Sunday, January 29, 2012

Das "Kommunikationsbarometer" im Untersuchungsausschuss

Der "Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen" des Nationalrats hat am 26.01.2012 die ersten Auskunftspersonen einvernommen. Beweisthema war vor allem die Änderung der Universaldienstverordnung im Jahr 2006, was mich schon insofern fast interessieren muss, als gerade diese Novelle Thema des ersten inhaltlichen Beitrags in diesem am 26.10.2006 begonnenen Blog war. Dann war es fast fünf Jahre ruhig um diese Verordnung, bis im vergangenen August (wieder) Korruptionsvorwürfe in diesem Zusammenhang geäußert wurden. Nun nimmt sich also der Untersuchungsausschuss dieser Vorwürfe an. Von mir dazu drei Anmerkungen (eine weitere Anmerkung folgt im nächsten Beitrag):

Erstens: Gesetzeskauf?
Zunächst: die Universaldienstverordnung ist kein Gesetz, jedenfalls nicht im herkömmlichen österreichischen juristischen Sprachgebrauch, nach dem Gesetze in einem parlamentarischen Verfahren beschlossen werden, und es sich bei Verordnungen um ausführende Rechtsvorschriften handelt, die von Verwaltungsorganen wie zB einem Minister auf der Grundlage von Gesetzen erlassen werden. Ich weiß schon, dass es vereinzelt Verordnungen auf Gesetzesstufe gibt, dass man auch Verordnungen als Gesetz im materiellen Sinne verstehen kann, und dass es schließlich EU-Verordnungen gibt, die nicht nur unmittelbar bindend sind, sondern auch in einem teilweise parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden. Dennoch sollte man bei der Erörterung von Korruptionsvorwürfen meines Erachtens danach unterscheiden, ob jene Rechtsvorschriften, deren Inhalt durch Lobbying (oder allenfalls eben auch durch Korruption) beeinflusst wurde (oder werden sollte), von einem Minister ohne Befassung des Nationalrats beschlossen werden konnten, oder ob das Parlament mitgewirkt hat. Bei der Universaldienstverordnung jedenfalls war der Nationalrat nicht beteiligt, um einen "Gesetzeskauf", wie in den Medien häufig geschrieben, geht es daher nicht.

Sehr verwundert war ich von der allenthalben um sich greifenden Aufregung darüber, dass ein großes Unternehmen Textvorschläge für Rechtstexte vorlegt, die schließlich auch übernommen werden. Im konkreten Fall ging es zudem nur um die Worte "und der Rufnummernbereiche 0800, 0810 und 0820", also nicht um einen besonders anspruchsvollen oder schwierig zu gestaltenden Text. Außerdem ist jedenfalls mir nicht klar, was wirklich der TA-Textvorschlag war, da im Untersuchungsausschuss angesprochen wurde, dass der Vorschlag, auch 0810 und 0820 aufzunehmen, von der RTR gekommen sein soll, bzw dass die TA auch den Rufnummernbereich 0900 habe ausnehmen wollen - beides sind freilich eher Randfragen, im Kern ging es um die über 0800-Rufnummern erreichbaren calling cards [update 30.01.2012: nun ist das Protokoll der U-Ausschuss-Sitzung vom 26.01.2012 verfügbar, da kann man die Aussagen der Auskunftspersonen im Wortlaut nachlesen]. BZÖ-NRAbg Petzner meint zudem, das BMVIT habe gegenüber dem TA-Text eine "entscheidende Einschränkung" getroffen, nämlich die Worte "so weit dies technisch möglich ist" hinzugefügt; das ist insofern falsch, als sich diese Einschränkung erstens auf den ungehinderten Zugang zu allen Rufnummernbereichen bezieht, der nur "so weit dies technisch möglich ist" zu gewährleisten ist, und zweitens diese Einschränkung schon seit der Novelle BGBl II 2000/173 besteht und bei der Novelle 2006 nur aus Gründen der Übersichtlichkeit - Neufassung der gesamten Ziffer 4 des § 23 Abs 1 UDV - wieder im Novellentext aufscheint.

Die entscheidende Frage ist doch, warum der Minister beschlossen hat, dem Wunsch der TA nach dieser Novelle nachzukommen, nicht aber, wer schließlich die paar Worte formuliert hat. Wesentlich ist: war der Minister überzeugt, dass der TA-Wunsch inhaltlich berechtigt war, oder wurde seiner Überzeugung durch (in Aussicht gestellte) finanzielle Zuwendungen, von wem und an wen auch immer, nachgeholfen? Oder, falls er inhaltlich ohnehin überzeugt war, zeigte man sich vielleicht im Nachhinein für seine Überzeugung irgendwie erkenntlich?

Wer den Text verfasst hat, ist im konkreten Fall schon deshalb vollkommen irrelevant, weil ohnehin klar ist, dass es inhaltlich um die Umsetzung eines Wunsches der TA ging. Für sich muss das auch nicht schlecht sein: es gibt häufig Gesetzes- oder Verordnungsänderungen, weil sich bestehende Regelungen - oft aus Gründen, mit denen man bei der ursprünglichen Normsetzung nicht rechnen konnte oder jedenfalls nicht gerechnet hat - als nachteilig für bestimmte Unternehmen erweisen. In solchen Fällen ist es durchaus angebracht, die Vorschriften zu ändern, sofern dies ohne Beeinträchtigung öffentlicher Interessen möglich ist und gegenläufige private Interessen (zB anderer betroffener Unternehmen oder von BürgerInnen etc.) als politisch nicht wesentlich beurteilt werden.

