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Thursday, April 03, 2025

EuGH-Generalanwalt: Sendestopp für Klubrádió verletzte Unionsrecht

Vor mehr als vier Jahren musste Klubrádió, der letzte relevante unabhängige und auch regierungskritische Radiosender in Ungarn, seinen Sendebetrieb auf UKW einstellen. Der Orbán-treue Medienrat stützte sich dabei auf zwei kleinere Verstöße gegen Meldepflichten und als unklar oder widersprüchlich angesehene Angaben im Verlängerungsantrag, die nationalen Gerichte bestätigten dieses bürokratische Vorgehen (siehe die Pressemitteilung des Medienrats vom 9. Februar 2021). 

Für unabhängige Beobachter war allerdings klar, dass es hier um die Einschränkung der Medienfreiheit ging - detailliert auch nachzulesen im "Memorandum on freedom of expression and media freedom in Hungary" der Menschenrechtskommissarin des Europarats, das kurz nach dem (UKW-)Sendestopp von Klubrádió veröffentlicht wurde und maßgeblich auch diese Ereignisse kritisch bewertet. Auch der Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission für 2021 hielt im Ungarn-Kapitel fest, dass der Medienpluralismus "weiterhin gefährdet" ist und Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Medienbehörde bestehen, "auch angesichts der Entscheidungen des Medienrats, die dazu führten, dass der unabhängige Radiosender Klubrádió abgeschaltet wurde." 

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission etwas Ungewöhnliches getan: sie hat drei Entscheidungen des ungarischen Medienrates, die zum Sendestopp für Klubrádió führten, zum Anlass genommen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten, und zwar wegen der Verletzung von Regeln über die Frequenzvergabe in den Rechtsvorschriften für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. 

Das war ungewöhnlich in zweierlei Hinsicht: erstens, weil in der Regel nicht einzelne behördliche oder gerichtliche Entscheidungen zum Anlass für ein Vertragsverletzungsverfahren genommen werden (sondern Rechtsvorschriften oder zumindest eine länger währende behördliche oder gerichtliche Entscheidungspraxis), und zweitens, weil hier eher technisch ausgerichtete Normen über die Frequenzvergabe genutzt wurden, um der Sache nach ein medienpolitisches Fehlverhalten anzugreifen.

Heute hat Generalanwalt Rantos in diesem, mittlerweile beim EuGH anhängigen Verfahren (C-92/23 Kommission / Ungarn) seine Schlussanträge erstattet (siehe auch die Pressemitteilung des EuGH dazu). Er kommt zum Ergebnis, dass Ungarn durch die Weigerung. die Lizenz von Klubrádió zu verlängern und durch den Ausschluss dieses Senders von einer weiteren Ausschreibung gegen Unionsrecht verstoßen hat. Es bleibt natürlich abzuwarten, ob sich der EuGH diesen Schlussanträgen anschließen wird, aber vielleicht lohnt sich ein erster Blick auf diesen Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts.

1. Zur Anwendbarkeit des Unionsrechts 

Ungarn hat vorgebracht, dass der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation nicht auf die Klubrádió-Entscheidungen anwendbar sei, weil es um die Erbringung von Mediendiensten geht, die ausschließlich durch das nationale Mediengesetz geregelt sei. Die Nutzung der Frequenzen sei eine gesonderte Verwaltungsentscheidung. 

Der Generalanwalt votiert das knapp und deutlich ab: auch wenn es bei der Lizenzvergabe (Vergabe des Rechts zur Erbringung von Mediendiensten) um Inhalte geht, so schließt dieses Recht auch das Recht auf Nutzung von Funkfrequenzen ein. 

Der neue europäische Kodex für elektronische Kommunikation (EKEK) ist für den vorliegenden Fall aus zeitlichen Gründen noch nicht relevant. Der Generalanwalt hält aber fest (Rn. 37), dass die Verpflichtungen aus Art. 45 Abs. 1 des EKEK den in Art. 9 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie festgelegten Verpflichtungen gleichwertig sind, "da beide Bestimmungen u. a. die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vorsehen, zu gewährleisten, dass die Zuteilung von Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste auf transparenten und angemessenen Kriterien beruht." 

Daher das erste Fazit: auch für die Vergabe von Hörfunk oder Fernseh-Zulassungen, die mit der Nutzung von Funkfrequenzen verbunden sind, sind die Bestimmungen (nun) des EKEK relevant, wonach die "Gewährung von individuellen Nutzungsrechten für Funkfrequenzen ... auf objektiven, transparenten, wettbewerbsfördernden, nichtdiskriminierenden und angemessenen Kriterien beruhen" muss bzw "die individuellen Rechte zur Nutzung von Funkfrequenzen nach offenen, objektiven, transparenten, nichtdiskriminierenden und verhältnismäßigen Verfahren" gewährt werden.

2. Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die verweigerte Verlängerung der Lizenz

Generalanwalt Rantos verweist im Hinblick auf die Ablehnung der Verlängerung der Klubrádió-Lizenz zunächst darauf, dass die für die erstmalige Frequenzvergabe maßgeblichen Kriterien auch bei jeder Verlängerung zu beachten sind. Eine Verlängerung muss zwar nicht zwingend vorgesehen sein oder könnte auch ab einem bestimmten Zeitpunkt an neue Regeln gebunden werden, dies war aber bei Klubrádió nicht der Fall. 

Die Klubrádió vorgeworfenen wiederholten Verstöße (der Sender hatte zweimal gegen die Verpflichtung verstoßen, den monatlichen Bericht über die Sendequoten abzuliefern und die dafür erhaltenen Strafen von jeweils rund 75 € nicht bekämpft), sind nach Ansicht des Generalanwalts im vorliegenden Fall nicht so schwerwiegend, dass der Ausschluss der Verlängerung der Lizenz damit zu begründen sei (Rn. 52). 

Die Bestimmung an sich, wonach eine Verlängerung nach wiederholten Verstößen ausgeschlossen ist, verstößt nach Ansicht des Generalanwalts aber nicht gegen die von der Kommission geltend gemachten Bestimmungen der RahmenRL, GenehmigungsRL oder WettbewerbsRL

3. Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Ungültigerklärung der Bewerbung bei einer weiteren Ausschreibung

Nachdem die Lizenzverlängerung abgelehnt worden war, beteiligte sich Klubrádió an einer Ausschreibung. Diese Bewerbung wurde vom Medienrat allerdings für ungültig erklärt hatte, weil geringfügige Fehler in der Antragstellung unterlaufen waren (eine Unklarheit in einer Sendungsbeschreibung, und ein fehlerhafter Eintrag in einem Formular, wo die Dauer einer Sendung mit 50 Minuten angegeben war, während diese laut Programmplan 45 Minuten dauern sollte). Für den Generalanwalt ist es offensichtlich, "dass diese Ungenauigkeiten so geringfügig sind, dass es unverhältnismäßig erscheint, sie als Grund für die Ungültigkeit des Angebots heranzuziehen."

Schließlich stützte sich die Ungültigerklärung auch noch darauf, dass Klubrádió bei der Bewerbung ein negatives Eigenkapital aufgewiesen habe. Das wurde aber nicht bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit berücksichtigt, sondern weil das Angebot damit nicht geeignet sei, zur Schaffung eines stabilen Rundfunkmarkts beizutragen. 

Der Generalanwalt sieht darin einen Verstoß gegen die Transparenzpflicht, weil dieser Aspekt nicht zu den in der Ausschreibung genannten Kriterien für die finanzielle Leistungsfähigkeit genannt worden war.  

4. Frist für die Entscheidung über die Frequenznutzung

Eine weitere Verletzung des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Lizenzverlängerung betraf die Frist: nach Art 5 Abs 3 GenehmigungsRL muss über den Antrag auf Gewährung von Nutzungsrechten an Funkfrequenzen innerhalb von sechs Wochen entschieden werden. Die ungarische Behörde hatte dafür aber mehr als zehn Monate gebraucht. 

Bei wettbewerbsorientierten oder vergleichenden Auswahlverfahren (also auch bei den im Rundfunkbereich häufig anzutreffenden "Beauty Contests") kann die Frist für die Vergabe von Funkfrequenzen nach Art 7 Abs 4 der GenehmigungsRL um höchstens acht Monate verlängert werden; dies war beim zweiten Verfahren der Fall, sodass die Kommission mit dem Hinweis auf die Frist diesbezüglich nicht erfolgreich war.

5. Ausschluss von einer befristeten Lizenz

Ein Nebenstrang der Kommissionsargumentation betrifft die dritte Entscheidung des Medienrats, nämlich Klubrádió auch von einer befristet - bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Ausschreibung - zu vergebenden Lizenz auszuschließen. Hier sieht der Generalanwalt angesichts des weiten Ermessens für die bei derartigen provisorischen Zulassungen aufzuerlegenden Bedingungen keinen Verstoß Ungarns gegen Unionsrecht.

6. Art. 11 GRC

Die Kommission machte auch geltend, dass die Entscheidungen des Medienrates "Klubrádió daran gehindert hätten, seine Programme über eine Funkfrequenz auszustrahlen, was die schwerste denkbare Verletzung der Medienfreiheit darstelle und der Unterbindung der Tätigkeit eines Mediendiensteanbieters durch die nationalen Behörden gleichkomme." 

Nachdem der Generalanwalt die Bedeutung des Art 11 Abs. 2 GRC betont ("eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft"), relativiert er den vorliegenden Fall ein wenig: es gehe hier um ein Verhalten, das "die Rechte eines bestimmten Unternehmens beeinträchtigt", zu prüfen sei aber, ob dadurch die Freiheit und der Pluralismus der Medien in Ungarn beeinträchtigt sei. Diesbezüglich hat nach Ansicht des Generalanwalts die Kommission ihre Beweislast nicht erfüllt (Rn. 101-103): 

Die Kommission, der ... die Beweislast obliegt, stützt sich offenbar auf den Umstand, dass Klubrádió ein unabhängiger und regierungskritischer Radiosender sei. Die Klage beruht jedoch nicht auf einer spezifischen Prüfung des Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit von Klubrádió und der allgemeinen Situation der Medien in Ungarn, die Kommission beschränkt sich vielmehr darauf, auf das dem Medienpluralismus gegenüber in besonderem Maße feindlich eingestellte Umfeld in diesem Mitgliedstaat hinzuweisen, das auf die starke Einmischung der ungarischen Regierung im Bereich der Medien zurückzuführen sei, wie dies von mehreren Instanzen innerhalb der Union und des Europarats bestätigt worden sei.

Insoweit trifft es zu, dass die Medienregulierung in Ungarn – und insbesondere das Mediengesetz – in den letzten Jahren oft Kritik seitens mehrerer internationaler Institutionen und Organisationen wegen der Einschränkungen der Medienfreiheit und des Medienpluralismus erfahren hat. Zudem kann und wird in einer Situation, in der die Freiheit und der Pluralismus der Medien auf die Probe gestellt werden, der Ausschluss eines Mediendiensteanbieters, der das politische Leben des Landes aufmerksam verfolgt und der politischen Macht gegenüber besonders kritisch eingestellt ist, diese Situation aller Wahrscheinlichkeit nach weiter verschärfen.

