Im aktuellen Umfeld wird auch interessant sein, ob, wie und von wem im Gesetzgebungsprozess noch Änderungswünsche eingebracht werden; da aber das entscheidende Lobbying bereits im Vorfeld - vor der Beschlussfassung der Regierungsvorlage - erfolgt, ist natürlich auch interessant, welche Wünsche erkennbar berücksichtigt sind. Wie ich vor kurzem schon angemerkt habe, braucht man für die "Kommunikation mit dem legistischen Unternehmensumfeld" (copyright Hochegger) ja nicht unbedingt eine Agentur, oft können politisch gut vernetzte Unternehmensmitarbeiter genauso hilfreich (oder hilfreicher) sein.
Der im Ministerialentwurf noch enthaltene Branchenwunsch, dass für außerhalb Österreichs und der EU originierende Gespräche keine Entgeltkontrolle aufzuerlegen und für innerhalb Österreichs und der EU originierende Gespräche das Prinzip der Reziprozität zwischen Mobilbetreibern anzuwenden sei, hat es nun doch nicht in die Regierungsvorlage geschafft, das war wohl zu offensichtlich richtlinienwidrig. In der Regierungsvorlage enthalten ist aber die merkwürdige - laut Erläuterungen "dem Wunsch der Branche entsprechend[e]" - Bezugnahme auf Kooperationsvereinbarungen, allerdings nicht mehr in § 38 Abs 5, sondern in § 38 Abs 2, und auch etwas abgeschwächt gegenüber dem Ministerialentwurf (demnach soll bei der Gleichbehandlungsverpflichtung "der Abschluss von Risikobeteiligungsverträgen ebenso wie Kooperationsvereinbarungen zur Teilung des Investitionsrisikos für neue und verbesserte Infrastruktur [...] unberührt [bleiben], sofern der Wettbewerb dadurch nicht beeinträchtigt wird.").
Außerdem bleibt eine Bestimmung über die Kooperationsvereinbarungen auch in § 42 Abs 1, also bei den Bestimmungen über die Entgeltkontrolle für den Zugang; dort soll es heißen:
"Hierbei [bei Auferlegung der Verpflichtung zur Entgeltkontrolle] hat die Regulierungsbehörde den Investitionen des Betreibers Rechnung zu tragen und es ihm zu ermöglichen, eine angemessene Rendite für das eingesetzte Kapital unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken und der zukünftigen Marktentwicklung zu erwirtschaften sowie Risikobeteiligungsverträge ebenso wie Kooperationsvereinbarungen abzuschließen."Ganz erschließt sich mir nicht, wie die Regulierungsbehörde bei der Auferlegung einer Verpflichtung zur Entgeltkontrolle dem Betreiber ermöglichen soll, Kooperationsvereinbarungen abzuschließen (zumal ich prima facie davon ausgehen würde, dass durch Kooperationen die Kosten des Betreibers eher sinken würden, sodass sich das bei der Entgeltkontrolle nicht unbedingt zu seinen Gunsten auswirken müsste). Aber manchmal geht es bei solchen Bestimmungen auch schlicht darum, einen dringend vorgebrachten Wunsch - hier der Branche - irgendwie zu berücksichtigen, sodass die Lobbyisten bzw Unternehmensvertreter dem Vorstand einen Erfolg heimbringen können (siehe etwa auch bei der TKG-Novelle 2009, wo ich zu einzelnen Änderungen angemerkt habe, dass sie "eher atmosphärisch denn materiell relevant" waren). Ähnliches gilt natürlich auch für Wünsche anderer Interessengruppen, etwa der Verbraucher (die Begrenzung der Mindestlaufzeit von Verträgen mit 24 Monaten scheint mir etwa vor dem Hintergrund des § 6 Abs 1 Z 1 KSchG für Verbraucher keine besonders großartige Verbesserung zu sein).
Zu meiner Überraschung auch noch in die Regierungsvorlage geschafft hat es die richtlinienwidrige Bestimmung zum Umfang des Universaldienstes, die nicht mehr explizit den Anspruch auf einen Festnetzanschluss einräumt, was aber in der Praxis wohl kein Problem schaffen wird.
Und weil aus aktuellem Anlass die Universaldienstverordnung (mehr dazu hier) zuletzt ein wenig in den Medien war (und dort oft auch gleich zum "Gesetz" geadelt wurde, wenngleich ohne Erklärung, wie es dann vom Minister allein geändert werden konnte), noch ein kurzer Blick auf die Zukunft des Universaldienstes:
Wie schon nach dem Ministerialentwurf ist auch in der Regierungsvorlage vorgesehen, dass die Verkehrsministerin mit Unterstützung der Regulierungsbehörde prüfen muss, ob die Universaldienstleistungen vom Markt im Wettbewerb erbracht werden. "Ist dies der Fall, sind allfällig bisher zur Erbringung der Universaldienstleistung Verpflichtete mit Bescheid von dieser Verpflichtung zu entbinden". Wie die Situation aktuell eingeschätzt wird, geht aus den Erläuterungen hervor: "Man kann daher berechtigterweise davon ausgehen, dass auch in Zukunft die Erbringung des Universaldienstes im Wettbewerb nicht in Frage gestellt wird". Die Aufhebung der Universaldienstverpflichtung der A1 Telekom Austria dürfte daher bald nach der Gesetzwerdung zu erwarten sein.
Damit wären die in der UDV enthaltenen Verpflichtungen zur Mindestausstattung öffentlicher Sprechstellen zwar nicht mehr direkt auf die A1 Telekom Austria anwendbar, blieben aber dennoch relevant: denn wenn in der Folge festzustellen wäre, dass der Universaldienst nicht mehr in jener Qualität erbracht würde, wie sie in der UDV näher konkretisiert ist, müsste neuerlich eine Ausschreibung und Bestimmung eines Universaldienstverpflichteten erfolgen. Vor diesem Hintergrund - und weil payphone access charges für Calling Card-Anbieter international nicht unbekannt sind - erwarte ich nicht, dass die UDV-Novelle 2006, trotz angekündigter Überprüfung, wieder rückgängig gemacht wird; außerdem könnten gleichwertige Bestimmungen - über die Erreichbarkeit von gebührenfreien Rufnummern aus öffentlichen Sprechstellen - in der Kommunikationsparameter-, Entgelte- und Mehrwertdiensteverordnung geschaffen werden. Europarechtlich (Art. 2 und 6 Universaldienstrichtlinie) ist geboten, dass man öffentliche "Universaldienst"-Sprechstellen auch mit Calling Cards ("mit Einwahlcode") benützen kann, es ist allerdings nicht festgelegt, dass dies kostenlos sein müsste (nur Notrufdienste müssen nach Art 6 Abs 3 UD-RL kostenlos zu erreichen sein).
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