanzierung in Österreich nicht den europäischen Standards entspricht, wie zuletzt mit dem vernichtenden GRECO-Bericht eindrucksvoll belegt wurde).

Es ist auch nicht auszuschließen, dass innerhalb - und teilweise vielleicht auch außerhalb - der TA die Bedeutung der UDV-Novelle (oder anderer Rechtsänderungen oder Regulierungs- bzw Personalentscheidungen) etwas überzeichnet dargestellt wurde, um die diesbezüglichen Leistungen der beschäftigten Lobbyisten herauszustreichen oder für deren Notwendigkeit zu argumentieren. Ex-TA-Vorstand Rudolf Fischer etwa ist erkennbar bemüht, die unter seiner Verantwortung getätigten beträchtlichen Aufwendungen für "Lobbying" (in sehr weit verstandenem Sinne) durch die seiner Ansicht nach dadurch erzielten Erfolge zu rechtfertigen. So sagte er in einem News-Interview (News Nr. 36/2011, S. 36) auf die Frage, was die UDV-Novelle der TA gebracht habe: "Heute heißt es, es wären rund zehn Millionen Euro gewesen. Das kann stimmen."

Das kann stimmen heißt natürlich nicht: "das stimmt".

Das "Kommunikationsbarometer" im Untersuchungsausschuss

Der "Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen" des Nationalrats hat am 26.01.2012 die ersten Auskunftspersonen einvernommen. Beweisthema war vor allem die Änderung der Universaldienstverordnung im Jahr 2006, was mich schon insofern fast interessieren muss, als gerade diese Novelle Thema des ersten inhaltlichen Beitrags in diesem am 26.10.2006 begonnenen Blog war. Dann war es fast fünf Jahre ruhig um diese Verordnung, bis im vergangenen August (wieder) Korruptionsvorwürfe in diesem Zusammenhang geäußert wurden. Nun nimmt sich also der Untersuchungsausschuss dieser Vorwürfe an. Von mir dazu drei Anmerkungen (eine weitere Anmerkung folgt im nächsten Beitrag):

Erstens: Gesetzeskauf?
Zunächst: die Universaldienstverordnung ist kein Gesetz, jedenfalls nicht im herkömmlichen österreichischen juristischen Sprachgebrauch, nach dem Gesetze in einem parlamentarischen Verfahren beschlossen werden, und es sich bei Verordnungen um ausführende Rechtsvorschriften handelt, die von Verwaltungsorganen wie zB einem Minister auf der Grundlage von Gesetzen erlassen werden. Ich weiß schon, dass es vereinzelt Verordnungen auf Gesetzesstufe gibt, dass man auch Verordnungen als Gesetz im materiellen Sinne verstehen kann, und dass es schließlich EU-Verordnungen gibt, die nicht nur unmittelbar bindend sind, sondern auch in einem teilweise parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden. Dennoch sollte man bei der Erörterung von Korruptionsvorwürfen meines Erachtens danach unterscheiden, ob jene Rechtsvorschriften, deren Inhalt durch Lobbying (oder allenfalls eben auch durch Korruption) beeinflusst wurde (oder werden sollte), von einem Minister ohne Befassung des Nationalrats beschlossen werden konnten, oder ob das Parlament mitgewirkt hat. Bei der Universaldienstverordnung jedenfalls war der Nationalrat nicht beteiligt, um einen "Gesetzeskauf", wie in den Medien häufig geschrieben, geht es daher nicht.

Sehr verwundert war ich von der allenthalben um sich greifenden Aufregung darüber, dass ein großes Unternehmen Textvorschläge für Rechtstexte vorlegt, die schließlich auch übernommen werden. Im konkreten Fall ging es zudem nur um die Worte "und der Rufnummernbereiche 0800, 0810 und 0820", also nicht um einen besonders anspruchsvollen oder schwierig zu gestaltenden Text. Außerdem ist jedenfalls mir nicht klar, was wirklich der TA-Textvorschlag war, da im Untersuchungsausschuss angesprochen wurde, dass der Vorschlag, auch 0810 und 0820 aufzunehmen, von der RTR gekommen sein soll, bzw dass die TA auch den Rufnummernbereich 0900 habe ausnehmen wollen - beides sind freilich eher Randfragen, im Kern ging es um die über 0800-Rufnummern erreichbaren calling cards [update 30.01.2012: nun ist das Protokoll der U-Ausschuss-Sitzung vom 26.01.2012 verfügbar, da kann man die Aussagen der Auskunftspersonen im Wortlaut nachlesen]. BZÖ-NRAbg Petzner meint zudem, das BMVIT habe gegenüber dem TA-Text eine "entscheidende Einschränkung" getroffen, nämlich die Worte "so weit dies technisch möglich ist" hinzugefügt; das ist insofern falsch, als sich diese Einschränkung erstens auf den ungehinderten Zugang zu allen Rufnummernbereichen bezieht, der nur "so weit dies technisch möglich ist" zu gewährleisten ist, und zweitens diese Einschränkung schon seit der Novelle BGBl II 2000/173 besteht und bei der Novelle 2006 nur aus Gründen der Übersichtlichkeit - Neufassung der gesamten Ziffer 4 des § 23 Abs 1 UDV - wieder im Novellentext aufscheint.

Die entscheidende Frage ist doch, warum der Minister beschlossen hat, dem Wunsch der TA nach dieser Novelle nachzukommen, nicht aber, wer schließlich die paar Worte formuliert hat. Wesentlich ist: war der Minister überzeugt, dass der TA-Wunsch inhaltlich berechtigt war, oder wurde seiner Überzeugung durch (in Aussicht gestellte) finanzielle Zuwendungen, von wem und an wen auch immer, nachgeholfen? Oder, falls er inhaltlich ohnehin überzeugt war, zeigte man sich vielleicht im Nachhinein für seine Überzeugung irgendwie erkenntlich?

Wer den Text verfasst hat, ist im konkreten Fall schon deshalb vollkommen irrelevant, weil ohnehin klar ist, dass es inhaltlich um die Umsetzung eines Wunsches der TA ging. Für sich muss das auch nicht schlecht sein: es gibt häufig Gesetzes- oder Verordnungsänderungen, weil sich bestehende Regelungen - oft aus Gründen, mit denen man bei der ursprünglichen Normsetzung nicht rechnen konnte oder jedenfalls nicht gerechnet hat - als nachteilig für bestimmte Unternehmen erweisen. In solchen Fällen ist es durchaus angebracht, die Vorschriften zu ändern, sofern dies ohne Beeinträchtigung öffentlicher Interessen möglich ist und gegenläufige private Interessen (zB anderer betroffener Unternehmen oder von BürgerInnen etc.) als politisch nicht wesentlich beurteilt werden.