Aber auch wenn bei der Prüfung der streitigen Maßnahmen offensichtlich die besonderen Umstände und der spezielle Kontext ihrer Ergreifung nicht außer Acht gelassen werden können und es daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Maßnahmen tatsächlich die Freiheit und den Pluralismus der Medien beeinträchtigt haben, hat die Kommission meiner Ansicht nach unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht nachgewiesen, dass eine solche Auswirkung vorliegt, und ist somit der ihr obliegenden Beweislast nicht nachgekommen. Abgesehen von einer allgemeinen Beschreibung der Situation auf dem Medienmarkt in Ungarn hat sie nämlich keine Umstände vorgetragen, die die Auswirkungen der streitigen Maßnahmen auf diese Situation belegen.

Für den Fall, dass der EuGH zum Ergebnis kommen sollte, dass die festgestellten Verstöße die Freiheit und den Pluralismus der Medien einschränken, führt der Generalanwalt aber auch noch aus, dass er bezweifle, "dass die durch die streitigen Entscheidungen auferlegten Einschränkungen insoweit notwendig und verhältnismäßig sind." 

7. Fazit 

Sollte der EuGH dem Generalanwalt folgen (was ich zumindest im Kern erwarte), ist zunächst einmal klagestellt, dass auch für die Vergabe und Verlängerung von Rundfunklizenzen, die mit einer Frequenznutzung verbunden sind, die Bestimmungen (nun) des EKEK zu beachten sind, was insbesondere transparente Verfahren und verhältnismäßige Kriterien für die Entscheidung sowie die Einhaltung der dort festgelegten Fristen verlangt. 

Das bedeutet, dass bei jeder Ausschreibung die in der Auswahl anzuwendenden Kriterien möglichst klar anzugeben sind (sofern dies nicht bereits durch das Gesetz erfolgt ist), und dass bei jeder im Zug der Vergabe oder Verlängerung zu treffenden Entscheidung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. 

Klar ist jedenfalls auch, dass Art. 11 GRC für derartige Vergabeverfahren maßgebend sind (aber das war außerhalb Ungarns wohl auch kaum strittig). Der Generalanwalt stellt aber hohe Anforderungen an die Beweislast für die Kommission, aus einzelnen Verstößen ein gewissermaßen systemisches Versagen zu belegen, also hier: dass nicht nur Detailbestimmungen des Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste verletzt wurden, sondern dadurch auch ein Verstoß gegen Art. 11 GRC erfolgt wäre. 

Schließt sich der EuGH auch diesbezüglich dem Generalanwalt an, so werden damit auch die Grenzen eines Vertragsverletzungsverfahrens deutlich, das aufgrund des staatlichen Vorgehens gegen ein einzelnes Medium eingeleitet wird. Für die Bekämpfung systemischen Versagens wäre ein derart spezifisches Vertragsverletzungsverfahren damit kein geeignetes Mittel.

Wednesday, March 26, 2025

EuG: Auch Internetprovider scheitern mit Klage gegen die Sanktionen gegen russische staatsnahe Medien

Die Sanktionen gegen russische staatsnahe Medien bleiben aufrecht - nachdem schon 2022 die Klage eines sanktionierten Unternehmens abgewiesen wurde, scheiterten nun auch drei niederländische Internet Service Provider, die vor dem EuG (unter anderem) geltend machten, dass durch die Sanktionen ihr Grundrecht auf Verbreitung von Informationen verletzt worden wäre. Das EuG hat diese Argumentation verworfen, ob die ISPs nun Rechtsmittel an den EuGH ergreifen, ist noch unklar

Die Vorgeschichte

Der Rat der Europäischen Union hat mit Beschluss (GASP) 2022/351 und Verordnung (EU) 2022/350, jeweils vom 1. März 2022, die im Jahr 2014 nach der Annexion der Krim verhängten Sanktionen gegen Russland erstmals auch auf Medieninhalte ausgeweitet. Auch davor waren schon einzelne Medienunternehmen und Medienpersönlichkeiten von typischen Sanktionen wie Reisebeschränkungen oder Einfrieren von Geldern betroffen. Neu an der Verordnung vom 1. März 2022 war aber, dass Wirtschaftsakteuren ("Betreibern") innerhalb der Union verboten wurde, Medieninhalte bestimmter staatsnaher russischer Medien zu verbreiten, und dass sämtliche Rundfunklizenzen sowie (private) Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen "ausgesetzt" wurden (siehe im Blog dazu vor allem hier). 

Von Anfang an wurde heftig diskutiert (siehe zB hier oder hier), ob damit die Medienfreiheit (Art. 11 GRC: Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit) unzulässig eingeschränkt wurde, insbesondere weil nicht auf einzelne problematische Sendungen oder Inhalte, sondern pauschal auf den Absender (zunächst RT und Sputnik, mittlerweile zahlreiche weitere, siehe hier) abgestellt wurde, und weil unter "Betreibern" auch Internet Service Betreiber zu verstehen waren, die den Zugang zu Websites mit diesen Inhalten bloß ermöglichten . 

Die Sanktionierung wurde gerichtlich zunächst von RT France bekämpft; diese Klage wurde vom EuG im beschleunigten Verfahren behandelt und mit einem in Großer Kammer ergangenen Urteil vom 27. Juli 2022, T-125/22, abgewiesen (siehe dazu hier); das zunächst dagegen erhobene Rechtsmittel wurde nach der Insolvenz von RT France wieder zurückgenommen, zu einer Entscheidung des EuGH ist es daher nicht gekommen.

Gegen die Sanktionen war aber nicht nur RT France als direkt betroffenes Medienunternehmen gerichtlich vorgegangen. Auch drei niederländische Internet Service Provider, unterstützt auch von einer niederländischen Journalistenorganisation, erhoben Nichtigkeitsklage beim EuG. 

Das Urteil des EuG

Nun - nach rund dreijähriger Verfahrensdauer - hat das EuG mit Urteil vom 26. März 2025, T-307/22, A2B Connect u.a. / Rat, auch über diese Klage entschieden. Berichter (Rapporteur) war - wie bereits in der Rechtssache RT France - wieder Roberto Mastroianni.

GASP-Beschlüsse

Das EuG verwirft die Klage zunächst insoweit, als sie sich gegen den Beschluss (GASP) 2022/351 (und einen Folgebeschluss) richtet. Dieser Beschlüsse stellten zwar restriktive Maßnahmen gegen die darin individualisierten Unternehmen dar, nicht aber gegenüber den darin nicht genannten ISPs - das Gericht habe daher keine Jurisdiktion, um über die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse im vorliegenden Verfahren zu entscheiden (Rn. 32).

Verordnungen: Zuständigkeit und Zulässigkeit

Die bekämpften Verordnungen (2022/350 und 2022/879) hingegen wurden auf Grundlage des Art. 215 Abs. 2 AEUV erlassen und unterliegen der vollen Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Unionsgerichte (Rn. 33). 

Da sich die Klage als unbegründet erweist, geht das EuG auf die - vom Rat (mit meines Erachtens  teilweise guten Gründen) bestrittene - Zulässigkeit gar nicht ein, sondern lässt diese offen und behandelt die Sache gleich in merito. 

Kompetenz des Rates zur Erlassung der Verordnungen

Um die in der Klage bestrittene Kompetenz des Rates zur Erlassung der Verordnungen zu prüfen, muss das EuG zunächst doch auf die Kompetenz des Rates zur Erlassung der Beschlüsse im Rahmen der GASP eingehen, die sich auf Art. 29 EUV (Bestimmung des Standpunkts der Union zu bestimmten Fragen) stützen. Nur wenn die Beschlüsse rechtmäßig zustande gekommen sind, können auch die Verordnungen rechtmäßig sein, da die restriktiven Maßnahmen nach Art. 215 Abs. 2 AEUV nur verhängt werden können, wenn dies ein im Rahmen der GASP [rechtmäßig] erlassener Beschluss vorsieht. Diese Kompetenzfrage wird - im Wesentlichen entlang der schon im Urteil RT France vorgezeichneten Argumentation - bejaht. Dabei wird wieder auf die gerade auch von Medienrechtlern gerne vorgebrachten Argumente eingegangen, wonach die Regulierung von Medieninhalten Sache der Mitgliedstaaten sei (siehe etwa hier), die das EuG wenig überraschend nicht beeindrucken: nicht nur dass aus nationalen Zuständigkeiten natürlich in keiner Weise Beschränkungen der Unionszuständigkeiten abgeleitet werden können, die nationalen Maßnahmen verfolgen auch ganz andere Zwecke (Rn. 56f). Auch dass andere Unionszuständigkeiten für die Regulierung von Medien bestehen, ändert an den Kompetenzen im Rahmen der GASP - und daran anknüpfend für die Erlassung restriktiver Maßnahmen nach dem AEUV - nichts: diese schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind komplementär, mit jeweils eigenem Anwendungsbereich und unterschiedlichen Zielrichtungen (Rn. 60). Dass schließlich die Erlassung von Sanktionen auf Unionsebene besser geeignet ist, das Ziel einer einheitlichen Anwendung dieser Sanktionen zu erreichen als ein Handeln auf Ebene der Mitgliedstaaten, ist für das EuG auch klar (Rn. 62). 

Recht auf eine gute Verwaltung

Die Kläger machten auch eine Verletzung des in Art. 41 GRC garantierten Rechts auf eine gute Verwaltung geltend - ein typischerweise eher schwaches Argument, das auch hier vom EuG routiniert abgehandelt wird: eigentlich geht es den klagenden ISPs nur um das Recht auf eine Begründung der getroffenen Entscheidung, und da ist zu bedenken, dass es sich hier nicht um einen Rechtsakt handelt, der individuell an die ISPs gerichtet ist. Vor diesem Hintergrund sieht das EuG die Verordnungen wenig überraschend als ausreichend begründet an (Rn 81). 

Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

Die spannendste Frage handelt das EuG am Schluss ab: den Eingriff in die nach Art. 11 GRC geschützte Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. 

Das EuG betont zunächst, dass die Grundrechte bei allen Handlungen der Union zu beachten sind, einschließlich bei Rechtsakten, durch die Beschlüsse im Rahmen der GASP umgesetzt werden (Rn. 101). Die in Art. 11 GRC - der unter Beachtung der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK auszulegen ist (Rn. 106) - garantierten Rechte können keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen , sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden (Rn. 104). 

Die ISPs machen eine Verletzung sowohl in ihrem Recht auf Verbreitung von Informationen geltend als auch im Recht ihrer Nutzer auf Erhalt von Informationen. Das EuG zieht zunächst in Zweifel, ob die ISPs überhaupt Grundrechtsträger sein können, die eine Verletzung in ihrem Recht auf Verbreitung von Nachrichten geltend machen können, zumal sie sich darauf stützen, dass die eine neutrale Rolle in der Verbreitung von Inhalten einnehmen. Diese Frage lässt das EuG ausdrücklich offen, da die Klage auch erfolglos bleibt, wenn man die Grundrechtsträgereigenschaft annimmt (Rn. 110). 

