"Zu den Fernsehprogrammen zählen derzeit insbesondere analoges und digitales Fernsehen, Live Streaming, Webcasting und der zeitversetzte Videoabruf ('Near-video-on-demand')." Schon nach der Fernsehrichtlinie (das Zitat stammt aus Erwägungsgrund 20 der RL 2007/65/EG) ist die europarechtliche Situation eigentlich nicht zweifelhaft: auch Live-Streaming-Angebote sind Fernsehen und unterliegen (bei gewerblicher Veranstaltung) der nach der Richtlinie erforderlichen Aufsicht. In der Praxis hatte das bislang wenig Bedeutung. Nun aber, da die deutsche Medienregulierungsmaschinerie in all ihrer Gründlichkeit und Komplexität angelaufen ist, sorgt das erstmals für eine gewisse Aufregung: "Bayern lizenziert das Internet" betitelt etwa Udo Vetter seine Meldung im law blog über den Beschluss des Medienrats der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), wonach "Internet-Fernseh-Angebote" (Streaming) ab 500 gleichzeitigen Zugriffsmöglichkeiten genehmigungspflichtig sind.
Freilich: die Äußerungen mancher "Medienwächter", wie sich die Vertreter der deutschen Landesmedienanstalten offenbar nicht ungern bezeichnen lassen, zeigen gelegentlich ein eigenartig unentspanntes Verhältnis zum Internet. Professor Ring von der BLM etwa hat Technologieneutralität schon vom Ansatz her stets so verstanden, dass "Rundfunk und Internet endlich unter eine Aufsicht zu stellen" sei, und zuletzt hat Norbert Schneider von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) ein wenig bedauernd darüber gesprochen, dass das Internet "traditionelle, vor allem am Rundfunk ausgerichtete Modelle der Medienregulierung über den Haufen geworfen" habe und aus dem "Privileg, Rundfunk zu gestalten", ein "bezahlbares Jedermann-Prinzip" gemacht habe, was für Regulierer ein Albtraum sei (wunderbar illustriert von Helge Fahrnberger).
In Österreich wird Rundfunkregulierung mit erheblich geringeren Ressourcen betrieben als in der deutschen Medienräterepublik, und so steht in der Praxis auch die Verwaltung knapper Ressourcen eher im Vordergrund als die Beschäftigung mit inhaltlichen Programmfragen. Die Veranstaltung eines Kabelrundfunkprogramms (und als solches wäre ein gestreamtes Programm zu beurteilen) braucht nach § 9 PrTV-G auch bloß angezeigt zu werden und bedarf keiner Genehmigung. Bei der (bis Dezember 2009 notwendigen) Umsetzung der RL über audiovisuelle Mediendienste könnte freilich eine gewisse Präzisierung für Streaming/Webcasting-Angebote erfolgen, wie dies Michael Kogler vom Bundeskanzleramt in einem Vortrag angedeutet hat.
Vielleicht kann man dann auch die verfassungsrechtliche Rundfunkdefinition modifizieren: nicht zuletzt Prof. Korinek hat ja schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass der Wortlaut dieser Bestimmung nahelegt, dass für das Einrichten einer Website eine gesetzliche Ermächtigung notwendig wäre, die auch sicherstellt, "dass die Gestaltung der Homepage den Kriterien der Objektivität und Unparteilichkeit entspricht, dass der Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit entsprochen wird, und dass die befassten Organe unabhängig sind" (JRP 2000, 133). Dieses Ergebnis wurde von Korinek (und auch von mir, in: Berka/Grabenwarter/Holoubek, Gemeinschaftsrecht & Rundfunk) als absurd bezeichnet, Berka spricht (wenn auch mit Fragezeichen) von "obsoletem Verfassungsrecht" (in FS Öhlinger [2004] 584), und Holoubek hat den Umgang mit dieser Bestimmung in einem Vortrag beim letztjährigen REM-Workshop so auf den Punkt gebracht: "'Nicht-Beachtung' als (österreichische) Auslegungsmaxime".
Tuesday, July 15, 2008
Rundfunkaufsicht im Web?
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