Dass betroffene Unternehmen, deren Interessenvertreter und Lobbyisten nicht nur allgemeine Wünsche äußern, sondern konkret darlegen, wie diese Wünsche in Rechtsvorschriften zu fassen wären, ist weder neu noch ungewöhnlich; es betrifft auch nicht nur die Ministerialebene (wo die meisten Rechtstexte formuliert werden), sondern natürlich auch die parlamentarische Ebene. Im Telekombereich sollten die Abgeordneten, die sich nun im Untersuchungsausschuss über die Vorschläge von der TA wundern, vielleicht einmal ihre für Telekomsachen fachzuständigen KollegInnen fragen, ob sie nicht den einen oder anderen "fachlichen Input" von der TA wie auch von anderen Unternehmen bekommen haben. Nicht immer führen diese Vorschläge tatsächlich zu Gesetzen, aber wie das hier gezeigte ältere Beispiel zeigt, ist es nicht ungewöhnlich, dass die TA Abänderungen, die sie sich im Gesetzgebungsprozess wünscht, fertig vorformuliert den Abgeordneten zur Verfügung stellt (ich habe das Beispiel hier schon mal erwähnt).

Ein untrügliches Zeichen, dass der Text vom Unternehmen selbst oder von Lobbyisten stammt, ist es übrigens, wenn er legistisch mangelhaft ist und mehr atmosphärisch zur Beruhigung der Unternehmensspitze dient als zu einer materiell entscheidenden Rechtsänderung (Beispiele dafür wären etwa die demonstrative Erwähnung von "Kosten und Risken" in § 1 Abs 2 Z 2 lit c und § 42 Abs 2 TKG 2003 in der Fassung dieses Initiativantrags [mehr dazu hier] oder § 42 Abs 1 TKG 2003 in der Fassung der jüngsten Novelle [dazu hier]).

Nochmal: entscheidend ist nicht, wer einen Verordnungs- oder Gesetzestext schreibt. Entscheidend ist vielmehr, wer und aus welchen Gründen den Rechtstext in der jeweiligen Fassung beschließt.


Zweitens: im Behörden-Wirrwarr
Da ich die Betroffenen persönlich kenne, andererseits aber im Untersuchungsausschuss natürlich nicht dabei war, will ich weder die - in den Medien berichteten - Aussagen der am 26. Jänner vernommenen Auskunftspersonen kommentieren, noch das überraschende Fernbleiben des Geschäftsführers für den Fachbereich Telekom und Post der RTR, der als erste Auskunftsperson hätte aussagen sollen. Dabei fiel aber wieder auf, wie unübersichtlich die Konstruktion der Telekom-Regulierungsbehörden nicht nur für die JournalistInnen, sondern auch für die Abgeordneten ist.

Denn der Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Telekom und Post, Dr. Georg Serentschy, ist natürlich "nicht irgendwer", insoweit stimme ich dem im Standard zitierten Justizsprecher der SPÖ zu. Aber er ist deshalb nicht auch gleich "Chef einer Behörde mit richterlichem Einschlag." Die in diesem Zusammenhang relevante "Behörde mit richterlichem Einschlag" wäre nämlich die Telekom-Control-Kommission, der Serentschy nicht nur nicht vorsteht (und auch gar nicht angehört), sondern der er vielmehr weisungsunterworfen ist. Serentschy ist daher auch nicht "Hüter der Telefonietarife", dessen Behörde "die Zusammenschaltungsentgelte die Netzanbieter untereinander festlegt" und regelt, "wie viel einander die Anbieter beim Universaldienst zahlen" (wie das zB orf.at schreibt); die dafür zuständige Behörde ist nämlich wiederum die Telekom-Control-Kommission, die sich dabei von der RTR als ihrem Hilfsorgan unterstützen lässt. Dass in der Praxis die tägliche Arbeit in der RTR geschieht, ändert nichts daran, dass die wesentlichen Entscheidungen von der Telekom-Control-Kommission getroffen werden.


Drittens: das Kommunikationsbarometer
Im ersten Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses vom 18.11.2011 wurden auch verschiedene Behörden - darunter die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) - zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert. Ganz sicher, was sie dabei sehen wollten, waren sich die Abgeordneten wohl nicht, denn es wurden zB Akten "betreffend eines Antrages der Telekom Austria hinsichtlich eines Verfahrens zur Änderung der sogenannten 'Zusammenschaltungsanordnung' [...]" angefordert. Solche Zusammenschaltungsanordnungen gab es allerdings zahlreich, gemeint sind wohl die Verfahren Z 8-11/04 (Bescheid), mit denen im zweiten Anlauf eine Payphone Access Charge eingeführt werden sollte (siehe dazu das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes). Wenn man ganz genau sein wollte, geht es dabei übrigens nicht nur um Akten der RTR, sondern ganz wesentlich auch der Telekom-Control-Kommission, die ja - siehe schon die obige Anmerkung - entscheidende Behörde ist.

Und schließlich sollte die RTR auch Aktenstücke zur "Verordnung, mit der Bestimmungen für Kommunikationsbarometer" festgelegt werden, vorlegen. Das dürfte ist ein klassischer Diktatfehler sein, denn richtig heißt es natürlich "Kommunikationsparameter".

Aber vielleicht wäre es auch ganz gut, im Untersuchungsausschuss ein Kommunikationsbarometer aufzustellen, um das Verhandlungsklima zu beobachten.

Thursday, September 08, 2011

Wie beeinflusst man die Besetzung des Regulators? "Da sollten Sie Hochegger fragen"

Die Presseaussendung von News über ein Interview mit dem früheren Telekom Austria Vorstand Rudolf Fischer hat mich neugierig gemacht, denn dort stand unter anderem: "Hochegger hatte laut Fischer im Sinne der Telekom die Besetzung von regulatorisch wichtigen Posten ebenso beeinflusst wie die Umsetzung von Telekom-Verordnungen und öffentliche Ausschreibungen."