Even assuming that internet service providers, such as the applicants, which after all describe themselves as operators providing internet access to individuals or businesses (see paragraph 3 above), may be regarded as holders of an autonomous right to freedom to impart information, despite relying on their neutral role in the broadcasting of content, the applicants’ arguments cannot succeed.

Danach prüft das EuG (unter der Annahme, dass ein Eingriff in das Grundrecht vorliegt), ob die Eingriffsschranken iSd Art. 52 GRC gewahrt sind:  

"gesetzlich vorgesehen"

Der Eingriff hatte laut EuG eine rechtliche Grundlage in den Verträgen (Art. 29 EUV, Art. 215 AEUV; Rn. 112) und für die ISPs sei vorhersehbar gewesen, dass sie von solchen Sanktionen betroffen sein könnten (Rn. 114), sodass das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage gegeben ist (Rn. 115). Bei erster Lektüre lässt mich dieser Begründungsteil ein wenig ratlos zurück, da meines Erachtens die Frage, ob der Eingriff "gesetzlich vorgesehen" war, auch direkt auf die bekämpften Verordnungen abgestellt werden könnte und das vom EGMR entwickelte Kriterium der Vorhersehbarkeit sich eher auf die Frage beziehen würde, ob für die ISPs klar war, ob sie bzw. mit welchen Handlungen sie dem Eingriff unterliegen. Aber auch diese Betrachtungsweise würde wohl keinen Unterschied im Ergebnis machen. 

"den Wesensgehalt achtend"

zur zweiten Voraussetzung, dass der Eingriff den Wesensgehalt des Rechts achten muss, verweist das EuG einerseits recht knapp darauf, dass nur wenige "media outlets" betroffen sind (Rn. 116; mittlerweile ist die Liste auf immerhin 32 angewachsen, aber auch das ist wohl noch eine vergleichsweise geringe Zahl, wenn man sie in Relation zu allen [online] "media outlets" setzt). Andererseits betont das EuG auch, dass die Einschränkungen nur zeitlich beschränkt und reversibel sind (Rn. 117f). Schließlich ist der Umstand, dass das Filtern der betroffenen Inhalte für die ISPs viel Arbeit und hohe Kosten verursacht, im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob der Wesensgehalt des Grundrechts verletzt wird, irrelevant ist. Dieses Argument wäre eher im Zusammenhang mit Art. 16 GRC (Unternehmerische Freiheit) relevant, darauf haben sich die ISPs aber nicht gestützt (Rn. 119) - für mich völlig unverständlich, weil das gerade in der Leitentscheidung zu Netzsperren (EuGH 27.3.2014, C‑314/12, UPC Telekabel Wien) ein wesentliches Thema war.

"dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen" 

Die Maßnahmen dienen (u.a.) dem Schutz der Werte der Union und ihrer Sicherheit, waren Teil der Verfolgung dieser Zielsetzungen, konsistent mit diesen und zielten darauf ab, den Kriegszustand und die Verletzungen des Humanitären Völkerrechts zu beenden, was ebenfalls ein Ziel von grundlegendem allgemeinem Interesse ist (Rn. 122).  

Verhältnismäßigkeit 

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit stellt sich die Frage etwas anders als im Fall RT France, da hier die Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die ISPs zu prüfen is (Rn. 126). Die Maßnahmen entsprachen der Zielsetzung, maximalen Druck auf die russischen Machthaber auszuüben. Es war auch angemessen für den Rat, ISPs in gleicher Weise wie andere Weiterverbreiter von Inhalten in Betracht zu ziehen (Rn. 129). Dass die sanktionierten Inhalte in in der Union noch zugänglich sind, schadet nicht: Mögliche Schwierigkeiten in der Anwendung der bekämpften Verordnungen können nicht dazu führen, dass die Maßnahmen den anerkannten Zielsetzungen nicht tatsächlich entsprechen würden (Rn. 130): 

The fact, claimed by the applicants, that the restrictive measures at issue are not suited to their purpose, because the website of the Russia Today newspaper can still be accessed everywhere in the European Union, cannot call into question the appropriateness of the broadcasting prohibition at issue. Possible difficulties in applying the contested regulations cannot render those measures inappropriate.

(Zur tatsächlichen Erreichbarkeit sanktionierter Inhalte - in Frankreich und Belgien - siehe übrigens einen aktuellen Befund hier

Das EuG bejaht auch die Notwendigkeit der Maßnahmen im Hinblick auf die ISPs ("intrinsically necessary", Rn. 132); eine Beschränkung auf Rundfunk und On Demand-Abrufdienste wäre nicht ausreichend gewesen (Rn. 133). 

Zur eigentlichen Abwägungsentscheidung betreffend die Verhältnismäßigkeit verweist das EuG auf die Bedeutung des größeren Ziels, Frieden und internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten, die auch  beträchtliche negative Konsequenzen für Unternehmen, die für diese Situation keinerlei Verantwortung tragen, aufwiegt. Die ISPs sind nur hinsichtlich der Verbreitung der Inhalte relativ weniger Unternehmen beschränkt und können ansonsten Zugang zu allen anderen Inhalten herstellen - es liegt daher kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit, Informationen zu verbreiten, vor (Rn. 134).. 

Zur Verletzung des Rechts der Internet-Nutzer auf Zugang zu Informationen

Die ISPs haben auch auf das Recht ihrer Kunden (Nutzer) hingewiesen, Zugang zu Informationen zu erhalten. Das EuG legt sich hier zunächst gar nicht fest, ob ein solches Recht der Nutzer überhaupt besteht ("Even assuming that those users ... were able to invoke an infringement of a right to freedom of expression and information ..."); selbst wenn es besteht (was meines Erachtens nicht zweifelhaft ist) könne es nämlich von den ISPs nicht geltend gemacht werden. Die ISPs hätten auch nicht dargelegt, aus welchem Grund sie berechtigt wären, sich auf dieses Recht gewissermaßen in Vertretung ihrer Kunden zu stützen (Rn. 138f). 

In diesem Punkt überrascht mich, dass offenbar die ISPs kein substantiiertes Vorbringen erstattet haben, denn aus dem schon zitierten UPC Telekabel Wien-Urteil könnte man doch Hinweise entnehmen, dass ISPs auch Verantwortung für die Grundrechte ihrer Nutzer tragen, zumal es dort ( Rn. 55) heißt, dass ein ISP (dort als Adressat einer Anordnung zu einer Netzsperre) "auch für die Beachtung des Grundrechts der Internetnutzer auf Informationsfreiheit Sorge tragen" muss (dort ging es um die Wahl der Mittel, einer Sperrverfügung nachzukommen, aber es handelt sich doch um eine sehr ähnliche Situation, in der ein ISP nicht aus eigenem Willen, sondern aufgrund behördlicher oder gerichtlicher Entscheidung für seine Kunden den Zugang zu zuvor frei zugänglichen Inhalten unterbinden muss). 

Wie geht es weiter?

Gegen das Urteil des EuG können die ISPs Rechtsmittel an den EuGH erheben. Ob sie das tun werden, ist noch nicht klar, die erste Reaktion der niederländischen Journalistenvereinigung, die eine treibende Kraft hinter der Klage war, klingt eher zurückhaltend. 

Bis zu einem allfälligen EuGH-Urteil ist aber klargestellt, dass die Sanktionen gegen russische staatsnahe Medien Bestand haben und auch von Internet Service Betreibern einzuhalten sind.  

Friday, July 29, 2022

EuG: Keine Nichtigerklärung der Sanktionen gegen RT France

Das Sende- und Weiterverbreitungsverbot für Inhalte von RT (Russia Today) ist gültig. Zu diesem Ergebnis ist das EuG in seinem Urteil der Großen Kammer vom 27. Juli 2022, T-125/22, RT France / Rat (Pressemitteilung) gekommen. Die Nichtigkeitsklage von RT France gegen den Beschluss (GASP) 2022/351 des Rates und die Verordnung (EU) 2022/350 des Rates wurde abgewiesen. Damit bleiben diese Sanktionen (jedenfalls vorerst) in Kraft - der Rechtszug zum EuGH steht RT France noch offen. Zudem hat das EuG auch noch über eine weitere Nichtigkeitsklage gegen diese Sanktionen, die von niederländischen Internet Service Providern erhoben wurde (T-307/22 A2B Connect ua /Rat), zu entscheiden, in der wohl auch Klagegründe geltend gemacht werden, die im nun entschiedenen Fall keine Rolle gespielt haben. 

Bemerkenswert ist, dass das EuG - im Allgemeinen nicht gerade für kurze Verfahrensdauern bekannt - diese Rechtssache im beschleunigten Verfahren innerhalb von weniger als fünf Monaten entschieden hat (Einlangen der Klage am 8. März 2022, Urteilsverkündung am 27. Juli 2022). Auch das zeigt - neben der Entscheidung in der Großen Kammer - dass es keine Routinesache war, die hier verhandelt und entschieden wurde.

Zur Vorgeschichte 

Die EU hat mit Beschluss (GASP) 2022/351 des Rates vom 1. März 2022 und - darauf aufbauend - mit Verordnung (EU) 2022/350 des Rates vom 1. März 2022, die bereits 2014 verhängten restriktiven Maßnahmen "angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren", weiter verschärft und in diese Sanktionen erstmals auch ein Verbot der Verbreitung bestimmter audiovisueller Inhalte sowie ein Aussetzen von Rundfunklizenzen aufgenommen (siehe in diesem Blog bislang hier und hier). Betroffen waren damals RT (Russia Today, in verschiedenen Sprachen) und Sputnik (mittlerweile wurde die Liste erweitert, siehe näher dazu hier). Die Entscheidung, de facto ein Sendeverbot für Rundfunkveranstalter zu verhängen, wurde vielfach kritisch beurteilt, insbesondere (wie aus Deutschland nicht anders zu erwarten) im Hinblick auf eine angeblich nicht vorhandene Kompetenzgrundlage für ein derartiges Eingreifen der Union einerseits (zB von Ferreau im Verfassungsblog) und wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Meinungsäußerungs- bzw. Medienfreiheit nach Art. 11 Grundrechtecharta andererseits (zB von Voorhoof auf Inforrm's Blog, von Helberger und Schulz auf dem Media@LSE Blog, oder von Popović auf EJIL: Talk!). Von Bedeutung dabei ist auch, dass die Sanktionen nicht nur die "sanktionierten" Rundfunkveranstalter treffen, sondern etwa auch Internet Service Provider, Suchmaschinen oder Social Media Plattformen, die den Zugang zu Websites der betroffenen Rundfunkveranstalter sperren müssen (zur Reichweite der Sanktionen im Detail hier). 

