Sowohl die Stiftung Niederländischer Rundfunk (NOS) als auch die Niederlande hatten die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung C(2006) 2084 endg. der Kommission vom 22.6.2006 (Beihilfenverfahren C 2/04 (ex NN 170/2003)) beantragt, mit der die Niederlande zur Rückforderung einer Ad-hoc-Beihilfe in der Höhe von rund 76 Mio Euro von der NOS aufgefordert wurde. Es ging dabei um Beträge, die der NOS für die Funktionen, die diese als "öffentlicher Rundfunk" (Publieke Omroep, PO) erfüllt, gewährt wurden (der PO hat im Wesentlichen die Aufgabe, das gesamte System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Niederlanden zu koordinieren).
Abgesehen von den spezifisch niederländischen Aspekten scheint mir wesentlich, dass sich das Gericht (wiederum) mit den Altmark-Kriterien im Detail auseinandersetzt und sie auch für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als maßgebend ansieht; in Fortführung der Rechtsprechung (Urteil des EuG vom 11.03.2009, T-354/05 TF1 / Kommission) hält das Gericht nun ausdrücklich auch fest, dass das Protokoll von Amsterdam nicht ausschließt, dass es sich bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks um eine Beihilfe handeln kann
"144 Aus den Randnrn. 87 bis 94 des Urteils Altmark [...] geht nämlich klar hervor, dass die vom Gerichtshof in diesem Urteil entwickelten Grundsätze allgemein anzuwenden sind, auch wenn sie im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens eines nationalen Gerichts erläutert wurden. Der Gerichtshof hat den im Urteil Altmark entwickelten Grundsatz weder auf den Einzelfall beschränkt oder seine Anwendung dem nationalen Gericht vorbehalten noch den Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von seinem Anwendungsbereich ausgenommen. [...]
149 Was drittens das Protokoll von Amsterdam angeht, schließt es zum einen nicht aus, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine staatliche Beihilfe sein kann. Es sieht nämlich vor, dass die Bestimmungen des Vertrags die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, nicht berühren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Europäischen Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist. NOS kann demnach nicht geltend machen, dass das Protokoll von Amsterdam die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften ausschließt und der Kommission untersagt, unter Heranziehung der vom Gerichtshof im Urteil Altmark, oben in Randnr. 13 angeführt, definierten Kriterien zu überprüfen, ob die Ad-hoc-Zahlungen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den Niederlanden einen wirtschaftlichen Vorteil darstellen.
150 Zum anderen bestreitet die Kommission nicht die grundlegende Rolle des Protokolls von Amsterdam bei der Beurteilung einer Finanzierung der Rundfunkanstalten, die ihnen zur Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags gewährt wird. Die Kommission verweist im Übrigen auf Erwägungsgrund 122 der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 8 ('Vereinbarkeit der Beihilfe mit Art. 86 Abs. 2 EG'). Die Kommission hat diese Prüfung auch unter Heranziehung der Rechtsprechung (Erwägungsgründe 113 und 114 der angefochtenen Entscheidung) und der Mitteilung über den Rundfunk durchgeführt, die u. a. auf das Protokoll von Amsterdam verweist. Es kann daher nicht geltend gemacht werden, dass die Kommission dieses Protokoll nicht berücksichtigt hat."
Weiters ist meines Erachtens gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Umstellungen im österreichischen Finanzierungssystem (direkte Subventionen für den ORF aus dem Bundesbudget in den Jahren 2010 bis 2013, aka "Refundierung der Gebührenbefreiung", bei Erfüllung bestimmter Auflagen) bemerkenswert, dass das Gericht im Hinblick auf das Vorliegen einer neuen Beihilfe relativ formal (und streng) bleibt: zwar wurde anerkannt, dass die konkreten Ad hoc-Finanzierungen im Zusammenhang mit dem Gesamtfinanzierungssystem standen, dennoch ist es bedeutsam, dass diese Finanzierungen auf Grund jeweils einzelner Rechtsakte - und nicht automatisch - erfolgten, sodass eine neue Beihilfe vorlag.