Also habe ich mir das Print-News gekauft und nachgelesen. Hier drei Zitate, zuerst zur Frage, wie man die Wert der Leistungen Hocheggers definieren könne. Dazu sagt Fischer:
Fischer: [...] Als Beispiel: EU-Verordnungen können früher oder später, sehr streng oder sehr großzügig angewendet werden. Für ein Unternehmen wie die Telekom kann so ein Unterschied zig Millionen ausmachen.
NEWS: Wie schafft man eine freundliche Umsetzung?
Fischer : Das ist Sache des Lobbyisten. 
Zweitens zu den Aufträgen allgemein:
Fischer: ... Es gab drei Aufträge im Zusammenhang mit der Akquisition von eTel, ... Es gab Aufträge bei der Besetzung von Posten, die für die Telekom relevant waren, wobei in zwei Fällen Kandidaten der Telekom nicht zum Zug kamen.
News: Sie haben die Besetzung außerhalb der Telekom beeinflusst? Das wäre ja absurd, wenn die Telekom beispielsweise ihren Mann als Regulator durchsetzt.
Fischer: Nein, einen Mann der Telekom dorthin zu setzen ist illusorisch. Aber aus Sicht der Telekom sollte jemand diese Position innehaben, der die Telekommunikation versteht. Er sollte Entscheidungen aufgrund von Wirtschaftlichkeiten treffen und nicht komplett gegen den Exmonopolisten eingestellt sein.
NEWS: Wie beeinflusst man so eine Besetzung?
Fischer: Da sollten Sie Hochegger fragen.
Drittens zur Beeinflussung von Vergabeverfahren:
NEWS: Welche großen Aufträge gab es noch?
Fischer: Einer betraf die Ausschreibung der Telefonie im Bund. Wenn die Ausschreibung so erfolgt wäre wie ursprünglich geplant, hätte die Telekom den Großkunden Bund verloren. Dies, weil die Preise für uns reguliert waren. Jeder alternative Netzbetreiber hätte uns unterbieten können. Im Endeffekt wurden andere Punkte wie die moderne IP-Telefonie und einheitliche Nummern berücksichtigt, und so konnten wir den Bund als Großkunden behalten.
All das heißt noch nicht, dass - zumindest seitens der Vertreter der Telekom Austria oder ihrer Lobbyisten - irgendetwas Illegales geschehen wäre. Aber für einen allfälligen parlamentarischen Untersuchungsausschuss könnten sich doch einige Fragen stellen, denn immerhin erzählt hier ein früheres Vorstandsmitglied eines börsenotierten Unternehmens, wie  - seiner Erinnerung nach - dieses Unternehmen ganz wesentliche Entscheidungen der Politik und Verwaltung beeinflusst hat. Es müsste wohl im Interesse der Politik liegen, hier aufzuklären, wie (unter anderem) die hier angesprochenen Entscheidungen tatsächlich gelaufen sind, welche Erwägungen also zum Beispiel wirklich für die konkrete Ausschreibung der Telefonie des Bundes wesentlich waren (und wie es sein kann, dass ein Unternehmen, das am Vergabeverfahren teilnehmen möchte, die geplanten Ausschreibungsbedingungen kennt - und deren grundlegende Änderung erreichen kann).

Auf der Agenda des Untersuchungsausschusses müssten sich schon nach diesem Interview daher wohl zumindest auch folgende Themen finden:
  1. Zur "Anwendung von EU-Verordnungen"*: welche Umsetzungs- oder Anwendungsmaßnahmen hinsichtlich von EU-Rechtsvorschriften im Bereich der Telekommunikation wurden im Auftrag der Telekom Austria beeinflusst, wer waren die für die Umsetzung/Anwendung verantwortlichen Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung? 
  2. Welche Entscheidungen in Politik und Verwaltung waren im Zusammenhang mit dem Erwerb der eTel (Zusammenschluss) zu treffen und wie wurde allenfalls versucht, diese zu beeinflussen? (wir erinnern uns, dass angeblich der damalige Telekomsprecher der FPÖ für die "Integration der eTel in die Telekom Austria AG" 432.000 € erhalten haben soll, ohne dass jetzt auf den ersten Blick klar wäre, welche Leistungen hier von ihm wirklich erbracht wurden) 
  3. Welche Stellenbesetzungen im öffentlichen Bereich wurden von der Telekom Austria - und in ihrem Auftrag von Hochegger - zu beeinflussen versucht?** 
  4. Welche Ausschreibungen, an denen die Telekom Austria AG teilgenommen hatte oder Teilnahmeinteresse hatte, wurden im Vorfeld allenfalls mit Vertretern/Lobbyisten des Unternehmens erörtert und möglicherweise danach modifiziert?
*) ich gehe nicht davon aus, dass Fischer zwischen Verordnungen und Richtlinien unterscheiden kann, wo er doch zuletzt betont hat, Techniker zu sein und - für ein Vorstandsmitglied eines börsennotierten Unternehmens doch irgendwie bemerkenswert - nicht einmal gewusst zu haben, was Untreue rechtlich ist. An "EU-Verordnungen" käme die Roaming-Verordnung und die mittlerweile außer Kraft getretene Entbündelungsverordnung in Betracht; ich würde aber annehmen, dass Fischer zumindest auch an die Umsetzung des neuen Rechtsrahmens 2002/2003 gedacht hat.
**) Interessant finde ich, dass gerade Fischer - wie wir wissen: Techniker - die wirtschaftliche Qualifikation des früheren Chefs der Telekom-Regulierungsbehörde - eines habilitierten Ökonomen - massiv in Zweifel gezogen hat und auch jetzt davon spricht, dass es um "Wirtschaftlichkeiten" gehen solle.

Wednesday, August 24, 2011

Aus aktuellem Anlass: zur Universaldienstverordnung

Mit den heutigen Berichten von News (ots-Aussendung) über den Korruptionsverdacht gegen Ex-Vizekanzler Gorbach im Zusammenhang mit der Novelle zur Universaldienstverordnung im Jahr 2006 ist die Existenz diese Verordnung wohl erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.

Liest man die Presseberichte - auch und insbesondere die Originalgeschichte im Print-News - könnte man vom Inhalt dieser Verordnung allerdings einen falschen Eindruck bekommen. So schreibt News wörtlich: "In dieser Universaldienstverordnung wird geregelt, was sich die verschiedenen Telekomunternehmen untereinander für diverse Dienste und Services wie beispielsweise Vermittlungs- oder Leitungsgebühren bezahlen."