Die Klägerin

RT France ist eine in Frankreich niedergelassene Aktiengesellschaft, deren einzige Aktionärin "TV Novosti" ist, eine gemeinnützigen Vereinigung mit Sitz in Moskau, die fast vollständig aus dem russischen Staatshaushalt finanziert wird. Seit 2017 sendete RT France auf Basis einer von der französischen Regulierungsbehörde (Conseil Supérieur de l'Audiovisuel - CSA) erteilten Zulassung audiovisuelle Inhalte über Satellit und Internet (in Frankreich und darüber hinaus). Die Klage vor dem EuG stützte RT France auf vier Klagegründe:

  1. Verletzung der Verteidigungsrechte, 
  2. Verletzung der Meinungs- und Informationsfreiheit, 
  3. Verletzung der unternehmerischen Freiheit,  
  4. Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

Der Beklagte und seine Streithelfer 

Beklagt war der Rat als Normsetzer der bekämpften Rechtsakte. Als Streithelfer auf der Seite des Rates sind die Kommission und der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik beigetreten, sowie von den Mitgliedstaaten einerseits die (teilweise) französischsprachigen Staaten Frankreich und Belgien und andererseits - mit Ausnahme Finnlands - alle Staaten mit einer Landgrenze zu Russland (Polen, Estland, Lettland und Litauen). Aus diesem Line-up muss man nicht allzu viel ableiten, aber es zeigt doch, dass die "westlichen" EU-Staaten (mit Ausnahme Frankreichs und Belgiens) kein besonderes Interesse an der Sache zeigen. Österreich zum Beispiel hat sich ebenso wie Deutschland im Verfahren nicht eingebracht.

Das Urteil

Kompetenz des Rates

Im Rahmen des zweiten Klagegrundes zog RT France auch die Zuständigkeit des Rates zur Erlassung der bekämpften Rechtsakte in Zweifel. Alleine die nationalen Regulierungs- bzw. Aufsichtsbehörden (in Frankreich nunmehr Arcom) seien zuständig, gegen ein audiovisuelles Medium wegen unangemessener redaktioneller Inhalte zu bestrafen. 

Damit machte RT France der Sache nach Bedenken geltend, wie sie auch von klassischen deutschen Medienrechtlern gerne vorgebracht werden: Medien wären demnach allein mitgliedstaatlicher Regulierung unterworfen. Abgesehen davon, dass diese Ansicht schon die Binnenmarkt-Dimension der Medienregulierung übersieht (Stichwort: AVMD-Richtlinie), greift sie im Fall der Sanktionierung russischer Staatsmedien schon wegen der anderen Kompetenzgrundlage nicht, wie das EuG in seinem Urteil deutlich macht:

Der bekämpfte Beschluss stützt sich auf Art 29 EUV, wonach der Rat den Standpunkt der Union (im Rahmen der GASP, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik) bestimmt. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfügt der Rat dabei "wegen des breiten Spektrums der in Art. 3 Abs. 5 EUV und Art. 21 EUV sowie den speziellen Vorschriften über die GASP, insbesondere den Art. 23 und 24 EUV, genannten Ziele und Felder der GASP" über einen großen Spielraum (das EuG verweist dazu [wie auch ich bereits in meinem ersten Blogbeitrag] auf das zu früheren Sanktionen gegen Russland ergangene Urteil Rosneft, Rn. 88).

Das EuG hält fest, dass dem Rat nicht vorgeworfen werden könne, dass er angesichts der internationalen Krise, die durch die Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine verursacht wurde, auch das vorübergehende Verbot der Ausstrahlung von Inhalten bestimmter Medien, insbesondere der vom russischen Staat finanzierten RT-Gruppe, als eine der zielführenden Maßnahmen ("mesures utiles") angesehen hat, um auf die schwere Bedrohung des Friedens an den Grenzen der Union und den Verstoß gegen das Völkerrecht zu reagieren. Der Eingriff steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Zielen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Da Propaganda- und Desinformationskampagnen geeignet sind, die Grundlagen demokratischer Gesellschaften in Frage zu stellen und einen integralen Bestandteil des Arsenals moderner Kriegsführung zu bilden, sind die restriktiven Maßnahmen auch Teil der Verfolgung der Ziele der Union nach Art. 3 Abs. 1 und 5 EUV.

Zum Argument, dass nur die nationale Regulierungsbehörde einen derartigen Eingriff hätte vornehmen dürfen, verweist das EuG einerseits darauf, dass Zuständigkeiten der Union, einschließlich jener der im Rahmen der GASP, nicht durch Befugnisse nationaler Verwaltungsbehörden ausgeschlossen oder eingeschränkt werden können. Dass eine nationale Behörde zu bestimmten "Sanktionen" befugt ist, steht der Befugnis des Rates zur Erlassung restriktiver Maßnahmen nicht entgegen, auch wenn diese Maßnahmen darauf abzielen, die Verbreitung von Inhalten eines Rundfunkveranstalters (vorübergehend) zu untersagen. Andererseits merkt das EuG an, dass die den nationalen  Behörden durch die innerstaatliche Gesetzgebung übertragenen Befugnisse nicht dieselben Ziele verfolgen, nicht auf denselben Werten beruhen und nicht dieselben Ergebnisse garantieren können wie die im Rahmen der GASP getroffenen einheitlichen Sofortmaßnahmen für das gesamten Gebiet der Union. 

In diesem Zusammenhang bezieht sich das EuG auch darauf, dass die restriktiven Maßnahmen auch an alle "Betreiber" gerichtet sind, die Inhalte der RT-Gruppe verbreiten, sodass ein allfälliges Eingreifen nationaler Aufsichtsbehörden, das auf den Hoheitsbereich des jeweiligen Mitgliedstaates beschränkt ist, nicht zum selben Ergebnis hätte führen können. 

Kurz geht das EuG geht auch auf die - von RT France gar nicht geltend gemachte - Frage der Aufteilung von Kompetenzen innerhalb der Union ein. Dass eine Regelung etwa auch im Rahmen der Binnenmarktkompetenz (wie bei der AVMD-Richtlinie) möglich gewesen wäre, schließt die Kompetenz im Rahmen der GASP aber nicht aus: Die Maßnahmen ergänzen einander, haben ihren eigenen Anwendungsbereich und andere Ziele. 

Die bekämpfte Verordnung stützte sich auf Art. 215 Abs. 2 AEUV, auch die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Kompetenzgrundlage sieht das EuG konsequenterweise als gegeben an.

Keine Verletzung der Verteidigungsrechte

Rechtlich etwas heikler als die meines Erachtens wenig problematische Kompetenzfrage war die Frage , ob RT France als unmittelbar von der Maßnahme betroffenes Unternehmen in seinen Verteidigungsrechten verletzt wurde, weil keine vorherige Anhörung erfolgt war und die Begründung der Maßnahmen relativ knapp gehalten wurde. 

Das Recht jeder Person auf rechtliches Gehör, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, ist in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a GRC verankert. Im Zusammenhang mit der Aufnahme (oder Belassung) einer Person auf die Sanktionsliste hat der EuGH bereits ausgesprochen, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die ihr vorliegenden belastenden Informationen, auf die sie ihre Entscheidung stützt, mitteilen muss, damit diese Person ihre Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, den Unionsrichter anzurufen (Urteil Kadi II, Rn. 111). Diese Information muss aber nicht zwingend vor der erstmaligen Aufnahme in die Sanktionsliste erfolgen (Urteil Kadi I, Rn. 338-342). 

Das EuG überträgt diese Rechtsprechung, die den notwendigen Überraschungseffekt in Fällen der Aufnahme in die Sanktionsliste, insbesondere im Hinblick auf das Einfrieren von Geldern, betont hat, auch auf den hier vorliegenden Fall eines (temporären) Sende- und Verbreitungsverbots. Auch dabei sei ein sofortiges Handeln unerlässlich, um den "effet utile", die Wirksamkeit der Maßnahme, nicht zu gefährden. 

Die Erfordernisse der Dringlichkeit und Wirksamkeit aller erlassenen restriktiven Maßnahmen würden daher die Beschränkung des nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a GRC gewährleisteten Rechts rechtfertigen, soweit die Maßnahmen tatsächlich anerkannten Zielen des Gemeinwohls - wie zB der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Union - dienen. 

Das EuG hält auch fest, dass es - um die Integrität der demokratischen Debatte innerhalb der europäischen Gesellschaft zu wahren - notwendig geworden sei, nach dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts restriktive Maßnahmen gegenüber Medien zu ergreifen, die vom russischen Staat - dem Aggressorstaat - finanziert werden, und die als Quelle ständiger und konzertierter Desinformation und Manipulation von Tatsachen anzusehen sind (Rn. 88). Das EuG bezieht sich in diesem Zusammenhang auch auf Rechtsprechung des EGMR (Urteil NIT, Abs.181 und 182), wonach zu berücksichtigen sei, dass audiovisuelle Medien eine viel unmittelbarere und stärkere Wirkung haben als die Presse, da sie durch Bilder Botschaften übermitteln können, die das geschriebene Wort nicht vermitteln kann.

Unter Berücksichtigung des "ganz außergewöhnlichen Kontexts", in dem die angefochtenen Rechtsakte erlassen wurden, kommt das EuG daher zum Ergebnis, dass der Rat nicht verpflichtet war, RT France vor der erstmaligen Eintragung in die Sanktionslisten anzuhören. Sicherheitshalber führt das EuG aber in einer Alternativbegründung auch noch aus, dass RT nicht dargelegt hat, dass eine Anhörung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Rn. 93 bis 99). 

Auch das Erfordernis einer ausreichenden Begründung sieht das EuG als erfüllt an: in den Erwägungsgründen 6 bis 9 der angefochtenen Rechtsakte ergibt sich, dass (auch) RT France deshalb in die Liste aufgenommen wurde, weil sie die darin vorgesehenen spezifischen und konkreten Voraussetzungen erfüllte, nämlich ein Medium zu sein, das der ständigen unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle der Führung der russischen Föderation unterstand, und Propagandaaktionen durchführte, die unter anderem darauf abzielten, die militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine zu rechtfertigen und zu unterstützen. Diese Begründung sei "verständlich und hinreichend genau," um es RT France zu ermöglichen, die Gründe zu erfahren, die den Rat zur Einbeziehung von RT France in die Sanktionen veranlasst haben, und zweitens um die Rechtmäßigkeit dieser Rechtsakte vor den Unionsgerichten anzufechten. 

Keine Verletzung der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

Die spannende Kernfrage des Rechtsstreits war natürlich die Vereinbarkeit des Sende- und Verbreitungsverbots mit der durch Art. 11 GRC garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. 

