"Es besteht grundsätzlich ein erhebliches Interesse einer breiteren Öffentlichkeit an der Information über allfällige Missstände in der Kundenberatung im Versicherungsgeschäft. ... Die Information der Öffentlichkeit auch über Missstände aller Art gehört zu den Aufgaben der Journalisten. ...Für eine kritische Berichterstattung über allfällige Missstände bei der Kundenberatung im Privatversicherungsgeschäft bestehen vielfältige Möglichkeiten. Die Journalisten können die Jahresberichte der Ombudsstelle für Privatversicherungen darstellen und kommentieren, Mitarbeiter der Ombudsstelle befragen, unmittelbar betroffene Kunden zu Wort kommen lassen, konkret abgeschlossene Verträge kommentieren, aus welchen sich ergeben kann, dass sie nicht auf die Bedürfnisse der Versicherungsnehmer zugeschnitten und diese offenkundig schlecht beraten worden sind, und anderes mehr.Durch das inkriminierte Verhalten wurde gezeigt und 'bewiesen', was ein bestimmter Versicherungsvertreter (der Beschwerdegegner) im Rahmen eines bestimmten Beratungsgesprächs (mit der Beschwerdeführerin 4) im Einzelnen gesagt hatte. ... Durch das inkriminierte Verhalten wurde mithin den Fernsehzuschauern vorgeführt, dass ein konkretes Beratungsgespräch eines bestimmten Versicherungsvertreters mangelhaft war. Das ist indessen eine banale Tatsache. Dass es unter den zahlreichen Versicherungsvertretern auch solche gibt, die - sei es aus Unfähigkeit, sei es, um Kunden zum Abschluss einer unnötigen oder ungünstigen Versicherung zu veranlassen - schlechte Beratungsgespräche führen, kann als eine Tatsache angesehen werden, die dem durchschnittlichen Fernsehzuschauer bekannt ist. ...
Weder aus diesen [im Urteil im Detail angeführten] noch aus anderen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, dass es dem Journalisten gestattet ist, die im Rahmen von (verdeckten) Recherchen geführten Gespräche ohne Einwilligung aller daran Beteiligten auf einen Tonträger aufzunehmen und auszugsweise in einer Fernsehsendung auszustrahlen. Dass ein solches Vorgehen zweifellos die Arbeit des Journalisten erleichtert und die Attraktivität von Fernsehsendungen erhöht, ist rechtlich unerheblich."
Damit dürfte aber das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen sein: die betroffenen Journalisten haben sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, der nun beschlossen hat, den Fall der Schweizer Regierung mitzuteilen (Fall Haldimann u.a. gegen die Schweiz, Appl. no. 21830/09); die Sache wurde also nicht schon von vornherein als offensichtlich unzulässig eingestuft. Auf das - noch nicht allzubald zu erwartende - Urteil des EGMR kann man gespannt sein, insbesondere auch darauf, ob bzw. wieweit der EGMR bei der Beurteilung der Rechtfertigung auch gestalterische bzw. dramaturgische Überlegungen anerkennt.
[Update 09.03.2015: der EGMR hat mit Urteil vom 24.02.2015, Haldimann ua gegen die Schweiz (Appl. no. 21830/09; Pressemitteilung) in dieser Sache eine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt (siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog).]
[Update 09.03.2015: der EGMR hat mit Urteil vom 24.02.2015, Haldimann ua gegen die Schweiz (Appl. no. 21830/09; Pressemitteilung) in dieser Sache eine Verletzung des Art 10 EMRK festgestellt (siehe dazu den Beitrag von Hugh Tomlinson auf Inforrm's Blog).]
Hinweis für Österreich: Nach den Programmrichtlinien des ORF (Punkt 1.3.12) darf die heimliche Bildaufnahme von Personen "nur in besonderen, durch den Zweck der Aufnahme gerechtfertigten Situationen und nach vorheriger Genehmigung seitens des/der zuständigen Direktors/Direktorin oder Landesdirektors/Landesdirektorin bei der Gestaltung von Programmelementen Verwendung finden." Der alte (und offenbar auch neue, siehe dazu hier) "Ehrenkodex für die österreichische Presse" sieht u.a. "die Verwendung geheimer Abhörgeräte" als unlauter an (Punkt 7.2).Eine strafrechtliche Norm gibt es natürlich auch: § 120 StGB (Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten).
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