Bei allem Verständnis für journalistisch notwendige Verknappung: das ist nicht ungenau oder verkürzt, sondern schlicht und einfach einfach vollkommen falsch. Daher hier ein kurzer Überblick, worum es bei der Universaldienstverordnung geht.

1. Universaldienst (in der Telekommunikation)
ist nach § 26 TKG 2003 "ein Mindestangebot an öffentlichen Diensten, zu denen alle Endnutzer unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben müssen". Er umfasst (unter anderem) den "Zugang zum öffentlichen Telefondienst über einen an einem festen Standort realisierten Anschluss" und "die flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen an allgemein und jederzeit zugänglichen Standorten." Zur Erbringung des Universaldienstes ist - derzeit noch (mit der TKG-Novelle 2011 wird das fallen) - die A1 Telekom Austria AG verpflichtet. Für die "nachweislich aufgelaufenen Kosten des Universaldienstes, die trotz wirtschaftlicher Betriebsführung nicht hereingebracht werden können", kann die A1 TA einen finanziellen Ausgleich von anderen Telekomunternehmen ansprechen (§ 31 TKG 2003; in der Praxis erfolgten privatrechtliche Einigungen über diesen Ausgleich). Vereinfacht zusammengefasst: das TKG soll garantieren, dass jeder in Österreich einen Festnetzanschluss bekommen kann und dass genügend Telefonzellen zur Verfügung stehen. Und damit bei der Erbringung dieser Leistungen nicht an der Qualität gespart wird, kann die Verkehrsministerin gemäß § 27 TKG 2003 mit Verordnung Qualitätskriterien und Zielwerte für den Universaldienst festlegen.

2. Die Universaldienstverordnung
findet ihre Grundlage (nun) in § 27 TKG 2003 (bei ihrer Erlassung § 25 TKG); sie regelt entsprechend ihrer gesetzlichen Grundlage Qualitätskriterien und Zielwerte, also zB wie lange die Frist für die Bereitstellung eines Anschlusses oder für die Behebung einer Störung sein darf  (zB § 8 Abs 1: "90% der Störungen müssen an Arbeitstagen innerhalb von 24 Stunden behoben werden."), oder wie man die Sprachübertragungsqualität ermittelt ("durch jährliche, nach anerkannten sozialwissenschaftlichen Methoden durchzuführende, repräsentative Benutzerbefragungen"; dabei ist ein MOS - Mean Opinion Score - "nach der folgenden Formel zu berechnen: I = (4xpe) + (3xpg) + (2xpf) + pp" - meine Lieblingsstelle in der Verordnung).

§ 23 der Verordnung regelt die "Mindestausstattung öffentlicher Sprechstellen" (aka Telefonzellen). Demnach sind bestimmte Mindestfunktionalitäten bereitzustellen, wie zB kostenloser und ungehinderter Zugang zu sämtlichen Notrufdiensten und - jetzt wird es spannend - :
"ungehinderter Zugang zu sämtlichen Rufnummernbereichen mit Ausnahme des Rufnummernbereiches für öffentliche Verbindungsnetze, soweit dies technisch möglich ist, und der Rufnummernbereiche 0800, 0810 und 0820"
Mit anderen Worten: aus jeder Telefonzelle muss man grundsätzlich alle Rufnummern erreichen können, allerdings gibt es ein paar Ausnahmen: die Ausnahme für "öffentliche Verbindungsnetze" (alternative Netze, die man von einem TA-Festnetzanschluss mit einer fix eingestellten oder im Einzelfall gewählten Vorwahl - 10xx - auswählen kann) war bereits in der Stammfassung der Verordnung enthalten; die Ausnahme für die Rufnummernbereiche 0800, 0810 und 0820 wurde mit der heute in den Blickpunkt gerückten Novelle BGBl II 2006/400 eingefügt.

3. Hintergrund der Novelle zur Universaldienstverordnung im Jahr 2006
Die Telefonzellen sollten sich grundsätzlich vor allem über etwas erhöhte Gesprächsgebühren finanzieren: bei einem Festnetzanschluss zu Hause zahlte man monatliche Grundgebühr und Gesprächsgebühren, in der Telefonzelle eben höhere Gesprächsgebühren, zur Finanzierung von Zelle samt Anbindung. Dieses Modell geriet allerdings in eine Schieflage, als die calling cards populärer wurden. Mit solchen cards wählte man eine kostenfreie Nummer (0800), um sich von dort weitervermitteln zu lassen. Die TA erhielt in diesem Fall vom Endkunden, der in der Telefonzelle stand, gar nichts, und vom Betreiber des Calling Card-Dienstes die "Originierungsentgelte" in gleicher Höhe wie sie zB auch bei einem Anruf von einem normalen Festnetzanschluss zu einer 0800-Nummer anfielen. Da solche calling cards immer stärker genutzt wurden - gerade für Anrufe ins Ausland - fiel ein Teil der früher für die Finanzierung der Telefonzellen erzielten (erhöhten) Gesprächsgebühren weg.

Um das auszugleichen, wollte die TA eine sogenannte "PAC" - payphone access charge - verrechnen - und zwar den Telekomunternehmen, die eben diese 0800-Nummern betrieben. Die Verrechnung sollte mit den Zusammenschaltungsentgelten erfolgen. Da aber die betroffenen Unternehmen nicht freiwillig zahlten, kam es zu Verfahren vor der Regulierungsbehörde - die eine PAC als (zusätzliches) Zusammenschaltungsentgelt akzeptierte - und schließlich vor dem Verwaltungsgerichtshof, der zum Ergebnis kam, dass es sich nicht um ein Zusammenschaltungsentgelt handelte, sodass die Anordnung durch die Regulierungsbehörde nicht rechtmäßig war  (PAC IPAC II).*

Das bedeutet nicht, dass die Vereinbarung einer PAC unzulässig (oder ungewöhnlich) wäre. Tatsächlich sind solche charges in anderen Ländern üblich (siehe im Blog zur US Supreme Court-Entscheidung dazu hier) - als eine Gegenleistung dafür, dass 0800-Nummern  (etwa für Calling Cards) auch von der Telefonzelle aus kostenfrei erreicht werden können. In Österreich hatte die TA keinen "Hebel" für Verhandlungen mit den 0800-Anbietern, da sie ja nach der Universaldienstverordnung verpflichtet war, den Zugang zu diesen Nummern anzubieten, und dies - nach einer Bestimmung in einer Verordnung der Regulierungsbehörde (nunmehr § 85 Abs 1 KEM-V 2009) - kostenfrei.