Das EuG setzt an die Spitze seiner Ausführungen zunächst einige allgemeine Anmerkungen zu den rechtswissenschaftlichen Grundsätzen der Meinungsäußerungsfreiheit, wobei es sich ganz wesentlich auf die Rechtsprechung des EGMR stützt. Es betont (in Rn. 133), dass die Meinungsäußerungsfreiheit für jedermann gilt (unter Hinweis auf EGMR Öztürk, Abs. 49), auch für schockierende oder störende Äußerungen (unter Hinweis auf EGMR Handyside, Abs. 49, und - etwas irritierend - auf NIT, Abs. 177 und die dort zitierte Rechtsprechung, die sich aber auf die Frage der Notwendigkeit eines Eingriffs bezieht). Danach (Rn. 134) verweist das EuG darauf, dass es in demokratischen Gesellschaften grundsätzlich als notwendig erachtet werden kann, Hassrede zu sanktionieren, sofern die Beschränkungen oder Sanktionen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen (unter Hinweis auf EGMR Erbakan, Abs. 56, und Rouillan, Abs. 66). Das EuG hebt (wiederum unter Berufung auf EGMR NIT, Abs. 180-182 und die dort zitierte Rechtsprechung) auch die Bedeutung der journalistischen Berufsethik, der Regeln des verantwortlichen Journalismus und die unmittelbare und stärkere Wirkung audiovisueller Medien hervor (Rn. 136-138). Das EuG schließt seine "Einleitung" zur Meinungsäußerungsfreiheit mit einem eher allgemeinen Hinweis darauf, dass Äußerungen, die Gewalt, Hass, Fremdenfeindlichkeit oder andere Formen der Intoleranz befürworten oder rechtfertigen, normalerweise nicht geschützt sind (unter Hinweis auf EGMR Sürek, Abs. 61 und 62, und Perinçek, Abs. 197 und 230), wobei der Kontext der Äußerungen zu berücksichtigen ist (Rn. 139 bis 140). 

Zwei Aspekte fallen schon in dieser allgemeinen Einleitung auf: erstens wird die Frage, ob die Garantien des Art. 11 GRC wirklich uneingeschränkt auch für staatliche (ausländische) Unternehmen gelten, nicht thematisiert. Nun ist es eine Besonderheit des Unionsrechts, dass fremden Staaten (und deren Unternehmen) der volle Zugang zu den Unionsgerichten eröffnet ist, um restriktive Maßnahmen zu bekämpfen (siehe EuGH, 22. 6. 2021, C-872/19 P, Venezuela / Rat) - dass diese sich dabei aber auch uneingeschränkt auf die Unionsgrundrechte berufen können, ist keine Selbstverständlichkeit und würde eine nähere Betrachtung rechtfertigen. 

Und zweitens bleibt die Einleitung im Hinblick auf die Abgrenzung zu Art. 54 GRC (vergleichbar mit Art. 17 EMRK) höchst unscharf: zwar wird auf das EGMR-Urteil Perinçek verwiesen, in dem diese Frage erörtert wurde, aber ausdrücklich angesprochen wird diese Grundfrage, ob überhaupt der Anwendungsbereich des Art. 11 GRC eröffnet wird, weder in der Einleitung noch danach in der Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall. Es überrascht insbesondere auch, dass der Beschluss des EGMR im Fall Roj TV im Urteil des EuG überhaupt nicht erwähnt wird, obwohl das EuG Rechtsprechung des EGMR sonst umfassend zitiert.

Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit: Das EuG geht, ohne Art. 54 GRC überhaupt nur zu erwähnen, ohne weiteres von einer Einschränkung der nach Art. 11 GRC garantierten Meinungsäußerungsfreiheit aus. Wenn man Art. 54 GRC ausblendet - was allerdings keineswegs naheliegt -, ist das natürlich konsequent und richtig. Damit stellen sich dann die Folgefragen, ob im Sinne des Art. 52 GRC die Einschränkung 1. "gesetzlich vorgeschrieben" ist, 2. den Wesensgehalt des Grundrechts achtet, 3. einem von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Ziel entspricht und 4. verhältnismäßig ist. 

"Gesetzlich vorgesehen": das EuG bezieht sich hier auf die Rechtsprechung des EGMR zur Vorhersehbarkeit. Demnach muss ein "Gesetz" (im materiellen Sinne) nicht nur bestehen, sondern auch zugänglich und so bestimmt sein, dass die Auswirkungen auf die betroffenen Personen - nötigenfalls mit entsprechender Beratung - vorhersehbar sind. 

Ich wäre davon ausgegangen, dass die Einschränkung im vorliegenden Fall durch ein Gesetz im materiellen Sinn (Beschluss und Verordnung des Rates) erfolgte, zumal diese Rechtsakte ein Verbreitungsverbot bestimmter Inhalte normierten und nicht als ein unmittelbar an eine bestimmte Person gerichteter Verwaltungsakt anzusehen sind. Das EuG prüft aber tatsächlich, ob die Verhängung der Sanktionen selbst (also die Erlassung der bekämpften Rechtsakte) für RT vorhersehbar war, geht also, wenn auch nicht ausdrücklich (und aus meiner Sicht nicht zutreffend), davon aus, dass das die Einschränkung verfügende materielle Gesetz Art. 29 EUV bzw. Art. 215 Abs. 2 AEUV wäre. Auch mit diesem - meines Erachtens nicht zutreffenden - Verständnis bejaht das EuG die Vorhersehbarkeit angesichts des weiten Ermessensspielraums des Rates, der Bedeutung insbesondere der audiovisuellen Medien und der Rolle, die eine umfassende Medienunterstützung für die militärische Aggression Russlands in der Ukraine spielt (Rn. 151). Mit anderen Worten: ein vollständig aus dem russischen Staatshaushalt finanziertes Medium, das die völkerrechtswidrige Aggression Russlands unterstützt, musste damit rechnen, sanktioniert zu werden. 

Wesensgehalt des Grundrechtes: das EuG betont, dass die Einschränkung temporär ist (zunächst bis 31.07.2022, mittlerweile verlängert bis 31.01.2023) und wieder rückgängig gemacht werden kann. Die Aufrechterhaltung der Einschränkung hängt von zwei - kumulativen -Voraussetzungen ab: Beendigung der Aggression gegen die Ukraine und Einstellung der russischen Propagandaaktionen gegen die Union und ihre Mitgliedstaaten. Außerdem sei nicht jegliche Tätigkeit von RT France, die unter Art. 11 GRC fällt, untersagt. RT France kann zB weiter Inhalte produzieren und diese außerhalb der Union verbreiten oder verwerten. Der Wesensgehalt des Grundrechts ist damit nicht verletzt (Rn. 159).

Dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung: das EuG anerkennt die vom Rat verfolgten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Union und der Wahrung des Friedens, der Verhütung von Konflikten und der Stärkung der internationalen Sicherheit. Das mit den Sanktionen verfolgte Ziel der Beendigung des Kriegszustands und der Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht ist ein Ziel von überwiegendem Allgemeininteresse für die Gemeinschaft (Hinweis auf EuGH 30.7.1996, C‑84/95, Bosporus, Rn. 26).

Verhältnismäßigkeit: Bei der im Zentrum des Urteils stehenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Einschränkung prüft das EuG, ob die Einschränkungen nicht weiter gehen, als zur Verfolgung der legitimen Ziele notwendig ist, ob es eine weniger einschränkende geeignete Maßnahme gäbe, und ob die Nachteile nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen. 

Vorweg geht das EuG aber auf die vom Rat vorgelegten Nachweise ein, prüft also auf Sachverhaltsebene, ob eine "hinreichend solide Tatsachengrundlage" für die Entscheidung, Sanktionen zu verhängen, besteht. Das EuG kommt dabei zum Ergebnis, der Rat habe nachgewiesen, dass RT France unter Kontrolle der russischen Führung steht (Rn. 171 bis 174), und ebenso, dass RT France kontinuierliche und abgestimmte Propagandaaktionen gegen die Zivilgesellschaft in der Europäischen Union und in den Nachbarstaaten lanciert hat, die insbesondere darauf abzielten, die den Angriff Russlands auf die Ukraine zu rechtfertigen (Rn. 175 bis 191). Das EuG legt dazu im Einzelnen den Ablauf der Ereignisse unmittelbar rund um die Invasion in der Ukraine und die damit zusammenhängende Berichterstattung von RT dar. Alles zusammen belegt auch nach Auffassung des EuG, dass RT France vor Erlassung der Sanktionen die destabilisierende und aggressive Politik der Russischen Föderation gegenüber der Ukraine unterstützt und die militärische Aggression gerechtfertigt habe, was die Annahme einer erheblichen und direkten Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Union rechtfertige.

Eignung der Einschränkungen zur Zielerreichung: das EuG kommt in sehr knappen Worten zum Ergebnis, dass das vorübergehende Verbreitungsverbot für Inhalte von RT - als eine Maßnahme im Rahmen einer schnellen, einheitlichen, abgestuften und koordinierten Reaktion der Union - eine geeignete Maßnahme sei, um das Ziel zu erreichen, größtmöglichen Druck auf die russischen Behörden auszuüben, damit sie ihre militärische Aggression beenden (Rn. 193 bis 194).

Erforderlichkeit der Maßnahmen: Das EuG kommt auch zum Schluss, dass Sendeverbote in einzelnen Staaten oder die Verpflichtung, Warnhinweise einzublenden, zur Zielerreichung nicht geeignet gewesen wären (Rn. 196 bis 200).

Interessenabwägung: Das EuG betont hier einerseits die Bedeutung der mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele - nichts weniger als der Weltfrieden wird hier wieder ins Spiel gebracht (etwa in Rn. 203, unter Hinweis auch auf einen Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen) - und andererseits die Pflichten und Verantwortlichkeiten, die die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach der Rechtsprechung des EGMR mit sich bringt. Das EuG verweist in diesem Zusammenhang auch wieder auf EGMR NIT (Abs. 215), und bringt zum Ausdruck, dass die betroffenen Inhalte keine seien, die den "verstärkten Schutz" nach Art. 11 GRC erfordern würden, noch dazu, weil das betroffene Medium unter Kontrolle des Aggressorstaates steht (Rn. 206).

Das EuG greift auch das Vorbringen der Streithelfer auf, wonach Art. 20 Abs. 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte jede Kriegspropaganda verbietet (siehe dazu schon den Beitrag von Baade im Verfassungsblog). Dieses Verbot umfasse auch Äußerungen, die wiederholt und abgestimmt zugunsten eines andauernden völkerrechtswidrigen Krieges abgegeben werden, insbesondere wenn diese Kommentare von Medien stammen, die direkt oder indirekt vom Aggressorstaat kontrolliert werden (Rn 208 bis 210). Auch die Interessenabwägung geht daher zugunsten des Rates aus. 

In diesem Zusammenhang ist noch bemerkenswert, dass das EuG auch kurz auf die "passive" Informationsfreiheit eingeht und meint, dass dann, wenn sich ein Verbot der Ausstrahlung und Weiterverbreitung als verhältnismäßig erweise, dies umso mehr (a fortiori) auch für die damit verbundene Einschränkung des Rechts der Öffentlichkeit, diese Informationen zu empfangen, gelte (Rn. 214). 

Insgesamt kommt das EuG daher zum Ergebnis, dass das Recht von RT France auf freie Meinungsäußerung im Sinne des Art. 11 GRC durch die Sanktionen nicht verletzt wurde. 

