Der EuGH folgt in der Sache der stringenten Analyse der Generalanwältin (sodass ich dazu im Wesentlichen auf mein Posting zu den Schlussanträgen verweisen kann), beantwortet die (so nicht gestellte, sondern notwendigerweise kräftig umformulierte) Vorlagefrage aber noch ausführlicher und deutlicher. Demnach steht Art 34 der RL 2002/22/EG einer Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegen, "die in Streitfällen zwischen Endnutzern und Dienstanbietern auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikationsdienste, in denen von dieser Richtlinie verliehene Rechte in Frage stehen, als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage einen obligatorischen Versuch der außergerichtlichen Streitbeilegung vorschreibt."
Daran war ohnehin nicht zu zweifeln. Von größerer Bedeutung ist allerdings der zweite Absatz des Urteilsspruchs:
"Die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes stehen einer nationalen Regelung, die für solche Streitfälle die vorherige Durchführung eines außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahrens vorschreibt, gleichfalls nicht entgegen, wenn dieses Verfahren nicht zu einer die Parteien bindenden Entscheidung führt, keine wesentliche Verzögerung für die Erhebung einer Klage bewirkt, die Verjährung der betroffenen Ansprüche hemmt und für die Parteien keine oder nur geringe Kosten mit sich bringt, vorausgesetzt jedoch, dass die elektronische Kommunikation nicht das einzige Mittel des Zugangs zu diesem Streitbeilegungsverfahren bildet und dass Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes in Ausnahmefällen möglich sind, in denen die Dringlichkeit der Lage dies verlangt."Zur besseren Lesbarkeit hier eine gegliederte Übersicht der vom EuGH postulierten Voraussetzungen, unter denen ein zwingendes Streitschlichtungsverfahren vor Klagseinbringung zulässig ist, wenn es um Rechte geht, die durch Unionsrecht verliehen wurden:
- keine bindende Erledigung
- keine wesentliche Verzögerung
- Hemmung der Verjährung der betroffenen Ansprüche
- keine oder nur geringe Kosten für die Parteien
- keine reinen "Online-ADR-Verfahren" (elektronische Kommunikation darf nicht das einzige Mittel sein, um Zugang zu diesem Streitbeilegungsverfahren zu erhalten)
- Maßnahmen des (gerichtlichen) vorläufigen Rechtsschutzes müssen in dringlichen Fällen möglich bleiben
Zusätzlich zu den oben ausdrücklich genannten Punkten gilt natürlich, dass die Durchsetzung der durch die Union gewährten Rechte nicht gegenüber der Durchsetzung der aus dem nationalen Recht hergeleiteten Rechte benachteiligt sein darf (vgl Rn 51 des Urteils bzw Rn 41 der Schlussanträge).
Im Übrigen fällt auf, dass der EuGH, auch wenn es nicht wirklich entscheidungswesentlich ist, Art 47 der Grundrechte-Charta ("Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht") ausdrücklich zitiert. Die Ausgangsfälle dieses Verfahrens betrafen zwar klassische Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art 6 EMRK, sodass sich aus der Bezugnahme auf Art 47 GRC keine materielle Änderung gegenüber dem schon bisher als "Gemeinschaftsgrundrecht" ("gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten") anerkannten Art 6 EMRK ergibt. In Fällen aber, in denen keine "civil rights" iSd EMRK, wohl aber sonstige Rechte, die sich aus Unionsrecht herleiten, gegenständlich sind, kann Art 47 GRC jedoch durchaus zu erweiterten Anforderungen an den Rechtsschutz in den Mitgliedstaaten führen (rein administrative Instanzenzüge ohne volle gerichtliche Kontrolle scheinen damit jedenfalls nciht mehr vereinbar).
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