4. Die Wirkung der Novelle
Die Novelle zur Universaldienstverordnung BGBl II 2006/400 bewirkte nun, dass die TA den Zugang zu 0800er-Nummern in ihren Telefonzellen sperren konnte - sofern die Betreiber nicht bereit waren, eine entsprechende payphone access charge (PAC) zu entrichten. Es ist nachvollziehbar, dass sich durch diese Änderung der Verordnung die Verhandlungsmacht der beteiligten Unternehmen gewissermaßen umgedreht hat und dass es der TA daher möglich war, entsprechende Leistungen der anderen Betreiber auszuhandeln. Im Ergebnis trifft es also schon zu, was heute in den Medien berichtet wurde: dass die Telekom Austria durch die Novelle zur Universaldienstverordnung zusätzliche Erträge erzielen konnte (wie hoch diese wirklich waren, ist eine andere Frage).

Umgekehrt könnte man natürlich auch sagen, dass durch die frühere Verpflichtung, die 0800-Nummern aus allen Telefonzellen kostenlos erreichbar zu machen, die Betreiber dieser Nummern einen Ertragsvorteil zu Lasten der Telekom Austria hatten (jedenfalls im Vergleich zu jenen Märkten, in denen PACs üblich waren). Ich will das weder in die eine noch in die andere Richtung bewerten, sondern bloß festhalten, dass die Erlassung der umstrittenen UDV-Novelle BGBl II 2006/400 nicht schon für sich "anrüchig" ist - es könnte auch sein, dass der Minister schlicht von der Argumentation (im engeren Sinn, also nicht von finanziellen Angeboten) der Telekom Austria überzeugt wurde und seinen Gestaltungsspielraum als Verordnungsgeber eben in diesem Sinne genutzt hat.

*) Zur Präzisierung (9.9.2011): auch die Regulierungsbehörde hatte zunächst die PAC nicht als Zusammenschaltungsleistung anerkannt, was in der ersten Entscheidung des VwGH bestätigt wurde. Erst im Jahr 2005 änderte die Regulierungsbehörde ihre Auffassung und entschied, dass die PAC im Rahmen der Zusammenschaltung zu zahlen war, was vom VwGH dann in der zweiten Entscheidung unter Hinweis auf das Vorerkenntnis als rechtswidrig beurteilt wurde.

Tuesday, August 23, 2011

"Der Telekom war der Zugang zur Regierung wichtig." What else is new?

Eigentlich wollte ich heute über die Regierungsvorlage zur TKG-Novelle 2011 berichten - doch auch wenn es seit einiger Zeit schon fertige Texte gibt, so richtig eilig dürfte es der Regierung damit noch nicht sein, auch wenn die Kommission schon das Verfahren zur Feststellung einer Vertragsverletzung eingeleitet hat. Im Ministerrat gab es jedenfalls wieder keinen Beschluss zum TKG.

Was man von den zwischenzeitig gebastelten Texten so hört und liest, dürften offenbar die evident richtlinienwidrigen Bestimmungen aus dem Ministerialentwurf (dazu hier) übrigens nicht in die Regierungsvorlage kommen. Aber man kann ja gespannt sein, ob es noch den einen oder anderen Lobbyingerfolg von dieser oder jener Seite gibt.

Und damit zur Hochegger/Telekom-Geschichte, die in den letzten Tagen/Wochen Schlagzeilen gemacht hat. Diese Affäre hat nur am Rande mit Telekomrecht zu tun, und so will ich dazu auch nicht viel schreiben, zumal die Aufarbeitung ja noch (oder: erst jetzt) im Gange ist und wirklich verlässliche Fakten noch rar sind. Hier nur ein paar Anmerkungen zu Detailaspekten:

1. "Kontakte in den gesetzgebenden Bereich"
Da ist zunächst die "Enthüllung", dass die Telekom Hochegger und (über Hochegger) Meischberger engagiert habe, weil ihr der Zugang zur Regierung wichtig gewesen sei, oder, wie Meischberger gegenüber der Zeitung "Österreich" meinte, weil ihr seine "Kontakte in den gesetzgebenden Bereich" wichtig gewesen seien. Neu daran ist allenfalls, dass nun Belege darüber aufgetaucht sein sollen.

Dass Hochegger für die "Kommunikation mit dem legistischen Unternehmensumfeld" im Auftrag der Telekom Austria tätig war, wurde lange Zeit durchaus stolz auch in manchen Dokumenten auf der mittlerweile nicht mehr erreichbaren Website der Agentur Hochegger|Com präsentiert, zB auch in einer (inhaltlich harmlosen) "Case Study Telekom Austria", aus der die oben gezeigten Ausschnitte stammen (Meischberger erwähnte man dort nicht, aber so ganz "im Verborgenen", wie seiner Ansicht nach diese Arbeit eben nur funktioniert, war seine Tätigkeit schon damals nicht).

Es wäre tatsächlich viel überraschender gewesen, hätte sich ein Unternehmen mit großer staatlicher Beteiligung, das zugleich in einem durch staatliche Regulierung wesentlich geprägten Umfeld tätig ist, gerade in einer Zeit wichtiger Gesetzgebungsvorhaben - auf europäischer und nationaler Ebene (neuer Rechtsrahmen 2002, TKG 2003) - nicht darum gekümmert, seine Position möglichst wirkungsvoll in den politischen Prozess einzubringen. Das kann man auf direktem Weg machen (siehe zB dieses Beispiel, bei dem Abgeordneten ein fertiger Textvorschlag für einen - letztlich nicht eingebrachten -  Abänderungsantrag gefaxt wurde), man kann den Zugang auch dadurch verbessern, dass man Mitarbeiter aus politischen Umgebungen (zB Büros von Ministern oder Staatssekretären) engagiert, man kann eine Agentur einschalten oder man kann schließlich einen Mix verschiedenster Instrumente versuchen. Solange keine Vorteile versprochen werden und man sich auch sonst nicht im Bereich des 22. Hauptstücks des Strafgesetzbuchs bewegt, ist all das weder verwerflich noch verboten, sondern gehört zum Standardrepertoire unternehmerischen Handelns.