Keine Verletzung der unternehmerischen Freiheit

Es ist natürlich nicht zweifelhaft, dass die Sanktionen eine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GRC bewirken. Auch diese Freiheit gilt freilich nicht unbeschränkt, sondern kann ebenso wie die Meinungsäußerungsfreiheit unter den Voraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 GRC beschränkt werden. Auch diese Voraussetzungen sieht das EuG - in diesem Punkt wenig überraschend - als gegeben an (Rn. 216 bis 230). 

Keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit

Die von RT France behauptete Diskriminierung aus Gründen der (russischen) Staatsangehörigkeit (als Verletzung des Art. 21 Abs. 2 GRC) kann schon deshalb nicht zum Erfolg der Klage führen, weil sich darauf nur Unionsbürger berufen können (ganz abgesehen von der Frage, ob sich eine Aktiengesellschaft auf eine "Staatsbürgerschaft" berufen könnte). Aber auch soweit man Art. 21 GRC als Ausprägung eines allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes lesen kann, hat RT France nicht aufgezeigt, dass andere ihr vergleichbare Medienunternehmen eine günstigere Behandlung erfahren hätten. Das EuG verwirft daher auch diesen Klagegrund.

Ausblick

RT France kann (und wird wohl) den - auf Rechtsfragen beschränkten - Rechtszug zum EuGH nützen (Update 04.10.2022: Das Rechtsmittel ist nun beim EuGH anhängig zu C-620/22 P; update 14.08.2023: das Verfahren vor dem EuGH wurde nach Zurückziehung des Rechtsmittels durch RT France mit Beschluss vom 28.07.2023 aus dem Register gestrichen). Das EuG konnte sich in seiner Entscheidung einerseits auf gesicherte Rechtsprechung des EuGH (insbesondere RosneftKadi I, Kadi II und Bosphorus) zu den Grundfragen des Sanktionenrechts stützen, und hat andererseits im Hinblick auf die neuartigen Sanktionen gegenüber Medien extensiv - wenn auch manchmal etwas erratisch - Rechtsprechung des EGMR herangezogen. Auch wenn man manche Details - insbesondere die Frage des Anwendungsbereichs im Hinblick auf Art. 54 GRC oder die Prüfung der Vorhersehbarkeit - vielleicht anders abhandeln hätte können, sind gravierende Anhaltspunkte, die eine Aufhebung oder ein "Umdrehen" der Entscheidung durch den EuGH erwarten ließen, nicht auszumachen. 

Im Verfahren gar nicht thematisiert wurde die konkrete Reichweite der Sanktionen, die insbesondere im Hinblick auf die daraus resultierenden Verpflichtungen von Suchmaschinenbetreibern, Internetzugangsanbietern und Social Media Plattformen für Diskussionen gesorgt haben (siehe dazu näher meinen ersten Blogbeitrag dazu). Die Frage, ob etwa für einen ISP die genaue Abgrenzung seiner Verpflichtungen "vorhersehbar" war, könnte das EuG noch in der Rechtssache T-307/22, A2B Connect u.a./Rat, beschäftigen, die von niederländischen ISPs initiiert wurde. 

Sofern das EuG diese Klage als zulässig beurteilt, würde dort auch noch die Frage abzuhandeln sein, inwiefern die Sanktionen das Recht von Dritten (etwa Kunden der ISPs) auf Zugang zu Informationen verletzen könnten. Zu diesem Punkt hat das EuG allerdings schon im nun vorliegenden Urteil darauf hingewiesen, dass eine Verletzung des Rechts auf den Empfang von Informationen nicht gegeben sein kann, wenn schon das Senden der Informationen zulässigerweise beschränkt (untersagt) wurde.

(Update 24.08.2022: erwartungsgemäß kritisch befassen sich Ronan Ó Fathaigh und Dirk Voorhoof mit dem EuG-Urteil in diesem Beitrag auf Inforrm's Blog.)

(Update 15.11.2022: Wie RT DE die EU-Sanktionen umgeht, hat Sophie Timmermann auf correctiv.org dargestellt.)

Thursday, September 04, 2014

EuGH zu Parodie und Urheberrecht: freie Meinungsäußerung, aber mit Grenzen

Urheberrechte sind nicht absolut: insbesondere die Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art 11 der Grundrechtecharta) kann zulässigerweise in Urheberrechte eingreifen. Dass dabei eine Abwägung der gegenläufigen Interessen bzw Rechtspositionen zu treffen ist, hat der EuGH zuletzt etwa im Fall UPC Telekabel Wien ausgesprochen (siehe im Blog dazu hier).

Insofern ist das gestern veröffentlichte Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑201/13, Deckmyn und Vrijheidsfonds, keine große Überraschung: der EuGH sprach aus, dass in einem konkreten Fall ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der Rechteinhaber auf der einen Seite und der freien Meinungsäußerung desjenigen, der ein geschütztes Werk parodiert, auf der anderen Seite gewahrt werden muss.

Bemerkenswert ist aber, dass der EuGH - ausgehend von den konkreten Umständen des Ausgangsfalls - gewissermaßen eine Gegenausnahme konstatiert: wenn die Parodie nämlich eine (hier: rassisch und ethnisch) diskriminierende Aussage vermittle, können sich die Rechteinhaber dagegen verwehren (das heißt wohl: die Parodie, gestützt auf das Urheberrecht am parodierten Werk, untersagen). Der EuGH stützt dies "auf die Bedeutung des Verbots der Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft [...], wie es durch die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22) konkretisiert und insbesondere in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestätigt worden ist." Der EuGH hält fest, dass die Rechtinhaber am parodierten Werk unter diesen Umständen (wenn die Parodie eine diskrminierende Aussage vermittle) "grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran [haben], dass das geschützte Werk nicht mit einer solchen Aussage in Verbindung gebracht wird."

Urheberrechtlich wie äußerungsrechtlich ist damit ein interessantes Feld eröffnet (siehe kritische Anmerkungen dazu bereits von IPKat, ebenfalls eher kritische Bemerkungen von Sabine Jacques auf EU LawAnalysis, [update 08.09.2014: nun auch ein kritischer Beitrag von Dirk Voorhoof and Inger Høedt-Rasmussen auf Inforrm's Blog], ein eher positiver Kommentar von Maximilian Steinbeis im Verfasungsblog): Denn der Sache nach wird hier die Meinungsäußerungsfreiheit des Parodierenden beschränkt durch die von ihm transportierten Inhalte. Dabei muss es sich natürlich um Inhalte handeln, die an sich - also losgelöst von der Parodie - von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt wären; verhetzende oder sonst (straf)gesetzwidrige Inhalte kämen ja von vornherein nicht in Betracht, sich gegenüber dem Urheberrecht durchzusetzen. Mit anderen Worten: es muss sich um Inhalte handeln, die zwar an sich zulässig wären, aber Werte transportieren, die von der Rechtsordnung missbilligt werden. Im Ausgangsfall kann man das gut argumentieren, da das Verbot der Diskriminierung nicht nur in der Gleichbehandlungsrichtlinie, sondern auch in Art 21 der Grundrechtecharta enthalten ist und damit Grundwertungen des Unionsrechts transportiert, während die Parodie an sich, auch wenn sie eine diskriminierende Einstellung des Parodierenden zeigt, allein deshalb noch nicht verboten wäre.

Was wäre aber zB, wenn eine Parodie gerade ein als diskriminierend empfundenes politisches Plakat durch - parodie-übliche - Zuspitzung thematisiert? Könnte sich die betroffene Partei dann auch darauf berufen, dass die Parodie diskriminierende Inhalte vermittelt? In einem solchen Fall würde es wohl am "berechtigten Interesse" mangeln - aber die Überlegung zeigt doch, dass das EuGH-Urteil sehr von den Umständen des Ausgangsfalls bestimmt ist und in der Praxis schwierige Abgrenzungsfragen aufwerden kann.

Parodien sind ihrem Wesen nach oft gerade gegen die vom parodierten Werk transportierten Inhalte gerichtet, man denke etwa an die zahllosen Parodien von FPÖ-Wahlplakaten (eine davon hat auch bereits den Obersten Gerichtshof beschäftigt: OGH 12.09.201, 4 Ob 194/01k) oder an die Parodie eines Salzburger SPÖ-Wahlplakats, die zur Leitentscheidung des OGH in Sachen urheberrechtliche Beurteilung von Parodien geführt hat (OGH 13.07.2010, 4 Ob 66/10z - "Lieblingshauptfrau"). Dass die Rechteinhaber des parodierten Werks die Wertungen der Parodie nicht teilen, liegt in diesen Fällen in der Natur der Sache. Hätte, wenn man die Überlegungen des EuGH aufgreift, die Salzburger SPÖ nicht auch ein berechtigtes Interesse daran, dass das Bild der damaligen SPÖ-Landeshauptfrau nicht mit Aussagen militanter Abtreibungsgegner in Verbindung gebracht wird?

Ist eine Parodie aber als solche klar erkennbar, dann geht ohnehin niemand davon aus, dass die damit transportierte Aussage vom Rechteinhaber des geschützten parodierten Werks stammt. Vielleicht liegt gerade darin die Problematik des vom EuGH entschiedenen Falls: es hätte dort wohl durchaus sein können, dass der Eindruck entsteht, die bekannte Comicfigur werde in Übereinstmmung mit den Rechteinhabern für die diskriminierende politische Kampagne verwendet (näheres zum Fall, insbesondere eine Abbildung der "Parodie" selbst, siehe in den Schlussanträgen des Generalanwalts).

Die Zielrichtung der Parodie kann aber - worauf auch Sabine Jacques auf EU LawAnalysis hinweist - höchst unterschiedlich sein: das parodierte Werk selbst, dessen Urheber, aber auch - wie im Ausgangsfall - Dritte, die mit dem parodierten Werk gar nichts zu tun haben. Meines Erachtens kommt der vom EuGH angenommene, die Meinungsäußerungsfreiheit begrenzende Faktor - dass die Rechteinhaber am parodierten Werk ein berechtigtes Interesse daran haben, nicht mit einer bestimmten Aussage in Verbindung gebracht zu werden - am ehesten dort in Betracht, wo sich die Parodie nicht gegen das parodierte Werk oder dessen Urheber selbst richtet.

Parodie und Urheberrecht in Österreich
Die vom EuGH entschiedene Rechtsfrage, was überhaupt unter einer Parodie im unionsrechtlichen Sinne zu verstehen ist, stellt sich in Österreich nicht direkt. Art 5 Abs 3 lit k der Richtlinie 2001/29 sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten "für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches" Ausnahmen oder Beschränkungen bestimmter Rechte (Vervielfältigungsrecht nach Art 2 und Recht der öffentlichen Wiedergabe bzw der öffentlichen Zugänglichmachung nach Art 3 der RL) vorsehen können. Österreich hat in der nationalen Gesetzgebung von dieser Ausnahmemöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, allerdings ergibt sich eine derartige Ausnahme aus der Rechtsprechnug des Obersten Gerichtshofes (siehe den schon erwähnten "Lieblingshauptfrau"-Beschluss, in dem sich der OGH auch - deutlich umfassender als der EuGH - mit dem Begriff der Parodie auseinandersetzt).An die Zulässigkeit einer Parodie ist aber "grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen", sagt der OGH.