"173 In Erwägungsgrund 109 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission fünf Merkmale aufgelistet, die die Ad-hoc-Zahlungen von den regulären jährlichen Zahlungen unterscheiden und die ihrer Ansicht nach dagegen sprechen, dass diese Zahlungen als bestehende Beihilfen bewertet werden:– Die rechtliche Grundlage der Ad-hoc-Zahlungen sei nach dem Inkrafttreten des EG-Vertrags geschaffen worden, d. h. für die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits maßgeblichen Zahlungen im Jahr 1998, um Ad-hoc-Zahlungen aus dem FOR an die Rundfunkanstalten zu ermöglichen.– Tatsächlich seien Zahlungen erst seit 1994 erfolgt, Zahlungen aus dem FOR erst ab 1999.– Die Ad-hoc-Zahlungen könnten nicht als Zahlungen betrachtet werden, auf die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Anrecht hätten; die Zahlung erfolge nicht automatisch.– Die Bedingungen, unter denen Gelder übertragen werden könnten, seien in den Transferprotokollen der Jahre 1999 und 2002 enthalten.– Die Finanzierung werde für bestimmte Zwecke gewährt, u. a. um die Rundfunkanstalten zur Produktion besserer Programme zu motivieren, um schwankende Werbeeinnahmen zu kompensieren, um die Rundfunkanstalten in die Lage zu versetzen, höhere Preise für Rechte zur Übertragung von Sportsendung zu zahlen, oder um verstärkt Koproduktionen mit belgischen und deutschen Rundfunkanstalten zu ermöglichen.182 Bestimmte Merkmale der Ad-hoc-Finanzierungen ähneln zwar in gewisser Hinsicht Mechanismen, die in der Vergangenheit bestanden haben, oder denen bestimmter jährlicher Zahlungen. Trotzdem belegen die Merkmale der Ad-hoc-Zahlungen insgesamt, dass es sich um eine neue Beihilfe handelt, die sich von der im Jahr 1958 eingerichteten Regelung trennen lässt. Das schließt ihre Angliederung an eine bestehende Beihilfe aus [...]"
Vor diesem Hintergrund könnte man durchaus Zweifel haben, ob der in Österreich 2010 neu eingeführte direkte staatliche Zuschuss an den ORF für die Jahre 201 bis 2013 tatsächlich keine wesentliche Änderung der bestehenden Beihilfe darstellt; umso mehr muss der ORF den österreichischen Verhandlern im Beihilfenverfahren dankbar sein, dass die Kommission in ihrer Einstellungsentscheidung diese Änderung bereits akzeptiert hat (Abs. 241 der Entscheidung: "Gestützt auf die Randnummern 29 bis 31 der Rundfunkmitteilung von 2009 teilt die Kommission die Ansicht Österreichs, dass dieser Ausgleich keine wesentliche Änderung der bestehenden Beihilferegelung bewirken wird").
Zurück zum aktuellen Urteil: bemerkenswert finde ich schließlich noch, dass das Gericht die (hier noch relevante alte) Rundfunkmitteilung der Kommission de facto wie eine verbindliche Rechtsquelle behandelt (zB in RNr 216: "Nach den Nrn. 57 und 58 der Mitteilung über den Rundfunk ist die Kommission ... zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, dass ...").
Update: Rechtsmittel gegen das Urteil des EuG sind beim EuGH zu C-104/11 P Stichting Nederlandse Publieke Omroep (früher: NOS) / Kommssion, und C-105/11 P Niederlande / Kommission anhängig.
Update 07.08.2012: die Rechtssachen wurden mit Beschluss des EuGH nach Zurückziehung der Rechtsmittel aus dem Register gestrichen.
Zurück zum aktuellen Urteil: bemerkenswert finde ich schließlich noch, dass das Gericht die (hier noch relevante alte) Rundfunkmitteilung der Kommission de facto wie eine verbindliche Rechtsquelle behandelt (zB in RNr 216: "Nach den Nrn. 57 und 58 der Mitteilung über den Rundfunk ist die Kommission ... zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, dass ...").
Update: Rechtsmittel gegen das Urteil des EuG sind beim EuGH zu C-104/11 P Stichting Nederlandse Publieke Omroep (früher: NOS) / Kommssion, und C-105/11 P Niederlande / Kommission anhängig.
Update 07.08.2012: die Rechtssachen wurden mit Beschluss des EuGH nach Zurückziehung der Rechtsmittel aus dem Register gestrichen.
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