Dass betroffene Unternehmen, deren Interessenvertreter und Lobbyisten nicht nur allgemeine Wünsche äußern, sondern konkret darlegen, wie diese Wünsche in Rechtsvorschriften zu fassen wären, ist weder neu noch ungewöhnlich; es betrifft auch nicht nur die Ministerialebene (wo die meisten Rechtstexte formuliert werden), sondern natürlich auch die parlamentarische Ebene. Im Telekombereich sollten die Abgeordneten, die sich nun im Untersuchungsausschuss über die Vorschläge von der TA wundern, vielleicht einmal ihre für Telekomsachen fachzuständigen KollegInnen fragen, ob sie nicht den einen oder anderen "fachlichen Input" von der TA wie auch von anderen Unternehmen bekommen haben. Nicht immer führen diese Vorschläge tatsächlich zu Gesetzen, aber wie das hier gezeigte ältere Beispiel zeigt, ist es nicht ungewöhnlich, dass die TA Abänderungen, die sie sich im Gesetzgebungsprozess wünscht, fertig vorformuliert den Abgeordneten zur Verfügung stellt (ich habe das Beispiel hier schon mal erwähnt).

Ein untrügliches Zeichen, dass der Text vom Unternehmen selbst oder von Lobbyisten stammt, ist es übrigens, wenn er legistisch mangelhaft ist und mehr atmosphärisch zur Beruhigung der Unternehmensspitze dient als zu einer materiell entscheidenden Rechtsänderung (Beispiele dafür wären etwa die demonstrative Erwähnung von "Kosten und Risken" in § 1 Abs 2 Z 2 lit c und § 42 Abs 2 TKG 2003 in der Fassung dieses Initiativantrags [mehr dazu hier] oder § 42 Abs 1 TKG 2003 in der Fassung der jüngsten Novelle [dazu hier]).

Nochmal: entscheidend ist nicht, wer einen Verordnungs- oder Gesetzestext schreibt. Entscheidend ist vielmehr, wer und aus welchen Gründen den Rechtstext in der jeweiligen Fassung beschließt.


Zweitens: im Behörden-Wirrwarr
Da ich die Betroffenen persönlich kenne, andererseits aber im Untersuchungsausschuss natürlich nicht dabei war, will ich weder die - in den Medien berichteten - Aussagen der am 26. Jänner vernommenen Auskunftspersonen kommentieren, noch das überraschende Fernbleiben des Geschäftsführers für den Fachbereich Telekom und Post der RTR, der als erste Auskunftsperson hätte aussagen sollen. Dabei fiel aber wieder auf, wie unübersichtlich die Konstruktion der Telekom-Regulierungsbehörden nicht nur für die JournalistInnen, sondern auch für die Abgeordneten ist.

Denn der Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Telekom und Post, Dr. Georg Serentschy, ist natürlich "nicht irgendwer", insoweit stimme ich dem im Standard zitierten Justizsprecher der SPÖ zu. Aber er ist deshalb nicht auch gleich "Chef einer Behörde mit richterlichem Einschlag." Die in diesem Zusammenhang relevante "Behörde mit richterlichem Einschlag" wäre nämlich die Telekom-Control-Kommission, der Serentschy nicht nur nicht vorsteht (und auch gar nicht angehört), sondern der er vielmehr weisungsunterworfen ist. Serentschy ist daher auch nicht "Hüter der Telefonietarife", dessen Behörde "die Zusammenschaltungsentgelte die Netzanbieter untereinander festlegt" und regelt, "wie viel einander die Anbieter beim Universaldienst zahlen" (wie das zB orf.at schreibt); die dafür zuständige Behörde ist nämlich wiederum die Telekom-Control-Kommission, die sich dabei von der RTR als ihrem Hilfsorgan unterstützen lässt. Dass in der Praxis die tägliche Arbeit in der RTR geschieht, ändert nichts daran, dass die wesentlichen Entscheidungen von der Telekom-Control-Kommission getroffen werden.


Drittens: das Kommunikationsbarometer
Im ersten Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses vom 18.11.2011 wurden auch verschiedene Behörden - darunter die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) - zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert. Ganz sicher, was sie dabei sehen wollten, waren sich die Abgeordneten wohl nicht, denn es wurden zB Akten "betreffend eines Antrages der Telekom Austria hinsichtlich eines Verfahrens zur Änderung der sogenannten 'Zusammenschaltungsanordnung' [...]" angefordert. Solche Zusammenschaltungsanordnungen gab es allerdings zahlreich, gemeint sind wohl die Verfahren Z 8-11/04 (Bescheid), mit denen im zweiten Anlauf eine Payphone Access Charge eingeführt werden sollte (siehe dazu das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes). Wenn man ganz genau sein wollte, geht es dabei übrigens nicht nur um Akten der RTR, sondern ganz wesentlich auch der Telekom-Control-Kommission, die ja - siehe schon die obige Anmerkung - entscheidende Behörde ist.

Und schließlich sollte die RTR auch Aktenstücke zur "Verordnung, mit der Bestimmungen für Kommunikationsbarometer" festgelegt werden, vorlegen. Das dürfte ist ein klassischer Diktatfehler sein, denn richtig heißt es natürlich "Kommunikationsparameter".

Aber vielleicht wäre es auch ganz gut, im Untersuchungsausschuss ein Kommunikationsbarometer aufzustellen, um das Verhandlungsklima zu beobachten.

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