Allgemein zum Verhältnis von Urheberrecht und freier Meinungsäußerung judiziert der OGH in ständiger Rechtsprechung, dass dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung entgegenstehen kann; ob dies der Fall ist, ist durch eine Abwägung der vom Urheber oder seinem Werknutzungsberechtigten verfolgten Interessen mit dem Recht der freien Meinungsäußerung zu beurteilen (RS0115377).

Meinugsäußerungsfreiheit und Urheberrecht vor dem EGMR
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK die Interessen des Urhebers im Einzelfall überwiegen kann (siehe insbesondere das Urteil im Fall Ashby [Beiträge dazu etwa auf Internet-Law, bei Telemedicus, oder im im Kluwer Copyright Blog]; siehe zudem auch die Entscheidung im Fall Neij und Sunde Kolmisoppi [im Blog dazu hier].

Wednesday, July 24, 2013

Niemals vergessen (1): EuGH-Generalanwalt Jääskinen gegen ein "Recht auf Vergessenwerden"

In der Rechtssache C-131/12, Google Spain, S.L. und Google, Inc., - siehe im Blog dazu schon hier - hat Generalanwalt Jääskinen am 25. Juni 2013 seine Schlussanträge erstattet. Er spricht sich darin klar gegen ein "Recht auf Vergessenwerden" aus und räumt der Freiheit der Meinungsäußerung und des Informationszugangs Priorität ein gegenüber dem Wunsch eines Bürgers, dass Google Suchergebnisse, die ihn in einem negativen Licht zeigen, nicht mehr anzeigen dürfe.

Im Ausgansgfall - ganz knapp zusammengefasst - geht es um das Begehren eines spanischen Bürgers, dass Google bei Suchanfragen nach seinem Namen eine bestimmte Zeitungswebsite nicht anzeigen soll, auf der Informationen zu einem längst erledigten Zwangsversteigerungsverfahren (die damals legal publiziert wurden und richtig sind) verfügbar sind.

Vom EuGH zu klären ist zunächst schon die Frage, ob die spanische Datenschutzbehörde überhaupt zuständig ist, da Google Spain nur für die Werbevermarktung verantwortlich sein will und Google Inc meint, dass jedenfalls in Spanien keine Verarbeitung durchgeführt wird. Vor allem aber geht es um die Frage, ob aus der Datenschutzrichtlinie ein Recht abgeleitet werden kann, dass die Ergebnisse von Suchanfragen in der vom Betroffenen gewünschten Weise zensiert werden müssten, und ob gegebenenfalls ein solches Recht, wenn schon nicht aus der Richtlinie, so doch aus der Grundrechtecharta abgeleitet werden könne.

Generalanwalt Jääskinen setzt den Ton seiner Schlussanträge schon recht zu Beginn, indem er - noch in den Vorbemerkungen (RNr 30) - den Gerichtshof anhält, "bei der Auslegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie Vernunft walten zu lassen," um unangemessene und übermäßige Rechtsfolgen zu vermeiden. Auch in der Folge warnt er den EuGH vor einer überzogenen Auslegung der Datenschutzrichtlinie, bei deren Erlassung im Jahr 1995 der Gemeinschaftsgesetzgeber die Entwicklung des Internets noch nicht vorhergesehen hat.

Zum räumlichen Anwendungsbereich geht Jääskinen pragamtisch vor und knüpft de facto daran an, ob der Suchmaschinenbetreiber im jeweiligen Mitgliedstaat eine Niederlassung hat, auch wenn diese sich nicht mit der Suche befasst, sondern - wie auch in Spanien - ausschließlich mit der Werbevermarktung, "wenn diese Niederlassung als Bindeglied zwischen dem Referenzierungsdienst und dem Werbemarkt des betreffenden Mitgliedstaats fungiert, selbst wenn der technische Datenverarbeitungsvorgang in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittländern erfolgt." (siehe die Kritik daran auf delegelata.de)

Google als für die Datenverarbeitung Verantwortlicher?
Auch im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie wählt Jääskinen einen pragmatischen und meines Erachtens sachgerechten Zugang. Jääskinen postuliert zunächst, dass "bei der Auslegung der Richtlinie im Hinblick auf neue technologische Phänomene der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Ziele der Richtlinie und die in ihr vorgesehenen Mittel zur Erreichung dieser Ziele berücksichtigt werden müssen, um zu einem ausgewogenen und angemessenen Ergebnis zu gelangen."

Davon ausgehend prüft er, ob der Suchdiensteanbieter wirklich über "die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten" entscheidet (und damit als "für die Verarbeitung Verantwortlicher" im Sinne der Richtlinie anzusehen ist). Das könnte man - wie auch die Art-29-Datenschutzgruppe aufgezeigt hat - bei wörtlicher Auslegung durchaus so sehen, was aber, nach Ansicht des Generalanwalts,
zeigt, zu welch unsinnigen Ergebnissen eine nicht hinterfragte wortwörtliche Auslegung der Richtlinie im Kontext des Internets führen kann. Der Gerichtshof darf keiner Auslegung folgen, die praktisch jede Person, die ein Smartphone, ein Tablet oder einen Laptop besitzt, zu einem für die Verarbeitung von im Internet veröffentlichten personenbezogenen Daten Verantwortlichen macht. [...]
Ein Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter, der lediglich ein Instrument zur Lokalisierung von Informationen bereitstellt, übt keine Kontrolle über die auf Webseiten Dritter vorhandenen personenbezogenen Daten aus. [...]
Die Bereitstellung eines Instruments zur Lokalisierung von Informationen impliziert keine Kontrolle über die Inhalte. [Hervorhebung hinzugefügt]
Eine angemessene Auslegung der Richtlinie gebietet nach Ansicht des Generalanwalts deshalb, den Diensteanbieter (Suchmaschinenbetreiber) nicht generell als für die Verarbeitung Verantwortlichen anzusehen, zumal man bei Zugrundelegung der entgegensetzten Auffassung Suchmaschinen als mit dem Unionsrecht unvereinbar erklären müsste - "ein abwegiges Ergebnis", wie der Generalanwalt ausdrücklich festhält.

Suchmaschine dient berechtigtem Interesse  
Verantwortlich ist der Suchmaschinenbetreiber nach Jääskinen für seinen Index, nicht aber für den Cache. Die Verarbeitung der Informationen für den Index muss daher den Vorgaben der Richtlinie genügen. Es dürfte, so der Generalanwalt, auf der Hand liegen, dass die Erbringung von Internetsuchmaschinen-Diensten als solche einem berechtigten Interesse dient, nämlich
i) den Internetnutzern Informationen einfacher zugänglich zu machen,
ii) die Verbreitung der ins Internet gestellten Informationen effektiver zu gestalten und
iii) verschiedene Dienste der Informationsgesellschaft zu ermöglichen, die der Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter ergänzend zur Internetsuchmaschine anbietet, etwa die Schlüsselwörterwerbung.
Diesen drei Zielen entsprechen jeweils drei durch die Charta geschützte Grundrechte, nämlich die Informationsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung (beide nach Art. 11) und die unternehmerische Freiheit (Art. 16). Ein Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter nimmt daher ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 7 Buchst. f der Richtlinie wahr, wenn er im Internet zugängliche Daten, einschließlich personenbezogener Daten, verarbeitet.
Der Generalanwalt kommt dann zum Ergebnis, dass eine nationale Datenschutzbehörde einen Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter nicht zur Entfernung von Informationen aus seinem Index verpflichten kann, es sei denn, der Diensteanbieter hat exclusion codes nicht beachtet oder ist einer Aufforderung seitens des Websitebetreibers zur Aktualisierung des Cache nicht nachgekommen. [...] Ob ein Verfahren zur Meldung und Entfernung von Links zu Quellenwebseiten mit illegalen oder anstößigen Inhalten möglich ist, bestimmt sich nach der nach dem nationalen Recht bestehenden zivilrechtlichen Verantwortlichkeit, die auf anderen Gründen als dem Schutz personenbezogener Daten beruht.

Kein "Recht auf Vergessenwerden" nach der Datenschutzrichtlinie
Aus dem Recht auf Berichtigung, Löschung und Sperrung nach der Datenschutzrichtlinie lässt sich bei Daten, die weder unvollständig noch unrichtig noch aus anderen Gründen nicht richtlinienkonform sind, kein Löschanspruch ableiten. Auch das Widerspruchsrecht, das überwiegende schutzwürdige Gründe des Betroffenen voraussetzt, führt nicht zu einem Recht auf Vergessenwerden:
Werden Daten ohne Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet, kommt es auf die mit der Verarbeitung verfolgten Zwecke und Interessen in Abwägung mit denjenigen der betroffenen Person an und nicht auf die subjektiven Präferenzen dieser Person. Eine subjektive Präferenz stellt noch keinen überwiegenden, schutzwürdigen Grund im Sinne von Art. 14 Buchst. a der Richtlinie dar.
Jedes E-Mail ein Grundrechtseingriff
Schließlich prüft der Generalanwalt die grundrechtliche Dimension der Angelegenheit, wobei hier vor allem die Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 7 Grundrechtecharta bzw Art 8 EMRK) und auf Schutz personenbezogener Darten (Art 8 GRC) einerseits und die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Art 11 GRC bzw Art 10 EMRK) von Interesse ist.

Bemerkenswert ist zunächst, dass der Generalanwalt angesichts der im Unionsrecht weit gefassten Begriffe "personenbezogene Daten" und "'Verarbeitung" solcher Daten zum Ergebnis kommt, "dass jeder auf automatisierte Verfahren gestützte Kommunikationsvorgang, etwa per Telekommunikation, E-Mail oder in den sozialen Medien, der eine natürliche Person betrifft, an sich schon einen mutmaßlichen Eingriff in das Grundrecht darstellt, der der Rechtfertigung bedarf". Aus der Auslegung der Richtlinie ergeben sich die Grenzen, die einem Privaten bei der Datenverarbeitung gesetzt sind - und daraus wiederum ergibt sich die Frage, ob eine Handlungspflicht der Union und der Mitgleidstaaten dahin besteht, gegenüber Internetsuchmaschinen-Diensteanbietern, bei denen es sich um Private handelt, ein Recht auf Vergessenwerden durchzusetzen.  