2. Volle Aufklärung
Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Telekom Austria AG teilte in einer Presseaussendung mit, dass Aufsichtsrat und Vorstand der Telekom Austria AG in enger Abstimmung alle Schritte setzen, die notwendig sind, um den in Zusammenhang mit den Kursmanipulationen 2004 dem Unternehmen und den Aktionären entstandenen Schaden bestmöglich auszugleichen.

Ich nehme an, der Vorsitzende des Aufsichtsrates ist an der Aufklärung der weiteren Hochegger-Geschäfte mit der Telekom Austria genauso interessiert. Vielleicht könnte er dabei auch persönlich mithelfen, denn immerhin war er laut profil noch 2008 (damals als Generalsekretär der Industriellenvereinigung) Teilnehmer einer von Mensdorff-Pouilly organisierten Jagdreise nach Schottland, zu der die Telekom Austria eingeladen hatte und die über die Agentur Hochegger abgerechnet wurde. Bis 2008 - damals war Hannes Ametsreiter längst Marketingvorstand der Telekom Austria - nutzte die Telekom Austria, wie sie selbst angab, unter anderem solche Jagdveranstaltungen für die Pflege nicht nur von Kunden-, sondern auch von "Opinion-Leader-Kontakten". Breyer war damals kein "Amtsträger" im Sinne des Strafgesetzbuches, und ich nehme an, dass solche "Amtsträger" überhaupt nicht zu den Opinion-Leadern zählten - denn das mit 1.1.2008 verschärfte Korruptionsstrafrecht ("anfüttern": § 304 Abs 2 StGB) wurde ja erst mit 1.9.2009 wieder entschärft ("Korruptionsstrafrechtsaufweichungsgesetz").

(Die in der Presseaussendung zitierte Beschluss des Aufsichtsrates, in dem die "vorbildliche Vorgehensweise [des CEO], bereits vor rechtlicher Klärung den 2004 aus dem Optionsprogramm erhaltenen Betrag freiwillig zurückzuzahlen", begrüßt wird, steht übrigens nicht ganz im Einklang mit den in den Medien zitierten Aussagen des CEO selbst: dieser hat auch noch nach der Aufsichtsratssitzung nur erklärt, den Betrag (bis zur Klärung) auf ein Treuhandkonto zu legen.)

3. "Beeinflussung Geschäftsführerauswahl"
Laut profil, das sich auf den von der Telekom Austria erstellten Revisionsbericht beruft, hat die Telekom Austria für die "Beeinflussung Geschäftsführerauswahl" in der ISPA 250.000 Euro an Hochegger bezahlt. Ebenfalls laut profil hätten dieser Zahlung keine Leistungen Hocheggers zugeordnet werden können (ein Geschäftsführerwechsel in der ISPA erfolgte übrigens mit 1.11.2008). Aber gerade wenn diesbezüglich wirklich keine Leistungen erbracht worden sein sollten, stellt sich doch die Frage, wie man auf die Idee kommen kann, "Beeinflussung Geschäftsführerauswahl" als unverdächtigen Rechnungszweck anzugeben. War "Beeinflussung Geschäftsführerauswahl" etwas, wofür man TA-intern legitimer Weise Lobbyingaufträge erteilen konnte?

PS: Ein letztes Wort zur Bandenwerbung
Laut profil/Presse wurde über eine Hochegger-Firma auch Bandenwerbung der Telekom Austria um 20.000 Euro bei einem politisch nicht uninteressanten Unterliga-Fußballverein abgewickelt. Doch auch wenn das Wort "Bandenwerbung" mehrdeutig ist: hier ist es wohl wirklich nur um Werbung auf der Einfassung eines Spielfelds gegangen.

Wednesday, May 25, 2011

Still Better in Belarus? Von werthaltigen Investments, unbürokratischen Datenzugriffen und dem Ende der Telekom-Austria-Kolchose

"We have been much better treated in Belarus than in Brussels", sagte der fühere Telekom Austria-CEO Boris Nemsic im Februar 2008 der Financial Times. Das war einige Zeit bevor die Ende 2007, mit entsprechender Beratung, erworbene Beteiligung in Weißrussland massiv abgewertet werden musste (im Jahr 2009 um € 290 Mio), noch bevor der Kaufpreis überhaupt voll bezahlt worden war. "Vereinbarungsgemäß" musste die Telekom nämlich im Jahr 2010 noch € 582,7 Mio "als Teil der Restkaufpreisverbindlichkeit, die aus dem Erwerb des restlichen 30%-Anteils an der weißrussischen Tochtergesellschaft velcom resultierte" zahlen. Insgesamt kostete der Erwerb der Velcom die Telekom Austria € 1,38 Mrd (laut Standard von heute; die anderen Daten sind aus den Geschäftsberichten 2009 und 2010). Ende 2010, nicht viel mehr als drei Jahre nach dem Kauf, stand der Firmenwert der velcom mit ca. € 265 Mio in der Bilanz, also mit immerhin noch einem knappen Fünftel des Kaufpreises. Und die nächste Wertberichtigung könnte laut Pressemeldungen vor der Tür stehen: nach der jüngsten 50%-Abwertung des weißrussichen Rubels prüft man, so das Wirtschaftsblatt, in der Zentrale der Telekom "derzeit das Engagement in Weißrussland inklusive des notwendigen Abwertungsbedarfs".

Aber die Zusammenarbeit mit den weißrussischen Behörden, über die sich schon Boris Nemsic zufrieden geäußert hatte, funktioniert offenbar weiterhin ganz gut: die weißrussischen Behörden haben ohne richterlichen Beschluss "Zugriff auf Personen- und Rufdaten", ohne dass der Mobilfunkbetreiber die Daten noch aktiv weitergeben müsste, und konnten so, laut Bericht der Presse ("Telekom öffnet Daten für den Diktator"), anhand der Auswertung der Handydaten feststellen, wer bei einer Demonstration war (und diese Personen festnehmen). Muss man das im Sinne von Boris Nemsic auch als bessere Behandlung im Vergleich zu "Brüssel" beurteilen? Vielleicht weil selbst nach Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung die Polizei in den EU-Staaten nicht gleich direkt Zugriff auf die Daten hat, sondern der Mobilfunkbetreiber diese erst mühsam im Einzelfall herausgeben muss?

