Wednesday, May 19, 2010

Das ist der Deal: Rechtsmittelverzicht, dafür stellt Bundeswettbewerbsbehörde gesetzmäßiges Handeln in Aussicht

"Die Bundeswettbewerbsbehörde informiert auf ihrer Website über die Entscheidungen, die das Kartellgericht und das Kartellobergericht erlassen haben." So steht es seit 1.1.2006 in § 10b Abs 3 Wettbewerbsgesetz. Ein klarer Auftrag, würde man meinen. Wie so eine Information aussehen kann, ist zB in einem Kartellfall hier und hier nachzulesen, mit Angaben über Art und Umfang der verpönten Handlungen, bis hin etwa zu dem Detail, dass die Kartellanten in einer Zusammenkunft in einem Kaffeehaus in Wilhelmsburg eine Preiserhöhung beschlossen haben. Die Information kann aber auch, in einem Missbrauchsfall, so ausschauen:
"Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Telekom Austria TA AG
Aufgrund eines entsprechenden Antrags der BWB verhängte das KG am 19.3.2009 über Telekom Austria TA AG wegen des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eine Geldbuße von € 1.500.000,--. Die Telekom Austria TA AG, der Bundeskartellanwalt und die BWB verzichteten auf Rechtsmittel, die Entscheidung ist daher rechtskräftig." [die neue Rechtschreibung ist bei der BWB noch nicht angekommen; update: 16.02.2012: mittlerweile hat die BWB die Rechtschreibung aktualisiert!]
Informationen über Art des Missbrauchs, betroffenen Markt, betroffene Kunden/Konkurrenten, Zeitraum, Umfang etc.? Fehlanzeige. Also habe ich - Ende Dezember letzten Jahres - einmal nachgefragt und um Informationen ersucht "über den Inhalt des Antrags der BWB bzw über den konkreten Marktmachtmissbrauch, der Gegenstand der Entscheidung des Kartellgerichts war."

Antwort der Bundeswettbewerbsbehörde vom 7.1.2010: "Die hier betroffene Bekanntmachungspflicht § 10b/3 WettbG wurde durch die Veröffentlichung http://www.bwb.gv.at/BWB/Aktuell/missbrauch_tata_2009_03_19.htm [Anm: der Link stimmte schon damals nicht, die gemeinte Veröffentlichung ist nun hier zu finden] erfüllt. Eine darüber hinausgehende Information Dritter ist nicht vorgesehen."

Das schien mir doch ein bisschen wenig, also mailte ich zurück, begründete mein Auskunftsersuchen, verwies auf die inkonsistene Informationspolitik - und wartete einmal gute acht Wochen. Nach einer Urganz und einem Zwischenspiel, in dem die BWB für die Beantwortung meines Auskunftsersuchens zunächst Auskunft von mir wollte (ob und wo ich einen bestimmten Anschluss habe), stellte ich dann noch folgende Frage:
"Wurden im Zusammenhang mit dem Rechtsmittelverzicht durch die BWB Vereinbarungen zwischen der Telekom Austria AG und der BWB im Hinblick auf Art und Umfang der Veröffentlichung getroffen oder gab es diesbezügliche einseitige Zusagen?"
Und dann, viereinhalb Monate nach meiner ursprünglichen Anfrage, erhielt ich tatsächlich eine Art inhaltliche Antwort:
"Im dem Antrag der BWB (§§ 29/1a iVm 5/1 KartG) zugrundeliegenden Verfahren wurde auf Anregung der TCK untersucht, ob best von TATA [Telekom Austria TA AG] im Rahmen des Ausbaus ihres Telekommunikationsnetzes gesetzte Maßnahmen die von Entbündelungspartnern erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen beeinträchtigen konnten und ggf der Tatbestand § 5 KartG (Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) erfüllt wurde. Auskunft über Verfahren und Entscheidung des KG können beim KG selbst nach den in diesem Zusammenhang anwendbaren Bestimmungen erlangt werden." 
Nun ist nach § 10b Abs 3 WettbG die BWB, nicht das Kartellgericht, zur Information über Entscheidungen des Kartellgerichts verpflichtet, sodass die Verweisung auf das Kartellgericht doch, vorsichtig formuliert, überrascht. Auch sonst werde ich aus der Auskunft nicht wirklich schlau: "best[immte] von TATA gesetzte Maßnahmen" erklärt ja nicht gerade präzise, was konkret passiert ist. Und es kann nach der rechtskräftigen Entscheidung des Kartellgerichts auch nicht mehr fraglich sein, "ob" ein Missbrauch vorlag bzw "ggf" der Tatbestand erfüllt wurde - wäre das nicht der Fall gewesen, wäre ja auch keine Geldbuße verhängt worden. Aus der Antwort wird aber deutlich, dass die BWB partout nicht bekanntgeben will, worüber tatsächlich vom Kartellgericht entschieden wurde. Umso interessanter daher die Antwort auf meine Frage nach Vereinbarungen oder Zusagen - sie lautet:
"Die BWB hatte in Aussicht gestellt, im Fall einer stattgebenden Entscheidung des KG [Kartellgerichts] und allseitiger Rechtsmittelverzichte die Information nach § 10b/3 WettbG auf deren gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt zu beschränken."
Das war also der Deal: kein Rechtsmittel, dafür bloß Minimalinformation der Öffentlichkeit (und sonst?) - geradezu ein Lehrbuchbeispiel für eine implizite und doch glaubwürdige Drohung (zur Vermeidung von Missverständnissen: es geht hier um "credible threats" im ökonomischen bzw spieltheoretischen Sinne, nicht um eine [gefährliche] Drohung als Rechtsbegriff). Falls ich mich, wie zuletzt in meinem Referat beim Österreichischen Juristentag 2009 (Thesen hier), wieder einmal mit der regulatorischen Drohung - und ihrem freundlichen Zwilling, dem Anreiz - befasse, werde ich dieses Beispiel gerne aufgreifen. 

PS: Das Foto oben (public domain, aus Wikimedia Commons) zeigt ein - fast - zufällig gewähltes Dorf in Tirol, das zumindest in einem Entwurf einer Vollziehungshandlung der Telekom-Control-Kommission erwähnt wird. 

Update 16.2.2012: aufgrund aktueller Entwicklungen im Untersuchungsausschuss des Nationalrates zur Aufklärung von Korruptionsvorwürfen wurde ich aufgrund dort vorgezeigter Mails (1 und 2; Fotos von Martin Thür, ATV; die Mails wurden von NRAbg. Pilz präsentiert, ihre Echtheit kann ich nicht beurteilen) an diesen älteren Beitrag erinnert und habe erst mal wieder die Links aktualisiert (die Bundeswettbewerbsbehörde hat leider die Angewohnheit, ständig die URLs zu ändern). Ein Update unter Berücksichtigung der Mails habe ich hier geschrieben.

1 comment :

Anonymous said...

Bravo Hans Peter!!!!