Abwägung mit Art 11 GRC
In der konkreten Abwägung betont Jääskinen das Recht der Internetnutzer, im Internet verfügbare Informationen zu suchen und zu empfangen, und das - ebenso durch Art 11 GRC geschützte - Recht der Webseitenurheber, Inhalte ins Internet zu stellen. Bemerkenswert ist, dass er den "exclusion codes" (zB robots.txt) auch in diesem Zusammenhang Bedeutung einräumt:
Wer Inhalte ins Internet stellt, macht von der Freiheit der Meinungsäußerung Gebrauch; dies gilt umso mehr, wenn der Urheber seine Seite mit anderen Seiten verknüpft, das Indexieren und Archivieren durch Suchmaschinen nicht einschränkt und damit zu erkennen gibt, dass er eine weite Verbreitung der Inhalte anstrebt.
In die Abwägung geht auch ein, dass es sich bei den von Google angezeigten Suchergebnissen um eben solche handelt: um Ergebnisse einer gezielten Suche.
130.   Das im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsstreits stehende Datenschutzproblem tritt nur auf, wenn ein Internetnutzer den Vor- und die Nachnamen der betroffenen Person in die Suchmaschine eingibt und ihm daraufhin ein Link zu den Webseiten der Zeitung angezeigt wird, die die beanstandeten Bekanntmachungen enthalten. In einem solchen Fall macht der Internetnutzer aktiv von seinem Recht auf Empfang von Informationen über die betroffene Person aus öffentlichen Quellen Gebrauch, und zwar aus Gründen, die nur ihm bekannt sind.
131.   In der heutigen Informationsgesellschaft gehört die mittels einer Suchmaschine betriebene Suche nach im Internet veröffentlichten Informationen zu den wichtigsten Formen der Ausübung dieses Grundrechts. Dieses Recht umfasst zweifellos das Recht, sich um Informationen über andere natürliche Personen, die grundsätzlich durch das Recht auf Privatleben geschützt sind, also etwa um im Internet vorhandene Informationen über die Tätigkeit einer natürlichen Person als Geschäftsmann/-frau oder Politiker/in, zu bemühen. Das Recht des Internetnutzers auf Informationen wird beeinträchtigt, wenn bei seiner Suche nach Informationen über eine natürliche Person Ergebnisse angezeigt werden, die die einschlägigen Webseiten nicht in ihrer wahren Form wiedergeben, sondern in einer [gesäuberten] „Bowdler“-Version.
132. Ein Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter, der auf eine Suchmaschine gestützte Instrumente zur Lokalisierung von Informationen im Internet bereitstellt, macht rechtmäßigen Gebrauch von seiner unternehmerischen Freiheit und von der Freiheit der Meinungsäußerung.
133. Angesichts der besonders komplexen und schwierigen Grundrechtskonstellation im vorliegenden Fall lässt es sich nicht rechtfertigen, die nach Maßgabe der Richtlinie bestehende Rechtsstellung der betroffenen Personen zu verstärken und um ein Recht auf Vergessenwerden zu ergänzen. Andernfalls würden entscheidende Rechte wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit geopfert. 
Kritik an "notice und takedown" und daraus resultierender privater Zensur
Schließlich geht der Generalanwalt noch einen Schritt weiter und rät dem EuGH ausdrücklich auch davon ab, "in seinem Urteil zu dem Ergebnis zu gelangen, dass diese einander widerstreitenden Interessen im jeweiligen Einzelfall auf zufriedenstellende Weise in ein Gleichgewicht gebracht werden können und dass die Entscheidung dem Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter überlassen bleibt."
Derartige Verfahren zur Meldung und Entfernung, sollte der Gerichtshof sie vorschreiben, werden wahrscheinlich entweder zu einer automatischen Löschung von Links zu beanstandeten Inhalten oder zu einer von den beliebtesten und wichtigsten Internetsuchmaschinen-Diensteanbietern nicht zu bewältigenden Anzahl von entsprechenden Anträgen führen. [...]
Vor allem sollten die Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter nicht mit einer solchen Pflicht belastet werden. Es käme zu einem Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung des Webseitenurhebers, der in einem solchen Fall ohne angemessenen Rechtsschutz bliebe, da ein ungeregeltes Verfahren zur Meldung und Entfernung eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen der betroffenen Person und dem Suchmaschinen-Diensteanbieter wäre. Dies liefe auf eine Zensur der vom Urheber veröffentlichten Inhalte durch einen Privaten hinaus. Auf einem ganz anderen Blatt steht hingegen, dass den Staaten die Handlungspflicht obliegt, gegen einen das Recht auf Privatleben verletzenden Verleger einen wirksamen Rechtsbehelf vorzusehen, der im Kontext des Internets gegen den Webseitenurheber gerichtet wäre.
Im Übrigen ist anzumerken, dass der betroffene spanische Bürger, der den Anstoß zu diesem Verfahren gab, selbst dann nicht vergessen würde, wenn der EuGH ihm - gegen die Ausführungen des Generalanwalts - ein Recht auf Vergessenwerden einräumen sollte: denn sein Name - Mario Costeja González - ist nun mit der Rechtssache vor dem EuGH auf immer verbunden. Es sei denn, natürlich, Herr Costeja González könnte auch gegenüber der Website des EuGH ein Recht auf Vergessenwerden durchsetzen ...

PS: Nicht gegen eine Suchmaschine, sondern direkt gegen das Online-Archiv einer Zeitungswebsite richtete sich eine vor dem EGMR abgehandelte Beschwerde, die ebenfalls ein "Recht auf Vergessenwerden" (Löschen eines Artikels aus dem Online-Archiv) durchsetzen wollte. Zu diesem Fall, Węgrzynowski und Smolczewski gegen Polen, werde ich voraussichtlich in den nächsten Tagen hier mehr schreiben unter "Niemals vergessen (2)". Vorweggenommen sei soviel: auch der EGMR sprach sich - wie hier Generalanwalt Jääskinen im Fall Google - gegen eine gerichtlich angeordnete Geschichtsfälschung aus.

Update 26.07.2013: siehe auch den Beitrag auf Huťko´s Technology Law Blog.
Update 20.05.2014: zum Urteil des EuGH in dieser Sache siehe hier.

Thursday, July 18, 2013

EuGH: unterschiedliche Werbebeschränkungen für Pay-TV und Free-TV grundsätzlich zulässig

Darf der nationale Gesetzgeber für Pay-TV-Anbieter kürzere zulässige Werbezeiten vorsehen als für Veranstalter von frei empfangbarem Fernsehen? Diese Frage hat der EuGH heute mit seinem Urteil in der Rechtssache C-234/12 Sky Italia, den Schlussanträgen von Generalanwältin Kokott folgend, grundsätzlich bejaht - vorbehaltlich allerdings der vom vorlegenden nationalen Gericht noch vorzunehmenden Prüfung, ob auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird.

Nach Art 4 Abs 1 der Richtline über audiovisuelle Mediendienste können die Mitgliedstaaten "Mediendiensteanbieter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, verpflichten, strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen nachzukommen, sofern diese Vorschriften im Einklang mit dem Unionsrecht stehen." Der EuGH entnimmt dieser Bestimmung, ohne dies noch weiter herzuleiten, dass die Mitgliedstaaten Mediendiensteanbeiter verpflichten können, "strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen und in bestimmten Fällen unterschiedlichen Bedingungen" nachzukommen (RNr 13 des Urteils; Hervorhebung hinzugefügt).

Der Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er in Art 20 und 21 der Grundrechtecharta verankert ist, steht dem nicht entgegen, sofern sich die Betroffenen nicht in einer vergleichbaren Situation befinden. die Vergleichbarkeit zweier verschiedener Sachverhalte ist "in Anbetracht aller Merkmale, die sie kennzeichnen, sowie anhand der Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs, in den die in Rede stehende Regelung fällt, zu beurteilen". Zwischen Pay-TV und Free-TV-Veranstaltern bestehen diesbezüglich nach Ansicht des EuGH relevante Unterschiede:
20   In Bezug auf die Regelungen über die Sendezeit für Fernsehwerbung unterscheiden sich nämlich die finanziellen Interessen der Veranstalter von Bezahlfernsehen von denen der Veranstalter von frei empfangbarem Fernsehen. Während Erstere durch die von den Zuschauern abgeschlossenen Abonnements Einnahmen erzielen, verfügen Letztere über keine solche unmittelbare Finanzierungsquelle und müssen die benötigten Mittel durch mit Fernsehwerbung erzielte Einnahmen oder durch andere Finanzierungsquellen aufbringen.
21   Ein solcher Unterschied ist grundsätzlich geeignet, die Veranstalter von Bezahlfernsehen im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Regelungen über die Sendezeiten für Fernsehwerbung auf ihre Finanzierungsmodalitäten in eine objektiv andere Situation zu versetzen.
22   Überdies unterscheidet sich die Situation der Zuschauer, die als Abonnenten die Dienste eines Veranstalters von Bezahlfernsehen in Anspruch nehmen, objektiv von der Situation der Zuschauer eines Veranstalters von frei empfangbarem Fernsehen. Die Abonnenten unterhalten nämlich eine unmittelbare Geschäftsbeziehung mit ihrem Fernsehveranstalter und zahlen einen Preis, um in den Genuss der Fernsehprogramme zu kommen.
23   Bei der Suche nach einem ausgewogenen Schutz der finanziellen Interessen der Fernsehveranstalter und der Interessen der Fernsehzuschauer im Bereich der Fernsehwerbung konnte der nationale Gesetzgeber daher, ohne gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verstoßen, die Sendezeit pro Stunde für diese Werbung unterschiedlich begrenzen, je nachdem, ob es sich um Veranstalter von Bezahlfernsehen oder von frei empfangbarem Fernsehen handelt. 
In Bezug auf die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zur Vereinbarkeit der Beschränkung mit der Dienstleistungsfreiheit (Art 56 AEUV) verweist der EuGH auf seine Rechtsprechung, dass der Schutz der Verbraucher gegen ein Übermaß an geschäftlicher Werbung einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt (Urteil vom 28.10.1999, C-6/98 ARD), dass die Beschränkung aber zur Zielerreichung geeignet sein muss und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist (Urteil vom 18.10.2012, C-498/10, X). Wie so oft kommt es also letztlich auf die Frage der Verhältnismäßigkeit an, die freilich vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

Die spannendere zweite Vorlagefrage war, ob Art 11 der Grundrechtecharta, ausgelegt im Licht von Art 10 EMRK, "sowie insbesondere der Grundsatz der Informationsvielfalt" der italienischen Regelung entgegenstehen. Das vorlegende Gericht meinte dazu, dass diese Regelung "den Wettbewerb verzerrt und die Begründung bzw. den Ausbau einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt der Fernsehwerbung begünstigt". Diese Frage ist natürlich vor dem spezifisch italienischen Hintergrund zu verstehen, in dem Sky Italia als "Murdoch-Pay-TV" den vor allem im Free-TV starken "Berlusconi"-Sendern von Mediaset gegenübersteht, die rein zufällig von diversen gesetzlichen Regelungen immer wieder einmal profitiert haben (siehe nur beispielsweise hier).

Leider stellte sich der EuGH dieser Frage nicht und verwies darauf, dass die Vorlageentscheidung "äußerst unvollständig" sei, "was Informationen u. a. zur Definition des relevanten Marktes, zur Berechnung der Marktanteile der verschiedenen auf diesem Markt tätigen Unternehmen und zu dem vom vorlegenden Gericht in seiner zweiten Frage erwähnten Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung betrifft."

Update 16.07.2013: siehe zu diesem Urteil auch den Bericht auf medialaws.eu (in italienischer Sprache)