Monday, July 21, 2008

EuGH C-500/06 Dermoestética: keine selektive Beschränkung der Fernsehwerbung

Die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" ermöglichte es den Mitgliedstaaten, Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, zu verpflichten, "strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen nachzukommen." Auch nach der neuen Fassung der Audiovisuelle Mediendienste Richtlinie besteht diese Möglichkeit weiterhin, ausdrücklich wird nun aber festgehalten, dass die strengeren Bestimmungen "im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehen" müssen. Wie sich an einem aktuellen Urteil des EuGH zeigt, musste man diese Ergänzung aber natürlich auch schon bei der Stammfassung der Richtlinie mitdenken.

In Italien war die Werbung für bestimmte medizinische Dienste nämlich unter anderem dahingehend eingeschränkt worden, dass Fernsehwerbung zwar (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) in örtlichen Sendern zugelassen, in landesweiten Programmen aber gänzlich verboten war. Der spanische Dermoestética Konzern wollte in Italien landesweit für seine Dienstleistungen im Bereich der "kosmetischen Medizin" werben, scheiterte aber an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Ausgangsverfahren für das Vorabentscheidunsgersuchen war eine Klage von Dermoestética gegen eine Werbeagentur vor dem Friedensrichter in Genua (da es dabei nur um 2.000 Euro Anzahlung für die Agenturarbeit ging, würde ich nicht ausschließen, dass die Streitigkeit vor allem dazu diente, die Angelegenheit vor den EuGH zu bringen).

Der EuGH hat nun mit Urteil vom 17. Juli 2008 C-500/06 Corporación Dermoestética SA / To me Group Advertising Media entschieden, dass die italienischen Regelungen mit Art 43 und 49 iVm Art 48 und 55 EG nicht vereinbar waren. Diese Regelungen stellen nämlich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar, die nur dann zulässig wären, wenn sie (kumulativ)
  1. in nicht diskriminierender Weise angewandt werden,
  2. zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen,
  3. zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sind, und
  4. nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
Nun ist der Gesundheitsschutz zwar im zwingenden Allgemeininteresse gelegen und die Regelung über Fernsehwerbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen könnte daher - so der EuGH in RNr. 38 - im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden. Allerdings stellte der EuGH fest, dass Regelung "dadurch, dass sie zu einem Verbot von Werbung für medizinisch-chirurgische Behandlungen über nationale Fernsehsender führt, zugleich aber die Möglichkeit eröffnet, eine solche Werbung über lokale Fernsehsender zu verbreiten, einen Widerspruch aufweist, den die italienische Regierung nicht zu rechtfertigen versucht hat, und damit nicht geeignet ist, dem genannten Ziel in sachgerechter Weise zu dienen." (RNr. 39)

Der EuGH verlangt also keineswegs, dass die Fernsehwerbung für Schönheitsoperationen nun in allen Mitgliedstaaten zugelassen werden muss: wenn es eine Einschränkung gibt, muss sie aber in sich schlüssig und zur Zielerreichung geeignet sein.

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