Dabei seien der Telekom Austria, so wird heute die Konzernsprecherin zitiert, "die Herausforderungen, die dort [Weißrussland] in Sachen Datenschutz bestehen, bewusst" gewesen. Das ist aus meiner Sicht insofern bemerkenswert, als die Telekom Austria noch vor etwa drei Jahren keine Bedenken hatte, ihre Geschäftsbedingungen extra so abzuändern, dass die Rechte und Pflichten aus dem Telefonvertrag "ohne Zustimmung des Kunden zwischen der mobilkom austria, ... Foreign private unitary enterprise MDC (Weißrußland) und mobilkom austria group services GmbH mit für den Übergeber schuldbefreiender Wirkung übertragen" werden konnten (siehe näher dazu hier; die Links zu den AGB funktionieren nicht mehr. In den aktuellen AGB ist die - von Anfang an eher absurde und rechtlich jedenfalls gegenüber Verbrauchern ohnehin nicht wirksame - Übertragungsmöglichkeit an weißrussische Unternehmen nicht mehr vorgesehen).

Boris Nemsic fühlte sich seinerzeit von der Roaming-Preisregelung, die auf eine Initiative der christdemokratischen EU-Kommissarin Reding zurückging, an den Kommunismus erinnert. Da wirkt es fast ein wenig als Ironie der Geschichte, dass die Telekom Austria gerade in seiner Zeit als CEO auch eine echte Kolchose (in Weißrussland) ihr eigen nannte. Die erstmals im Geschäftsbericht 2007 ausgewiesene Kolchose wurde zwar nur zur Veräußerung gehalten, aber es dauerte noch bis 2009, bis sie tatsächlich verkauft werden konnte. Liebhaberwert hatte sie offenbar nicht: "Aus der Veräußerung der Kolchose wurde kein Ergebnis erzielt", heißt es im Geschäftsbericht 2009.

Update 12.11.2012: siehe auch Weißrussland: Telekom kaufte teuer ein (Der Standard)

Wednesday, April 20, 2011

Wie die Telekom Austria (unabsichtlich) die Regierungsumbildung angestoßen hat (laut profil)

Auf den ersten Blick gibt es bei der aktuellen Regierungsumbildung keinen besonderen Bezug zu den Hauptthemen dieses Blogs, zumal sich an der Verantwortung für Telekom- und Rundfunkagenden in der Regierung nichts ändert. Interessant fand ich aber den Artikel zum Rücktritt von Vizekanzler Pröll im letzten profil, in dem die Vorgeschichte der Akuterkrankung des Vizekanzlers, die ihn schließlich zum Rücktritt bewogen hat, so geschildert wird (Hervorhebung von mir):
"Pröll war innerhalb von drei Tagen nach Peking und zurück nach Wien gejettet, hatte Wäsche gewechselt, um nach Brüssel zu fliegen, und war von Belgien am 16. März ins Tiroler Hochzillertal gereist. Dort hatte die Telekom Austria zu einem Hüttenzauber geladen. Im hochalpinen Nobelquartier auf 2100 Meter Seehöhe fanden sich neben Josef Pröll, Außenminister Michael Spindelegger und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich Wirtschaftsgrößen wie [...] ein. Am Morgen nach einem ausgelassenen Hüttenabend habe man Josef Pröll sehr mitgenommen angetroffen: Der 42-jährige Vizekanzler litt an schwerer Atemnot und Schmerzen in der Brust. Im Rettungshubschrauber sagte ihm der Arzt: 'Sie stehen an der Kippe.'"
Ohne diese Telekom-Einladung zum Hüttenzauber (Jagdeinladungen der Telekom, etwa ins schottische Hochland, gibt es ja seit etwa einem Jahr nicht mehr) gäbe es also morgen wohl keine Angelobung neuer Regierungsmitglieder und Staatssekretäre.*

Allerdings: das Anreisedatum des Vizekanzlers scheint - wie auch die Seehöhe der Hütte - umstritten; in einem format-Artikel heißt es:
"18. März 2011, 11.30 Uhr, Kristallhütte im Hochzillertal auf 2.500 Meter Seehöhe. Josef Pröll trifft sich mit einer hochkarätigen, 15-köpfigen Managerrunde zum Skifahren. Mit dabei: Casinos-Boss Karl Stoss, Telekom-Chef Hannes Ametsreiter, die Minister Niki Berlakovich, Michael Spindelegger und Prölls rechte Hand Daniel Kapp. Der Vizekanzler war am Vorabend spätabends im luxuriösen Alpendomizil eingetroffen. Es hätte der erholsame Ausklang einer anstrengenden Woche sein sollen.
Vor den Augen von Mitarbeiter Kapp bricht Pröll dann am Morgen um 11.30 Uhr nach wenigen Schwüngen auf der Piste zusammen."
*) Zur Politik äußere ich mich nicht - aber weil in den Medien vielfach vom "jüngsten Regierungsmitglied aller Zeiten" zu lesen und zu hören war hier ein kleiner rechtlicher Hinweis: ein Staatssekretär ist nach dem österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz kein Mitglied der Bundesregierung! Die Bundesregierung besteht nach Art 69 Abs 1 B-VG aus dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und den übrigen Bundesministern, nach Art 78 Abs 2 B-VG können den Bundesministern "zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung Staatssekretäre beigegeben werden, die in gleicher Weise wie die Bundesminister bestellt werden und aus dem Amt scheiden." Nach Art 78 Abs 3 B-VG kann der Bundesminister "den Staatssekretär mit dessen Zustimmung auch mit der Besorgung bestimmter Aufgaben betrauen. Der Staatssekretär ist dem Bundesminister auch bei Erfüllung dieser Aufgaben unterstellt und an seine Weisungen gebunden."

Wednesday, May 19, 2010

Das ist der Deal: Rechtsmittelverzicht, dafür stellt Bundeswettbewerbsbehörde gesetzmäßiges Handeln in Aussicht

"Die Bundeswettbewerbsbehörde informiert auf ihrer Website über die Entscheidungen, die das Kartellgericht und das Kartellobergericht erlassen haben." So steht es seit 1.1.2006 in § 10b Abs 3 Wettbewerbsgesetz. Ein klarer Auftrag, würde man meinen. Wie so eine Information aussehen kann, ist zB in einem Kartellfall hier und hier nachzulesen, mit Angaben über Art und Umfang der verpönten Handlungen, bis hin etwa zu dem Detail, dass die Kartellanten in einer Zusammenkunft in einem Kaffeehaus in Wilhelmsburg eine Preiserhöhung beschlossen haben. Die Information kann aber auch, in einem Missbrauchsfall, so ausschauen:
"Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Telekom Austria TA AG
Aufgrund eines entsprechenden Antrags der BWB verhängte das KG am 19.3.2009 über Telekom Austria TA AG wegen des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eine Geldbuße von € 1.500.000,--. Die Telekom Austria TA AG, der Bundeskartellanwalt und die BWB verzichteten auf Rechtsmittel, die Entscheidung ist daher rechtskräftig." [die neue Rechtschreibung ist bei der BWB noch nicht angekommen; update: 16.02.2012: mittlerweile hat die BWB die Rechtschreibung aktualisiert!]
Informationen über Art des Missbrauchs, betroffenen Markt, betroffene Kunden/Konkurrenten, Zeitraum, Umfang etc.? Fehlanzeige. Also habe ich - Ende Dezember letzten Jahres - einmal nachgefragt und um Informationen ersucht "über den Inhalt des Antrags der BWB bzw über den konkreten Marktmachtmissbrauch, der Gegenstand der Entscheidung des Kartellgerichts war."

Antwort der Bundeswettbewerbsbehörde vom 7.1.2010: "Die hier betroffene Bekanntmachungspflicht § 10b/3 WettbG wurde durch die Veröffentlichung http://www.bwb.gv.at/BWB/Aktuell/missbrauch_tata_2009_03_19.htm [Anm: der Link stimmte schon damals nicht, die gemeinte Veröffentlichung ist nun hier zu finden] erfüllt. Eine darüber hinausgehende Information Dritter ist nicht vorgesehen."

Das schien mir doch ein bisschen wenig, also mailte ich zurück, begründete mein Auskunftsersuchen, verwies auf die inkonsistene Informationspolitik - und wartete einmal gute acht Wochen. Nach einer Urganz und einem Zwischenspiel, in dem die BWB für die Beantwortung meines Auskunftsersuchens zunächst Auskunft von mir wollte (ob und wo ich einen bestimmten Anschluss habe), stellte ich dann noch folgende Frage:
"Wurden im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverzicht durch die BWB Vereinbarungen zwischen der Telekom Austria AG und der BWB im Hinblick auf Art und Umfang der Veröffentlichung getroffen oder gab es diesbezügliche einseitige Zusagen?"
Und dann, viereinhalb Monate nach meiner ursprünglichen Anfrage, erhielt ich tatsächlich eine Art inhaltliche Antwort:
"Im dem Antrag der BWB (§§ 29/1a iVm 5/1 KartG) zugrundeliegenden Verfahren wurde auf Anregung der TCK untersucht, ob best von TATA [Telekom Austria TA AG] im Rahmen des Ausbaus ihres Telekommunikationsnetzes gesetzte Maßnahmen die von Entbündelungspartnern erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen beeinträchtigen konnten und ggf der Tatbestand § 5 KartG (Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) erfüllt wurde. Auskunft über Verfahren und Entscheidung des KG können beim KG selbst nach den in diesem Zusammenhang anwendbaren Bestimmungen erlangt werden." 
Nun ist nach § 10b Abs 3 WettbG die BWB, nicht das Kartellgericht, zur Information über Entscheidungen des Kartellgerichts verpflichtet, sodass die Verweisung auf das Kartellgericht doch, vorsichtig formuliert, überrascht. Auch sonst werde ich aus der Auskunft nicht wirklich schlau: "best[immte] von TATA gesetzte Maßnahmen" erklärt ja nicht gerade präzise, was konkret passiert ist. Und es kann nach der rechtskräftigen Entscheidung des Kartellgerichts auch nicht mehr fraglich sein, "ob" ein Missbrauch vorlag bzw "ggf" der Tatbestand erfüllt wurde - wäre das nicht der Fall gewesen, wäre ja auch keine Geldbuße verhängt worden. Aus der Antwort wird aber deutlich, dass die BWB partout nicht bekanntgeben will, worüber tatsächlich vom Kartellgericht entschieden wurde. Umso interessanter daher die Antwort auf meine Frage nach Vereinbarungen oder Zusagen - sie lautet:
"Die BWB hatte in Aussicht gestellt, im Fall einer stattgebenden Entscheidung des KG [Kartellgerichts] und allseitiger Rechtsmittelverzichte die Information nach § 10b/3 WettbG auf deren gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt zu beschränken."
Das war also der Deal: kein Rechtsmittel, dafür bloß Minimalinformation der Öffentlichkeit (und sonst?) - geradezu ein Lehrbuchbeispiel für eine implizite und doch glaubwürdige Drohung (zur Vermeidung von Missverständnissen: es geht hier um "credible threats" im ökonomischen bzw spieltheoretischen Sinne, nicht um eine [gefährliche] Drohung als Rechtsbegriff). Falls ich mich, wie zuletzt in meinem Referat beim Österreichischen Juristentag 2009 (Thesen hier), wieder einmal mit der regulatorischen Drohung - und ihrem freundlichen Zwilling, dem Anreiz - befasse, werde ich dieses Beispiel gerne aufgreifen. 

PS: Das Foto oben (public domain, aus Wikimedia Commons) zeigt ein - fast - zufällig gewähltes Dorf in Tirol, das zumindest in einem Entwurf einer Vollziehungshandlung der Telekom-Control-Kommission erwähnt wird. 

Update 16.2.2012: aufgrund aktueller Entwicklungen im Untersuchungsausschuss des Nationalrates zur Aufklärung von Korruptionsvorwürfen wurde ich aufgrund dort vorgezeigter Mails (1 und 2; Fotos von Martin Thür, ATV; die Mails wurden von NRAbg. Pilz präsentiert, ihre Echtheit kann ich nicht beurteilen) an diesen älteren Beitrag erinnert und habe erst mal wieder die Links aktualisiert (die Bundeswettbewerbsbehörde hat leider die Angewohnheit, ständig die URLs zu ändern). Ein Update unter Berücksichtigung der Mails habe ich hier geschrieben.